Freitag, 29. Oktober 2021

2484 Obdachlosigkeit

 

Ordentlich traumverwirrt: mit Mutter und Verwandtschaft gebrochen und in die Obdachlosigkeit gegangen. Auf irgendeinem Musikcamp (fast?) eine Geliebte gewonnen und jedenfalls dann an andere Männer verloren. Plus Verdacht, dass sie früher ein Mann war. Auftritt als cooler Gitarrist einer coolen Band, der doch nie zu Stande kommt … alles mit tiefemotionaler Begleitung: aufgewühlt und zitternd bin ich aufgewacht. Aber meine resignierte Müdigkeit läßt meine Aufregung untergehen und nur Traurigkeit bleibt zurück.

Und jetzt laufen Zacken aus glühendem Licht durch mein Gesichtsfeld. Aus welcher weit entfernten Fremde komme ich jetzt daher? Keine Erinnerung an diesen Traum. Nur verwirrte, fremdelnde und erstarrte Gefühlsballungen.

 

(29.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2483 Alles traurig

 

Die zwei Visionäre gaffen freundlich. Wenn ich die Brille aufsetze, gaffen sie erschrocken. Meine Füße sind mir kalt; dabei lese ich schon eine Stunde lang im Bett warm zugedeckt. Viel Kümmernis umhüllt mein Herz und ich kann sie nicht wirklich benennen. Schwermut beschreibt es ganz gut, aber erklärt nichts. Ich lasse meinen Halt suchenden Blick über mein stolzes Reich gleiten, aber heute macht mich alles traurig. Nicht weil das, was ich da sehe, nicht schön wäre, erhebend, lustig und freundlich, sondern weil es vergeblich ist. Die Medizin wirkt nicht mehr gegen die ewige Krankheit meiner Seele. Und ich schäme mich, dass solcher Reichtum mir nicht genügt. Ich bin so traurig.

 

(28./29.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2482 Der Stachel

 

Herrlich ausgeschlafen. Und noch so schön in Traumfetzen eingewickelt. Ich genieße diesen Zustand. Dann erst bemerke ich den Stachel im Fleisch. Ich dachte, ich hätte ihn schon herausgezogen. Auch jetzt noch bleibt mir die Luft weg und zerdrückt der Schmerz meine Brust. Der Stachel muß raus. Besonnen und geduldig versuche ich, mein Gleichgewicht zu gewinnen und meine Seele zu erforschen und zu ordnen.

 

(28.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2481 Neues Lebensmotto

 

Was habe ich aus Graz mitgebracht? Ein neues Lebensmotto von einem Plakat am Bahnhof: „Mit Plastikflaschen Recyclingheld werden!“ Ansonsten muß ich sagen, dass mir zum Heulen ist. Der Druck auf der Brust wird mich jedoch nicht hindern, bald einzuschlafen. Der Schlaf ist meine Zuflucht.

 

(27./28.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Mittwoch, 27. Oktober 2021

2480 Zu banal?

 

Ich muß Hals und Kopf recken, um die Mur zu sehen, weil die dicke Balkonbalustrade dem Blick im Weg ist. He! Ich muß mich ja ins Zimmer setzen, sonst höre ich bei diesem Straßenlärm meine Frau nicht an die Türe klopfen. Zu banal? Ich schreibe einfach. Alles andere überlasse ich den Göttern.

 

(24.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2479 Die Mur

 

Die Mur fließt dunkel, fast schwarz. Die gelben Blätter leuchten und versäumen nichts. Die Uhr schlägt – sagen wir: fünf; oder dreiviertel sechs. Die Entlüftung im Hotelzimmer: fast wie Gejammer. Fast bin ich schon zu müde für die Sauna. (Sau-Nieren) (mit Lady-Di-Nieren) (Kollekti-Viren) (mit Pack-Tieren) (Fred Frith-tieren) (Free-Taten-Suppe) (komm-Po-Nieren) (mit Kommen-Tieren) Dunkler wird es. Die Dämmerung hat eingesetzt. (muss sie ziehren) Das Abendgeläut. Gegrüßet seisdu Maria. Meine Frau strickt und dreht ein Licht auf. Die unangenehmste Tageszeit für Junkies, Fieberkranke, Sterbende und Menschen auf Entzug. Wie schaff ich den Übergang vom Tag zur Nacht? Durst. Die Schleimhäue sind schon ausgetrocknet. Wasser. Ich schreibe im Halbdunkel. „Bumm bumm bumm“ sagt das vorbeifahrende Auto. Mein Selbst ist nicht selbstverständlich. Die Kirchenglocken läuten und läuten (mich stört das nicht!).

 

(23.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2478 Am Schloßberg

 

Am Schloßberg, am Schloßberg, am Schloßberg. Am Schloßberg scheint die Sonne. Am Schloßberg geht eine leichte Brise. Am Schloßberg sehen wir schön über die Stadt. Ein Harfenspieler hinter mir spielt Harfe. Das Laub ist in Herbstfarben. Der Himmel ist blau. Es ist noch warm in der Sonne, wenn auch der Wind frisch ist. Viele Leute! Eidechsen. Ein sauberes Städtchen, das Gradec! Meine Frau schleudert ihre Jacke über mein Notizbuch und entschuldigt sich dreimal. Die vielen Schritte rundherum knirschen im Kies stereophon, quadrophon, multiphon: wie Geräuschteilchen, die durch den Raum aus verschiedenen Richtungen, mit verschiedenen Geschwindigkeiten, als einzelne, im Familienchor, oder im Duett, Terzett, Quardett, Quintett, Sextett … leicht, schwer, akurat, schleifend fahren, gehen, wandern, traben, auf der Stelle scharren … Dazu kurzzeitig stationärer Vogelgesang. Die Harfe. Wenn die aufhört, hört man eine depperte Ziehharmonika, leider. Wie ich diesen rustikalen Größenwahn hasse! Die Selbstverständlichkeit der Geschmacklosigkeit, die nie bemerken will, wie hässlich, aufdringlich und deplatziert sie ist und mit welcher unverfrorenen dummen Selbstblindheit sie den Raum einzunehmen sie sich unangekränkelt berechtigt fühlt.

Ich weiß nicht, wann ich fertig bin, aber meine liebe Frau liegt noch auf der Bank in der Sonne. Ein Bäumchen schaut wackelnd über das Begrenzungsmäuerchen, noch einigermaßen grün. Verschiedene Sprachen und Dialekte. Gerade an den zarten Passagen der Harfenmusik quetscht, quitscht und grunzt die Dodelmusik herein.

Im Hinuntergehen stelle ich mir vor, wie ich vom Schloßbergpark oben zur Liesl hinunter, wo der Rustikalmusikant steht, Anlauf nehme und selbigen einfach anspringe, auf dass es ihn umhaut und es ihn samt seinem Instrument auf den Asphalt aufknallt; meine möglichen eigenen Verletzungen  aus Edelmut in Kauf nehmend; aber ich bin halt bloß ein Theoretiker und Träumer, kein Mann der Tat.

 

(23.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2477 Meine kluge Frau

 

Graz. Der Schatten des filigranen, metallenen Gestühls geriert sich als feines Kunstwerk vorm Hintergrund des feinkörnigen, festgegossenen Schotters (Erkenntnis meiner klugen Frau) im Sonnenlicht. Vom Prinz-Hansleum drinnen vom Walde her (der einstmals ein paar meiner Werke photographiert hat!) kommend heraus in den Hof getreten sind wir ins Café eingekehrt. That's it!

„Zuerst habe ich geweint, aber dann wieder gelacht!“ - aber war noch in Wien und nicht ich, sondern ein Tageskind, das das fröhlich gesagt hat. Wenn ich hier in Graz auf den festgegossenen Schotter („festgegossen“ - Erkenntnis meiner klugen Frau) starre, sehe ich eine eigenartige Berglandschaft ohne Flüsse und dazugehörige Täler, sondern mit Schrunden und Kare und ein paar mineralgebräunten Felsen.

 

(23.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 22. Oktober 2021

2476 Viel Lärm in der Stille

 

Heute habe ich – obwohl im Bett – alle drei Lichtquellen brennen lassen. Damit … Mir ist so weh ums Herz. Ich stoppe das jetzt, denn ich will mich nicht tiefer darauf einlassen. Mit einem Seufzer richte ich mich innerlich auf – nur innerlich – und stelle mich dem, was da ist, mit festem Blick. Die zwei Visionäre befinden sich im Schatten; ich sehe nicht viel von ihnen. In Rettenschoess türmt sich ein grüner Moloch auf. In Mali Lošinj benimmt sich die Hafenstraße wie eine etwas vereiste Schipiste, flach. Mein Heuwagen scheint in die Raummitte zu schweben. Die zwei Visionäre treten nun deutlicher hervor, ihre sehenden Augen arbeiten auf Stufe sieben. Sie sehen und sehen, nur mir erzählen sie nichts. „Leben“ lese ich wieder dort im Regal. Für drei Sekunden beginnen meine Augen, sich mit Wasser zu füllen, dann ist der Spuk vorbei und das Wasser versiegt.

Es könnt aber auch sein, dass die ganze Zeit jemand mit mir spricht: in meinen Ohren ist viel Lärm in der Stille, aber die Frequenz ist viel zu hoch; es surrt nur; ich kann gar nichts verstehen. Ich kann meine Ohren nicht anpassen.

 

(21./22.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2475 System

 

Ich liege schon länger wach und habe dem grauen Morgenlicht beim Hellerwerden zugeschaut. Ich mach mir Sorgen, dass mein labiles, hingepfuschtes „System“ ins Rutschen gerät. Wahrscheinlich spielen mir meine eingeborenen Ängste auf meiner inneren Kinoleinwand unwirkliche Szenen und unrealistische Varianten vor. Wahrscheinlich. Aber mein aufgewühlter Geist läßt sich nicht beruhigen. Auch meine übliche Flucht in den Schlaf gelingt jetzt nicht. Auch meine toten Eltern in ihrer jetzigen kleineren und filigraneren Wohnstätte können mir nichts sagen und feiern – wie ganz Irdning – kein Ostern mehr, sondern schauen sich im Fernsehen Wrestling an. Ich bin hungrig und ganz vergeblich angereist. Das ist es, was mir im Traum gezeigt wurde. Das Macht die Stimmung nicht besser (warum schreibe ich das Verbum mit großem Anfangsbuchstaben? Was will mir mein Unterbewußtsein sagen?). Ich lasse jetzt den ganzen traumatischen Komplex nicht mein gesamtes System vereinnahmen.

 

(21.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2474 Wie eh und je

 

Das Fenster ist offen und das Zimmerlicht ist trüb. Wie eine fremde Installation hängt dieses unterm Plafond und jenes werde ich bald schließen, weil es kalt wird. Die Nacht ist trotzdem still. Ich hänge schwermütig in den Pölstern, seufzend und ganz unzufrieden mit mir; mit vielen wegwerfenden Gesten im Inneren. Die weiße Wolke in Mali Lošinj führt sich als umgedrehte Badewanne auf, und in Rettenschoess will sich ein Berg mit eingezogenem Gipfel davonschleichen. Die Zitadelle von Veliki Lošinj bemerke ich zum ersten Mal, dabei habe ich selbst das Bild vor dreiunddreißig Jahren gemalt. Die zwei Visionäre sind noch unter Schock, aber beginnen, die Starre aufzulösen. Das Fenster habe ich immer noch nicht zugemacht. Ich bin ratlos. Vielleicht habe ich es geschafft, wenn ich einfach so liegen bleibe, mich nicht mehr rühre. Ich kann nicht mehr weiter. Natürlich weiß ich, dass ich nichts durchziehen werde. Die zwei Visionäre grinsen wieder, wenn auch etwas verhalten. Ich denke an Hypatia von Alexandrien. Beschweren brauch ich mich wirklich nicht. Schlafen mag ich heute auch nicht. Jetzt bin ich so weit, dass ich über mich lache: wie ich da im Bett hocke, alle die Bücher und alle meine Bilder, Karten, Kultgegenstände, das ganze angenagelte und aufgetackerte Zeugs um mich, sozusagen meine magischen Kraftobjekte, und ich bin ratlos wie eh und je.

 

(20./21.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 20. Oktober 2021

2473 Verwandlungen

 

Der schneebedeckte Gipfel verfärbt sich blautürkis. London explodiert. Linz rast. Das Konkrete wird abstrakt und das Abstrakte wird konkret. Marseille versinkt im Sumpf und blüht zart auf. Der Hut der Schweizerin fliegt aus dem Bild. Die Heilige Maria wird zur Karaffe. Die Schieber verschwinden und ihre Landschaft gebiert die Sonne. Der Lehrer steht vor der Tafel, die sich in eine Kinoleinwand verwandelt. Das Meer wird zum Himmel, der Fluß zum blauen Lichtkristall. Die zwei Visionäre schauen pikiert und können ihre Angst nicht verbergen. Die Liebenden werden eine Wucherung. Eine Schildkröte aus Holz wird zu einem Kamel aus Holz. Steine meditieren.

 

(20.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2472 Ausklingen lassen

 

Ich bin so aufgewühlt. Und ich habe Angst. Ich hoffe, es ist eine notwendige Angst. Ich kämpfe um mein inneres Gleichgewicht. In meiner Körpermitte zittert es. Ja, das schaut nach einem wichtigen Schritt aus. Völlig überraschend und plötzlich. Und jetzt scheiß ich mich an. Ich fühle mich auch als der letzte Dreck. Wieder einmal. Ich beiße die Zähne zusammen. Dann lockere ich sie wieder, bewußt. Eigentlich will ich nicht mehr. Ich kann das nicht mehr. Ich bin schon in Pension gegangen, in meine Lebenspension. Ich will mich nicht mehr anstrengen. Ich will mein Leben doch nur möglichst unbehelligt ausklingen lassen.

 

(19./20.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 19. Oktober 2021

2471 Noch eine Stunde

 

Die Lichtsäule am Rande des heruntergelassenen Rouleaus leuchtet so optimistisch. Ich bin so gut ausgeschlafen und insofern ich noch nicht ganz da bin von schönen, lustvollen Träumen umhüllt. Auf meinem Hausaltar bilden die ausgebrannten Kapseln der Teelichter einen kleinen, glänzenden, schiefen Turm. Die kleine Wolke im liebevollen Grimmingrelief-Mobile strahlt besonders weiß, obwohl sich ein Vogel mit seinem seidenen Faden in ihrem seidenen Faden verhängt hat. Die Wintersonne im liebevollen Photo der Schipiste auf der Riesneralm brennt heute kein Loch in die Wand. Die zwei Visionäre blicken etwas amtsmüde drein. Es dürfte schon recht später Vormittag sein, wenn nicht schon früher Nachmittag. Diese Leitn bei Linz ist von betörendem Zauber. Die Katze und ich führen ein richtiges Geschmuse auf. Der Parmesan, den meine ungehaltene Frau in ihrer Hand hält und der über den Spaghetti mit roter Sauce schwebt, leuchtet heute besonders intensiv; heute scheint er ein Loch in das Kastl am Fußende meines Bettes, auf das das Photo meiner Frau aufgetackert ist, zu brennen. Ein Käse als Brennpunkt! Die fünfte Frau hat sich in Abstraktionen aufgelöst. In Mali Lošinj ist ein filigraner, riesiger Baum gewachsen, der ständig zu verschwinden droht. In Veliki Lošinj beginnt sich das Haus aus dem Bild zu lösen. Werden in Berlin die Wohnungen noch teurer? Was wie Gitarrentöne klingt muß etwas anderes sein.

(Ich habe dann noch eine Stunde geschlafen.)

 

(19.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 18. Oktober 2021

2470 Extrem blass

 

Meine Schweizerin ist heute Nacht extrem blass. Geradezu erschreckend. Ich meine nicht ihr Gesicht, sondern ihren rechten Arm. Und heute fallen mir die quergelegten Bücher auf: sie bilden einen eigenen Vorgang. „Leben“ kann ich auf einem Bücherrücken lesen, der allerdings aufrecht steht. Ansonsten kann ich keinen Titel derlesen.

In der Kufsteiner Landschaft kann ich den See wiederfinden, der sich ins Bild reklamiert hat, obwohl es ihn nicht gibt. Eine kleine unbedeutende Wunde an meinem rechten Zeigefinger ist ganz lästig, weil sie genau im Falz zwischen erstem und zweitem Glied geritzt ist und bei jeder Bewegung des Fingers gereizt wird. Die Nacht vorm Fenster scheint wider besseren Wissens allumfassend. Ich lege meinen Pilotschreiber nieder.

 

(17./18.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2469 Gibt es mich überhaupt?

 

Ich weiß nicht: die späte Nachmittagssonne auf den Häuserwänden und Straßen, ihr Glanz und ihr Gelb – sie machen mich fast irre vor Schmerz und Sehnsucht. Ich verstehe es selbst nicht. Diese Empfindungen kenne ich schon seit meiner Kindheit. Ich schaue und schaue in dieses Glitzern hinein; betrachte die Schatten der tiefer stehenden Sonne in den Fugen der Bahnsteigpflasterung zum Beispiel, wie jetzt. Ein Schauder läuft über meinen Rücken, als ich begreife, dass sich in diesen Ritzen schon die Nacht versteckt und bereit hält; bald wird sie hervorkriechen. Die gezackten Linien der Fugen machen in diesem scharfen, kühlen, warmfabigen Licht ein abstraktes Muster; eine Matrix aus einer anderen Welt, die nichts mit unserer hier zu tun hat. Das Gedudel und Gepiepse der sich öffnenden und wieder schließenden Zugtüren hinter mir verstärkt diesen abstrakten und befremdenden Effekt. Wo bin ich? Ist unsere Welt ganz falsch? Sind das die wahren Muster? Und ich? Gibt es mich überhaupt?

 

(16.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2468 Moussieren

 

Heute Nacht (2:54 a.m.) sind das eine Segel und das andere Boot so toll: so sauber: so glatt (Mali Lošinj). In der Kufsteiner Landschaft steht ein überdimensionierter Sesselkreis. Veliki Lošinj wird gefräst, aber von guten Kräften. Unmögliche Farben um Linz. Eine Frau mit Herz. Eine Frau entkleidet sich (lächelnd). Eine Frau ist erstarrt in ihrer Rolle. Eine Frau schaut aus dem kleinen Spiegel heraus. Eine gewisse moussierende Trübheit im Raum. Auf der Riesneralm klafft der Wald. Die zwei Visionäre sind übermüdet und sehen schlecht.    Jetzt geht es ihnen wieder besser. Am Hausaltar opfert sich der Staub. In der Akustik moussiert aber das Surren. Im Taktilen laufen kleine Wellen über die Haut.

 

(15./16.10.2021)

 

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Mittwoch, 13. Oktober 2021

2467 Strange

 

In den Nachmittag hinein aufgewacht staune ich über die Welt: wie hell sie ist und wie bunt. Die elegischen Alltagsgeräusche des späten Tages; ein Klopfen von einer Baustelle zwei Häuser weiter. Die Tageskinder wachen vom Mittagsschlaf auf. Eine eigenartig müde Intensität umhüllt mich. In Mali Lošinj bricht die Straße auf und in Veliki Lošinj verdampft die Stadt. Mein Gehirn arbeitet hier noch nicht, ich muß es erst aus den Träumen holen, aufgeladen mit strangen Bildern und stranger Energie.

 

(13.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 12. Oktober 2021

2466 Rasanter

 

Mittertagsstille. Oh! Ich habe ganz lange geschlafen! Aber jetzt ist es gut. Ich sauge die Farben der Bücher, Karten und Bilder ein. Alles ist klar und frisch. Als wäre die Welt soeben erschaffen worden (und mir gleich das schönste Zimmer zugewiesen). Und so eine Fülle in so kurzer Zeit! Wirklich ex nihilo? Und wie die Wintersonne auf der Riesneralmabfahrt am niederen Mittagspunkt steht und ein weißes gleißendes Loch in die Wand brennt. Jetzt kommt Baulärm auf und die Kurve in Mali Lošinj wird viel rasanter.

 

(12.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2465 Schrei

 

Gerade will ich einen Schrei ausstoßen, als unten die Kaffeemaschine loslegt. Der Griffel fällt mir noch aus der Hand, und das Fenster hat den Raum mit bescheiden hellem, grauem Licht beleuchtet. Dir sag ich's: ich bin in letzten Tage ziemlich ausgepowert. Das Gebrause der Kaffeemaschine spüre ich auf meinem Gesicht, dem seine Augen zugefallen sind.

 

(12.10.2021)

 

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2464 Klar

 

 

Die Luft ist klar in dieser Nacht, in diesem Zimmer. Es sind nur Schatten, die die Gegenstände abstrahlen. Mit der linken Hand schreiben aktiviert an meiner Kopfhaut Jucken, das dann noch Wellen auslöst. Ich erinnere mich noch an Regen, aber nicht von heute. Und auch mein plötzliches Öffnen der Augen löst auf meine Schädeldecke Wellen aus.

 

(11./12.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2463 Heimfahrten

 

Erinnerungen an kindliche Heimfahrten: Der Grimming als der dominante Berg und Beherrscher der Landschaft, beim ersten Auftauchen immer ergreifend und bewegend. Der Anblick von Irdning von Stainach aus und dann von Trautenfels und dann noch näherkommend läßt er mein Herz höher schlagen. Der vertraute Kirchturm, die doppelpäpstliche Kirche, um die sich die Häuser scharen, das Buwoghaus am Marktrand, in dem wir wohnen. Zu Hause dann das Nachmittagssonnenlicht durchs Küchenfenster mit dem Blick auf den Grimming und eine fremde Vertrautheit mit der unbewohnt wirkenden Wohnung.

 

(8.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2462 Letz

 

Heute fällt mir gleich nach dem Aufwachen die Architektur der ins Regal geschlichteten Bücher auf und die Erkenntnis, dass ich eine Begabung zum Langstreckenläufer habe, nur nie zur Entfaltung gebracht: meine Liebe zur Einsamkeit und zu endomorphinistischen Zuständen, mein Hang zu Selbstquälerei und Sturheit. Mir ist nämlich eingefallen, dass ich ein paar Mal in meinem Leben recht spontan und für mich selbst überraschend mit dem Laufen begonnen hatte. Einmal bei Malerwochen; und mehrmals beim Urlaub am Meer; also in nicht-alltäglichen Situationen. (In alltäglichen Situationen hätte ich das nie durchziehen können.) Das Jubelgefühl bei der Verausgabung. Und ich konnte das: sofort nach dem Aufwachen aufstehen. Jetzt ist es dafür zu spät; mein lädierter und letzer Lendenwirbel läßt es nicht zu und ich könnte auch nicht mehr den Willen dazu aufbringen. Jetzt ist Selbstverwöhnung und Erholung angesagt.

 

(7.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2461 Deutlicher

 

Aufregung so spät am Abend (1:35 a.m.)? Wieso? Ich weiß es nicht, aber mein Herz klopft. Und die Schatten im Zimmer scheinen blau. Ich will heute nichts mystifizieren, es wird schon alles seinen Grund haben. Die kleine Mücke erscheint in meinen Augenwinkeln riesengroß. Meine Lesebrille am Schreibtisch glitzert nicht. Die Katze hält ihr Schnurren zu neunzig Prozent zurück. In meinen Ohren surrt es – ich empfinde dieses Surren als außerhalb der Ohren – und dahinter scheint sich ein kaum hörbares Geräusch wie von einer Baumaschine in Bewegung zu verstecken, ganz leise natürlich, wie von ganz, ganz ferne, eine Straßenwalze zum Beispiel, dröhnend und rollend und scheppernd – aber eben kaum hörbar. Ab und zu ein Regentropfen. Das Scheppern und Brummen wird immer deutlicher.

 

(6./7.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Mittwoch, 6. Oktober 2021

2460 Mikrowellen

 

Prinzessin Larissa haut sich das Schienbein an und Prinzessin Klarissa schaut aus dem Fenster. Und Prinzessin Clarissima schläft. So beginnt meine Gute-Morgen-Geschichte. Die drei Sterne sind noch zu sehen, obwohl es – 11:03 – schon längst hell ist. Hier ist es aber auf beiden Stockwerken friedlich, unten auch fröhlich. Mein Gehirn ist noch in Bearbeitung: Mikowellen-Behandlung: das Surren arbeitet auf Hochtouren. Ein bisschen wehmütig hänge ich in den Pölstern, aber ich werde langsam immer wacher und alltäglicher. Das heißt: bald werde ich aufstehen und mir mein Frühstück zubereiten.

 

(6.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2459 Schatten

 

Langsam legt sich der Schatten meiner linken Hand auf den Schatten des hölzernen Stiegengeländers, während ich mühsam und schweigend die Stufen hinauf stapfe. Das Pathos hier verlangt nach einer tiefgründigen und womöglich tragischen Fortsetzung, aber die gibt es nicht, denn ich bin lediglich völlig verschlafen nach dem Katzenfüttern unten ins obere Stockwerk zurück. Freilich, der Traum, aus dem ich von Frau Katz gerissen wurde, hatte es in sich; das fühle ich noch, aber worum es ging, das ist mir schon längst entfallen.

Irgendwo sind wir alle in Heldenepen involviert, in welcher Rolle auch immer – und auch für einfache Bauern und Soldaten ist das Kämpfen und Fallen nicht leicht. Und auf all unseren Lebensbühnen geht es immer und für alle auf Leben und Tod.

 

(6.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2458 Neues Bild

 

Ein neues Bild ist aufgetaucht, an meinem Kassettenrekorder, während ich über das durchschnittliche Einkommen der österreichischen Familien aus aktuellem Anlass nachgedacht habe und das Gesicht auf dem erschienen Bild hat wütend ausgesehen. Dann ist das Gesicht wieder verschwunden und was mir als Bildfläche erschienen ist, ist der Deckel des vertikal ausgerichteten Kassettengehäuses. Wird Zeit, dass ich wieder zu zeichnen beginne, wenn ich schon mit optischen Täuschungen meine Welt zu bebildern anfange. Ich habe es ja schon versucht, immer wieder, aber es kommt dabei nichts raus – ich bin viel zu verkrampft; ich kann es nicht einfach fließen lassen. Ich entwickle keine Freude daran und auch keine Selbstverständlichkeit. Es scheint einfach zerbrochen zu sein. Hoffentlich greift das nicht auf mein Schreiben über; ich habe solche Angst, auch das noch zu verlieren.

Meine Schreibtischbrille leuchtet in drei Punkten, wie ein kleines Sternbild. Und schon wieder schau ich stumm in meinem Kemenatenreich herum. Ein Seufzer kommt heraus. Ich schürze meine Lippen in gespielter Missbilligung und in gespielter Gleichgültigkeit. Ich blicke traurig die drei Sterne an meiner Brille an und verordne meinen Augenmuskeln und Augenfalten freundlich wissende Coolness, so à la gütiger alter wohlbestallter pensionierter Patriarch. Aber das bin ich nicht! Ich bin doch immer dem Unerreichbaren hinterhergehechelt und stehe jetzt unvollendet und mit leeren Händen da.

Gib doch das alles auf! Das vorzutäuschen ist viel zu anstrengend und wenig überzeugend!

 

(5./6.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 5. Oktober 2021

2457 Weltmaschine

 

Während ich im Aufwachen an Apfel-Birnen- Apfel-Karotten- Apfel-Holunder- und Trauben-Holunder-Saft denke, überlege ich, dass es so einfach nicht geht: irgendetwas hinkritzeln und dann auf die Schublade stellen. Da fehlt doch die seriöse Arebeit, Mühe, Robot und Plage und ein ordentliches Geringe. Technische und handwerkliche Brillanz fehlen auch, oder?! Oder?! Sagt schon: nein!, liebe Leserinnen!

Nein, ihr braucht nicht „nein“ posten, schreiben, zurufen – das ist bloß ein Scherz. Ich lasse mich nicht mehr vom Schreiben abbringen. Von keiner Theorie, von keinem Mißerfolg, von keiner Autorität. Und wenn ich dabei meine Erwartungen auf null schrauben muß und meine Ansprüche ebenso. Ich bin jemand, der schreibt. Aus. Punkt. Was das ist, was das wert ist – ist nicht egal, aber kann mir nicht mehr maßgeblich sein. Bin ich halt ein alter Spinner, wie der Gsellmann mit seiner Weltmaschine. Zum Beispiel. Auch ich bau mir meine Weltmaschine aus den Versatzstücken meines Lebens und meiner Lektüre und es ist mir wurscht, ob sie sich drehen läßt oder nicht.

 

(5.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2456 Bebilderung

 

5:25. In der Stille der Nacht. Ja, nichts deutet darauf hin, dass es Morgen ist, nur die Uhr. Mein Blick: gnädig vernebelt von innen heraus. Ein Knoten sitzt im Bauch und macht, erzeugt Angst. Ich habe ihn ertappt und er löst sich auf. Die Wolke über Mali Lošinj nimmt Gestalt an. Was ist aus Herrn E. St. geworden? Ich habe jahrelang nichts mehr von ihm gehört.

Ich gebe alle meine Wände zur Bebilderung frei. Entschluß jetzt: 5:43.

 

(5.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2455 Faden

 

Bildersüchtig, das bin ich geworden. Und ich bin auch schnell und leicht aufgeregt. Jetzt bin ich müde und etwas ratlos, weil ich keinen gscheiten Gedanken und keine Assoziationen zustande bringe. Auch keine interessanten Beobachtungen. Und einfach nichts schreiben? Tja! Ich will nie mehr, dass dieser Faden abreißt. Als hinge daran mein Leben. Vielleicht ist es nur ein Vorwand, eine Methode, meinem Leben einen edleren Sinn zu geben. Vielleicht mache ich mir etwas vor, wenn ich heimlich meine Schreiberei doch ein wenig literarischen Wert zuschreiben will, aber egal: diesen Faden lasse nicht mehr fallen.

 

(4./5.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 4. Oktober 2021

2454 Dunkles Loch

 

Schön ist der frische frühe Morgen mit meinen neun neuen Kunstkarten aus Linz an der Wand ganz nah bei meinem Gesicht. Während Frau Katz auf mir sitzt und schnurrt, stocken meine Notizen, aber jetzt wäre es wieder möglich weiter zu schreiben. Doch ich schaue nur die neuen Karten an und freue mich daran.

Nun erst bin ich ausgeschlafen und in freudiger Erwartung, was der Tag bringen wird. Ich spüre ein schönes Potenzial. Ich wische meine Augen frei und lausche auf mein freudig pochendes Herz. Im Traum habe ich wieder gemalt. Die Sehnsucht danach ist noch da. Irgendetwas will mich wieder in den Schlaf kippen. Erholung ist mein oberstes Prinzip. Erholung und Heil(ig)ung. Ganz werden. Whole lotta love. Plötzlich entdecke ich in meinem Bücherregal ein dunkles Loch; einen Schlitz unterm obersten Brett, der in die Schwärze führt. Meine Schläfen beginnen zu vibrieren und zu zucken. Meine Augen beginnen zu zu fallen. Gejaule wie von einem kleinen gequälten Tier kommen aus dem Lichtschacht. Eine eigenartige Wende ist eingetreten. Ich entdecke noch weitere schwarze Löcher in meinem Bücheruniversum. Meine Augen zucken schläfrig und meine Lippen vibrieren. Ich lümmle in den Polstern, während mein inneres Bild aufrecht sitzt. Ich bewege meinen Kopf und blicke mit zugefallenen Augen umher. Meinem angeschlagenen Bewußtsein kommt das gar nicht komisch vor. Die Vibration hat nun die Körpermitte erreicht. Mein Schreibtisch wird von unsichtbaren Kräften in einen dunklen, niederen Verschlag verschoben. Meine linke Hand sucht etwas am glatten, glänzenden Boden. Vor einer Schule ist auch irgendetwas. Die Tagis, die gerade das Stiegenhaus mit ihrem fröhlichen Rufen füllen, stärken wieder die diesseitige Wirklichkeit. Mein Herz klopft und geht mit dem Geschehen voll mit. Endlich sind alle oben angekommen. Ich muß aus dem Bett! Ich bin hungrig und will noch ein paar Wege erledigen.

 

(4.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Sonntag, 3. Oktober 2021

2453 Linz

 

Ich sitze im schönen, hellen, modernen Hotelzimmer am Bett und blicke durch die holzgeteilten Glasfronten vor und rechts von mir, fast ein Panoramablick, die Nachmittagssonne bescheint so gelblich, geistig, beruhigt und vielsagend die Fassaden der Häuser, dass ich es im Herzen als Ziehen spüre; was dieses Licht anspricht, weiß ich nicht wirklich. Oben ist der Himmel blau, die Häuser glänzen so unschuldig, dabei beginnt sich der Tag schon zu neigen, so kann er nicht mehr unschuldig sein. Den Fassaden sehe ich keine Tragödien an, die sich hinter ihnen abgespielt haben.

Neun Kunstkarten sind das Ergebnis des Lentosbesuchs: eine von Wolfgang Böhm, Kohle, Tusche; Marie Louise von Motesiczky, Selbstporträt mit Birnen; Alfred Kubin, die Schieber; Maria mit Kind, Kastenbild 18. Jahrhundert; Wilhelm Thöny; Marseille, Hafenszene; Max Pechstein, Frau mit rotem Haar; Oskar Kokoschka, Linzer Landschaft; Arnulf Rainer, Ozean! Ozean!; Karin Mack, aus der Serie WIR – und ich bin sehr glücklich über den Besuch dort und meine Beute.

Die Welt ist doch stabil, trotzdem alles fließt. Die Platane unten ist ungefähr bis zu meiner Augenhöhe im dritten Stock gewachsen und wird vom Wind bewegt. Der Autolärm erinnert, dass man in einer Stadt ist, aber bleibt passabel. Der Himmel wird jetzt von ein paar weißen Schleiern durchzogen. Glockenläuten. Glocken läuten viel hier. Der Metallzaun am Flachdach des gegenüber liegenden Palastes glitzert silbern, und die metallenen Fensterrahmen des Hauses rechts daneben, dessen Vorderseite näher steht, glitzern golden. Und die Schatten wandern an den Häuserfronten hinauf. Ich hebe meine Zehen und lasse sie wieder nieder, abwechselnd rechts und links und erzeuge so ein schabendes Geräusch an der zusammengefalteten Bettdecke. Auch das hat Bedeutung und Auswirkungen auf das Universum. Ich blättere nochmals meine neuen Kunstkarten durch und erfreue mich an ihnen. Das metallene Geländer gegenüber gemeinsam mit irgendwelchen metallenen Rauchfangröhren glüht nun ein Loch in den Anblick; ich erwarte, dass hier unsere Welt aufbrennt und das Dahinter dem Blick freigibt. Aber jetzt läßt die Glut wieder nach.

 

(2.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 1. Oktober 2021

2452 Erwischt

 

Jetzt hat sie mich wieder einmal erwischt, die Schwermut, mit all ihrem Drum und Dran: mit Trauer, nach innen heulenden Augen, Druck und Schmerzen am Herzen, Verzweiflung, Selbstmordphantasien, dem Gefühl der völligen eigenen Wertlosigkeit. Lange Zeit habe ich das Zeug im Hintergrund halten können (es ist unmöglich, etwas, das in der Seele ist, loszuwerden, man kann es nur entzaubern und entschlüsseln und in eine andere Abteilung versetzen; Teil der Seele wird es immer bleiben. Was internalisiert wurde, bleibt drinnen).

Nun gut. Was man nicht verhindern kann, soll man wenigstens genießen. Also: Komm nur her, Verzweiflung! Was hast du mir zu sagen? Du redest nicht? Okay! Dann machen wir uns einen schönen Abend. Ich lege mich ins Bett und wir kuscheln. Ich lasse mich hemmungslos in Selbstmitleid gehen, denke mir dazu passende Phantasien aus. Schau, ich verzichte auch auf meine tägliches „Abendgebet“, weil ich so arm bin. Ich drehe mich auf die Seite und will nicht mehr kämpfen, will mich nicht mehr anstrengen.

 

(30.9./1.10.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf   September/Oktober 2021   peteraloisrumpf@gmail.com