Freitag, 30. März 2018

908 Der Natur ist das völlig wurscht


Eine leichte Übelkeit und Unentschlossenheit zum Aufstehen. Unruhe und der Drang, aus dem Bett zu springen, ohne es jedoch zu tun. Auf was warte ich noch?

Ein tumber Kopf. Komische Gedanken. Nachbilder der Lektüre von vorhin. Illusion (?) der Freiheit. Meine linke Sirene surrt nicht nur, sie zischt jetzt auch, zwischendurch.

So komme ich nicht weiter.

Der Natur ist das völlig wurscht.

Immerhin.








(30.3.2018)











©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

907 Bin bloß ein kleines Licht


Die Angst fährt ein, daß mir richtig schlecht ist. Meine Seele ist aufgewühlt und aufgescheucht. Scham zeigt sich in meinem Gesicht. Also blaß und rot abwechselnd – je nachdem an welchem Pol gerade meine Aufmerksamkeit ist. Ich wanke kurz hinaus.

Meine Schreiberei ist auch in Frage gestellt. Da kann ich nicht wirklich dagegen halten. An sie habe ich mich aber geklammert. (Anklammern ist immer schlecht.) (Stimmt so nicht: ein Schiffbrüchiger tut gut daran, sich an irgendeinen Holzbalken zu klammern.)

Unangenehme, schamvolle Szenen, die immer wieder auftauchen, lassen sich nicht wegdrücken.

Gut. Okay. Ich will mich fassen: aufstehen, Blutdruck messen, duschen, frühstücken, einkaufen.

Neuerlich steigt eine Angstwelle in mir auf, die mich von innen aufweicht. Ah ja! Tief atmen!

Der Gedanke, daß ich viel zu eingebildet bin. Ich muß es viel billiger geben. So weit ist es mit mir nicht her. Bin bloß ein kleines Licht.











(29.3.2018)














©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

906 Wer meine Texte liest, ist wirklich selber schuld


An diesem Morgen ist mir schlecht vor Angst. Die fährt mir in den Eingeweiden herum. Ich hocke im Bett und versuche, das Ganze zuzulassen und auszuhalten. Gleichzeitig distanziere ich mich teilweise, indem ich Worte suche um es zu beschreiben. Schreiben als Flucht? So schaut es aus. Ich bin enttäuscht. Ich war doch stolz darauf. Und jetzt? Halbherzig weitermachen oder derfang' ich mich wieder? Ich zittere. Ich halte mir selber die Hand. Meine Schreiberei ist angeschossen. Der Schuß kam aus der gleiche Windrichtung wie vor dreißig Jahren. Wieder falle ich um. Ich hole alles herbei, was für mein Schreiben spricht (auch, daß ich gar nicht auf große Literatur aus bin). Aber, was zählt?

31465, 271, 721, 9865, 13 …

Ein billiger, blöder Trick – ich weiß. Und er scheint die Kritik zu bestätigen.

Fenster zu und Rollo herunter. Ich schäme mich. In meinem Kopf ist das noch lange nicht geordnet.

Und? Muß sich die Bewußtwerdung nicht auch in Sprache ausdrücken (versuchen)? (Muß? Oder kann?)

Immer noch Angst, aber auf einen erträglichen Pegelstand abgesunken.

Freilich überhöhe ich mein Leben mit meiner Schreiberei. (Na und? Was geht dich das an? Mußt es ja nicht lesen!) (Das ist natürlich kein haltbarer Standpunkt.) (Sondern eine Ausrede wie vom Hansi Hinterseer.) (Nicht ganz. Meine Absonderungen und Ausdünstungen werden ja nicht per TV, Radio und Verlagen herumgeblasen. Wer meine Texte liest, ist wirklich selber schuld.)








(28.3.2018)












©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 27. März 2018

905 Die Ruhe tut mir gut

Die Sirenen an meinen Ohren schreien, wie immer kommt mir die linke lauter vor. Ich gähne, es geht gegen Mittag zu. Seit einigen Tagen gähne ich oft, fast krampfhaft, als müßte ich meine Kiefermuskel trainieren (vielleicht muß ich das wirklich – zur Erhöhung der Bissigkeit) (Gehört das schon zum Heilungsprozeß?), begleitet von einem leichteren bis mittleren Sich-Recken (es reckt mich) bei weit aufgerissenem Maul (vielleicht habe ich zu viel runtergeschluckt).

Vom Fenster leuchtet es ganz weiß herein, ein dunkel unterlegtes Weiß um genau zu sein, wodurch es viel heller abstrahlt. Nichts Gelbes ist in dem Licht. Die Bücher im Regal glänzen geradezu.

Ich werde mich umziehen und einkaufen gehen. Der kleine Ausflug wird mir gut tun. Das tut die Ruhe hier aber auch.





Die Sonne bescheint die nachmittägliche … weg ist sie! Sie kommt wieder. Egal. Ich sehe in allem einen Sinn. Das ist ontologisch gemeint und nicht optimistisch (der Sinn kann sich ja auch gegen mich richten) (Momentan tut er es nicht. Aber wer weiß – irgendwo braut sich vielleicht schon etwas zusammen).










(27.3.2018)













©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

904 Ein grauer Morgen


Ein grauer Morgen fließt durch das offene Fenster herein. Die feuchte, kalte Luft erleichtert mir meine tägliche Übelkeit. Der Verkehrsstrom ist leise und weit weg, mein Surren laut und ganz nah. Innerlich lächle ich vor mich hin, äußerlich bleibt mein Gesicht neutral. Dieses Lächeln hat weniger mit Zufriedenheit und Freundlichkeit zu tun, mehr mit Verlegenheit und Blödigkeit vor der Welt. (Oh, wie ich das Schreiben liebe! Wenn ich solche Wörter wie „Blödigkeit“ finde. Mir kommt es vor wie er-finden.) Die kleinen Wellen meiner literarischen Freude kräuseln nun meine morgendliche Übelkeit auf und meinen psychologischen Ernst.

Ein Flugzeug dröhnt feierlich über den Lichtschacht hinweg (direkt über den Lichtschacht? Ich glaube nicht), eine Taube setzt ihre eintönigen Rufe ab. (Wie ich meine typischen Morgentexte?) „Da kommt Freude auf!“ - um es in der grässlichen „Amtssprache“ zu sagen, aus der ich ja komme.

Das tut weh. Warum habe ich meinen Text verletzt? Vertrage ich die Freude nicht? Artet die gleich in destruktiver Aggression aus und dumpfen, primitiven Übermut?

Jetzt merke ich wieder, wie mir schlecht ist. Aus Liebe zur Wahrheit widerstehe ich der Versuchung, dieses „Da kommt Freude auf!“ aus dem Text zu streichen. Ich dokumentiere meine Abgründe. (Manche, nicht alle. So mutig bin ich auch wieder nicht.)

Das Grau draußen ist inzwischen heller geworden, der Verkehrslärm deutlicher, eine vermutlich junge Krähe hat gerufen, eine Taube ganz nah. Ich habe meine Aufmerksamkeit wieder auf das offene Fenster gelenkt. Mir wird bewußt, daß ich Zeit habe. Ein Anhauch von Muse weht her. Jetzt ist alles in allem ein schöner Morgen, und alles in allem friedlich.









(27.3.2018)













©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Sonntag, 25. März 2018

903 Das Schreiben zählt gar nicht


Ich gehe wie auf Eiern. Mein inneres Gleichgewicht ist sehr labil. Nun aber sitze ich im ehemaligen Atelier und schaue quer über den Raum beim großen Fenster hinaus auf die kahlen Essigbäume und die Dächer der Nachbarhäuser. Aber nur kurz, dann fällt mir der überquellende Wäschekorb auf. Wäschewaschen ist angesagt, aber ich warte damit noch, denn mir ist noch ein wenig schlecht.

Draußen scheint ein herrlicher Tag heraufgegangen zu sein, der Himmel ist blau, das Sonnenlicht einigermaßen kräftig.
Ich komme mir vor wie im Ausgedinge, ein alter Mann, der auf einer Bank sitzt und auf das blickt, was ihm nicht mehr gehört.
Das Sonnenlicht wird blasser und dann gleich wieder kräftiger. Palmsonntag ist heute, das löst jedoch nur verschwommene Erinnerungen aus.
Jetzt geht ein Wind durch die nackten Zweige und bewegt sie. Eine Amsel kommt aus der Tiefe des Hofes heraufgeflogen und verschwindet hinter dem Nachbarhaus. Ich verrate es schon jetzt: sie wird noch öfters mein Blickfeld kreuzen.

Die kahlen Äste und Zweige drehen sich hin und her, wie im Kreis – so scheint es – für mich ist das ein schönes Schauspiel, ein stummer, aufregender Tanz, in dessen Betrachtung ich mich ein wenig verliere.

Irgendetwas zwischen Übelkeit und Angst steigt in mir auf, aber mit einem tiefer Atemzug habe ich es vorerst wieder fast aufgelöst.

Ich sitze und warte und schaue dem Schauspiel der tanzenden Äste zu; das Sonnenlicht wirft kraftvolle Schatten, die lassen die nackten Äste bläulich erscheinen.

Meine ständig einsickernde Übelkeit hat sich so weit gelegt, daß ich mein Tagewerk mit dem Wäschewaschen beginnen werde.

(Und? Das Schreiben zählt gar nicht? Peter!!!)







(25.3.2018)










©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 24. März 2018

902 Die kleine Tonbüste


Zum erstenmal sehe ich die kleine Tonbüste auf meinem Bücherregal. Ja, natürlich habe ich sie schon oft gesehen, aber anscheinend noch nie richtig angeschaut. Ein feines, melancholisches Gesicht, still und stumm fragend in die Welt gestreckt. So wirkt es jetzt auf mich – über die ganze Distanz im Zimmer hinweg. (Was kommt davon aus mir? Was ist von meiner Tochter in diese Tonfigur hineingearbeitet worden? Wirkte jemand oder etwas im Hintergrund mit? Oder jetzt, bei meiner Projektion?)

Es ist ein heller Tag. Mein Zimmer wirkt aufgehellt. Es ist ein glückliches Licht. Ich bin froh, daß dieses Licht herinnen ist. Ich freue mich sehr über mein Zimmer. Ich bin gerne hier.

Ich ruhe mich aus. Die morgendliche Übelkeit ist so gut wie weg. Das Gewicht der Katze auf Brust und Bauch hilft auch, mich zu festigen.

Langsam fallen mir die Augen zu. Jetzt, um zehn Uhr am Vormittag.








(24.3.2018)











©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 23. März 2018

901 „Gewalt macht stark“


Vieruhrsiebenundzwanzig. Meine surrenden Sirenen dröhnen geradezu; vor allem am linken Ohr spielt es sich ab. Dort läuft ein akustischer Film, ein richtiger Schinken mit allem Pi Pa Po.

Ich habe das Licht aufgedreht, im Zimmer ist alles still und starr; alles, was hängt, hängt starr; es geht kein Lüftchen, das etwas bewegt. Ich wundere mich auch, warum mir das komisch vorkommt, wenn sich im abgeschlossenen Zimmer nichts bewegt. Dennoch, diese Starre kommt mir abnormal vor.

Das linksseitige Akustikdrama bläst mir – akustisch nur – fast den Kopf weg.

Einer dieser tieferen, unwillkürlichen und stoßweisen Atemzüge, wie man es von weinenden Kindern kennt.

Ich liege gütig auf meinen drei Polstern, gütig schaue ich im Zimmer herum.

Meine Fußsohlen bewegen sich auf die Matratze gestützt ganz leicht auf und ab. Wer hat ihnen das angeordnet? Ich? Ich kann mich nicht erinnern.

Ich blicke unzentriert, mit verschwommenem Lesebrillenblick auf meine kindliche „Ikonostase“; immerhin, sie holt aus mir ein Lächeln hervor.

Die Starre jedoch hält sich immer noch im Raum auf. War das gestern noch nicht so? Wird sie auf mich übergreifen? Innerlich lache ich jetzt über eine kleine Episode bei der Ärztin gestern (ich habe sie angebettelt, auf jeden Fall das Herz zu untersuchen), dabei geht eine leichte Bewegung durch mich hindurch. Die Füße zappeln jetzt regelrecht, auf der Matratze aufliegend. Ich werde versuchen, weiterzuschlafen.

Es stinkt in meiner kleinen Kammer. Ich öffne das Fenster gerade zur Zeit des beginnenden Vogelgezwitschers. Ein kühle Macht kommt herein und dehnt sich aus. Ich bleibe wach und wachsam.

Mein linker Arm verkrampft sich beim Festhalten des Notizbuches. Ich werde wirklich wieder zu schlafen versuchen.


Neunuhrdreißig. In der Ordination. Ich setze mich im Wartezimmer unter den Bildschirm, damit ich nicht sehen muß, was da so läuft. An der Wand gegenüber diese depperten Propagandaplakate und Aufrufe, die man nicht lesen möchte („man“ weiß ich eigentlich nicht: ich. Die ich nicht lesen möchte), und die man trotzdem liest. Ich lese: „Gewalt macht stark“; dort gestanden ist aber:  „Gewalt macht krank“ - als Aufforderung an den Arzt, bei Verletzungen genauer hinzuschauen. Das hätte der Hausarzt meiner Kindheit auch aufhängen sollen, aber in seinem Behandlungszimmer, nicht so wie hier im Warteraum.






(23.3.2018)







©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

900 Heftige Übelkeit


Abend gegen sechs Uhr. Heftige Übelkeit. Ich habe mich ins Bett gelegt und eingerollt. Das hat geholfen. (Ist das schon eine Nebenwirkung oder gehört das noch zum Ursprungsgeschehen?) Sehr klein wird man da.

Hubschrauber fliegen über die Stadt, während die Dämmerung in mein Zimmerchen schleicht.
Mein alarmierten Nerven beruhigen sich langsam. Die Wahrnehmung ist nicht gestört. Vielleicht kann ich lesen.

Nach acht. Wieder eine Welle der Übelkeit. Das wird ein langer Kampf. Ob „Kampf“ das richtige Wort ist, weiß ich nicht. Schließlich erdulde ich es nur. Kampf um inneres Gleichgewicht vielleicht. Die Welle verflacht wieder. Erleichtert atme ich durch.









(22.3.2018)












©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 22. März 2018

899 Arzttermin


Übelkeit durchzieht diesen Morgen. Nicht so, daß ich herumkotze, aber so, daß ich schaumgebremst herumsteige und immer ein wenig an mich halten muß. Ich versuche ein paar tiefere Atemzüge, aber sie reichen nicht bis in meinen Urgrund hinab. Schon wieder stimmt irgendetwas nicht. Mein Auge fällt auf den Brocken vom Vesuv dort auf dem Bücherregal gegenüber und ich kann ihn im ersten Augenblick nicht zuordnen. Aber das ist belanglos. (Wer weiß, vielleicht läge in der Entschlüsselung dieser Assoziationskette die wichtigste, entscheidende Botschaft.)

Mein armes Gedärm, du machst bei meinen Angstattacken auch einiges mit! Dabei ist die Angst jetzt im Moment gar nicht so groß; ich würde sagen: auf mittlerer Höhe, obwohl das mäßige, aber deutliche Würgegefühl bis in den Hals herauf reicht.

Jetzt muß ich an den Navratil denken und ein wenig lächeln vor meinem tiefen Atemzug. Nicht tief genug vielleicht, aber dennoch erleichternd. (Der Navratil ist längst wieder passé und vergessen und ich weiß nicht, was der hier überhaupt verloren hatte.) (Wer weiß, vielleicht läge in der Entschlüsselung …)

Die Übelkeit war ein wenig wegmanipuliert und kommt nun wieder. So schlimm ist sie nicht, das geht schon. Ich muß ja heute noch raus. Arzttermin.







(22.3.2018)












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898 Das macht alles nichts


Die Erschöpfung ist sehr groß. Die Erleichterung auch. Ich liege im Bett. Meine Seele hat viel zu verarbeiten. Mein Kopf auch. Abgelenkt bin ich durch ein Telefonat, das ich mithöre. Aber das macht nichts.

Das macht alles nichts.







(21.3.2018)









©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 21. März 2018

897 Ein Leben lang fast jeden Tag


Angst. Angst. Angst. Immer diese Angst.
Ich habe seit meinen Zwanzigerjahren versucht, mit Therapien mein Leben in Ordnung zu bringen. Und jetzt immer noch die Angst. Sie hat ja auch mit meiner tatsächlichen Lebenssituation in großer sozialer Unsicherheit zu tun und die werde ich kaum noch ändern können. Oder? Oder, Universum?

Wieder dieser Angstklos im Bauch, der meine Innenwelt körperlich und seelisch bis zum Hals herauf in Beschlag nimmt und mich würgt. (Ist das der Würgeengel? Den Schritt zur Befreiung nicht und nicht vollziehen zu können, das würde dazu passen. Danke Bunuel!) (Bei der Geographie der besetzten Gebiete den Kopf nicht vergessen!)

Gleich in der Früh, wo man doch fröhlich und hoffnungsvoll sein Tagewerk beginnen könnte – ob schnell oder langsam anlaufend wäre dabei doch völlig gleich-gültig – dieses Niedergeschlagen-Werden, dieses Überfallen-Werden von der Angst, ein paar Sekunden nach dem Aufwachen. Immer gleich als Erstes: Alarm (dabei habe ich ja gar keine Waffen.)

Ein Leben lang fast jeden Tag.







(21.3.2018)










©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

896 Ich beklage mich nicht


Jeder dieser Tage erschöpft mich. Ich stelle das nur fest. Ich beklage mich nicht. Es hat seine Folgerichtigkeit. Entfremdetes Leben ist anstrengend, besonders im Alter.
Meistens spüre ich die Anstrengung als Erstes hinter den Augen.

Ich vergesse auch soviel. Ich denke mir: zuerst mache ich das, dann jenes. Aber fünf Sekunden später habe ich jenes gemacht und dieses vergessen oder umgekehrt, wenn mir nicht gleich beides entfallen ist.

Entfallen. Mein Gedankenstrom rinnt lückenhaft und löchrig, sprunghaft und ausgefranst und stirbt immer wieder ab, versickert zwischendurch. Aber nicht, um mir die Innere Stille zu eröffnen.








(20./21.3.2018)










©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

895 Im Espresso


Der Zweig hängt links hinter mir, die Frida direkt, dann Hund und Katz und die anderen, auch große Schriftsteller dabei. Gottseidank sehe ich sie nicht, wenn ich mich nicht umdrehe – wer weiß, würde ich es dann wagen, zum Griffel zu greifen.

Auf einen Kaffee traue ich mich nicht mich einzuladen, obwohl er hier so herrlich aromatisch und rebellisch duftet. Ein Strauß Tulpen steht drüben am Tisch. Vor mir, an meinem Platz. steht  - für mich viel besser passend – ein grünes, unscheinbares, blütenloses Pflänzchen, wie ich es vom Meeresstrand zu kennen glaube.

Ich trinke Lindenblütentee und werde mich bald nach Hause begeben, ein bißchen ratlos hier im Augenblick. (Der Arzt hat mir verordnet, raus und unter Menschen zu gehen. Hier sind außer mir noch drei.)









(20.3.2018)











©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 20. März 2018

894 Bewegungsloses Zittern


Ich wache angenehm um Vieruhrfünfundvierzig im warmen Bett auf und fühle mich wohl. Kaum setzt dann ein paar Sekunden später das normale Bewußtsein ein, packt mich die Panik, mein Herz klopft schnell und ängstlich und bewegungsloses Zittern nimmt mir fast den Atem. Ein Knoten im Bauch, ein Würgen im Hals. So hat der heutige Tag begonnen.
So beginnt fast jeder Tag.

Meine erste Tagesarbeit ist, mich zu beruhigen. Das ist harte Arbeit, denn innerlich laufe ich schreiend vor Angst herum. Und mir geht jetzt nach vierundsechzig Jahren fürs Tapfer-Sein allmählich die Kraft aus. Aber gut. Nochmals und nochmals versuche ich diesen panischen, vernichtenden Wellen standzuhalten.
Nicht souverän, nicht elegant, sondern zitternd wie ein gejagtes Tier, das sich in ein Versteck geflüchtet hat und nicht weiß, ob es dort vor den überlegenen Jägern sicher ist.
Nur so irgendwie halte ich stand, wenn man das überhaupt Standhalten nennen kann.

Das ist kein Leben! Nein, so etwas ist kein Leben!

Aber diese Lebensangst, genau das ist mein Leben! So schaut es aus. Mein ernstes und besonnenes Gesicht zum Beispiel oder auch jedes andere schönere oder blödere ist nur eine Maske, das ständige Entsetzen zu verbergen; die hunderten Bücher vor mir und hinter mir in den Regalen und draußen im Vorzimmerkasten – das sind Amulette und Poller und Prellsteine gegen die heranfahrende Angst.

Jetzt ist es nicht mehr zu überspielen. Jetzt nicht. Jetzt würgt mich die Erbärmlichkeit meiner Existenz. Und es gibt nichts, woraus ich Sicherheit gewinnen könnte. Kein „aber ich bin der und der und habe dieses und jenes geschafft“. Ich habe keine Waffe, kein ordentliches Schild.

Was kann ich tun? Egal! Ich atme einfach. Und wie immer das ausgeht – ich trage dazu bei, daß das Universum sich seiner selbst bewußt wird.








(20.3.2018)










©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

893 Zacken oder wie unter Drogen


Beim Lesen sind schon die Zacken durch den Text gelaufen und auch jetzt gibt es feine, teils dunkle, teils helle, manchmal leuchtende Muster auf dem weißen Blatt des Notizbuches, die sich bewegen. Sie bewegen sich nicht nur, sondern sie blinken in schnellem Rhythmus, wobei zwischen den dunklen und den hellen Linien noch ein Blauton auftaucht. Fragile, abstrakte, flimmernde Figuren bilden diese Linien, die sich manchmal etwas länger halten und sich dabei auszudehnen scheinen. Ich schaue auf und diese Zacken wandern weiter durch mein Gesichtsfeld und wenn ich gegen das gelbe Rouleau blicke, bekommen sie einen Grünstich. Diese Muster wirken mehr wie feine, bewegliche und komplexe Sprünge in einem Fensterglas und ihr Farbton erinnert an die Farben der Lichtbrechung. „Wie unter Drogen“, denke ich mir, aber ich nehme keine Drogen.

Mein Blick wird immer unzentrierter, die laufenden Muster vermehren sich; mir wird das schon ein wenig unheimlich und ich merke, wie sich die Angst wieder anzuschleichen beginnt. Ich versuche, sie nicht heranzulassen, denn es ist Mitternacht und ich will jetzt schlafen.

Wenn ich nicht bald das Notizbuch weglege und das Licht abdrehe, wird mich die Angst übermannen. Neugierig und auch ein wenig fasziniert von den Mustern warte ich noch und schaue den sich drehenden, dehnenden und pulsierenden Zacken zu. Nicht lange, dann schalte ich das Licht aus und lege mich hin. Im Dunkeln wandern und kreisen diese Zacken noch eine Weile als gelbes Licht durch das Wahrnehmungsfeld meiner geschlossenen Augen.










(19./20.3.2018)












©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 19. März 2018

892 Ich stelle mich tapfer meiner Wirklichkeit


Aufgeschreckt. Die blanke Angst. Zitternd liege ich im Bett. Meine Sirenen schnappen über und surren mit schräger Intensität. Die Bettdecke wärmt mich nicht, obwohl sie objektiv sicherlich genauso die Wärme hält wie immer. Die Gedanken zerfallen und nur ihre Splitter drehen sich im Kreis. Nein, ein Kreis ist es auch nicht. Irgendwo knackst es im Zimmer und ich merke, wie die Übelkeit zunimmt. An anderer Stelle knackst es wieder. Ist da die Plattentektonik meiner Realität am Werk? Der Wecker schnalzt sein fettes, übertriebenes Ticken lässig her, als würde er aus Langeweile mit meiner Angst bloß spielen wollen. Die Sirenen sind so laut, daß ich nicht verstehe, was ich da alles auf mich einrede. Diese Stimme, das bin ich doch selber, oder? Ich glaube schon. Ich will nicht noch mehr aufgedeckt bekommen; im Moment bin ich zu schwach, viel zu schwach. Mein Bauch spürt sich hart an – von innen gefühlt – aber dennoch scheint meine Feste mehr und mehr nachzugeben. Sie fällt! Ein paar tiefe Atemzüge. Eine hoffnungsvolle Müdigkeit beginnt sich in mir auszubreiten und könnte mich von meiner Angst erlösen. Es ist noch Nacht, vielleicht gewinnt die Müdigkeit die Oberhand und ich schlafe wieder ein.

So schnell geht das nicht, mein Freund! Die Angst steigt wieder auf und stößt mich in eine erschöpfte Wachheit.



Stunden später

Immer wieder kommt die Angst in Schüben. Mir ist schlecht davon. Ich habe mich wieder hingelegt. Die Wärme der Bettdecke, das Atmen und das Schreiben helfen mir, nicht ganz die Fassung zu verlieren und mich ein wenig zu beruhigen. Ganz von selber sucht mein Körper die tiefen Atemzüge. In dieser Pattsituation verbleibe ich, in der Hoffnung, daß die beruhigende Seite auf Dauer gewinnt (ich wüßte ohnehin nicht, was ich anderes tun könnte). Gewinnt zumindest bis zum nächsten Anlauf der Angststreitkräfte. „Streit“kräfte ist möglicherweise falsch – die Angst will mir sicher etwas sagen. Aber was? Ich höre nur: dein Leben ist ganz falsch … ganz falsch verlaufen. Das weiß ich eh! Jetzt bekommst du die Rechnung präsentiert. Oh Gott! Meine Welt schaut heute so aus, wie ich sie gestern erschaffen habe – je nachdem, was ich zugelassen oder verdrängt habe. Die Angst zersetzt solche erhabene Gedanken, egal, ob sie richtig sind oder nicht. Ich will nur da raus! Irgendwie! Es muß nicht elegant sein!

Indem ich meine Angst zu Papier bringe kann ich mich ein wenig davon lösen. Aber ich mache mir keine Illusionen, sie ist noch da. Ob sie mich umzingelt oder mir im Gedärm sitzt, kann ich mit dieser Panik im Untergrund nicht feststellen. Die Frage, die ich mir jetzt stelle, ob denn die Aussage „im Untergrund“ nicht schon belegt, daß ich die Angst nicht um mich, sondern in mir lebt, führt mich wieder ein wenig mehr in die Spekulation und vom unmittelbaren Erleben der Angst weg. Mir ist im Moment jede blöde Spekulation, jeder überflüssige Gedanke recht, wenn sie/er mich nur vom Angstzentrum weglockt. Ich würde auch jede depperte Fernsehsendung anschauen, wenn sie mich nur ablenkt.

Nichts ist mit: ich stelle mich tapfer meiner Wirklichkeit.


(Nachtrag beim Tippen des Textes: Die Angst kommt auch von außen, von der Gesellschaft. Die Sozialschmarotzerdebatte erlebe ich als direkten Angriff auf mein Recht zu leben. Obwohl ich mein bescheidenes Einkommen ausschließlich im Job verdiene.)







(19.3.2018)











©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 16. März 2018

891 Ich bin auf schwankenden Grund geraten


Ich bin auf schwankenden Grund geraten. Beruhigungsphasen und erst hochsickernde, dann hochschießende Angstzustände wechseln sich ab.

Ich weiß nicht, was mir mir los ist. Eine allgemeine, große Verunsicherung. (Nicht die erste.) Angst, daß der Tod bereits vor der Tür steht. Übelkeit – heute meistens nur mehr eine leichte, allem unterlegte Schicht, die aber von Zeit zu Zeit akuter und stärker wird. Gefühle der Überforderung, wenn ich zum Beispiel an das Ausfüllen des Pensionsfeststellungsformulares denke – wie soll ich wissen, wann ich in meinem zersplitterten Leben welchen Job wie lange gemacht habe, auf den Tag genau? Dieses ewige Danebenstehen und Sichnichtauskennen! (Der Mann ohne Eigenschaften.)

Ich rede beruhigend auf mich ein: ein Schritt nach dem anderen. Das kennst du schon. Das hast du schon öfters gemacht und es hat oft funktioniert.


Ich bin in einem dieser Zustände, wo mir vorkommt, ich wäre in einem Traum und wo mich Erinnerungsbruchstücke andriften, die ich nicht in mein bekanntes Leben einordnen kann. Oft von unglaublicher Intensität, stark und beinah realistisch, verbunden mit starken Gefühlen, aber doch wie durch eine halb durchsichtige Membran von mir hier getrennt und nicht zu begreifen. Ich nenne das bei mir meine Endorphinzustände.

Meine Wahrnehmung ist nicht fest, an den Rändern kann sich etwas bewegen, oder diese Ränder verdunkeln sich und schwärzen sich etwas ein. Angst, daß alles, nein, daß ich ins Rutschen gerate. Da ist ein Abgrund, wo es dann kein Halten mehr gibt.

Das Schreiben beruhigt mich wieder. Aufs Papier gebracht.
Ich wundere mich, wie ich – so weltfremd – es bis hierher geschafft habe. Hatte ich Schutzengel? Oder anderes der Art? Aber hält die ganze Konstruktion noch, oder beginnt der Turm zu fallen?

Die Dusche nebenan macht Geräusche, als wäre sie auch ein Bohrmaschine oder eine elektrische Zahnbürste (putzt sich da jemand beim Duschen die Zähne?). Jetzt komme ich ein wenig von der Beklemmung weg. Ein äußerst fragiles (Un-?)Gleichgewicht.

Und jetzt der Regen, nachdem ich das Fenster geöffnet habe. Auch der beruhigt mein aufgewühltes, in Angst versetztes Gemüt.

Ein tiefer Atemzug verschafft mir wieder etwas mehr Raum. Meine Seele – gerade noch vorm schwankenden Universum in Angst eingerollt – macht langsam wieder auf und streckt sich ein wenig.

Noch sind wir nicht untergegangen. Noch treiben wir – an irgendwelche Holzbalken geklammert – auf dem universalen Ozean umher. Wohin die Reise geht, weiß kein Mensch. Naja, Floskel: ich weiß es nicht.


Die Augen zu, das Fenster offen.








(16.3.2018)











©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

890 Ich muß gut zu mir reden


Gestern Abend in der Arbeit im Callcenter hat es angefangen. Eine leichte Übelkeit, leichte Probleme mit der Wahrnehmung, leichtes Verschwimmen des Gesichtsfeldes. Die monotonen Klingelgeräusche im Kopfhörer, das Starren auf den flimmernden Bildschirm mögen so eine leichte Wahrnehmungsverschiebung vielleicht etwas fördern. Irgendetwas stimmte nicht ganz, aber alles schien noch im grünen Bereich. Den Heimweg bin ich langsam und bedächtig gegangen.
Zu Hause dann um zehn Uhr abends ist es losgegangen: heftigste Übelkeit, Wahrnehmungsstörungen, als wäre ich auf einem schlechten Trip. Panikattacken, die ich gerade noch so halbwegs abbremsen konnte, daß ich nicht einfach aus Angst losschreie. Aber auch dafür wäre ich zu schwach gewesen. Ich wußte nicht ob sitzen oder liegen, beides löste große Angst und Übelkeit aus: beim Sitzen konnte ich mich nicht aufrecht halten, beim Versuch mich hinzulegen Panik vorm Untergehen. Ich glaubte, mein letztes Stündlein hat geschlagen.

Zuerst dachte ich an eine Herzgeschichte. Aber ich spürte kein Ziehen, keinen Schmerz beim Herzen und mit dem linken Arm schien alles in Ordnung zu sein. Habe ich etwas Schlechtes gegessen? Eher nicht. Es fühlte sich nicht wie verdorbener Magen an. Kein Durchfall, die Übelkeit spürte ich auch im Bauchbereich, aber anders als bei verdorbenem Magen. Obwohl es so ein heftiges körperliches Phänomen war, vermutete ich eher etwas Psychisches, denn es war ein Gefühl, sich aufzulösen. Außerdem fiel mir ein, daß mir schon ein paar Tage vorher, beim Anschauen eines alten Familienvideos, schlecht wurde und ich vom Film weggehen und mich hinlegen mußte, weil ich es nicht aushalten konnte, mich da agieren zu sehen: wie ich mich bewege, wie ich rede, wie ich mit meinen damals noch kleinen Kinder umtue: ich hielt mich selbst nicht aus.

Also jetzt wieder, aber viel heftiger. Ich nehme einen Gegenstand und presse ihn gegen meinen Bauch, um mich wieder etwas zu zentrieren. Das brachte ein bißchen Erleichterung, so viel, daß ich wieder etwas klarer denken konnte. Schließlich ließ ich mir einen Kübel bringen – an Aufstehen und Herumgehen war nicht zu denken – alllles drehte sich – und ich stecke den Finger in den Hals um den Reflex des Erbrechens auszulösen, der, so viel mir ein, oft geholfen hat.

Ich erbrach ein wenig (übrigens von eigenartigem Aussehen und Konsistenz - ekelempfindliche Gemüter bitte nicht weiterlesen! - Weder sah das aus wie der übliche halbverdaute Nahrungsbrei, auch nicht wie das grüne Zeugs, das hochkommt, wenn nichts mehr im Magen ist, sondern es sah eher so aus wie das, was Katzen auskotzen, wenn sie Gras gefressen haben, nur ohne Grashalme. Braun wie Scheiße. Soetwas hatte ich noch nie gesehen.) Dieser ausgelöste Kotzreflex brachte tatsächlich Erleichterung und ich konnte auf die Toilette wanken. Die Sitzung dort dauerte länger und brachte schließlich noch mehr Erleichterung. Wichtig: kein Durchfall! Fühlt sich tatsächlich nicht nach verdorbenem Magen an. Ich wusch mich dann gründlich, so gut es ging.

Alles sehr eigenartig. Jetzt, am Morgen, fühle ich mich noch immer ziemlich flau, als befände ich mich auf schwankendem Grund (Ergänzung 16.3.: auch heute noch), ich kann jederzeit in die Panik abrutschen. Meine surrenden Sirenen haben Hochbetrieb und einen anderen, „fetteren“ Ton. Die Gedanken rasen durch meinen Kopf und manche lösen Angstzustände aus. Ich muß gut zu mir sein und vor allem: gut mit mir reden.








(14.3.2018/ überarbeitet 16.3.)











©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 12. März 2018

889 Radio


Es macht mich nervös, wenn ein Radio läuft und niemand hört zu.
Na und?!, kann man darauf sagen, dann schalt es halt aus!







(12.3.2018)








©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 9. März 2018

888 Konsequent und stur


Vorm Einschlafen

Ich lasse die kalte Luft herein – in Erinnerung an den ersten warmen frühlingshaften Tag heute. Die Nächte sind noch kalt, aber ich lasse dieses lebensnotwendige Gasgemisch herein.

Ich bin fröhlich. In erster Linie nicht unbedingt wegen des schönen Wetters am heutigen Tag – ich bin gerade mit meiner Schreiberei sehr zufrieden. Nicht unbedingt mit jedem einzelnen Text, aber mit vielen. Ich habe nämlich ein wenig in meiner Schublade geschmökert. Ich bin dabei nach dem Zufallsprinzip vorgegangen: ich habe konsequent und stur immer den letzten Titel ganz unten in der Spalte rechts angeklickt, die neue Seite tut sich auf und mit ihr eine neue Spalte und dann wieder den untersten Titel und so weiter. Die meisten Texte hatte ich schon längst vergessen und ich war erstaunt, mitunter begeistert über das, was ich da zu lesen bekam (auf Inhalt und Formulierungskunst bezogen). Ich bin fröhlich, glücklich und zufrieden. Mein Leben hat doch einen Sinn! Im Moment weiß ich, ich kann schreiben.

Ich stoppe für heute meine Schreiberei; vielleicht kann ich so die Euphorie bewahren.



Nach dem Aufwachen

Die Stadt rauscht in ihrer frühlichen Betriebsamkeit beim offenen Fenster herein, ich genieße diesen Morgen warm eingehüllt im Bett liegend mindestens so wie meinen späten gestrigen Abend. Ich bin glücklich und wie zur Bestätigung beginnt in der Ferne eine kleine, etwas scheppernde Kirchenglocke zu läuten. Kurz; zur Wandlung vielleicht? Wurde tatsächlich Tonal-Material in Nagual-Essenz rückverwandelt? Ist das wirklich gelungen? Das wäre erst recht ein Grund zu großer Freude. (Halleluja!)

Die kalte, morgendliche, ein wenig muffig riechende Lichtschachtluft diffundiert bis zu mir her, der ich da hinten im Winkel im Bett kauere.

Die Fröhlichkeit beim Einschlafen hat sich über Schlaf und Träume hinweg bis jetzt, zwanzig Minuten nach dem Aufwachen, gehalten. Wobei dieser meiner Fröhlichkeit durchaus etwas innerweltliches anhaftet – zu meiner Überraschung. Komme ich allmählich wirklich in dieser unseren Welt an? So spät? Hm! Ich wundere mich und staune.
Oh! Und eine Krähe schreit! Ich nehme das als gutes Omen (wiewohl ich von Omina nichts verstehe). Legen wir eine Karte!

Raus aus dem warmen Bett, zum Schreibtisch ans offene Fenster – ganz schön frisch! Im gleich gegenüber liegenden (?) Gangfenster sehe ich den wirklich freundlichen, stillen Mann vom Reinigungsdienst, der hier einmal in der Woche alles sauber macht. Ich freue mich jedesmal, wenn ich ihn sehe, denn der Mann hat eine gute Aura. Ich stelle mir immer vor, er kommt aus Bosnien-Herzegowina, jedenfalls ist er aus Ex-Jugoslawien.

Ich nehme den Kartenstapel, mische die Karten – der fallende Turm hatte wirklich schon zu lange regiert – während dessen streift mich kurz ein wenig Nervosität und Ängstlichkeit – dabei trete ich vom Fenster weg zu Seite – schließlich bin ich noch im Pyjama – und ziehe dann: die Herrscherin.

Nun, ich weiß nicht viel über die Tarotkarten und ihre Bedeutungen; rein assoziativ würde ich sagen: im Matriarchat angekommen? Das Matriarchat angenommen? Was immer das heißt.

Jedenfalls freue ich mich auf den heutigen Tag.
Ich drehe mein Nachtkastllicht ab und bleibe noch ein wenig im Bett um zu launeln.

Ist es eine Meise, die ich da rufen höre?









(8./9.3.2018)












©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 8. März 2018

887 Von ihren Listen streichen


Ich schaue auf die kleine Kreuzung hinaus. Herinnen, rechts unter dem Tisch: ein schwarzer Hund; über dem Tisch: eine ältere Dame, die – so hätte ich das gedeutet – mit einer jüngeren Frau mit osteuropäischem Hintergrund – sicher bin ich mir nicht – doch eher aus dem Orient – Konversation in Deutsch übt.

Draußen gehen viele Leute über die Kreuzung. In den Gesichtern der Passantinnen (8. März!) kann ich nichts lesen. Am ehesten noch eine gewisse Müdigkeit – aber das riecht nach Projektion, denn die seelische Müdigkeit ist mir vertraut, auch wenn ich jetzt vom Kaffee gerade aufgeputscht werde.
Ich will nicht alles hinschreiben, was ich da so mit meinem G'schau mache, denn mein Blick hinter der schützenden Glasscheibe hervor – die spiegelt von draußen gesehen wahrscheinlich - ist nicht immer ganz koscher – gerade heute, am internationalen Frauentag.

Ich gebe zu – ein alter Mann, ein Raucher, steht am entspanntesten von allen am Gehsteig und schaut aufmerksam herum. Ein junger, der über den Zebrastreifen stapft, als zöge er in einen längst fälligen Kampf, auf einen Vergeltungsschlag aus – aber der zu überfallende Stamm wohnt weit weg und vielleicht wird den Kriegern der Weg zu mühsam und sie verlieren die Kampfeslust und drehen wieder um (Beleg-Geschichte: Konflikte zwischen zwei Stämmen irgendwo im Amazonas-dschungel, wo das immer wieder passieren kann – alles Nähere vergessen) – und unser Krieger gestikuliert, seinen inneren Film unterstützend.

Der alte Mann ist mit seiner Zigarette fertig und schaut immer noch relativ entspannt herum – wenn auch um zwei Grade weniger. Kurz blickt er auch zu mir, der ich hinter der Glasscheibe hinübergaffe, her. Hat er gespürt, daß ich ihn beobachte?

Das flirtende Pärchen am Tisch vor mir lacht, die vibrierende Spannung glaube ich herauszuhören.

Der alte Mann am Gehsteig telefoniert. (Wahrscheinlich würde er sich dagegen wehren, als alter Mann bezeichnet zu werden, möglicherweise ist er etwas jünger als ich.) Er wartet offensichtlich auf jemanden. Den Eindruck hatte ich schon länger.

Neue Belegschaft am Nebentisch: er sagt: „es tut sich nichts.“ Kommt darauf an, worauf wir achten.

Draußen über den Mauern der Straßenschlucht leuchtet ein strahlend blauer, sonniger Himmel. Jetzt, wo der Kaffee schon richtig wirkt – ich zittere bereits – sehe ich in den Gesichtern weniger Müdigkeit. Oh Wahrnehmung! Was nimmst du dir da für Spielchen heraus!

Kopfbedeckungen können sehr lächerlich sein, besonders bei Männern – ah! Ich korrigiere: auch bei Frauen – es gehen gerade zwei Belegexemplarhüte vorbei – bei Männern also, denen ihre Frauen/Mütter die Kappe aufgesetzt haben. (Da sollten sich die Frauen gleich auskennen und diejenigen von ihren Listen streichen.)

Verdammt! Der alte Mann am Gehsteig ist weg! Vor lauter Schreiberei habe ich mich ablenken lassen. Dabei hatte ich mir vorgenommen, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

Eine junge Radfahrerin schaut mir auf meinem – koscheren! - Blick im Vorbeifahren kurz in die Augen.

Ein etwas dicklicher – nicht dicker, vornüber gebeugter Priester in Kutte, mit grünem Zingulum (das ist der Strick um den Leib, auch das Gelübde der Keuschheit symbolisierend. Ein grünes Zingulum habe ich noch nie gesehen) eilt mit krampfenden Kieferbewegungen die Straße hinauf (Richtung Zentrum). Gerade vorher ist er genau so die Wollzeile hinuntergestolpert.

Zwei Zwillinge im Kinderwagen schauen uns im Kaffeehaus vom Gehsteig draußen rundgesichtig staunend mit offenen Mündern an.

Jugend am Werk fährt vorbei.

Oh! der „alte“ Mann am Gehsteig ist wieder da und raucht wieder. Vielleicht hat er Zigaretten gekauft. Jetzt lege ich den Griffel und die Lesebrille hin und warte, war er macht. (Literarisch überhöhter Voyeurismus.)

Der komischen Mützen sind viele. (Obiger trägt seine Glatze barhäuptig.)

(Frauenmantel mit als Blumenmuster getarntem militärischem Tarnmuster.)

Jetzt winkt der gar nicht so alte Mann am Gehsteig. Eine junge Frau mit einem ungefähr zehn-, zwölfjährigen Buben kommt über die Straße auf ihn zu. Sie könnten Tochter und Enkel sein. Sie gehen ab.

Ich auch. Ich werde jetzt auch abgehen. Ich werde zahlen, dann meine Jacke anziehen, den Rucksack mit dem dann darin verstauten Notizbuch samt Griffel schultern (naja, normal versteht frau (8.März) unter „schultern“ etwas etwas anderes. Probieren wir es einmal), meine Schirmkappe mit dem schon etwas überdimensionierten Schirm aufsetzen und dann abgehen. (Er geht ab.)








(8.3.2018)









©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


886 Es klopft


Es klopft schüchtern an der Tür. Verschlafen rufe ich „ja“. Und nochmals, lauter „ja!“
Niemand öffnet die Tür, niemand kommt herein, niemand ist da.

Ich brauche ein bißchen, bis ich verstanden habe, daß ein Traumwesen angeklopft hat, ich aber in der Realität geantwortet habe. So kommen wir nie zusammen.

Ich bleibe im Bett und schlafe wieder weiter.

Der Kugelschreiber fällt mir aus der Hand.







(8.3.2018)









©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

885 Auftrieb


Im Lichtkegel schwebt noch der Staub vom Aufschlagen der Bettdecke. Ein kleines, niedersinkendes Universum. Es hält sich jedoch viel länger, als ich gedacht habe. Da muß es Auftrieb geben, denn immer wieder schweben Teilchen nach oben. Während meine Gedanken zu Boden sinken und dort überdreht (weil übermüdet) sinnlos herumkugeln.

Meine surrenden Sirenen singen und locken mich in die Traumwelt. Meine Kiefermuskeln „ziehen“ schon von der Anstrengung, mich wach zu halten.

Na dann: in Gott's Nam': guate Nocht! (Hä!? So bin ich gar nicht aufgewachsen!)








(7./8.3.2018)










©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 7. März 2018

884 Bin ich es?


Ich schiebe mich reichlich mühsam unter Schmerzen (Kreuz) durch die wie ein Tunnel vorbeigleitenden Stiegenhauswände die Stufen hinauf. Geisterbahn ohne Geister (außen). Oder bin ich es?



(5.3.2018)





Fast immer, wenn ich in mich hineinhorche: zuerst unsägliche Trauer. Ich kann gegen sie nichts sagen – sie passt. Mir fällt gegen sie nichts ein. Ich wüßte nicht, was ich sagen könnte, um die zu vertreiben. Ich will sie ja gar nicht wegjagen. Sie ist meine „Substanz“. Ich versuche es so auszudrücken: es ist auch die Trauer über den Abgrund, der sich zwischen dem angelegten, angeborenem Potential und der Entfaltung, Verwirklichung auftut. Da meine ich nicht nur mich und mein verfehltes Berufsleben (mit allen Konsequenzen jetzt, gegen den Lebensabend hin), sondern ich meine das alles auch viel existentieller. Was an Liebe möglich (gewesen) wäre und dann doch nicht gelingt; bei mir, bei den anderen. Die Liebe der Eltern zu ihren Kindern zum Beispiel, die Liebe der Kinder für ihre Eltern, die immer da ist, aber so oft verkannt und zerstört wird. Die Liebe zur Welt und zu unserer Heimat - der Erde. Die Liebe zwischen … das brauch ich doch gar nicht alles aufzählen; das kann jede und auch jeder weiterführen (Seht! Ich werde schon wieder träge! Eine der sieben Todsünden!)

Auch das spürt meine Trauer: diese meine seelische Müdigkeit.

Es ist eine Trauer die lächelt. Zumindest hier, in der Stille, in der Nacht bei offenem Fenster, gegen zwei Uhr.







(6./7.3.2018)











©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 5. März 2018

883 Zubettgehen


Ungewöhnlich früh habe ich mich ins Bett gelegt, denn ich bin sehr müde. Geradezu erschöpft von einem freien Tag und den Anstrengungen der Seele. Es ist leicht zu sagen: ich denke zu viel. Richtiger: ich grüble zu viel. Mir fehlt die Leichtigkeit. Ich fühle mich überfordert, dort, wo ich meinen Mann stehen sollte und unterfordert dort, wo ich glaube, daß meine Talente lägen. Sicher bin ich mir dessen jedoch nicht mehr.

Das Zubettgehen löst mitten in Trauer und Schwermut große Freude aus: endlich kann ich alles ablegen, alle Ansprüche und alles Unerledigte für heute gut sein lassen; ich habe nichts mehr vor.
Endlich genieße ich soetwas wie Ruhe; ich bin der tiefen Stille ein paar Millimeter näher, mögen die Gedanken noch so herumsausen und irgendwelche Bilder und Phantasien immer wieder an mir herumzerren.
Unwillkürlich und ohne Vorsatz atme ich ein paarmal ganz tief. Ich fühle große Trauer und seelischen Schmerz in mir, aber die sind zurecht anwesend und ich kann sie annehmen. Sie zerstören die Ruhe und die stille Freude nicht. Sie sind angemessen.

Bei dieser Erkenntnis hat das Surren in meinen Ohren einen Knall veranstaltet, gefolgt von einer halben Sekunde absoluter Stille und hat dann heftig und laut in einer anderen Tonhöhe wieder eingesetzt.

Ich bin glücklich hier im Bett, warm eingehüllt und mit dem Tag abgeschlossen, egal, was er wiegt.


Wenn ich mag, kann ich noch etwas lesen.









(1.3.2018)












©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

882 Victoria


Der Lastwagen: rückwärts (fahrend)
Der Kaffee: milchig
Der Mann: witzig
Das Frühstück: continental
Der Fensterplatz: kalt
Das Café: anders als früher
Die Musik: alt, gut (Kinks, Victoria)
Die Kleidung (gegenüber): modern, retro, nice, sleazy, rocka, billy
Der zweite Milchkaffee: aufputschend
oft: unverhofft
Die Nase: kalt, rinnend
Das Kreuz: schmerzend
Der selbe Mann: (ständig) telephonierend
Der Einkauf: (bestenfalls) halb erfolgreich
CDs: heutzutage fast überflüssig
Der Paketzusteller: konzentriert
Der Geher: sonnenbeschienen, hingegeben (an die Sonne und an die Musik aus seinem Kopfhörer)
Noch ein Paketzusteller: pausierend
Der Hausmeister oder der Mann vom privaten Winterdienst: streuend (Kies)
Die Nase: rinnend
Der Obige: den bestreuten Gehweg photographierend (wohl als Beweis, daß er seinen Auftrag erfüllt hat, bevor wieder jemand den Schotter wegkehrt) (dann wohl kein Hausmeister)
Die Baustelle: ruhig, still
Die Autos: manövrierend (wegen der Baustelle)
Das Polizeiauto: abbiegend
Die Auslagenscheiben: spiegelnd
Der Passant: rauchend
Die Passantin: ins Smartphone starrend
Die andere Passantin: den Schal ins Gesicht haltend
Die dritte Passantin: wie die erste
Die vierte: Kinderwagen mit Kind schiebend
Die fünfte: kurz herblickend
Die Musik: alt, gut (Stones, Gimme shelter)
Der Passant: flanierend (langsam), ins Smartphone starrend
Ein Passant: in den (Baustellen-)Schacht starrend, kurz
PassantInnen: viele, nicht beschrieben
Der alte Mann: Mundwinkel herabhängend
Die Radfahrerin: ohne Kopfbedeckung (-7 Grad)
Eine Passantin: Winterjacke mit Kapuzenfell (Imitat) in militärischen Tarnfarben – die Jacke, Fellimitat: lila
Musik: Reggae (Interpret, Band, Zeit: mir unbekannt)
Die Baustellenabsperrungen: rot – weiß – rot -
Die Tauben: fliegend
Die Stummen: schweigend
Der Scherz: kindisch („lieber eine Stumme im Bett als eine Taube am Dach“)
Die Zensur: eingreifend! (zurecht!): Obiges wird gestrichen!
Mein Geist: unruhig, fahrlässig (zunehmend)
Meine Gedanken: Ortswechsel? (fragend)
Mein Herz: unruhig (bis es …?)







(1.3.2018)










©Peter Alois Rumpf    März 2018     peteraloisrumpf@gmail.com