Dienstag, 30. November 2021

2507 Ausharren

 

14:13. Ich steh vor drei gar nicht auf; ich warte gleich, bis die Tageskinder abgeholt sind. Wenn ich jetzt runtergehe, erzeuge ich nur Wirbel und bringe den Ablauf durcheinander. Ich bin mehr ein Störfaktor, als eine Bereicherung. Draußen tobt der Sturm. An mir selbst fließen langsam die Träume von Autofahren ohne Führerschein und Fahrkenntnis, von irgendwelchen Verbrechen und manipulierten Ferienaufenthalten in Schweden (?) und viele andere, die ich schon vergessen habe, deren Gefühle und Emotionen jedoch noch in meiner Aura kleben, ab. Kreischendes Metall von der Baustelle zwei Höfe weiter jault sich in meine Aufmerksamkeit. Das trübe Licht aus dem Lichtschacht kommt mir heute wie himmlisches Gnadenlicht vor; eine stärkere Dosis würde ich gar nicht ertragen. Meine frankophone Schweizerin, die da im Regal lehnt, ist heute so sexy – um einen ganz unpassenden Begriff zu verwenden.

In welch schöner, kosmischen Abstellkammer ich gelandet bin! Und ich habe sie vollgeräumt mit meinen Träumen, Visionen, Leidenschaften, Erinnerungen, Versuchen und Sehnsüchten. Die nun hereinkommende Katze hindert mich, den Gedanken zu Ende zu formulieren, weil sie meinen Pilot-Schreibstift schnauzelt. Von den Göttern gesandt, um mich am Weiterschreiben und Mich-Gehen-Lassen zu hindern? Oder von den Bösen, um ein gerade entstehendes Werk der Weltliteratur zu verhindern? Für die Nazis und vielen Männern der Kriegsgeneration sind die Hunde gut und die Katzen böse, weil „orientalisch“ und verlogen. (So auch für'n Affenarsch.) Aber mit solcher „Naturwissenschaft“ will ich nichts zu tun haben.

Unten höre ich schon die abholenden Mütter und Väter der Tagis, manchmal auch Großeltern und Kindermädchen – das höre ich aus den Stimmen nicht heraus – ich muß noch ein wenig im Bett ausharren.

 

(30.11.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2506 … nicht sagen

 

Eine kosmische Traurigkeit hat sich herangeschlichen und wird nun offenbar (2:28 a.m.). Sie stört mich überhaupt nicht. Ich finde sie angemessen. Ich finde sie angemessen für einen Reisenden, für einen Wanderer durch die Welten, der seinen Weg verloren, vielleicht gar nie gefunden, jedenfalls aber aufgegeben hat. Mehr braucht man dazu eigentlich nicht sagen.

 

(28./29.11.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 26. November 2021

2505 Oh wie schön ist

 

Aus einem unguten Traum erwacht (13:26) betrachte ich mit schwermütigem Genuß mein schönes Zimmer. Wirklich! Warum sollte ich aufstehen und hinausgehen? Die Stille hier ist köstlich, ich erfreue mich am Anblick meiner Schätze hier und an meiner Raumgestaltung. Verschlafen wie ich bin, brauche ich nur irgendetwas ein paar Sekunden lang anschauen – schon verändert sich das Angeschaute und verwandelt sich. So wird zB in Mali Lošinj die Hafenstraße zu Kopftuch und Schleier einer hexenartigen Gestalt in marianischer Kleidung, weiblich auf jeden Fall, eine adriatische Baba Yaga, ihr dunkles Gesicht überm dunklen Meer gut getarnt. Oder hier im Notizbuch: in diesem Dämmer hier im Zimmer leuchtet ein Lichtkegel-artiges Phänomen auf, gerade dort, wo ich meinen Blick aufs Schreiben gerichtet habe, als hätte ich eine Stirnlampe eingeschaltet, und vergeht gleich wieder. Das verlorene, elegische, vergeblich klingende Aufschlagen der Wassertropfen auf Fensterbrett und Co. Und siehe: es ist nicht vergeblich! Es tränkt – nicht hier – aber wo anders – den Erdboden. Hier jedoch bearbeiten die Tropfen die menschengemachten Mauern, um die Landschaft wieder in den Naturzustand zu versetzen und überhaupt alles einzuebnen. Nein, es ist so schön hier. Und jetzt. Ich steh nicht auf. Der gegen das trübe Licht beim Fenster ganz dunkle schiefe Turm meiner Ablagefächer am Schreibtisch, überladen und grotesk wie eine barocke Pestsäule (das gemeinsam ist nicht so sehr die Form, sondern beider Groteske), fast erzählt er mir, der Turm, eine Geschichte. Und meine frankophone Schweizerin mit Hut, heute ganz keusch – das hätte Potential zu einem Roman über Armut und künstlerische Prostitution. Aber ich brauche ihn nicht schreiben – er ist ja schon da. Oder meine Uhu-Stick-Krepp-Klebeband-Rolle-Spagat-Knäuel-Moschee – könnte heute auch als ein Atomkraftwerk durchgehen. Oder die beiden leeren Yoghurtgläser im Regal, ursprünglich benutzt für die Samen der Augarten-Blumen, um diese im Frühjahr in meinem klandestinen Garten am Donaustrand auszusäen, diesmal leer, weil ich aus Schwermut vergessen habe, die Samen rechtzeitig einzusammeln; die leeren Gläser verschwinden optisch beinah in ihrer Durchsichtigkeit und ihrem Glanz vorm Denzinger-Hünerman und der fragwürdigen Philosophiegeschichte vom Fischl im Bücherregal. Welten über Welten! Abenteuer über Abenteuer! Ganze Schichten von Schicksalen und Erzählungen türmen sich übereinander in jedem Ding.

Ding-dong – die Wassertropfen aus geschmolzenem Schnee. Oh wie herrlich ich es habe! Oh wie schön ist Pa … mhm … mein Kemenatenreich!

 

(26.11.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2504 ZuFrieden

 

3:54. Meine Möwe flattert ein wenig nervös und kurzatmig, wackelt hin und her. Ich stoppe ihr Gewackel und ziehe konzentriert mit ruhiger Hand an der Schnur und jetzt fliegt und schwebt sie wieder schön und elegant. Ich horche in mich hinein und finde keine Verzweiflung. Das ist schön. Mein kleines Kemenatenreich kommt mir jetzt recht groß vor; es muß sich vor einer Minute wundersam vergrößert haben. In Mali Lošinj sehe ich am Kai einen Mann stehen, etwas undeutlich, aber er scheint aus einer Flasche zu trinken, den Kopf zurückgebeugt – ich denke gleich an Raki und Schnaps. Von Rettenschoess aus sehe ich vier Schneelöcher in die Bergflanke gestanzt. Ich weiß zwar nicht recht warum, aber ich bin mit dem Tag zuFrieden und kann jetzt sehr gut abschließen.

 

(25./26.11.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 24. November 2021

2503 Der ergriffene Verkünder

 

Meine Möwe fliegt und schwebt. Meine Katze liegt auf meinem Schreibtisch, erhebt sich, dreht sich im Kreis, legt sich hin, steht wieder auf, schaut mich fragend an, ich sage: „komm nur, mein Katzerl!“, sie steigt über mein Laptop, schnuffelt an meiner leeren Kaffeetasse, springt auf meinen Bürosessel, von dort auf den Boden, schleicht sich – ein Umweg! - unter meinen Gewand-Ablage-Stuhl, von dort zum Fußende meines Bettes, springt aufs Bett, geht bis zu Wand vor, kommt diese Wand entlang zu mir her und schnurrt, obwohl ich sie wegen der Schreiberei noch gar nicht gestreichelt habe. Es ist 13:07 und ich habe Zeit, denn die Tageskinder halten ihren Mittagsschlaf und so könnte ich mir jetzt wegen des Kaffee-Maschinen-Lärms keinen Frühstückskaffee herunterlassen. Also bleibe ich im Bett und streichle die Katze. Und überhaupt: der Schlaf bei sinkender Sonne soll ja der gesündeste sein.

Das Surren ist heute sehr Varianten-reich und verschlägt mir mein linkes Ohr. Ich entdecke meinen Herzschlag, aber als ich meine Aufmerksamkeit auf ihn lenke, verflüchtigt er sich. Der Druck im linken Ohr läßt nach. Von den Geräuschen her habe ich den Eindruck, die ganze Welt ist in Warteposition („und harret der Erlösung“; so der windige Paulus). Da fällt mir ein: nach Anna Katharina Emmerich wäre heute der Heilige Abend und Jesus von Nazareth heute/morgen um Mitternacht geboren. Ein Schütze - „der ergriffene Verkünder“ (Wolfgang Affenarsch) und Wanderprediger – tät gut passen. Auch Mars-Pluto als Dämonenaustreiber. Das Jahr hat die Emmerich auch korrigiert, minus sieben, glaube ich (ich bin zu faul zum Nachblättern – wen interessiert das schon? Deswegen steige ich jetzt nicht aus dem Bett!). Hoffentlich hat der Clemens Brentano beim Aufschreiben der Visionen der Emmerich nicht allzuviel herumgepfuscht und „lektoriert“, moralisch-romantisch verbessert und redigiert! (also gut: Emmerich sagt: „Christus ist also nicht ganz volle acht Jahre früher als unsere Zeitrechnung geboren.“ S28)

Zurück zum Bücherregal: der Uhustick, daneben die Rolle Kreppklebeband mit einem Knäuel dünnsten Spagat in der Rolle drinnen wirkt wie das bloß eintürmige Modell einer Moschee, oder gar der Hagia Sophia.

 

(24.11.2021)

 

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2502 Versenkung

 

Wir haben jetzt 3:44 a.m. und ich ziehe am Schnürl des Baby-Mobile über meinem Bett, eine weiße Möwe, die auch prompt ihre ausgebreiteten Flügel sanft und elegant auf und ab bewegt. Mein Blick fällt auf meinen Hausaltar und dort auf die Meditations-sitzende Buddhagestalt aus Steinen, eine mir zufällig gelungene Figur beim Aufschlichten der Steinchen. Meine Sehnsucht nach Versenkung und Tensegrity ist angefacht und läßt mich seufzen. Aber jetzt, um diese Zeit (und vermutlich auch morgen und übermorgen und überübermorgen …) fange ich mir nichts Neues an und starte auch keine neuen Anläufe und Heiligungsversuche. Ich zupfe wieder an der Möwe und seufze wiederum beim Gedanken an eine frei fliegende, frei reisende Seele, aber um ein solches Projekt zu starten, reichen meine Sehnsucht und mein Mut nicht aus.

 

(23./24.11.2021)

 

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Dienstag, 23. November 2021

2501 Im Aufwachen

 

Im Aufwachen (14:04) rechne ich nach, wie alt ich bin und ein Schock läuft durch Körper und Seele. Mein Bewußtsein nämlich kommt dem nicht nach und hängt immer so bei zwölf, dreizehn oder sechzehn, siebzehn oder dreiundzwanzig, vierundzwanzig, vielleicht achtundzwanzig herum. Der Schrecken hinterläßt einen nach Angst stinkenden, metallischen Nachgeschmack im Mund. Aber gut ausgeschlafen bin ich. Sehr gut ausgeschlafen!

 

(23.11.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Montag, 22. November 2021

2500 Bitte von der Miete abziehen

 

Warten, sitzen, warten. Ist's edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern der wandernden Gedanken aufzuschreiben oder ihnen freien Lauf zu lassen? Warten. Träumen. Sitzen …

Ich warte wieder einmal auf einen Handwerker, der sich von … bis … angekündigt hat. Was Genaueres weiß man nicht. Täte viel lieber schlafen … träumen … Schlafen ist meine subversive revolutionäre Tat. „Träumen“ (C.C.) wäre noch subversiver und revolutionärer, aber das kann ich nicht. Also sitzen. Warten.

Die Küchenuhr tickt. Sie ist zwar keine Pendeluhr und ihr Antrieb batteristisch, aber tick tack macht sie doch! Und erinnert einen, dass einem die Lebenszeit abläuft. Aber ich weiß sowieso nichts mehr mit meiner Zeit anzufangen; ich bin sowieso schon im Wartemodus. Auf bessere Zeiten. Oder auf den Großen Endgültigen Handwerker. „Zippe, zappe“ wie Andreas Vitasek zu sagen pflegte. („In einem Jahr bist du tot, in zwei Jahren bist du tot, in drei Jahren bist du tot, … in zehn Jahren bist du tot, in zwanzig Jahren bist du tot, … in hundert Jahren bist du tot“ … Song der Gruppe „Laut Vereinbarung“ in den Achzigern bei einem Konzert in der Galerie REM.)

Der Kaffeerausch rauscht mir um die in den Ohren und schaukelt mein Gemüt. Den Kopf lasse ich hängen. Der Oberkörper sackt nach links, schlampig abgestützt vom links abgebogenen Arm. Reich wäre natürlich auch nicht schlecht. Dann könnte ich einen Handwerkerabpasser einstellen. Vierzig Stunden mit allen Sozialleistungen. Auf kleinen Reisen in Hotels und Cafés melancholisiert sich's leichter in der Schwermut. Ich will eh nicht herumfliegen, sondern auf mitteleuropäischen Bahnen den Weltuntergang erahnen. Den Rest meines Lebens in vollen Zügen genießen.

Jemand singt im Haus. Jemand redet im Hof. Ich sitze immer noch da und lasse mich gehen. Wie spät ist es? Oh! Das fröhliche Geschrei der Tagis erklingt schon im Stiegenhaus! Bald bin ich erlöst.

Ja, und die Handwerker mußten gar nicht in unsere Wohnung; wir wurden falsch informiert. Macht tausend Euro Facharbeiter(Schreiberei)-Wartezeit für die Hausverwaltung. Die Bestellung zur Wartezeit ist rechtsgültig und wurde von Ihnen nicht storniert. Bitte von der Miete abziehen.

 

(22.11.2021)

 

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Donnerstag, 18. November 2021

2499 Sirenenmusik

 

Ungeduldig klopft und schürft die Baustelle dort zwei Höfe weiter; der milchig-graue Morgen hält sich bedeckt. Mein wandernder Blick findet keinen rechten Halt, rutscht von den Wänden ab, während die Ohren die altbekannte schrille Sirenenmusik einfangen.

 

(18.11.2021)

 

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Mittwoch, 17. November 2021

2498 Hieroglyphen

 

Aus nächster Nähe betrachtet, mit meinen trüben Brillen, kann ich die Hieroglyphen der Wirklichkeit nicht lesen. Die Götter sollen sich anstrengen und ihre Botschaften in und durch ihre Schöpfung konsumenten-freundlicher machen. Als Sender schauen, was beim Empfänger ankommt. Weniger arrogant. Nicht „mene mene tekel upharsin“ und dann muß man lange nach einem Spezialisten suchen. So wie die Traumbotschaft damals: „Peter, du bist ein so ein Idiot!“ Und vielleicht noch einen Hinweis darauf, was tun.

Oh! Jetzt fällt's mir ein! Wie damals anno Domini 1981: „Treib nicht ab!“

 

(17.11.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2497 Im Finstern

 

3:57a.m. Ich gehe jetzt zu Bett. Ich habe Angst vorm Abdrehen der Lichter und Ablenkungen. Nicht, dass ich mich im Finstern fürchte; nicht, dass ich nicht schlafen könnte – im Gegenteil: ich schlafe gut. Ich habe Angst davor, dass ich mir vorm Einschlafen mein Leben anschauen muß. Ich ertrage kaum mein Lebensrésümé. Jeder Moment der Stille ist ein Moment unsäglicher Verzweiflung. Ich habe das in meinem Leben schon oft angeschaut und ausgehalten; freiwillig und unfreiwillig: früher bei 8 Grad Zimmertemperatur und Fieber ohne Krankenversicherung und Geld fürs Heizen, oder in stundenlangen Meditationssitzungen, wo ich geübt habe, den Anblick auszuhalten, aber derzeit mag ich nicht mehr. Jetzt im Alter wird das immer schwerer auszuhalten. Ich fürchte mich vor den Konsequenzen, wenn ich meine Verzweiflung voll zulasse. So lenke ich mich ständig ab. Ich fürchte mich davor, mein Leben anzuschauen und nichts Tragfähiges, Positives (wie ich dieses Wort hasse!) zu finden. Nichts, auf das ich stolz sein kann. Nichts, was wie ein Erfolg ausschaut. Nichts, was gelungen sein könnte. „Nichts“ ist natürlich übertrieben, aber die paar Brösel genügen nicht. Gewogen und zu leicht befunden. Ich weiß auch, dass ich gar nicht den Überblick, den Gesamtblick auf mein Leben mit all seinen Auswirkungen auf die Welt habe, dass mir doch der Blick sub specie aeternitatis fehlt, dass ich also kein echtes Resümee ziehen kann; aber ich fürchte mich davor, nichts Wertvolles finden zu können. Ich greife eh nicht vor, ich warte eh geduldig aufs natürlich Ende und das erhoffte abstrakte, absolute (von Vorurteilen losgelöste) himmlische Gericht (das werden die Wahrnehmungen und Kommentare des Energiekörpers sein, der seine eigenen reinen Erfahrungen gemacht hat).

Darum lenke ich mich ständig ab: dass ich nicht dauernd denken muß: ich bin eine hoffnungslos gescheiterte Existenz. Musik, Kunst und Lachen helfen, aber manchmal schwappt es über mir zusammen.

 

(16./17.11.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 16. November 2021

2496 Ménage à trois

 

13:11 erwacht! Was ich drüben gearbeitet habe, ist mir entglitten; ich merke nur, dass ich verschwitzt bin. Die Druckwelle einer hintergründigen, atomeverschiebenden Explosion läuft durch meine Wahrnehmung. Jetzt fällt's mir wieder ein: drüben wollte ich zwei Damen für eine Ménage à trois (vulgo dreierziagl) gewinnen (wobei ich mit diesem meinem Anliegen schon recht weit vorgedrungen bin), bei gleichzeitig „offenem Atelier“. Ständig kommen Besucher herein. Einer ist so eine kleine realitätsvife Ratte, schnurchtelt überall herum, läßt seine mißtrauischen Äuglein überall herumwandern und ich weiß nicht, was er vorhat; ein anderer ist so unglaublich fett, wälzt seine kindischen Tonnen durch mein Atelier und meine filigranen Kunstwerke, sodaß ich um meine Arbeiten fürchten muß. Viele wollen meine Bilder erklärt haben und stellen mir dauernd störende Fragen. Kein Wunder, dass ich verschwitzt bin! Ach!

„Tanzt, tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren!“ (Pina Bausch)

 

(16.11.2021)

 

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2495 Überhöhen

 

Die Figuren auf dem Bücherregal bewegen sich, während ich aufrichtig darum kämpfe, in eine verzweifelte Stimmung zu geraten: eine andere Stimmung steht meinem Leben nicht zu. Das Instrument würde zerspringen.

Das zu sagen ist meine Aufgeblasenheit, weil ich meine Existenz überhöhen will, die doch in Wirklichkeit stimm- stimmungs- bedeutungslos ist. Gute Nacht! (2:28 a.m.)

 

(15./16.11.2021)

 

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2494 Sumpf

 

In meinem Kopf spielen sich unglaubliche schicksalsträchtige Geschehnisse und vor allem Kämpfe ab: zwischen Huronen und Irokesen, zwischen Protestanten und Katholiken, zwischen Döbereiner und mir. Ich bin schon längst ausgeschlafen, aber ich habe keine Lust, das Bett zu verlassen. Wozu auch? Es ist niemand da, der meine Vorträge und Erläuterungen, Erklärungen, Hypothesen und Vermutungen hören will. Warum auch. Alles für die Müllhalden des Menschengeschlechts. Nichts wirklich zur und in die Welt gekommen. Die letzten Blubberer vorm endgültigen Versinken im Sumpf.

 

(13.10.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2493 Sehenswürdigkeit

 

Stundenlang dämmere ich in diesem Fieberzustand dahin, mein buntes, fröhliches Zimmer betrachtend, aller auferlegten Verantwortung enthoben, da „im Krankenstand“ - jedenfalls der reine Genuß, weil keine schlimmen Schmerzen auftreten. Ich kann zwischen Wirklichkeit und Traum dahinschweben, meine Sinne sind realitätsgedämpft und damit offener; meine Bücherwand wird so zu einer Sehenswürdigkeit, die ich stundenlang interessiert betrachten und studieren kann. Die Zeit ist vergessen.

Es ist mein leerer Magen, der mich allmählich, aber immer nachhaltiger aus meinem Fiebertrip holt und mich dazu bringt, mich der Realität zuzuwenden.

Mein Gott! Habe ich einen Hunger. 13:40. Auf zum Frühstück.

 

(10.11.2021)

 

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Samstag, 6. November 2021

2492 Grinsen

 

Finsterer Morgen. Ich grinse eine Minute lang, um Glückshormone im Gehirn zu aktivieren. Das soll laut Birkenbihl so funktionieren. Das ist für mich Schwerarbeit! Die involvierten Gesichtsmuskeln schmerzen und ich komme mir auch allein und unbeobachtet äußerst blöd vor dabei. Ein Hustenanfall beendet die Übung. Aus Wichtigtuerei lasse ich seine Tränen auf meinen Wangen, wische sie nicht weg. Ich entschließe mich zu einem zweiten Versuch. Diesmal stoppe ich die Zeit: eine Minute ist kürzer als gedacht. Was mach ich jetzt mit meinem Glücksgefühl um sechs Uhr in der Früh? Nach drei Stunden Schlaf?

 

(5.11.2021)

 

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2491 Acedia

 

Kalt ist es in meiner Kemenate. Oder bin ich es, der kalt ist? Meine Ohren surren wie wahnsinnig, aber Fieber habe ich nicht. Eigentlich trauere und verzage ich, weil ich meinen Stern verloren habe, mein höheres Ziel. Ahja! Dann ist es die Acedia, an der ich leide, in die und in der ich mich gehen lasse.

 

(4./5.11.2021)

 

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Donnerstag, 4. November 2021

2490 Kräne

 

Ich huste mir meine Seele aus dem Leib (wenn ich noch eine habe und nicht schon längst an den Teufel verkauft), und meine glasigen Augen wollen nicht so recht schauen. In meinem Gesicht zieht es bis zum rechten Ohr und es fühlt sich alles blockiert an. Die Tageskinder unten singen und schreien fröhlich. Hunger meldet sich, aber mir fehlt der Appetit. Meine Nase juckt, aber ist sonst nicht mehr sehr involviert. Mein abgesackter Geist fängt gleich mit Kränen an und hebt die Betonklötze aus der Verbauung.

 

(4.11.2021)

 

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2489 Überdruss

 

An diesem Tag habe ich wieder nichts weitergebracht. Es ist 2:52 a.m. und mir schwirrt der Kopf von allen meinen Ablenkungsmanövern, die ich veranstaltet habe, um mein Scheitern nicht sehen zu müssen, und jetzt, wo alle Geräte abgedreht sind, ist mir fast schlecht vor Überdruss. Fast. Dieser elende Geschmack im Mund, wenn man Unechtes konsumiert hat, das dumpfe Gefühl hinter der Stirn, die Ratlosigkeit in der Seele. Habe ich mein Staunen vergessen, oder verlernt? „Brannte nicht unser Herz ...“ - wo ist das geblieben? Ich verliere den Gedankenfaden und gerate in eine tranceartige Abwesenheit, nach der ich mich in einem zuckenden Wutanfall wiederfinde, im Bett liegend den Anblick meiner Zelle aus den Augen verloren, in eigenartigen Gewaltphantasien verstrickt. In Gesicht und Gebiss spüre ich noch die Nachwirkungen der Zuckungen.

 

(3./4.11.2021)

 

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Mittwoch, 3. November 2021

2488 Helle Flecken

 

Zuerst habe ich es nicht bemerkt, aber dann: die Rettenschoesser Wiese wird vom Meer überflutet. Die Gischt spritzt auf mit den anstürmenden Wassermassen. In Veliki Lošinj verbinden sich die beiden Stadthälften gegen ihre Auflösung. Mir sind die Augen zugefallen. Im Schwarz tanzen noch ein paar helle Flecken.

 

(3.11.2021)

 

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2487 Abschließen

 

Ein Tag, an dem ich – soweit ich sehen kann – nichts weitergebracht habe. Jetzt ist es späte Nacht. Was ich so hören kann, schwingt – ich weiß nicht, was es ist.

Ich lese diese drei handgeschriebenen Zeilen zum zwanzigsten Mal durch, aber nichts führt, lockt oder treibt mein Schreiben weiter. Ein Stillstand, der sehr laut ist. Und unangenehm. So kann ich den Tag nicht abschließen.

 

(2./3.11.2021)

 

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Dienstag, 2. November 2021

2486 Gelb und Hellgrün

 

Graue, fade, dumpfe Welt, wie es zu Allerseelen passt. Nicht Himmel, nicht Hölle. Und in meinem Zimmer ohne Ausblick ist es sowieso düster. Nur selten strahlt hier über Fensterglasspiegelungen im Lichtschacht Sonnenlicht herein. Jetzt, beim tieferen Sonnenstand auch zu Mittag, tut sich da nichts mehr. Meine Augen verschärfen jetzt die Konturen, aber mein taumelnder, abgleitender Geist verwischt sie immer wieder. Gelb und Hellgrün sind die Farben, die am hellsten bleiben. Ich nehme auch meinen Schreibgriffel in die linke Hand zum Notizbuch und kraule mit meiner rechten meiner Katze den Bauch. Meine Stimme ist von der Erkältung sonor, attraktiv und von männlichem Sexappeal, aber ich verschiebe im Kopf alle heutigen Vorhaben draußen in der Stadt und gehe in den inneren Krankenstand. Ich will mir die Hustenanfälle in kalter Luft ersparen. Immer mehr freunde ich mich mit dem Grau an, meinen matten, glasigen Augen stelle ich keine Aufgaben, meinen müden Körper lasse ich Zeit und meinem überforderten Kopf lasse ich weitestgehend in seiner Dämmerung. Meine Gedanken wabern herum und verdampfen wieder, ohne richtige Impulse auszulösen.

 

(2.11.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2485 Effeff

 

Ich lehne im Bett und schiebe die Leselampe  - nun die einzige Beleuchtung im Zimmer – hin und her, verändere so Licht und Schatten, spiele mich ein wenig damit und betrachte die optischen Ergebnisse, während ich dem Regen mehr oder weniger aufmerksam zuhöre. Ein solcher Moment spät in der Nacht scheint Melancholie und Selbstmitleid zu fordern, und ich wohne nicht weit davon und kann sie fast immer herbeiholen. Da kenn ich mich aus. Diese Technik beherrsche ich aus dem Effeff.

Mein Zimmer kommt mir heute klein und schmal vor, meine Position im Raum wie in einer Nische am Rand, aus der ich zaghaft hervorluge. Ich sehne mich schon nach dem Schlaf und blicke fast unwillig, jedenfalls lustlos im Zimmer herum. Von all den von all dem Zeug an Wänden und Regalen ausgehenden Inspirationen erreicht mich nichts.

 

(1./2.11.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  November 2021   peteraloisrumpf@gmail.com