Freitag, 28. Mai 2021

2274 Coach

 

Kaum richte ich mich auf und die Pölster her, setze mich im Bett und mir die Lesebrille auf, ziehe beide Knie zum Bauch heran um so einen „Schreibtisch“ aufzubauen, kaum nehme Stift und Notizbuch zur Hand, kommt schon Frau Katz und setzt sich mir auf die Brust und liebkost mit ihrem süßen Köpfchen meinen Pilot-Schreiber.

Der in ihr inkarnierte Literaturkritiker will mich am Schreiben hindern („G'schrieb'n wird eh so vü, dass's ana Sau graust“ W.D.), aber meine Katzenfreundin als solche war so rücksichtsvoll, mit ihren Liebesbezeugungen zu warten, bis ich wach geworden bin (keine Sorge: wenn es hart auf hart geht, weckt sie mich auch auf).

Manchmal versuche ich dann, wenn sie mir auf der Schreibhand liegt und ständig meinen Pilotschreiber stuppst, mit links zu schreiben, aber so ein rechter Schreibfluß will dann nicht entstehen. Frau Katz schaut ganz interessiert auf mein Gekritzel – vielleicht will sie auch schreiben lernen, oder es ist der Literaturkritiker, dessen Geist in ihr wohnt, der mein Geschreibe überwacht. Nun wendet sie ihren Kopf vom Notizbuch ab: ob sich der Kritiker mit Grausen oder ob die Katze, weil sie gesehen hat, dass aus meiner Tätigkeit keine Mäuse entstehen – who knows!

Nun schleckt sie meine brave Schreibhand. Der kleine weiche Katzenkörper wärmt meine Husten anfällige Brust und ich denke mir: das ist genau so schön wie schreiben! Zur Bestätigung strahlt der Lichthof im echten Sonnenlicht auf und erhellt mein Zimmer mit seinen weitergeleiteten Strahlen.

Die Katze sitzt jetzt unten vorm Bett und schaut und grummelt mich an, bis ich kapiere: sie will das Bett für sich und ich soll aufstehen! Ach! Meine Depressionscoachin! Na gut! Frühstück; nach Mittag.

 

(28.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2273 Die Völkerwanderungszeit

 

Der Morgen so sonnig wie noch nie! Das Zimmer heller als die Polizei erlaubt (ich glaube auch, dass viele Polizisten in der Hölle landen, wegen Paragraph (versteht ein Polizist eher als Gesetz) 8: „du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten“). (Aber gut, schau ma mal, wo ich landen werde.) Eindeutig ist es zu früh für mich, meine Assoziationen sind noch sehr halbwitzig. Edwin kommt übrigens von angelsächsisch eâd = Besitz und win = Freund. Winnetou heißt „dein Freund“ und Winnie Poo … okay - mein Bewußtsein hängt also irgendwo im mittleren Bereich, gerade noch an der unteren Grenze. Fetzerl waschen habe ich gestern vergessen – die Fetzerl, mit denen den Tageskindern Mund und Hände abgewischt werden; Waschmaschine (wie innere Reinigung) ist mein Aufgabenbereich – und so steigt meine Frau und Tagesmutter ganz umsonst die Stiegen herauf und findet den Wäscheständer leer (ich glaube, mein Bewußtsein ist etwas wacher, weil blöder geworden – manchmal kann ich meine Assoziationsketten meinen Leserinnen nicht zumuten). Die Nächte gehören dann mir.

Jetzt liegt die Katze auf meiner Schreibhand – ich sag's ja: in ihr hat sich der Geist eines Literaturkritikers inkarniert. Okay, Frau Literaturkritikerin, ich lege den Griffel weg und verschone die Welt mit … In der Völkerwanderungszeit muß das schneller gegangen sein!

 

(28.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2272 Die Bücher stehen aufrecht und stumm

 

Nach der heutigen Schwerarbeit lehne ich im Bett bei meinen üblichen nächtlichen Betrachtungen und versuche ruhig zu werden (Katzl, Katzl loos mi schreibm! (zur Melodie von „Foda, Foda loos mi ziagn“ aus dem Rustikal Watzmann)).

Alles ist ruhig, die Bücher stehen aufrecht und stumm; am Kopfe surren die Ohren. Die Bilder bilden sich nichts ein. Die Kunstkarten arten nicht aus. Ich erwarte heute nichts und bin ganz zufrieden so. Die Katze auf der Brust, das Notizbuch am Knie, warte ich ohne Stress, ob sich noch irgendetwas Aufzuschreibendes ergibt, ob die Götter mir noch irgendeinen Verkündigungsauftrag zuschanzen.

War das eine kleine Fliege oder eine größere Motte im Lichtkegel? Ein Hustenanfall entstaubt meinen Leselampenschirm. Eine Zeit lang schweben noch die Staubteilchen herum und bilden eine eigene Galaxie, aber nun – so schnell kann's gehen! – ist es mit dem Zauber vorbei und nichts passiert.

 

(27./28.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 27. Mai 2021

2271 Escalator-Over-The-Hill-Nacht

 

Ich höre die Jazz-Rock-Oper Escalator Over The Hill von Carla Bley, Michael Mantler, dem Jazz Composer's Orchestra, Libretto: Paul Haines (diese wunderbare Stück Musik kennengelernt zu haben, verdanke ich übrigens Hannes Priesch; ich kann mich noch genau erinnern, wie mir die Overture anlässlich eines Besuchs bei ihm in Wien auf die Nerven gegangen ist. Bis ich mir später dann alles in Ruhe angehört habe).

Ich höre Escalator Over The Hill und weiß nicht, um welchen Hill es sich handelt. Des Englishen nicht mächtig verstehe ich Texte nicht, aber Paul Haines Dichtung dürfte auch für Muttersprachler schwierig sein. Oder?

Ich bin gerade bei der Overture und da fällt mir ein: es soll eine Schmetterlingsart geben, die von Skandinavien aufbricht, herunterfliegt und nicht nur über einen Hill, sondern über die Alpen will. Ich weiß nicht mehr, woher ich die Geschichte habe; Gottseidank jedoch bin ich kein Wissenschaftler, sondern ein Geschichtenerzähler, und da ist es egal, wenn die Geschichte falsch wäre und die Story erfunden, denn irgendwo da draußen in der Unendlichkeit früher, jetzt, oder erst in der Zukunft schaffen Schmetterlinge aus Skandinavien die Überquerung der Alpen und die Erzählung läßt auch bei noch fehlender Tatsache diese Möglichkeit offen, festigt sie, peilt sie an und erschafft sie auf lange Sicht in der Wirklichkeit. Somit ist die Verbesserung der Realität zur Wirklichkeit berechtigt (Vgl. auch den Text Nummer 1 hier in der Schublade).

Ich selbst werde die Überquerung meiner Alpen in diesem Leben, flatternd wie ich unterwegs bin, nicht mehr schaffen, aber das tut meinem Respekt für die, denen es gelingt, keinen Abbruch und auch nicht meiner neidlosen Freude über ihren Sieg.

In der Overture spielt Charlie Haden gerade ein kurzes, intensives, wunderbares Basssolo, das das oben Gesagte von den Gesetzen der Schicksalsgötter her bestätigt: „keine Spompanadln! Entweder du kommst über den Berg, dann bist du gerettet, oder nicht, dann bist du verloren! Es ist niemand da, den du überreden oder bezirzen kannst, ein Auge zuzudrücken. Es ist niemand da! Die Mächte sind abstrakt!“ Aber der Charlie Haden sagt das schön, freundlich, ohne zu verurteilen, mit Mitgefühl, nicht so wie ich in döbranitisch boshafter Manier.

Im ersten Akt mit Phantomen, einem Löwen und vielen anderen zieren sie das „again“ des Schlußes in vielen Wiederholungen wieder und wieder aus, womit der Kreis geschlossen wird (wir sehen: es geht hier um den ewigen Kreislauf). „Edgar“ wird als Name für das transzendentale Abstrakte vorgeschlagen. Warum auch nicht?! Jedem Namen für das Namenlose haftet Willkürliches und Absurdes an (wenn du glaubst es geht nicht mehr, schlage im etymologischen Wörterbuch nach: angelsächsisch eâd = Besitz; gâr gêr = Speer; Und? Hilfreich?).

Ich werde jetzt nicht die ganze Oper entlang ihres Verlaufes kommentieren und meine Assoziationsketten aufschreiben; das ist mir viel zu anstrengend! Jedenfalls sind wir nun in Cecil Clark's Old Hotel. „Vote for somethink weak“ singt der Doctor.

Over the hill

Over the hill

Over the hill

Hotel Lobby Band spielt exquisiten Jazz. Der Leader (weiblich) singt und schreit eindringlich „Stay awake!“ bis sie vom Lautsprecher unterbrochen wird.

„Two skins better than one/ no skin better than none“

Jack (Bruce) mit seiner Traveling Band bricht in den Jazz herein und jetzt wird’s rockig mit John McLaughling an der E-Gitarre und vielen anderen großartigen Musikern (Kann man alles nachschauen).

„Moonlight“ - heute ist Vollmond.

Jack singt: „Detectiv writer of english/ she was once the Queen of Sweden“.

„Things were melancholy and industrial“ (eine genaue Beobachtung!) singen Jack und die Leader.

Ein kleines feines Solo von John McLaughlin.

Ginger und Jack singen „...and pineapple and cheese“

David (the curator): „Some socialist stationwagon solution“ (a string knottet about his neck).

Therapist: „Day after day after day ...“

Nurse I: „E pluribus unum“

David: „Selling nude photographs of Joe Dimagio“

Ginger: „High on icecream and not melting/ mouth to feel but not be felt“

Ginger und Leader: „Contemplating suicide/ as protection from fraud/ escalator over the hill“

Jack II: „Gentle little mistakes“

Leader: „Birds grow in the sky/ they settle on badminton net/ they shake it when they leave/it's never nearly over yet“

Jack II: „Gentle little minds“

Jack I: „Not so long ago“

Leader: „Stop refusing to explain/ give up explaining“

Hotel Lobby Band spielt das Holiday-In-Risk-Theme, dann kommt das wunder, wunderschöne A.I.R (All India Radio) der Desert Band Of Musicians unter anderem mit dem von mir hoch verehrten Leroy Jenkins (später Revolutionary Ensemble; ein Trio, von mir fast angebetet, für seine Auftritte bin ich früher hunderte Kilometer nahezu geldlos gestoppt) und viele andere Meister und Meisterin (Carla Bley, die ja die Musik dieser Oper geschrieben hat).

Nach dem ergreifenden A.I.R. Singen Jack und Parrot „Rawalpindi Blues“.

His Friends: „What will we ever do with you?“ Das frage ich mich auch oft, was die hier und die drüben mit mir tun werden. Vom unterm Schreibtisch schaut mich die leere Bohrmaschine an – direkt auf mich gerichtet – ich weiß nicht recht … Solo John McLaughlin.

Wieder ein schöne Desert-Band-Passage, Don Cherry spielt so schön seine Trompete.

Nun stimmen Jack und Ginger sich und uns aufs „again“ ein (Jack's Traveling Band und die Desert Band!)

Jack: „There lies in your eyes/ a pretense of sense/ bringing up differences/ to be rid of them“

Jetzt wieder das von mir noch nicht erwähnte, aber schon oft aufgetretene (Haupt) Orchester.

Loudspeaker: „I'm riding the escalator over the hill“

Voice: „Blindmen don't bluff“

Voice II: „O Rawalpindi“

Again, again, again

Phantom Music (waren schon öfters am Werk)

Viva I: „The hectic sihouettes of chins“

Viva II: „The hectic silohouettes of chins“

Und dann allmählich singt alles nur mehr „again“ und endlich wird das „n“ von again ein ewig gesummter Ton, der nie aufhört, wenn man den Plattenspieler oder den CD-Player nicht abdreht.

Das war mein Escalator bei Vollmond vom 26. auf den 27. Mai 2021.

 

(26./27.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2270 Dawn of your Lifestyle

 

Der plötzlich sehr heftige Windstoß schmeißt mir die abgelegte Brille von der Bank und bläst meinen nicht ganz leeren Rucksack beinahe davon. Dabei wollte ich es heute langsam angehen und mich in diesen mir bisher eher unzugänglichen Platz mit den drei – momentan hysterisch zuckenden – Bäumen, der mir von den Fenstern oben immer so anziehend erscheint, eingewöhnen. Ein fe- bis feister Arbeiter muß die hingesprayte Aufschrift „dawn of your lifestyle“ am Nachbarhaus überpinseln. Dabei ist das eines der intelligentesten Graffiti weit und breit. Diese Botschaft will nicht gehört und nichteinmal gelesen werden: ja, das dreht der Spießbürger durch, noch dazu bei verletzten Eigentumsrechten.

Ich nehme einen zweiten Anlauf, an diesem Ort für seriöses Schreiben ruhig zu werden – nicht so leicht bei dem nervösen Wind, der an mir, den Blättern meines Notizbuches und an den Bäumen zerrt und reißt, sodaß ihre Schatten verzweifelt und wie verrückt tanzen. Und immer glaube ich, im rechten Eck meines Gesichtsfeldes bewegt sich wer und hüpft heran und ich schaue schnell hin um mich der Situation zu vergewissern. Jedenfalls bin ich freiwillig hier (T-Shirt!).

Das andere intelligente Graffito steht vorne rechts an der Hausmauer: „Sexismus tötet“ und da es aus schön gestalteten Buchstaben, aber auf an die Wand geklebtes Papier besteht, ist es schon recht zerzupft, weil alle möglichen Lümmel – einen Buben habe ich von oben vom Fenster aus dabei gesehen – daran herumkletzeln.

Ich möchte hier ruhig werden, hier, im Vorfeld und Weichbild „unseres“ Hauses. Aber richtig aggressiv und laut schlägt mir der Wind die Notizbuchblätter auf die Finger meiner Schreibhand – die Windgötter wollen nicht, dass ich schreibe. Oder der Mister Uranus himself? Ihr könnt mich mal! Jetzt ist es zu spät für Belehrungen und Herumjagerei. Wenn euch etwas nicht passt, dann schriftlich, leserlich geschrieben, an meinen Namen adressiert und auf Deutsch, weil ich anderer Sprachen nicht mächtig bin – meinetwegen in griechischen Buchstaben, Herr Uranos. Auf „mene mene tekel upharsin“ reagiere ich nicht mehr, ihr Gelichter! Jetzt kräht ein Kähenvogel! Das auch noch.

Gedankenlos schaue ich auf meine stehengebliebene Uhr, die mir nur als Statement dient. Nicht blöd, diese Windgötter! Denn auf der Uhr steht „Sturm 1909“. Gemeint ist natürlich Sturm Graz. Nicht blöd! Also gut, was wollt ihr da oben mir da herunten sagen? „Schwarzes Loch sucht Restmaterie“ steht am Mistkübel links von mir. Bloß ein schwacher, aber doch ein Trost, wenn man schon weiß, wo man im Absterben Amen landen wird. Aber das wäre mir nicht neu (Eine Taube ruckelt und zuckelt sich vorbei; der bajuwarische Affenarsch sagt „der Himmel signiert mit Tauben“). Gibt es sonst noch was, was ihr Windigen mir unbedingt mitteilen wollt? Ihr Windgötter, ist das eigentlich von ganz oben abgesegnet, gezeichnet und paraphiert? Oder treibt ihr eure eigenen Spielchen (Spielchen ιδιοτής)? (Altgriechischkenner: bitte übersetzt mir „Spielchen“ und bringt mir des idiotisch eigene in die richtige grammatikalische Form! Danke!)

„Einbahn“ steht auch noch und „ausgen.“. Wohin meine Einbahn führt, das haben wir schon; und mein Radl habe ich schon längst weggegeben. Nur den Schlüssel vom Fahrradschloß trage ich noch auf meinem Schlüsselbund.

Das nackte Weib ganz oben an „unserem“ Haus und ihr bärtiger Haberer sind schon sehr verdreckt (ich weiß: das Weib, sein Haberer, aber ich bin dafür, dass man „sie“ zu Weib und Mädchen sagen kann. Diese Sprachentwicklung unterstütze ich, denn ich will, dass sich die durchsetzt. Den Puristen zum Ärgernis.)

Heute nehme ich alle die Blechkübeln – die sich eben nicht selbst, sondern mit fremder Energie bewegen – aber auch die sinnlos herumstehenden und Raum und Sicht raubenden – ich nehme sie relativ gelassen hin.

Wenn ich mich umdrehe, kann ich auch „ausgenommen (Stecker)“ lesen.

Aber nun holt mich mein Weib ab. Sie (sic!) will mit mir einkaufen gehen.


(26.5.2021)


©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2269 Hu!

 

Im indirekten Sonnenlicht des Vormittags strahlt meine Bücherwand regelrecht auf. Die Kunstkarten leuchten, die echten Bilder ebenfalls und zeigen bisher verborgene Details. Meine Tiroler Landschaft ein Meisterwerk an Raffinesse in sich harmlos und unprätentiös gebender Malerei. Ganz genau schaue ich hin und verliere mich in den magischen Wiesen, Hügeln und Bergen und dem herabschauenden – Hu! -  Himmel. Und in dieser ruhigen Landschaft liegt eine Dynamik und Dramatik wie im wildesten Ozean: ja klar, das Transzendentale (bitte präzise Wortwahl, Sir! Transzendent und transzendental nicht verwechseln!) Chaos drängt von hinten in das Bild. Im Lošinj-Bild gleißt sich die transzendentale (Sir!) Glut im Weiß schon durch und es hat im Bild schon eine kurze, klare, deutliche Bewegung stattgefunden. Wörtlich, nicht im übertragenen Sinn. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich bezeuge es. Und die Hafenstraße hat sich in der Kurve aufgewühlt und aufgesplisst – was immer an dieser Stelle durchkommen will: bald hat es es geschafft.

Und im Donnerbachwalder Photo beginnt die Wintersonne in Zeitlupe zu explodieren.

Im zweiten Lošinj-Bild bleibt die Stadt heute erstaunlich stabil, stabiler als sonst.

Auf den Kunstkarten werden einige der Frauen lebendig, schauen mich an, winken mir zu.

 

(26.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2268 Ich bin stark

 

Wenn ich auf das Bücherregal schaue, das an der Wand gegenüber installiert ist – das hinter mir und das im Vorraum sehe ich nicht – mit all den Büchern und Kunstkarten und Kinderbasteleien, und wenn ich auch noch meinen Hausaltar mitnehme, mit all seinen Photos, Kultgeräten, Kinderzeichnungen, Heiligenbildchen, Glückwunschkarten, Ausstellungseinladungen, getrockneten Blättern, Steinen, und alle Bilder im Raum, meine und die anderer, die aufgehängten und die verpackten, die in Schachteln gelagerten und die irgendwo gestapelten, eventuell auch noch die im Zeichenkasten draußen im Ex-Atelier, wenn ich all das Zeug betrachte, dann muß ich feststellen: ich setze mich ganz vielen Wirbeln aus! Schau: Inhalt und Geschichte jedes Buches, der Autoren, die Bilder und ihre Inhalte und Geschichten, der Maler, Zeichnerinnen, der Orte, der dargestellten Personen (was da alles durchtönt!), und auch alle Gegenstände, Fundstücke, inklusive der aufgeklaubten Blätter und Steine, Hardware und Software, all das mit allem, was diese Dinge mit sich ziehen und aufwirbeln – jetzt rede ich noch gar nicht von dem, was diese Mauern dieses Hauses alles gesehen und abgespeichert haben (lacrimae rerum) – ja, dann setze ich mich hier in diesem Haus, in diesem Zimmer einer unglaublichen wirbelnden schreienden Fülle von Energie, Ausstrahlung und Auren aus! Ja, da muß ich wohl recht stark sein. Ja, ich darf sagen: ich bin stark.

 

(25./26.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2267 Day In Day Out

 

XTC höre ich und in der Fensterscheibe vor mir erzeuge ich kleine Lichtblitze mit meiner Leseschreibbrille, indem ich versuche, sie in einen geeigneten Lichtstrahl zu halten. Das ist meine Abendunterhaltung ohne Laptop (Reparatur), ohne Fernseher, ohne Bücher, die mich momentan interessieren. Unterbrochen von den durch den in mein Zimmer diffundierenden Duft des Katzenkisterls ausgelösten Aktivitäten. Ja, die Literarisierung (Liter-Arisierung; mir geht die Einwortgedichte und Wortspielegruppe auf Facebook ab!) des eigenen bedeutungslosen Lebens! Na und?! Ohne Amt und Würden, ohne Kanzel oder Rednerpult, ohne öffentliche Aufträge oder Auftritte oder Ähnlichem, also ohne Resonanz bleibt mir Geschichtenerzähler und Wanderprediger nicht viel anderes übrig. So ganz stillhalten will ich bis zu meinem Absterben Amen auch nicht. Als Gescheiteter (Gescheit-Äther, Gescheit-Peter; siehe oben) hat man viel Freiheit! Weil es auf ein paar Sünden mehr auch nicht mehr ankommt, wenn das Urteil sowieso „Raus, dorthin wo Heulen und Zähneknirschen herrscht!“ lauten wird (ich habe nie jemandem eine Zwiebel zugeworfen!). Ich lache euch Jenseitige aus! Nur den Döbereiner tät ich mir gern noch vorknöpfen, bevor ich rausfliege.

Oh was für eine schöne Musik! Day In Day Out. (Damals wegen dem Affenarsch auch zerstört.)

Ich bin now bei Ten Feet Tall.

Am Schreibtisch liegen – neben unaufzählbar vielem anderen Zeugs – auch die Utensilien meiner FFP2-Masken-Verschönerungs-und-Bekritzelungsaktion herum. Drei negative Coronatest-Dinger mit eingestrichenen Cs reihen sich Plastik an Plastik neben dem vorderen CD-Stapel (oben auf liegt VoodooFaustII-Crash-Opera von Manfredu Schu). Das Tarot zeigt immer noch il mondo, weil ich seit Monaten nicht mehr dieses Orakel befrage, denn ich will bei diesem Ergebnis verbleiben, immerhin ist da neben den vier Evangelisten, den vier Quadranten, den vier Elementen auch die Welt als ein fast nacktes Weib drauf. Was will man mehr? Sex ist doch kein so schlechter Ersatz für den mir endgültig verlorenen Himmel. (Individuell verloren! Die dritte Aufmerksamkeit steht von aller und in alle Ewigkeit als Möglichkeit offen.)

Real By Reel.

Bei überraschendem Reichtum wäre auch das Marseille-Tarot eine Investition wert.

Ein wenig blättere ich – entgegen meiner Gewohnheit – den Texte nach und schlage das eine oder andere Wort im Wörterbuch auf.

Oh! Complicated Game! Was für ein aufwirbelndes Stück! Ich bin hochgezwirbelt und in heller Aufregung.

Die Beruhigungsphase.

Und darüber ist es halbeins geworden.

 

(25./26.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2266 Tätätä

 

Ich hatte wirklich geglaubt, dass ich die argen depressiven Anfälle hinter mir habe. Aber mich hatte es die letzten zwei Tage voll erwischt. Dabei bin ich eh so schnell und leicht glücklich zu machen: heute früh zum Beispiel hatte ich den unwiderstehlichen Drang, entgegen meinen Plan mein Geisterfahrerleiberl anzuziehen. Zuerst nur der vage Gedanke, dass ich in der Albertina, die zu besuchen ich mir nicht nur als therapeutische Maßnahme vorgenommen habe, die Landschaftsausstellung von hinten nach vorne – also gegen die Fahrtrichtung durchwandere – was ich dann auch so tat – und deswegen „Geisterfahrer“ passen würde. Dann verwarf ich diese Idee als zu kindisch. Dann: aber das GeisterfahrerT-Shirt ist langärmelig und heute ist es kalt. „Geh bitte!“ antwortete ich mir in meinem inneren Diamonolog. Schließlich zog ich es mir doch an.

Als ich dann mit der U2 auf Gleis1 gen Karlsplatz fahren will, stellt sich heraus, dass wegen einer Störung alle Züge auf Gleis2, das eigentlich die gegengerichtete Strecke ist, fahren. Mein Leiberl hat genau gepasst!

Und da freue ich mich und bin glücklich, weil mein Instinkt das schon gewußt hat und mich zum richtigen T-Shirt manövriert hat. So leicht bin ich glücklich zu machen!

Gestern habe ich noch geschrieben, ich bräuchte dafür mehr Geld („Hey Boss, ich brauch mehr Geld!“), heute genügt dies kleine Unterbewußtseinswunder.

Obwohl es schon toll wäre, wenn mich mein Unterbewußtsein auch zu einem Lottozwölfer hinführen wollte. Oder ist es immer noch so programmiert, dass mir auch kein mittelmäßiger, meinetwegen unterdurchschnittlicher österreichischer Wohlstand zusteht? Weil Geld doch auch helfen tätätä?

 

(25.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2265 Als Geisterfahrer in der Albertina

 

Als Geisterfahrer in die Albertina bin ich als erstes in den letzten Saal der Landschaftsabteilung gegangen. Diese Wintersonne von Nolde, aber auch die meisten anderen Landschaften in diesem Saal sprechen mich sehr an. Selbstredend die Klees, zu dem ich, seit ihn mir der Neuvalis nahe gebracht hat, halte, egal ob er in ist oder out. Überraschend für mich die Feininger-Zeichnungen – aber nicht mit der mir heutzutage schwer nachvollziehbare Faszination der damals modernen Eisenbahntechnik, die jetzt so altmodisch-romantisch und überspitzt wirkt. Überraschend die gekonnte Winterlandschaft von Corinth (ich mein, ich kenne auch viel zu wenig).

Nochmals: sehr, sehr, sehr beeindruckt bin ich von der Landschaft zwischen Winter und Frühling (Villenviertel) von Klee. Ein vollkommenes Bild; und ich bin mir nicht zu blöde herzuschreiben: und genau die richtige Größe (Nicht zu viele Noten!)

Der Kubin in seiner Opiumsdüsterkeit und Weitsicht, so stark, seine Schlachthausruine, der verrufene Ort, beim Schnapsbrenner.

Tatsächlich: wie ein Geisterfahrer bin ich gegen die Ausstellungsrichtung gegangen und sitze jetzt vorm einzigen alten Werk, das mich in dieser Sammlung wirklich anspricht: Rembrandts Skizze: der Houthopersburgwal mit Uilenburg und Blick auf die Zuiderkerk, von 1647, aber zeitlos. So etwas kann nur ein Meister, niemals die Stümper a là Dürer (Papier ist geduldig; und weit ab vom Schuß und am Abstellgleis ist leicht und trefflich frech sein!) (Außerdem: nicht nur Papier ist geduldig, auch Stoff; dafür sind meine unzähligen T-Shirts mit selbstverfaßten Aufschriften Zeugen, wie zum Beispiel: „Wundertäter“, „ich kann Sie verstehen“.)

Gegen diese Zumutung muß ich mich entschieden verwahren! (Welche ist doch völlig wurscht – war eh nur in meinem Kopf.) Ich gehe nun zu meiner Lieblingssammlung Batliner, und der Weiler begrüßt mich am Eingang. Kurzer Besuch bei meiner Lieblingsecke: Manguins wunderschöner Weiberarsch, Vuillards blaues Zimmer. Im Stehen halte ich es nicht lange aus. (Es gibt auch absolut unfreiwillige Doppeldeutigkeiten.)

Erholung bei Werefkins magischen Erzählungen – wie immer alles andere im Saal links liegen lassend außer Jawlenskys Berg und …

Und nun der Munch, der mir heute früh in Form einer kleinen Kunstkarte so eingefahren ist. Zu recht, zu recht. Himmel und Erde und Meer vereinigen sich: so berühren sich das Obere und das Untere im winterlichen Grau.

Und jetzt vorm Gartenkokoschka schiele ich zu London und Dresden hinüber. Die Nackte dort in der Ecke – ich schau nicht von wem – die so ebenfalls ins Blickfeld gerät – reizt mich in ihrer Manieriertheit gar nicht. Da gewinnt bei mir immer das Malerische!

Gegen die zwei Boeckl-Mädel habe ich auch nichts einzuwenden. Gar nichts! (Als ob das eine Rolle spielte!)

Ich bekomme zu wenig Luft unter der Maske, ich werde bald gehen.

Rasten beim saudepperten Kardinal, hinter ihm im Spiegel – wie passend! - der Klee'sche Clown. Das Leptosome hilft dem Kardinaille auch nicht; er ist genau so eine Witzfigur wie der pyknische Klaaun.

Ich muß raus! Luft! Gut schau ich im Spiegel aus: Baskenmütze mit Kunstbutton, seriöse Lesebrille, meine zwei Zöpfchen, von mir selbst bunt bekritzelte Fm4 – äh – FPP2-Maske, Lederjacke, Geisterfahrerleiberl, Wampe, vom Notizbuch unzureichend abgedeckt, die Beine überschlagen … so, jetzt gehe ich.

 

(25.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2264 Zweimal gegen Holl gelehnt

 

Eigentlich habe ich genug geschlafen. Eigentlich möchte ich gern schreiben, Frau Katz! Würden Sie sich bitte ein wenig ducken?

Whow (Wau)! Jetzt fährt mir die Munch'sche Winterlandschaft voll ein! Die kleine Karte da ins Bücherregal gelehnt. Ich wende meine Augen kaum ab und sauge das Bild ein. Monatelang steht die kleine Karte gegen Holl, Holl, Rosendorfer, Volkskunst, Steiermark, Grogger (huch!), Wohmann, Polgar, Scholochow gelehnt und nichts passiert – und jetzt plötzlich hat es Zoom gemacht! Diese kleine Winterlandschaft arbeitet mit mir, wie es bisher meine zwei Lošinj-Bilder und das eine Kufsteinbild gemacht haben: fangen meine Aufmerksamkeit ein, beginnen die Weltbeschreibung zu durchlöchern und lassen ein wenig vom wilden Jenseits wie durch sie selbst als Fenster herein und verändern und bewegen sich dabei in ihrem Inneren.

Konnte das die Munch-Landschaft schon immer, oder haben sie meine drei Bilder angelernt? Ich vermute, sie konnte das schon immer. Wiewohl bei meinen Bilder die provisorische Malweise und fragmentarische Technik einem solchen wunderbaren Geschehen entgegenkommt.

 

(25.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2263 Himmelsjagd

 

Die Wolken rasen am nächtlichen Himmel mit Wahnsinnsgeschwindigkeit dahin; ich bin mir nicht sicher, ob vom Süden nach Norden, oder doch von Ost nach West oder irgendwas dazwischen. Es gelingt mir nicht, mich richtig zu orientieren, obwohl ich weiß, wo der Polarstern sein müßte, aber auch nicht die Windrichtung eindeutig zu erkennen. Nach langem hin- und her entscheide ich: Süd nach Nord.

Ein wenig reißt mich diese Himmelsjagd aus meiner mittelschweren Depression. Ich hatte geglaubt, das habe ich hinter mir, aber nein, so ist es nicht. Das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit wird manchmal so übermächtig, dass ich dem nichts entgegen zu setzen habe. Und außerdem fehlt mir Geld, um mich mit Konsum ablenken und verwöhnen zu können. Ein neues Buch, eine neue CD, einen neuen Ring für den kleinen Finger (sofort bekomme ich Schuldgefühle meinem jetzigen Ring für den kleinen Finger gegenüber, der mir so treue Dienste tut) – oder was weiß ich – ich freute mich darüber. Ja! Ich freute mich wirklich und eine zeitlang hielte sie auch an. Oder eine kleine Reise  - sagen wir – nach Ljubljana/Laibach, drei Tage im Hotel, in der Altstadt spazieren, in Cafés herumsitzen, schauen, schreiben, träumen … Soll halt nicht sein.

Wenn man wenig Geld hat, macht Geld schon glücklicher – im Gegensatz zu dem, was immer so leichtfertig behauptet wird. Könnt schon sein, dass die Dosis dann immer wieder erhöht werden muß, aber eigentlich glaube ich das nicht.

 

(24./25.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2262 Mein clandestiner Garten

 

Ich sitze vor meinem clandestinen Garten – tatsächlich sehe ich zwei von mir gepflanzte Blumen – und schaue auf den Fluß. Das beruhigt jedoch meine aufgewühlte Seele nicht, denn sie, die Donau, führt auch in ihrem Seitenarm viel Wasser, mehr als sonst, und strömt viel zu schnell vorbei für meinen Gemütszustand. Auch der Wind zerrt und reißt an mir und den Bäumen und Gräsern herum. Links von mir eine ich-weiß-nicht-wie-oft-oft-schon zurückgehackte Hollerstaude (und ich weiß auch nicht, wer entscheidet, dass hier am Flußufer kein Baum der Frau Holle wachsen darf, vor dem man früher den Hut gezogen hätte), treibt wieder und wieder aus und fragt nicht, wie ihre Chancen stehen, diesmal doch aufblühen zu dürfen. Aber mich macht ihr wahrscheinliches und absehbares Schicksal traurig, sehr traurig (das ist Mitleid, nicht Mitgefühl!).

Der Donauarm fließt so schnell vorbei, dass er meine verloren gehende Seele fast mitreißt und in mir Alarm auslöst. Der Anblick ist wunderschön, aber heute macht er mir Angst. Heute könnte ich, einfach so mitgerissen, meinem Tod nicht gefaßt und gelassen gegenübertreten.

An der Wasseroberfläche spielt es sich ab: ein ständiger Wechsel der Farbnuancen und Formen: grün, weißgrau, wo sich das Licht und der Himmel spiegeln, eine leichte gräulich-bräunliche Note, wo Schatten aufs Wasser fällt. Hauptsächlich jedoch grün. Dieses trübe Flußgrün.

Meine zwei Blumen werden bald aufblühen; ich wünsche ihnen alles Gute und Frau Holles Segen. Einen Knoblauch. Von mir gepflanzt, entdecke ich soeben auch.

Mein clandestiner, preisgegebener, verletzlicher, aller Unbill schutzlos ausgelieferter Garten: es tut mir leid! Ich habe als Besitzloser ohne jede Territorialmacht keine bessere Gestaltungsmöglichkeit, als euch Blumen heimlich der wilden Natur und den herumtrampelten Menschen und herumschnüffelnden Hunden auszusetzen, in der Hoffnung, dass ihr nicht die Aufmerksamkeit der Zerstörer, Ausreißer und Gewalttäter auf euch zieht.

 

(24.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2261 Lamentatio

 

Als illegitimer Geisterfahrer, der immer falsch fährt, egal in welche Richtung, der immer abgedrängt wird ins soziale und gesellschaftliche Out, die Rote Karte schon eintätowiert.

Lebe ich ohne jede Resonanz, als die zweite, dritte, vierte, fünfte, sechste, siebente, achte, neunte, zehnte, elfte, zwölfte, dreizehnte Wahl (ab vierzehn wird eh in der Crashoper VoodooFaustII die Scheisse hinaufgezählt), im ewigen Lockdown seit der Geburt schleiche meist mit gesenktem Blick durch die Gegend, als jemand, der ein ontologisches Mißverständnis ist, nur manchmal hebe ich mein Haupt in Illusionen und glaube als der ewige Versager aufrecht gehen zu dürfen – oh es tut so weh!

Aber scheiß drauf! You'll never burn me. Sie wissen ja nicht, was sie versäumen, wenn sie meinen Reichtum, den ich verschenken möchte, ablehnen und mein Potential nicht nutzen wollen. Ich hätte viel zu sagen und viel beizutragen!

Aber jetzt in meinem Lebensabend nur mehr gegen Bezahlung! Und ich will gebeten und gefragt werden! Dann gehen halt meine Schätze mit meinem Tod verloren.

 

(23.5.2021)

 

2260 Opernabend

 

Völlig überraschend habe ich mich in einen veritablen Opernabend hineinmanövriert, mit Monteverdi, Weihrauch und Votivlichtlein bei meiner Steingöttin. Die Dämmerung sickert in den Raum, denn es gibt nur drei kleine Lichter: das besagte bei den drei übereinander geschlichteten Steinen, das unter dem Weihrauchkesselchen, und das blaue vom Radioapparat. Als hätte ich eine alte Tradition von mir wieder entdeckt: ich denke an des Miles-Davis-Hören im Dachgeschoß in der Keplerstraße in Graz mit Blick auf die Mur, wenn man zum kleinen Fenster geht, zum Beispiel. Oder den Ecalator Over The Hill daselbst. Oder Gulda/Golowin (Kaasgraben). Die einsamen Nachmittage und Abende bei Kerzenlicht, Dämmerung und Musik.

Das Kerzenlicht wird jetzt klein, verletzlich und schön und zitternd wie kleine Sterne, während das unverstandene Drama in der Oper fortschreitet. Vor der Steinchenskulptur auf meinem Hausaltar flackert filigran die Kerze, in der schmerzvollen Dramatik der Oper in nichts nachstehend. Leben, Glück und Gelingen sind dort und da gefährdet.

Ich überrede meine liebe Frau, sich zu mir aufs Bett zu legen und mit mir die Oper anzuhören. Wenigstens eine kleine Weile. Sie hat alle möglichen Bedenken: Katzenhaare, dass sie einschläft … Aber es gelingt mir, sie zu überreden: immerhin hält sie einen halben Akt bei mir in meinem Zimmer aus, was so, aneinander geschmiegt und keusch, sehr schön ist. Tatsächlich schläft sie ein. Ich habe Mitleid (oder Mitgefühl) mit ihr und sage, dass sie nicht bleiben muß, wenn sie es nicht aushält. Und wirklich: sie steht auf und geht. Dafür kommt jetzt die Katze, die ihre Chance ergreift, denn sie liegt gern bei mir.

Dafür blicke ich nun durchs Fenster auf die Nacht und die Mauer und mir dämmert: da draußen lauert alles: der ganze Mob aller Zeiten, die ganzen Mordbanden, die nur warten, dass sie zuschlagen dürfen. Weniger pathetisch: dort hinterm Fenster lauert der Tod. Mein Tod. Das zerbrechliche Fenster hat es mir bewußt gemacht.

Ich bin nahe dran, das Radio und die – offensichtlich – aufwühlende Oper, von deren Thema und Handlung ich keine Ahnung habe, abzudrehen.

Ich wundere mich über diese Gedanken beim Anhören dieser schönen, Gottseidank unverputzten Barockoper. In der Pause zwischen erstem und zweiten Akt erfahre ich durch die Radioansage, dass es in dieser Oper auch um Gewalt geht.

Jetzt verstehe ich, warum mir beim Betrachten der nächtlichen Mauer diese Gedanken in den Sinn gekommen sind: Diese Mauern haben genug gesehen. Dieses Haus, in dem ich wohne, war ein jüdisches, chassidisches Haus, und in der schlimmsten Zeit aller schlimmen Zeiten, die dieser Ort gesehen hat, in der Nazizeit, war hier ein Sammelllager.

 

(22.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2259 Der dreifaltige Baum

 

Der dreifaltige Baum ist weiter ins Zimmer gerückt und steht jetzt ganz aufrecht als Wächter vorm Fenster. In der Küche ertönt das Radio und das Gerede ist zu hektisch; verstehen kann ich mit meinen surrenden Ohren nichts. In meinem linken Handteller juckt es; ich lenke meine Aufmerksamkeit darauf und greife nicht ein. Der Baum ist beeindruckend, rechts das Licht, links der Schatten, dahinter die absolut leere Wand: subtile Licht- und Farbspiele in Nuancen von Weiß. Die Kaffeemaschine rauscht und zischt und jault und brummt, schäumt Hafermilch auf, mahlt dann die Kaffeebohnen, brummt wieder, pausiert, brummt kurz und schnalzt zum Abschluß. Ich hocke im Bett in der Koje und links von der offenen Tür, durch die ich den Baum sehe, an dem ganz schmalen Wandstück hängt ein Bild von einem „Energiewesen“ - rechts ein Traumfänger auf Herz – alles Werke unserer Kinder aus ihren frühesten Tagen.

Mein Blick kehrt wieder zum Baum zurück. Vier Bambusstäbe stützen ihn und halten ihn aufrecht, was seiner Würde keinen Abbruch bereitet.

Gleich gibt’s Frühstück im Bett. Ich schlafe im Sitzen ein.

 

(22.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2258 Der Coup

 

Ich sitze am Schreibtisch zu ungewöhnlich früher Stunde (9:30) und schreibe. Das Ganze ist ein Trick, denn ich weiß, dass die soeben angekommenen Tageskinder einen Stock höher laufen und über den Gang zu meinem Fenster hereinschauen werden, weil da manchmal die Katze auf der Fensterbank schläft. Dass es mein Zimmer ist, wissen sie nicht – vermute ich. Die Katze liegt nicht dort, aber ich schaue hinaus und sie sind erstaunt, vielleicht auch ein wenig verlegen. Ich lächle sie an und schnappe die widerwillige Katze und halte sie hoch, damit sie sie sehen können. Dann gehe ich wieder zu Bett.

Eigentlich sind mir solche Aktionen von der Tagesmutter streng verboten, denn erstens soll ich mich nicht in ihre Arbeit einmischen, und zweitens schon gar nicht mit Tricksereien die Aufmerksamkeit der Kinder auf mich ziehen, schon überhaupt gar nicht, wenn ich dabei mein Erwachsenenwissen einsetze, um sie zu beeindrucken. Ich versteh das, aber heute konnte ich nicht widerstehen, weil ich schon aufgestanden war und mich nur auf meinem zweitliebsten Platz (nach dem Bett) in dieser Wohnung hinsetzen mußte und warten. Wenig Aufwand also.

Nun bin ich wieder ins Bett zurück, denn nach dem kurzen Intermezzo will ich die Kinder ja nicht noch mehr verwirren und anstacheln. Aber freuen tu ich mich über meinen Coup und die Kommunikation mit den Kindern durch die zwei Fenster schon! (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom würden meine Töchter, die das aus ihrem Aufwachsen leider zur Genüge kennen, sagen.)

Draußen ist ein gelber, sonniger Tag und ich lasse auch das indirekte, ins Weiße mutierte Sonnenlicht zum Fenster herein. Die Katze, die ich gegen ihren Willen gepackt und den Kindern durchs geschlossene Fenster präsentiert habe (Ich, der Herr über die Katzen!), scheint nicht gekränkt zu sein. Sie springt nämlich aufs Bett und klettert mir auf die Brust und stubst so lange meinen Pilot-Kugelschreiber, bis ich das Schreibzeug weglege und mich konzentriert und nicht bloß nebenbei ihrer Streichelmassage widme.

 

(21.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2257 Zacken vershattern mir die Buchstaben

 

Ich muß aufhören zu lesen, weil gezackte Linien durch mein Gesichtsfeld kreisen und mir die Buchstaben vershattern. Was ist los? Es hört nicht auf. Schreiben geht, denn ich weiß ja, was am Papier hingeschrieben sein soll. Diese Zacken machen so etwas wie offene Kreise – also kreisförmig, aber nicht ganz geschlossen. Manchmal werden sie auch etwas flacher gedrückt oder sind fast hufeisenförmig. Die Zacken selber leuchten intensiv weiß, flimmern stark und bewegen sich. Manchmal gibt es einen bläulichen Nebenton. Ein wunderschönes Blau! Apropos Ton: wie immer in solchen Zuständen ist das Surren verstärkt, breiter, aufgeregter und lauter. Symphonischer könnte ich auch sagen. Die Zacken selbst sind recht schön. Sie wirken lebendig.

Ich gehe jetzt aus dem Zimmer, schauen, ob die Zacken vergehen. Tatsächlich. Nicht gleich, aber nach fünf Minuten herumgehen sind die Zacken zum Rand des Gesichtsfeldes gewandert und verschwunden. Eine unsichtbare Andeutung bleibt; Als könnten sie jederzeit wieder loslegen.

Ja, interessant! Anscheinend brauche ich gar keine illegalen Drogen – ein paar Tassen Kaffee und Murakami lesen – und ich gerate tief in die zweite Aufmerksamkeit.

 

(20./21.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2256 Universumsaussichtsplatz

 

Sechs Uhr früh. Ein paar Minuten laß ich meinen Blick vom Bett aus über mein Zimmer schweifen, bis es dann endlich einen Ruck macht und mein ganzes Bücherregal gegenüber in Superrealität gerät: ein von Intensität und Energie fast berstender Cluster von Abermillionen Wirklichkeiten und Universen – Hardware UND Software.

Doch jetzt setzt sich wieder die Schmalspurrealität in Form von Gestank nach Katzenscheiße durch und ich muß meinen Universumsaussichtsplatz verlassen und nach der irdischen Ordnung schauen.

Soweit so gut. Immerhin ist alles innerhalb der richtigen kisterlförmigen Kategorie.

Zurück in der Aussichtswarte für äußere, innere und fremde Wirklichkeiten – kurz gesagt: im Bett – kommt die Katze zu mir herauf. Ich schaffe es, mich so weit durchzusetzen, dass ich schreiben kann. Madame scheint ein wenig beleidigt zu sein, dass sie mir nicht an meinem Busen liegen darf? Ich versteh schon die Idee der zölibatären Ehe- und Verwandtschaftslosigkeit als brauchbares Basislager für den Aufstieg auf dem Pfad (sendero luninoso) der Heiligung!

Zurück zum magischen Bücherregal. Ah! Madame la Chatte ist wieder versöhnt und klettert mit auf die Brust. Als ich trotzdem in yogischen Verrenkungen – ich muß ja irgendwie auf das Blatt schauen können – weiterschreibe, verläßt sie mein Zimmer. Wieder gekränkt? Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Vielleicht hat ihr Katzengeist ein Einsehen.

Zurück zum Bücherregal: eine gewisse massive physische Präsenz zeigt es noch. Jaaaa, ich kann das Regal noch augentechnisch näher an meine Sensoren heranrücken – als würde ich im Kino erste Reihe sitzen. Jaaaa … Nein. Die Wahrnehmungsunschuld vom nach dem ersten Aufwachen ist dahin.

 

(20.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2255 Nasenstierler

 

Ich stierle mit diesem Wattedings in meinen Nasenlöchern – fünf Mal hin- und herdrehen im linken, fünf Mal hin- und herdrehen im rechten – über den Kopfhörer lausche ich Captain Beefheart an His Magic Band live in Vancouver am 17.1.1981. Wohnort meines damals schon längst an Krebs verstorbenen schwulen Onkels; ich selber stehe zum Zeitpunkt des Konzerts wie immer im Chaos und ohne es noch zu wissen vor der Teilnahme an der Trigon-81-Geschichte „Eine Glühende Kugel“ von Hannes Priesch, mit weitreichenden Folgen, vielleicht hatte mir der Andy Chicken schon das Tarot gelegt oder es wird bald geschehen, REM gibt es noch nicht, aber einige der Wurzeln wachsen gerade. Dann nehme ich das Stäbchen am wattefreien Ende in den Mund, reiße den Verschluß vom kleinen Testflüssigkeitsbehälter ab und gieße das Zeug in das dafür vorgesehene Röhrchen und stecke dann das wattierte und mit meinen Nasenkeimen verseuchte Staberlende hinein und drehe wieder, lasse es abgestoppte dreißig Sekunden drinnen, nehme den Wattestierler wieder heraus, schiebe ihn in sein urspüngliches Behältnis, verschließe das Röhrchen mit dem dazu gehörigen Tropfer und gebe drei sorgsam abgezählte Tropfen in den bereit gelegten Testdings (ich habe schon Schwierigkeiten mit Wörtern und Begriffen, meine Vergesslichkeit und Wortsucherei nimmt in letzter Zeit rapide zu) und jetzt warte ich, immer noch mit Captain Beefheart and His Magic Band, bis die zehn bis zwanzig Minuten um sein werden. Ein positives negatives Testergebnis zeichnet sich schon ab.

Jetzt ist die Stoppuhr auf sieben Minuten und blblbla Sekunden (ich komm nicht nach). Ich lehne mich in meinem bequemen Schreibtischstuhl zurück und höre die Live-Versionen der mir bestens vertrauten Musikstücke. Ab und zu nehme einen Schluck kalten Kaffees zu mir.

Wann ist zwischen zehn und zwanzig Minuten? Oder genauer: wann ist der richtige Zeitpunkt zwischen zehn und zwanzig Minuten zum Aufhören?

Siebzehn Minuten: in einem mutigen Entschlussakt stelle ich die Stoppuhr ab und merke mir: Testergebnis negativ.

Was für eine großartige Musik!

 

(19./2.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2254 In der Albertina blicke ich

 

In der Albertina blicke ich vom Vuillard zum Manguin hin und vom Manguin wieder her zum Vuillard – und heute gefällt mir der manguinische Weiberarsch fast mehr, als des blaue Zimmer von Vuillard, das bisher mein Favorit hier in der Ecke war. Aber lange kann ich hier nicht stehen, mein Kreuz droht zu rebellieren. Schade, dass es hier keine Sitzgelegenheit gibt, ich würde das noch gern ausschnapsen. Ich schwitze unter der Maske und bekomme zu wenig Luft. Wie immer öfters in den letzten Tagen und mir wird auch leicht übel. So raste ich bei der geliebten Werefkin und verliere mich ein wenig in ihren Bilderzählungen von magischen Welten ganz nah bei unserer. Alle anderen Bilder lasse ich links und rechts liegen. Ich speanzel nur durch den Durchgang in den anderen Saal auf einen kleinen linken Streifen der Winterlandschaft von Nolde. Aber wieder zurück zum magischen Wolf und zum magischen Café der Werefkin! Achja! einem Jawlensky in meinem Rücken erweise ich noch meine Referenz indem ich meinen verschwitzten Körper umdrehe, einen in diese Haltung gerne einfahrenden Kreuzschmerz riskierend, der aber Gottseikrank ausbleibt.

Oh! Im anderen Raum hängt neu ein Walde! Alfons (Martin wäre … also das ginge nicht: der hat ja vor Jahrzehnten unter anderem meine Bilder photographiert), Kitzpichl. Ich will das länger anschauen, aber erschrocken stelle ich fest, dass ich meine Kokoschkas durch den Durchgang in den nächsten Saal nicht wie gewohnt sehe! Sofort mach ich mich auf den Weg.

Sie hängen ganz rechts in der Ecke und weit ab von der Sitzbank, die hier wollen wohl die zwei Boeckls in den Fokus rücken – zu recht! Zu recht! - und den Gartenkokoschka; aber meine Hits bleiben London und Dresden (mein Verdacht, wer Boeckls Modell sein könnte, erweist sich bei der Lektüre des Beipackzettels als Irrtum (auch meine Vermutungen können in die Irre gehen)).

Ach London! Himmlisches London! Jetzt von einer mächtigen Frau – fast so breit wie hoch – in massiven, schönen Rot – verstellt. Sie hat sich weggewälzt (so wirkt ihr wackelnder, aber fester Gang). Ja, himmlisches London, das himmlische Licht kommt von oben und aus dem Hintergrund schon näher und wird dich bald aufnehmen. In Dresden „da steht ja die Elbe so still, und die Stadt fließt so träge vorbei“ (Biermann), da ist mehr Dunkelheit, das Licht ganz in der Ferne könnte auch Feuer sein (der Kokoschka hatte die Gabe der Prophetie). (Und London? Geht da wieder deine Spekuliererei durch, Bursche? London ist noch nicht erlöst.)

Ich raste beim depperten Kardinal und mache von mir ein Photo, das ich vermutlich nicht hochladen können werde. Die Jawlenskys haben zugenommen, die Klees abgenommen. (Der Kardinal ist ein energieloses Männchen, die Arme hängen ihm wie arme Würmer herab, die Mitra rutscht auf seinem infantilen Knabenschädel bis zu den Augenbrauen herunter, fast über die Augen, wenn er nicht aufpasst, aufrecht gehalten wird er von seinem steifen Ornat, und mit seinem hüstelnden Gesicht und den verkrampften Händen, die bestenfalls zum schwächlichen Herumwacheln taugen, erinnert er mich an den E.C. aus meiner Grazer Zeit. Die Götter – oder wer immer dafür zuständig ist – bestrafen mich sogleich für meine wütende Frechheit und drehen mir den MP3-Player wegen Energiemangels ab. Okay. Noch ein Photo, dann gehe ich weiter.

Motesiczkys Arbeiter ist da, aber der schöne, magische Kröpfelweg ist weg (magisch heißt: weist über sich selbst hinaus), aber den freundlichen Arbeiter mag ich auch. In letzter Zeit bekomme ich unter der Maske zu wenig Luft; ich werde nicht mehr lange hier bleiben. Ein wenig schaue ich mir noch den Arbeiter an – seine Revolution wäre vielleicht milde und freundlich verlaufen. Vielleicht (meine Spekulationen irren sich oft).

An den geliebten Giacomettis eile ich vorbei, keine Sitzmöglichkeit, keine Luft mehr. Nur schnell noch in die andere Abteilung, um wie letztens andächtig vor der Rembrandt-Skizze innezuhalten und sie aufzunehmen, für die ich alle anderen Bilder bleiben lassen würde. Ich spreche sogar deswegen eine Wächterin an – klar, freilich, natürlich fühlt sie sich belästigt und sie darf sich auch nicht ablenken lassen – aber ich will halt auch manchmal reden und mich mitteilen – und so ohne jedes Amt und ohne Würden, absolut am Abstellgleis, geht das nur mehr in der Rolle als alter Trottel und Karikatur meiner selbst. Bis zum Absterben Amen.

 

(19.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2253 Der realpolitische Unterton

 

Ich blicke aus dem Fenster: die Sonne schwebt als Funsel hinter der Krähe im weiten Grau. Der Wind verbiegt die Bäume. Mein aufgeschrecktes Herz klopft und meine optischen Täuschungen wandern über mein Gesichtsfeld durch mein Zimmer. Es ist zwei Stunden früher als gedacht. Schon schlägt wieder die herangeschwemmte Müdigkeit lautlos über mir zusammen und die Augen tun sich schwer offen zu bleiben. Das Surren hat diesmal einen realpolitischen Unterton: irgendein Standby-Motorengeräusch fern in der Stadt.

 

(19.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2252 Verstöße gegen den runden Mund

 

Eine Taube ruft ihr „huhu-hu huhu-hu“ in den grauen, wolkenverhangenen Morgen hinein. Mein linkes Lošinj-Bild zeigt heute eine aufgeschundene Welt. Selbst im Meer können sich die Wunden nicht schließen; selbst am Himmel sind nicht nur die Wolken zerschlissen, die Straße ist aufgesplisst und die Häuser Ruinen. Und doch geht ganz in der Ferne ein Leuchten auf (es ist mir unangenehm, dies herzuschreiben, denn es klingt unangebracht frömmlerisch, aber das ist es nicht: das zeigt das Bild). Wieder rufen die Tauben. Wieder und wieder. Dann hören sie auf.

Mein linkes Lošinj-Bild ist plötzlich dunkler geworden. Mein Surren arbeitet mit morgendlichem Früharbeiterbonus optimistisch auf Hochtouren; ein neuer Ton im Verborgenen.

Immer öfter fallen mir die Augen zu. Verstöße gegen den runden Mund werden nicht geahndet.

 

(19.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2251 Der Lichtwurm

 

Als ich zum „Abendgebet“ das Licht abdrehe, schaue ich zum Plafond hinauf und sehe, wie sich ein Lichtwurm aus einem schwarzen Loch in der Zimmerdecke herauszuwinden beginnt, aber in eine Sekunde ist die Szenerie mitsamt dem Loch wieder verschwunden und nur die Schwärze bleibt zurück, bevor die sich wiederum zu unterscheiden beginnt und sich aufgraut.

Im Finstern schreiben können, das wär's! Ich schriebe und schriebe die ganze Nacht hindurch und zeichnete alle nächtlichen Gestalten und Erscheinungen auf.

 

(18./19.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2250 VoodooFaustII, die vierte

 

Eigenartig: in den letzten Tagen und Nächten konnte ich meine Lieblingsmusik nicht anhören: ich habe sämtliche CDs nach ein, zwei Nummern abgedreht. Aber die Crash-Oper geht. Dabei hatte ich mich gar nicht mehr getraut, sie abzuspielen, vor Sorge, ich könnte mich schon bald satt gehört und sie ausgelutscht haben. Aber dem ist nicht so! Im Gegenteil. Ich drehe ein bißchen lauter, auf dass ich alles richtig laut höre und mich das Gewitter auch ordentlich erschüttert und der Regen mich wieder beruhigt. Die gewittrige Ouvertüre ist vorbei, das Geschehen beginnt und das Drama kündigt sich an. Noch ist alles orchestral, oder orchest-astral. Ich warte schon auf die Stimmen, sie zeichnen sich schon ab, aber kommen nicht und nicht. Jetzt! HÖÖÖAAAÖÖÖ! Obwohl erwartet trifft es mich wie einen Schock; die zweite Stimme relativiert und verspielt den Schock etwas. „Ja HÖÖÖ! Was ist mit dir?“ sagt der Dauphin. Das hohe Gewinsel über dem un- oder barmherzigen Bass, war für ein Trost – die Welt ist objektiv! Vom Lala gar nicht zu reden. Und nun ein so sanfter, schöner Zugang. Überjault ins Fröhliche, bis das Schicksal wieder als tiefer, ernster Bass eindringt. Die Menschhiet leidet, aber tanzt auch (bis zum Gehupfe später). Ach! Die geliebte Scheissezählung! Vom Angelus unterstützt, diesmal rührt sie mich fast zu Tränen.

Verzaubertes Vogelgezwischter (um nicht verhext zu sagen) und Hexengeheul. Irgendetwas reibt sich, weiß der Teufel was. Das Geheul wird melodiös und schön klingend, wippt hin und her, schaukelt sich auf. Jetzt schreit er. Grunzt (kann sich noch jemand an Jack Grunzky erinnern?). Automatiritualisierte tierische Lustschreie – welche Art von Lust ist mir nicht klar (ich versteh ja nicht viel von der Welt). Der HÖÖÖ-Dauphin und sein Para-Begleiter hauen mir einen Pfad (sendero luminoso) durch den Dschungal. Der Angelus – GottseiDank – stark genug, die Szenerie zu beherrschen. Der Angelus bremst ein, hört auf, wieder diese Stimmen, aber die Geigen ziehen die Töne in die Länge, sodaß man sich an ihnen wie an ein Geländer anhalten kann. Und der Bass bereitet den Untergrund.

Meine schönste Passage 9: direkt aus meinem Innersten und aus den Tiefen des Universums.

Ach du liebe VooDoorella! Deine Scheissezählung macht mich in Dich verlieben, wer immer Du bist. Endlich greift wieder der Angelus ein. So bin ich nicht verloren.

Jetzt bin ich schmähstad geworden. Der Höhepunkt der Tragödie, auch wenn ich nicht sehen kann, was passiert. Der Dauphin singt opernhafft. Und wieder die allerliebste VooDoorella. Und wieder ist es Angelus, der das Ganze durch den Dschungal zur Erlösung treibt. Zumindest zu einem guten Ende. Kraftvoll.

 

(18.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2249 Wolfbachau

 

Ich war zwar nicht der „Manierlichste aller Besoffenen“ (Haruki Murakami), wenn auch immer ein Liebender und sich voll Hingebender – als Betrunkener. Das letzte Mal war das bei meiner letzten Vernissage vor 16, 17 Jahren in der masc-foundation (ich müßte nachschauen, wann genau, aber ich will nicht nachschauen). Und – wie gesagt: manierlich war ich wahrlich nicht.

Wie schön Regen ausschaut, wie schön er sich anhört und manchmal auch anfühlt. Gerade wirft es einen vollen, üppigen Regenguss herunter, vom Wind ein wenig verweht, und ich verharre im melancholischen Glück. Unzählige Momente dieses Regenglücks erinnern sich an mich und kommen mir näher. Zum Beispiel in der Wolfsbachau in den Holzhütten beim Bahngleis, hinter den Hütten den Abhang hinunter gleich die Enns. Da war ich noch ein schüchternes, verschrecktes und verquältes Kind, aber der Regen führte mich in eine selige Trance. Hm, ein anderer Regenmoment will sich nicht einstellen, keiner mehr wird in meiner Erinnerung zu einem Bild, sodaß ich keinen anderen dieser Augenblicke verorten kann. Obwohl es tausende waren. Ihre abstrakte Substanz jedoch kann ich fühlen. Dieses ganze, volle, fruchtbare, segensreiche, melancholische Reservoir.

 

(18.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2248 Facebooktraum

 

Ich bin in einer Art Gruppentherapie für Selbstmörder. Ohne Therapeuten – wie es ausschaut – und es schaut nach einer einwöchigen Veranstaltung am Land im Grünen und in der Natur aus. Kein Therapeut, aber ein Facebookfriend, den ich noch nie gesehen habe, führt das große Wort und spricht in einer Art holprigen Vorstellungsrunde – niemand will was sagen – einzelne Teilnehmerinnen an: „und du N.N.? Wie machst du es?“ - gemeint ist, dass du überlebst. Die angesprochene junge Frau, die mir schon ein wenig gefällt, sagt irgendwas von Bach. Sie spricht leise und undeutlich, und wenn ich es richtig verstanden habe, rettet sie sich, indem sie Bach (Johann Sebastian) hört. Mein Facebookfriend erwidert: „So einfach? Das geht bei dir so einfach?“ „Ja“, antwortet sie darauf. Und er darauf irgendwas in Richtung: Glück gehabt, wenn du noch solche Naivität haben kannst. Gesagt hat er es vielleicht gar nicht so deutlich, aber ich habe es auch ohne Worte verstanden.

Die junge Frau gefällt mir schon ein wenig – und ich halte auch in dieser Runde – wie immer – Ausschau nach potentiellen Sexpartnerinnen – aber sie ist mir doch ein wenig zu deutsch-naiv-vielleicht-gläubig; so a là höhere Tochter, sexuell verschlafen und eingebremst und ein wenig kopflastig-programmiert.

Ein bisschen schlechtes Gewissen habe ich eh, dass ich schon wieder und dauernd auf Brautschau bin, aber noch deutlich schuldiger fühle ich mich, weil ich hier der Einzige ohne Selbstmordversuch bin. Somit verdiene ich es gar nicht, hier in dieser Runde der Allerverzweifelsten zu sein. Weiß mein Facebookfriend, dass ich noch Selbstmord-Versuch-jungfräulich bin? Oder habe ich mich wieder einmal in Regionen geschwindelt, die für andere reserviert sind? Aber mein Facebookfriend scheint einen Narren an mir gefressen zu haben; er sitzt neben mir – er selber hat schon zwei Selbstmordversuche hinter sich gebracht – und hat seinen rechten Arm freundschaftlich um meine Schulter gelegt. Mit seinem linken berührt er mich auch – wenn ich mich nicht irre.

 

(18.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2247 Kufstein am grünen Inn

 

 

Heute blicke ich auf mein Kufsteinbild: die Wiesen lecken sich an die Berghänge heran wie die seichten Ausläuferwellen eines grünen Meeres. Die Katze, die sich auf mein Notizbuch gelegt hat, verhindert noch fragwürdigere Vergleiche und Bilder und Metaphern. Ich streichle über ihren kleinen warmen Körper und lächle über ihren wachen, literaturkritischen Geist (hat sich in ihr ein Literaturkritiker inkarniert? Das würde viel erklären!).

 

(17./18.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2246 Ich habe einen starken Geist

 

Im dunklen Fenster spiegelt sich ein fremdes Gesicht. Vielleicht der Tod, vielleicht ein weiße Maske, vielleicht ein Scout aus einer anderen Welt. Die Augenhöhlen sind schwarz, aber nicht so rund wie bei einem Totenschädel; und die Nasenhöhle fehlt auch. Es bewegt sich nicht; starr starrt es mich wie aus einem Versteck an. Ich muß immer suchen, bevor ich es finde.

Ich suche immer noch den Song (heretic). Ich bin müde, dabei habe ich am frühen Abend zwei Stunden geschlafen und jetzt ist es erst Mitternacht. Meine Fremdheit innen versucht sich mit der Fremdheit außen zurechtzufinden und zu arrangieren. Nein, im Moment is music not my aeroplane.

Jetzt bin ich draufgekommen: es ist mein Solarplex der schwach ist, und das Schutzschild vorm Bauch, das die Lücke schützt. Wenn das zerbricht, reißt der Kokon auf und das Innerste strömt nach außen, denn an dieser Wiederkehr in den Ursprung arbeitet es schon seit meiner Geburt. Das Innerste, das dann meinen Körper zurückließe und wo der Arzt nur mehr den Tod feststellen könnte. Aber das muß jetzt nicht passieren: ich habe einen starken Geist.

 

(17.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2245 „Ertrunkene Sterne“

 

 

Die Mutter sagt: „Mein Aaaaååååårzt ist SOOOoohn!“ Und ich sage: „Ich will mit meinen Empfindungen regieren!“ und spiele mit dem Ehering. Der starke Wind draußen spielt mit den drei Bäumen unten auf dem kleinen Platz; in der Nacht unter dem Straßenlaternenlicht bewegen sie sich, die vielen Blätterbüschel an den Ästen wie psychodelische Kugeln, die vorgreifen und sich zurückziehen, die sich größer und wieder kleiner beamen. Die Musik, die ich liebe, nervt mich jetzt, aber ich suche die CDs durch, weil ich eine bestimmte Stelle (heretic) in einem bestimmten Song suche, von dem ich nicht mehr weiß, wie sein Titel ist und auf welcher CD. Ohne Laptop bin ich auf diese analoge Suche angewiesen. Ich bin wie in Trance und weggetreten, mir war heute in der U-Bahn schon richtig schlecht, so daß ich meine Erledigungen nur mit äußerstem Zusammenreißen und unglaublicher Selbstdisziplin zu Ende bringen konnte. Auch jetzt ist mir übel vor Schwäche und Erschöpfung. Essen hatte mich zwar gestärkt und wieder etwas in Gleichgewicht gebracht. Dennoch bin ich mir heute fremder denn je. Meine geliebte Musik spielt draußen vorbei. Die vertrauten Songs holen nur eine schwache, verblaßte Erinnerung an etwas Vergessenes hervor („… kommt doch nur mein Schatten hervor, in Begleitung ertrunkener Sterne“ Christine Lavant)

Der Wind reißt beängstigend an den Bäumen herum. Wütend geht er über, zwischen und in sie, als passte  ihm etwas nicht; enttäuscht und frustriert, weil er nicht und nicht zum Eigentlichen durchbricht („… kommt doch nur mein Schatten hervor, in Begleitung ertrunkener Sterne“ Christine Lavant).

 

(17.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2244 Hohlform

 

Beim offenen Fenster kommt Nacht, Luft und Stille herein. Und etwas, das wie Welt riecht. Aus weiter Ferne. Von ganz weit weg ein leises Rauschen. Stärker als das profane Rauschen in meinen Ohren. Das Teelicht beleuchtet schwach und rötlich gelb meinen weiblichen Buddha. Könnte eventuell jedoch auch ein junger Mann sein. Frau ist mir lieber. Ich spiele lieber mit Frauen als mit Männern. Es ist schon eine Frau – ich habe nochmals genau hingeschaut. Dabei mußte ich um meine Leselampe herumschauen. Mein Surren pulsiert kurz. Das macht es öfters, mehrmals am Tag, dann sirrt es wieder symphonisch-monoton weiter.

Ein dramatisches Geschehen spielt sich ab, aber ich bekomme davon nur die unsichtbare Hohlform mit, wie Spuren in unsichtbarem Sand. Von den Büchern stehen viele als aufrechte, dünne Glitzerstreifen, und auch ein paar andere Gegenstände tun das.

Ich spüre meinen Puls im linken, gekrümmtem Zeigefinger, der das Notizbuch mit hält. Er pulst richtiggehend auf das Papierblatt, als würde er anklopfen, oder es aufrütteln wollen, oder etwas übertragen, vermitteln. Eine Botschaft vielleicht oder Lebensenergie.

 

(16./17.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2243 Weihrauchduft

 

Ein deutlicher leichter Weihrauchduft staut sich in meinem kleinen Zimmer. Denn ich habe eines meiner drei Weihrauchfässchen in Betrieb gesetzt, wenn auch unorthodox, weil ich bloß ein Teelicht auf die alte, verstaubte Kohle mit Resten von unverbrannten Weihrauchkörnern gesetzt habe – Marke König Salomon – glaube ich – wo ich immer an die schöne Königin von Saaba denken muß. Das Lichtlein brennt in diesem Gefäß auf meinem Hausaltar, vor dieser Steinskulptur, die es zärtlich beleuchtet und die ein wenig wie eine meditierende weibliche Gestalt, eine Buddharin aussieht. Mir gefällt das; ohne Laptop in Reparatur (und somit ohne Internet) wäre ich vermutlich nicht so leicht auf den Gedanken zu diesem Arrangement gekommen.

Die Katze liegt auf meiner Brust und schnurrt, ich kämpfe trotzdem mit den Internetentzugssymptomen und spüre sehr deutlich eine unangenehme Leere und Unruhe, die durch dieses Weihrauchlichtlein besänftigt werden. Ich horche in das Surren und die Leere hinaus und lasse alles, wie es ist.

 

(15.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2242 Der bajuwarische Affenarsch

 

Hallo! Sie! Herr … He! BleibenS stehen! Ich red mit Ihnen!

Bin ich froh, dass ich Sie noch erwischt habe, bevor ich ganz aufgelöst werde! Das war zu Lebzeiten meine größte Hoffnung, dass ich Sie in meinem Sterbeprozeß noch derglengen kann und am Krawattl packen! Denn ich muß mit Ihnen noch abrechnen, sonst kann ich nicht in Ruhe sterben und mich auflösen und meine Zornenergie geistert vielleicht noch jahrhundertelang herum. AhnenS'es schon? Sie Arschloch sind mein größter Zerstörer! Ein Vierteljahrhundert habe ich gebraucht, um durch Ihre übergestülpten Drecksdefinitionen und Ihrer schwarzmagischen Sperren und Gitterstäbe durchzukommen und Ihre Fremdbesetzung wenigstens halbwegs abzuschütteln. Und als ich endlich so weit war, dass ich Ihnen Paroli bieten hätte können und ihre Untaten beim Namen nennen, was haben Sie feiger Hund gemacht? Sie sind ins Sterben geflüchtet! Ist auch schon wieder fast zehn Jahre her. HabenS meine Kassette angehört und sich dann angeschissen? Als Sie gemerkt haben, was Sie angerichtet haben? Sie Feigling! Angemessen wäre gewesen, dass Sie mir offen bekannt hätten, dass Sie jetzt verstanden haben, was Sie bei mir angerichtet haben und mir als Wiedergutmachung eine ordentliche finanzielle Entschädigung gezahlt, eine zweite, gratis Beratung angeboten hätten, wo Sie aber vorher die Unterlagen gründlich studieren und nicht einfach so beim Stiegen-hinauf-Gehen überlegen, was Sie dem Trottel sagen sollen. Und natürlich auch die Anreise und Rückfahrt und ein Mittagessen und Reiseproviant bezahlen. Aber Sie trauten sich ja nicht hinter ihrem Kordon von döbranitischen Betschwestern hervor und offen Ihren – gelinde gesagt - Fehler einzugestehen wollten Sie nicht, weil dann Ihr Image als Supermännchen bei Ihrer vorallem weiblichen Anhängerschaft angekratzt gewesen wäre (die sowieso denkt, dass sie Sie manipulieren kann und „er es eh nicht so meint“). Und außerdem: „Iiiich?  Einem Versager gegenüber eine  mißlungene Beratung offen eingestehen? Nein!“ So arrogant! So eingebildet! So verdorben sind Sie! In den Tod flüchten! Das Genie, wie es nur alle dreitausend Jahre gibt – statt mannhaft sich meinen Anklagen stellen! Und da trauen Sie sich in Ihren Seminaren anzugeben, dass die Zeit der Duelle leider vorbei sei, wo man für das, was man tut und sagt, einstehen mußte. Sie haben es eh genial eingefädelt: in Ihrem Bereich wie Seminare darf niemand etwas sagen, weil es ja Ihr Revier ist, und „draußen“ sind lauter Feinde, die es auf Sie abgesehen haben. Das ist eine sektenhafte Immunisierungsstrategie gegen jede Kritik. Feig! Feig! Feig! Aber jetzt habe ich Sie am Krawattl und lasse Sie nicht los, bis Sie alles angehört haben. Ich bin der, der Sie auf Ihre größten Fehler und Irrtümer aufmerksam machen hätte können. Nicht aggressiv! Nur „könnte es nicht sein, dass so und so ..?“ Dass Sie zum Beispiel ein Doppelwesen sind? Viel von Ihrem unduldsamen, aggressiven, egozentrischen Charakter deutet darauf hin. Wenn Sie bereit gewesen wären, das anzuhören, müßten Sie nicht alle anderen verachten und hassen und könnte über Ihre „Ich-bin-der-Größte“-Spielchen lachen. Oder wenn Sie zugehört hätten, dass Österreich eine ganz andere Geschichte und damit Erbe und geschichtlichen Untergrund hat als Bayern, hätten Sie nicht Ihre bayrischen Selbstverständlichkeiten anderen Kulturen überstülpen müssen (Ihren Pluto als Saturn ausgeben). Oder wenn Sie sich hätten sagen lassen, dass das Gebäude in Wien, das Sie als böse beschrieben haben und von dem Sie wissen wollten, welches Bauwerk das ist, nicht - wie Ihnen Ihre Betschwestern mit einer unglaublichen Dummheit, Besserwisserei und Ignoranz – ohne Ihnen richtig zuzuhören – und zwar die mieseste und übelste von allen denen, die, die Sie bald darauf beruflich und finanziell betrogen und hintergangen hat – dass das also nicht wie die Ihnen eingeredet haben Schönbrunn, das sehr wohl ausschwingen kann, sondern die Hofburg war. Und was Sie mir alles unterstellt haben! Dass ich auf den Daumenunfall hinweise, weil ich damit angeben will – dabei wollte ich Ihnen nur einen möglichen Korrekturzeitpunkt fürs Justieren meiner Geburtszeit anbieten, den Sie zuerst ablehnen, aber später in der Beratung groß verkünden, damals, genau zu dem Zeitpunkt, hätte ich mir eine Wunde zugefügt! Meinen schüchternen Einwand, dass ich dann doch recht gehabt habe, haben Sie ignoriert. Oder dass ich was sein will! Oida! Ich war so verloren und so daneben, dass ich nur verstehen wollte, was mit mir los ist! Und dass Sie mir unterstellt haben, ein Auto zu besitzen! Oh Sie blindes Arschloch! Sie haben mich und meine Situation überhaupt nicht wahrgenommen und begriffen. Und am Schlimmsten: dass Sie mir unterstellt haben, ich wollte gegen Sie losgehen und Sie besiegen! Mein Gott! Das tut weh! Ich habe sogar selber gefragt, ob Sie in meinem Horoskop sehen, dass ich Ihr nächster Abschreiber wäre. Dabei kann ein Horoskop soetwas nie sagen, Sie haben mich nicht korrigiert, weil Sie es wirklich gedacht haben. Dabei hätten Sie mir um der meinetwegen minimalen Chance, eine anständige Lösung zu finden, mit Ihren Drecksgedanken nicht den Weg dorthin verbauen dürften – die Folge war, dass ich keine Gelegenheit, mir Gehör zu verschaffen, annehmen konnte, aus vorauseilendem Schuldgefühl für etwas, was ich gar nicht gemacht habe. Sie böser Mensch! Sie schimpfen auf andere, dass sie – wie Sie es so großartig formulieren - „die eigene Verdorbenheit zum Maßstab für andere machen“, und tun es selbst.

Sie bajuwarischer Affenarsch! Sie haben doch Ihren Pluto am oder in der Nähe Ihres Aszendenten – bei meinem AC steht der Mars. Ich bin Ihr Austreiber! Ihr persönlicher Austreiber! Gerade deswegen von den Göttern zu Ihnen geschickt, auf dass Sie sanft auf mögliche Irrtümer aufmerksam werden können. Aber weil Sie keine Infragestellung (ich meine wirklich Fragen stellen: Könnte es nicht sein, dass …), auch nicht die sanfteste Korrektur in Ihrem völlig überzogenen, völlig unberechtigten Größenwahn ertragen können, haben Sie mich gleich in der ersten Sekunde unserer ersten Begegnung nachhaltig und als Ganzen zerstören müssen. („You'll never burn me, you'll never burn me. I'll be your heretic. You can't contain me. I am the power free. Truth belongs to everybody.“ Shallow Be Thy Game, RHCP). (Fast wäre es dem bajuwarischen Affenarsch ja gelungen: immerhin habe ich alle meine Zeichnungen und Bilder und zahlreiche Bücher, drunter meine Lieblingsbücher, verbrannt und Schallplatten weggeworfen, die jetzt Raritäten wären und die man nicht mehr bekommt, und Musikkassetten überspielt und Kleidung weggeworfen und …) (Übrigens im gleichen Alter, wo mein Geburtstagskollege Quirinus Kuhlmann in Moskau wegen Häresie verbrannt wurde).

Wenn mir die für Sie zuständigen Folterknechte – sagen wir – im Fegefeuer vorschlagen, ich dürfe mir für Sie ein paar Qualen ausdenken, würde ich nur sagen: dass er sich – ohne mich unterbrechen, ohne mich anschreien, ohne sich die Ohren zuhalten zu können – meine Anklage anhören muß, bis ich wirklich mit allem durch bin – und das würde einige Stunden dauern. Dann kann er mich ruhig widerlegen, wenn er es kann - ich bin ja bereit, mich der Wahrheit zu stellen und zu lernen. Dann kann er ruhig sagen: „was ist das für ein Trottel! Was denkt der für einen Scheißdreck zusammen!“ Aber erst, nachdem er sich mit mir auseinandergesetzt hat.

Und wenn seine Folterknechte sagen würden. „Ah! Des is a bisserl zweng! Denk dir noch was aus!“ dann würde ich seinen Betreuern eine Liste von Büchern – so 16 oder 17 – übergeben, mit der Bitte, dass er sie lesen muß! Er kommt nicht aus, er muß sie lesen. Dann kann er darüber denken, was er will, und sie für einen Scheißdreck halten, aber erst, nachdem er sich mit ihnen befassen hatte.

Ja und für einen Scheißdreck halte ich ihn auch, den Großen Zampano und Herumschreier.

 

(14./24.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2241 Paradiesproblem gelöst

 

Ich weiß nicht, wie viele noch die kitschigen Bilder aus den Volksschul-Religionsbüchern kennen vom Paradies am Ende der Zeiten, wo alle friedlich und feierlich im Garten Eden herumstehen, und das Schaf beim Löwen liegt; es gibt kein Töten und Gefressenwerden mehr, alle lieben sich etc etc. Aber wovon leben die dann? Manchmal gibt es so vegane Antworten: alle fressen Pflanzen. Da bekommt man zB beim Löwen Bedenken: verträgt der das überhaupt? Was bleibt dann vom Löwenhaften? Und genau genommen: auch Pflanzen sind Lebewesen mit Bewußtsein, die man tötet, wenn man sie ißt. Also was?

Gestern Nacht habe ich dieses Paradiesproblem gelöst: Wir Menschenleut und alle anderen Leut (siehe: „Uzula Dersu“) können nur als Energiekörper ins „Paradies“ eingehen. Und wie ich schon gestern zu Christi Himmelfahrt ausgeführt habe, geht es darum, seinen physikalischen Körper zur Gänze in den Energiekörper zu übertragen. Und der Energiekörper ißt und scheißt nicht (wie wir ja aus unseren Traumerfahrungen ahnen können). Und „meine“ Zauberer erzählen, dass sich, als sie als Truppe in Form der Gefiederten Schlange in die dritte Aufmerksamkeit abgezischt sind, auch die Bäume ihres Hauptwohnsitzes ihrer Reise angeschlossen haben und aus dieser Welt verschwunden sind. Warum auch nicht Löwen und Schafe? Übertritt mit allem Drum und Dran in den Energiekörper und ab geht die Post. „Die Schöpfung harret der Erlösung“ wie schon der unsympathische Paulus schreibt. Und außerhalb der Zeit ist es auch, das Paradies.

Ich meine das ernst! Echt!

 

(14.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2240 Christi Himmelfahrt

 

Wenn ich Christ wäre, wären meine höchsten Feiertage Christi Himmelfahrt, Mariae Himmelfahrt, ja, Elias' Himmelfahrt würde ich auch dazunehmen und nicht zu vergessen Henoch. Meinetwegen könnten noch mehr Himmelfahrten gefeiert werden. Mir wären diese Feste sogar höher als Ostern. Denn dem üblichen Sterben entkommen und mit allem, was dazugehört – also auch mit dem Körper abzurauschen – darauf kommt es an. Oder wie es „meine“ Zauberer formulieren: dass der „Salto ins Unvorstellbare“ gelingt („meine“ Zauberer gehören natürlich nicht mir; und eigentlich sollte ich sie auch nicht „Zauberer“ nennen, weil das in die falsche Richtung lockt; „Seher“ wäre angemessener, aber auch wieder zu pathetisch aufgeladen), dass nämlich jemand im und mit vollem Bewußtsein und voller Lebenskraft sich mit dem Ganzen vereint, ohne sein individuelles Bewußtsein aufgeben zu müssen. Beim normalen, bürgerlichen Abgang (Tod) verlieren wir nicht nur die als unser Körper verfestigte Energie, sondern auch – früher oder später – das Bewußtsein unserer selbst.

Was für ein Mut! Was für eine Freude, in voller Lebenskraft und wach der Unendlichkeit gegenüberzutreten! Tod und Auferstehung sind eher ein Umweg, vermute ich, und nicht unbedingt notwendig, um für diesen Salto gerüstet zu sein.

Es ist schon klar, dass das, was ich vermute, nichts aussagt und nichts beweist; ich bin ja kein Seher, der bezeugen kann, was sich da abspielt, sondern ich kann bloß bekennen, dass ich das „meinen“ Zeugen glaube – was wahrlich nicht viel hergibt, was wahrlich nicht viel wiegt. Ich möchte noch eins drauflegen und verkünden, dass ich tatsächlich glaube, dass es von alten Zeiten an (als das Wünschen noch geholfen hat) bis heute Menschen überall auf der Welt gibt (wo genau überall weiß ich halt auch nicht), Männer und Frauen, die diesen „Salto in Unvorstellbare“, etwas unbeholfen auch „Himmelfahrt“ genannt, vollführen und von unserer Welt verschwinden, ohne irgendetwas ihrer Substanz zurückzulassen.

Wiewohl natürlich auch die Auferstehung von den Toten eine tolle Sache ist, eine Leistung, die großes Staunen und großen Respekt verdient. Und als ich noch die Osternachtliturgie frequentierte, hat sich mir die Freude darüber, dass das einer geschafft hat, voll und ganz vermittelt und ich bin immer in gehobener Stimmung aus dem Gottesdienst und recht high in die Nacht hinaus. Glücklich, dass es Jesus von Nazareth gelungen ist. Auch wenn ich selbst die Abzweigung dazu schon längst verpasst habe – bei dieser Freude gibt es keinen Neid.

 

(13.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2239 Akkordeonmusik

 

Die höchsten Töne der transakkordischen Akkordeonmusik gehen nahtlos in mein inneres Surren über und versöhnen sich mit ihm. Oder verbrüdern. Oder vergeschwistern. Ja, ja, so könnt' mein Ohrensurren funktionieren und sich's verbessern!

Dann kommt die tiefe slawische Sehnsucht. Die verlorenen Weiten und die Weiten der Seele und ihr Lachen und Weinen.

 

(12.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2238 Ich Halbblinder

 

Ich liege und döse vor mich hin, zwischen Phantasien, Erinnerungen, Traumbruchstücken und Gedanken changierend, mein Blick schweift ziellos im Zimmer umher, und bleibt an meinen Lošinj-Bildern hängen, was er schon wochenlang nicht mehr getan hat. Wegen der Schmerzen im Kreuz suche ich eine andere Liegeposition und verrücke meinen Körper um ein paar Zentimeter nach rechts und plötzlich, durch diese minimal veränderte Perspektive, öffnen sich die Bilder an der Wand auf nie dagewesene Weise: sie bekommen auf einmal eine so unglaubliche Tiefe und Intensität, von der ich nicht weiß, wie ich sie beschreiben kann: im linken Bild steht der bewölkte Himmel offen, seine Dynamik erklärt wortlos alles. Alles was in meinem Leben und auf der Welt geschieht; im rechten geht der Durchblick ganz auf, als hätte ich Halbblinder zum erstenmal die Höhle der postparadiesischen Verblendung verlassen und blickte zum ersten Mal hinter die Kulissen in die strahlende Eigentlichkeit, die schon aus dem Hintergrund heranfließt und die Kulissenstadt sanft, freundlich, aber bestimmt wegschiebt und auflöst. Dahinter ist das reine Staunen.

 

(12.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2237 VoodooWirklichkeitI

 

Es donnert und kracht, aber nicht in der Oper, sondern in der VoodooWirklichkeitI. Noch legt das Gewitter nicht richtig los, die Donner klingen staubtrocken, die Regentropfen noch vereinzelt und unerlöst, wir scheinen noch im Vorgeplänkel zu sein. Generalpause. Nichts rührt sich. Ein einzelner Regentropfen setzt mein Herz klopfend ein. Wird schwächer. Hört auf. Alles ist angehalten. Ein paar Regentropfen. Und wieder Generalpause. Alles ist still, nur die Tageskinder unten spielen unbekümmert und fröhlich und tragen pathosfrei ihre Konflikte aus. Im Gegensatz zum Gewitter: dem scheint eine Autorität oder ein Großer Diktator verboten zu haben weiterzumachen. Verstockte Szenerie. Nur ab und zu noch ein Minimal-Getröpfel einzelner, einsamer, verlorener, fast unabsichtlich und sich entschuldigender Regentropfen. Es wird dunkler im Zimmer, ich drehe die Leselampe auf. Das Gewitter ist abgewürgt. Keine laute Erlösung. Wer schreibt solche Reality-TV-Opern?

 

(12.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2236 Fette Feierlichkeit

 

Auch um sieben Uhr früh ist es hier still: fette, krasse Feierlichkeit füllt die Atmosphäre, mein symphonisches Surren als pathetische Begleitmusik. Die ersten Geräusche morgendlicher Tätigkeit kommen von unten, zerstören nicht den feierlichen Klangteppich, sondern modulieren ihn.

Ein schöner Morgen jedenfalls, die Muskel meiner Unterschenkel vibrieren, die Kreuzschmerzen sind im Standby-Modus. Ich habe Zeit und kann die morgendliche Aufbruchsstimmung und meine Müdigkeit genießen. Ich lasse die Entscheidung: aufstehen – weiterschlafen großzügig offen, und ahne - zufrieden lächelnd – wohin das führen wird.

 

(12.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2235 Föhnartige Unlust

 

Geradenoch sommerzeitbereinigte Geisterstunde, in der ich lediglich meinen linken Zeigefinger jucken und mein linkes Herz ganz kurz stechen spüre. Zu sagen habe ich nichts mehr, aber egal, ich schreibe mein Leben lang weiter – es ist zu meinem Seelenheil und für ein friedliches Absterben Amen. Eine föhnartige Unlust hat mich überkommen, aber ich werde sie im Schlaf ablegen.

 

(11./12.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2234 VoodooFaustII, 3.Anlauf

 

Wieder setze ich mich mit Notizbuch zum VoodooFaustII, habe jedoch kaum Lust auf schreiben. Meine Brillen sind trübe, ich reinige sie, während das Operngewitter tobt. Die Haut zwischen Zeige- und Mittelfinger juckt. Nachdem ich das notiert habe, kratze ich mich dort. Von der Musik bin ich dabei abgelenkt gewesen. Ich nehme einen Schluck kalten, dünnen Kaffee, wie ich ihn am liebsten trinke. Nun folge ich wieder den musikalischen Land- und Stadtstreichern auf ihren leuchtenden Pfaden (sendero luminoso). Die Stimme des Dauphins und seines Begleiters retten irgendwas, das sonst unterginge im Schicksalsgestrudel. Mich jedenfalls. Ich spotte innerlich über mein bedeutungsgetuendes Reden. Das LaLaLa ist fröhlich und hüpft; versöhnt mich mit meinem Pathos, meiner Pathologie, weil es nicht so wichtig ist. Das wird musikalisch von etwas Ernsthaften, Sehnenden unterlegt, das wiederum zweistimmig überjault und überhüpft wird. Der Dauphin und sein Begleiter schreiten ein. Dann die liebe, liebgewonnene, süße Scheissezählung als Ende des ersten Aktes. Ich nehme einen Schluck Kaffee.

Ich lasse schriftlich einiges aus, weil ich mich nicht auskenne und müde bin und die Verdichtung nicht kommentieren kann. Angelus' Schlagzeug greift ein und treibt die Handlung, oder das Geschehen weiter über Mitternacht hinaus. Die Schönheit der Musik der Streicher.

Die Passage 9, die mich so berührt mit ihrer kosmischen Trauer und Schönheit. Bei der Scheisse 14 bis 28 löst sich meine köstliche Schwermut allmählich auf und ich atme tief durch. Das muß auch sein. Wieder ist es Angelus, der dem Geschehnisstrom eine andere Richtung gibt.

Ich lasse vieles aus, bin zu müde zum Schreiben. Ich nehme einen Schluck Kaffee. Mir fehlen auch die Begriffe und ich begreife zu wenig von der Welt. Der Dauphin mit seinem Aöhhhh rüttelt mich auf, oh danke ihro Hoheit, er bringt mich taucherten Ochsen auf die richtige Bahn zurück: Hööö! Hööö! Ich soll mir nichts scheißen und mich nicht so wichtig nehmen, singt er mir (AöHHH!) Und nun wieder die liebe, schöne, lieblichst hingehauchte Scheisse 14 bis 28.

Das Geschehen wird sanfter und dünner, bis zum furiosen Finale (mit Verlängerung nach der regulären Spielzeit). Ich nehme wieder einen Schluck Kaffee. Ich habe vor, die Tasse bis zur Neige auszutrinken.

 

(11.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2233 Ich genieße sie

Schön, diese lichtdurchlöcherten Häuser, wenn ich in der Nacht im Dunklen aus dem Fenster schaue, kurz, bevor alle schlafen gehen, und ich glaube, dort drüben spielt sich das Leben ab. Das wahre Leben, das echte Leben, das tiefe Leben ist nicht bei mir. Aber was bringt mich dazu zu glauben, dass es dort ist? Wo ich bin ist alles zurückgehalten, zurückhaltend und schaumgebremst. Okay, soll sein. Wenn es denn überhaupt stimmt.

Ein Flugzeug rauscht leise durch die Nachtstille. Fern und undeutlich brummt ein … Automotor? Vom Ohrensurren und schwächlich gelben Licht bin ich eingehüllt. Eine leicht fragwürdige Geborgenheit. Ich genieße sie. Ich genieße sie.

 

(11.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2232 Am Klo in der Albertina

 

Zuerst bin ich in einer Retrospektive herumgegangen, schwankend zwischen sehr berührt und auf Distanz – letzteres möglicherweise kunstideologisch bedingt – dann setze ich mich mitten in der Albertina aufs Klo und grüble während meiner Tätigkeit, ob und welcher meiner Vorfahren mir hilft, trotz allem nicht ganz aufzugeben. Das wäre das erste Mal, daß ich etwas Positives unter dem von den Vorfahren Ererbtem vermute und ich wenigstens einem von ihnen Wohlwollen mir gegenüber zutraue und ich bin freudig berührt davon, dass das sein könnte. Bis jetzt hatte ich sie mir nur als feindselig lauernde Bosnigl vorstellen können, die einerseits zwar darauf warten, dass ich ihren hinterlassenen Dreck wegräume, wegen dem sie mich ja in die Welt geschickt haben, weil sie dann ja auch miterlöst werden würden, aber andererseits es nicht ertragen, wenn mir gelänge, was ihnen nicht gelungen ist. Wenn es doch einen oder eine gäbe, der die zu mir hält? Oder gar mehrere?

Jetzt erhole ich mich nach der ersten, üppigen Kunstwanderung und der bedeutungsschweren Klositzung bei der postradikalen Malerei. Einfach die gekonnte Schlichtheit tut mir jetzt gut. Eine Aufseherin mit beeindruckendem Arsch geht herum und lenkt mich ab – oder umgekehrt: sie ist belästigt und versteckt sich jetzt hinter einer Säule und schleicht dann von dort mir unbemerkt in den Bereich hinter meinem gekrümmten Rücken. Hören tu ich Ximena singen mit dem Omar-Rodriguez-Lopez-Quartette.

Nun habe ich mich genug erholt, die postradikale, aber sehr faktische Malerei verliert etwas – wirklich nicht viel – an Anziehungskraft und ich werde diese Abteilung fertig abgehen. Sollte ich es heute gar nicht zu meiner Batliner-Lieblingsabteilung schaffen?

Ich stehe von der Bank auf und will herumgehen, aber wegen meiner Kreuzschmerzen bin ich gekrümmt wie ein Greis (katholische Definition von Sünder: „der in sich selbst verkrümmte Mensch“). So will ich mich aber nicht präsentieren – ich rufe mein bescheidenes yogisch-tensegretisches Wissen ab: Bauchmuskulatur innen anspannen, Hüften zusammenziehen, die magische Schnur vom Nacken in den Himmel hinauf spüren und sich daran aufrichten und und hochziehen lassen. Lange hält meine Disziplin nicht an, bald ist alles wieder vergessen und die Aufmerksamkeit ganz woanders. Ich gehe in einen Nebenraum und bei einem anderen Durchgang wieder in den Hauptsaal zurück und laufe unabsichtlich fast in besagte Aufseherin hinein; sie ist erschrocken, ich auch und sie dreht sich um und läuft von mir weg. Mein Kreuz schmerzt schon auf über mittlerer Höhe – die Götter wollen mich klein halten. Zu recht: einem so mickrigen, feigen kleinen Arschloch steht es nicht zu, den Weibern nachzuschauen! Das dürfen nur richtige Männer! Zumindest einige dürften das auch so sehen.

Ich glaube, ich schaffe es nicht mehr zum Batliner, die Kreuzschmerzen fordern ihren Tribut. Ich werde nach Hause fahren; bei Schmerzen bin ich lieber für mich.

 

(11.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com