Freitag, 26. April 2024

3643 Drei Meister

 



16:40. Die drei Säulengleditschien leuchten in jungem Grün und die gegenüber liegenden Hausfassaden strahlen blendend im wieder erstarkten, tief stehenden Sonnenlicht. Hubschrauber fliegen lärmend und in rotierender Wichtigtuerei über die Häuser. Es gibt den inneren - oder bloß innen deponierten - Impuls, hinaus in die Sonne zu gehen, aber ich bleibe im Musikzimmer und blicke aus dem Fenster auf den kleinen Platz unten mit den zwei Bänken und lege mir The Psyche vom Revolutionary Ensemble auf. Der Wind bewegt leise die Zweige und Jerome Cooper trommelt, Sirone basst und Leroy Jenkins zieht über die Geige. Ich kenne nicht viel, aber ich kenne keinen Schlagzeuger, der verrücktere Rhythmen klopft. Der junge Mann unten verläßt die junge Frau auf der Bank und fährt mit dem Fahrrad davon. Ich glaube nicht, dass es für immer ist, aber glauben heißt nichts wissen. Das Bassspiel von Sirone aka Norris Jones erzeugt eine eindringliche Intensität, wie ich sie selten erfahren habe (immerhin bin wegen der Drei 1977 nach Moosham gereist, um sie zu hören und zu sehen und habe ihnen mein herzübergelaufenes Bravo allerdings verhalten und etwas zaghaft in die Liveaufnahme geschrien). Und das Bassspiel wird jetzt von Leroy Jenkins Sologeige abgelöst – eigentlich abstrahierte Spititualmusik. (Natürlich kommen jetzt wieder die depperten Hubschrauber.) Der Schmerz ist noch deutlich spürbar. Während ich stehend am Fensterbrett schreibe und dabei hin und her wanke – Spielbein – Standbein – knackst mein linkes Knie. Nun spielt Jerome Cooper eine Art Klaviersolo, während Sirone hineinbasst. Alle drei sind Meister im langsamen Spannungsaufbau und Meister der versteckten und verhaltenen Melodiösität. Und Meister des absolut konzentrierten Dichte. Und Meister der hinausgezögerten Übergänge – was nichts mit Zögerlichkeit zu tun hat. Die Passanten unten habe ich jetzt nicht beachtet, aber nun schleppt sich eine müde, alte, beladene Frau vorbei, während sich die scheinchaotische musikalische Invasion – Cooper wieder am Schlagzeug – in minimalen Schritten zu einem rockigen Jazz zu ordnen und zusammen zu fügen beginnt. Wirklich mit kaum wahrnehmbaren Übergängen. Die Abendschatten haben das Erdgeschoß schon erreicht.




(26.4.2024)




©Peter Alois Rumpf April 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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