2997 Homeofficetag
9:58 a.m. Die
Spinnweben an meinem Zimmerfenster schweben vom warmen Aufwind des Heizkörpers
hochgehoben schaukelnd in der Luft. Auch der schwarze Holzrabe, der am Fenster
hängt, schaukelt sanft im Luftstrom hin und her. Soeben erst durch einen
pensionsveranstalteten, wirklich netten und freundlichen Telefonanruf geweckt,
stelle ich fest: diesem Morgen eignet etwas Aufgeräumtes an. Unten höre ich die
ebenfalls verkühlten Tagis agieren, wodurch mir fröhliche Grundstimmungen
heraufgesendet werden. Danke, liebe Tageskinder! Danke, dass ihr mir so
nebenbei von Mo bis Fr die Morgen aufhellt!
Ich beginne mich gedanklich auf den Tag vorzubereiten:
welche Kleidungsstücke sollte ich wechseln? Muß ich wirklich unbedingt duschen?
Muß ich zum Frühstück mein Gebiß reingeben? - das nämlich mache ich ungern,
weil sich Essensteile ständig unter das schlecht sitzende Gebiß schieben und
manchmal Schmerz auslösenden Druck auslösen und ich somit ohne Gebiß viel
besser beißen und kauen kann. Unten sitzt vermutlich eine Praktikantin bei den
Tagis – muß ich gebißmäßig darauf Rücksicht nehmen? Oder schleiche ich mich nur
kopfnickend und den Gruß verhalten murmelnd vorbei in die Küche? Fahre ich
gleich nach dem Frühstück in den Fressnapf das Katzenzeugs kaufen, oder
später oder verschiebe ich es auf morgen? Esse ich zum Frühstück wieder wie an
all den letzten Tagen Brot mit Tahin, Honig und Zwiebel – um die Erkältung zu
bekämpfen, oder riskiere ich ein normales Frühstück? Kaffee oder Kräutertee
oder beides? Ich hocke also noch im warmen Bett und wäge ab und kläre und
bewege die Szenarien in meinem Herzen und es schaut ein wenig nach einem
weiteren Homeofficetag in legèrer Privatkleidung (Rumrutschhose) a là alter
Schlamper aus, ein Homeofficetag, an dem ich die Wohnung nicht verlasse.
Schließlich lese ich auch gerade einen interessanten Roman (Siegfried Lenz, das
Vorbild). Und den wichtigsten ästhetischen Anspruch der Praktikantin – keinen
zahnluckigen Mund sehen zu müssen - werde ich mit dem Maskentrick umgehen:
unter dem Vorwand meiner Rücksicht auf sie und die Tageskinder wegen meiner
starken Erkältung und deren Ansteckungspotential werde ich eine Ffp2-Maske
tragen, durch die ich sogar laut grüßen könnte.
(29.11.2022)
©Peter Alois
Rumpf November 2022 peteraloisrumpf@gmail.com