Dienstag, 29. November 2022

2995 Mit liebenden Augen anfassen

 

2:57 a.m.  Wie ich diese nächtliche Stille liebe! Und mein kleines Zimmer wirkt für mich im Lichtkegel der Leselampe im Bett sitzend in seiner relativen Dunkelheit rundum so groß und hoch. Was für eine eigenartige Stimmung aufkommt. Ich glaube fast, ich übe das Sterben: still mich meiner Schätze hier innewerden und sie stolz loslassen. Sie nur mit liebenden Augen anfassen, nichts mehr erwarten, dem Surren in den Ohren zuhören, ein paar belächelte Illusionen über die Wirkungsgeschichte meiner Texte begrüßen und pflegen – das allerdings fällt mir am schwersten: nicht mehr verhindern zu können, dass bei Erfüllung meiner illusorischen Hoffnungen für die Zeit nach meinem Tod meine Texte falsch „verbessert“ werden; meine absichtlichen Verstöße gegen Rechtschreibung, Grammatik und stilistische Moral (zB Wortwiederholungen! Ich bin eigentlich ein Geschichtenerzähler, kein Schriftsteller – ich habe Zuhörer, nicht Leser) ausgemerzt werden. Aber das loszulassen werde ich auch noch hinbekommen! Aber vielleicht gehen meine Texte eh einfach unter und ich muß mich nicht ärgern. Ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder ins Zimmer zurück. Die Wellen, die ich jetzt durch die Wirklichkeit laufen spüre und für einen Moment auch gesehen habe, werden mir beim Auflösen helfen. Meine Hustenanfälle reißen an meinen Versuchen zur Konzentration. Nun hocke ich wieder ganz ruhig da. Sofort wird das Surren das stärkste Element der anschwappenden Wirklichkeit: es überdröhnt alles andere. Ich werde mich jetzt flach legen, das Licht löschen und im Dunkeln den Stimmen des Universums lauschen.

 

(29.11.2022)

©Peter Alois Rumpf  November 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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