Samstag, 31. August 2019

1483 Wie sollen wir uns nennen?


Ich bin überhaupt super im Photoshoppen. Wenn ich zum Beispiel mit meinem MP3-Player auf die U-Bahn warte und  - was weiß ich – The Smiths oder die Red Hot Chili Peppers höre, kann ich mich ganz leicht in die Szene reinkopieren – an die Stelle von Morrissey UND Johnny Marr, und Antony Kiedis UND John Frusciante (oder Hillel Slovak oder Josh Klinghoffer oder Dave Navarro): ich bin dann Sänger UND Gitarrist! Auf der Bühne! Und ich singe und spiele gut! (wie man auf den CDs der The Smiths und der RHCPers nachhören kann!).

Jaa. Jetzt fange ich schön langsam damit an, beim Warten auf die U-Bahn so ein bißchen mitzusingen – (ich meine, ohne diese Tagträume würde ich mein Leben nicht aushalten) – vorläufig nur, wenn die U-Bahn-Station eher menschenleer ist, und nur so leise summen; aber ein paar Tanzschritte habe ich heute auch schon gemacht. Dem-Himmel-sei-Dank, daß ich mich bei dieser Singer- und Brummerei nicht so genau höre, und vorallem wegen der musikalischen Ohrenstöpsel nicht, wie laut mein verhalten-inbrünstiges Summen ist.
„No, they cannot torture me“ (Englisch und Texte sollte man halt verstehen, du Aff!)
Jaa.
„No, they cannot hurt me, my darling“ (geschwindelt! geschwindelt!)


Es wird langsam Zeit, daß ich mit der Verwirklichung meiner Lebensträume beginne (immerhin: schon mehr 66 als 65) und meine Band gründe! Pete DeGroove, machst du mir den zweiten Gitarristen? Ich habe zwar noch nie Gitarre gespielt, aber ich verspreche, ich werde gleich mit Gitarren- und Gesangsunterricht anfangen. Und ich werde mich beeilen und viel üben. Versprochen! Dann können wir auch einen Hit von den toten Jeschkos spielen und ordentlich aufpfeffern! Ja!!

Jaa... Ich habe das genau im Kopf. Das geht. Ich sage dir das schon jetzt, damit du dich vorbereiten kannst und bei deinen Terminvereinbarungen berücksichtigen. Ja, ich weiß, noch ist nix fix! Aber daß du bei deinen Terminvereinbarungen dazu sagst: vorbehaltlich der Probe- und Auftrittstermine der Kommenden Band …

… wie sollen wir uns nennen? Ohne Namen ist alles Schall (!) und Rauch. …








(31.8.2019)









©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1482 Wieder im Gleichgewicht


In Verwirrung, weil vom Telefon aus dem Schlaf gerissen, weil einer bügeln will. Oh, jetzt ist mein Blick aufs Bücherregal wieder klar! Gerade eben hat es „zack!“ gemacht (nur ein Mal!) und die Trübnis ist verflogen. Nein, abgesunken und versickert. Und meine Bilder an der Wand, über den Regalen: sie leben wieder.

Ich lasse meine Augen über die Wand gleiten und sich an den nun schärferen Objekten ihrer Wahrnehmung erfreuen.

Jetzt wird es spannend. Jetzt tritt der Bügelmeister unten ein. Ich höre, es ist lustig. Stimmt! Vor Jahren habe ich mich darüber aufgeregt, daß sie es lustig haben. Ich war wirklich gemein!

Nein, nein, nein! Wieder kommen Trauer und Trübnis angekrochen. Mein Blick wird wieder stumpf. Ein unglaublicher Schmerz verbreitet sich in Zeitlupe in meiner Brusthöhle; ich kann regelrecht zuschauen.

Ich mache mit Fundstücken (auf Zetteln, die aus dem Buch gefallen sind) weiter:
Möge ich mit Namen rufen können.
Möge ich (auch mich) als Person wahrnehmen können.
Möge ich mein Auslangen finden.
Amen.

Was immer das da oben war: Jetzt geht’s wieder.
Wieder im Gleichgewicht.








(31.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1481 Schlafen Schlafen Schlafen


Noch ist der Morgen finster. Mir geistern Bruchstücke der magischen Sätze aus der katholischen Messe im Kopf herum: „Das ist das Blut des Neuen Bundes ...“ „Tut dies zu meinem Gedächtnis ...“
Blutopfer sind endgültig passé und gehören auf die Müllhalde des Menschengeschlechts.
Geschlechts, Geschlechts … auch so ein Thema. Mein Libidohaushalt … kann ein Haushalt abgesunken sein? Eigentlich nicht so leicht. Aber „abgesoffen“ wie ein Motor (noch besser Auto-Motor) kann der Haushalt erst recht nicht sein.
Wörtlich müde Scherze um fünf Uhr früh.

Die nicht vorhandenen Vorhänge kämpfen gegeneinander: sie schlagen sich gegenseitig mit irgendwelchen ihrer Zipfeln. Freudianisch deuten oder nicht? Vorhangszipfeln sind keine Vorhangsstangen – also trotz Zipfeln keine Penisse. Andrerseits: schaue ich mein Bestes Stück an .. weiß mein Traumregisseur von meinen Dingsproblemen? Schnitt! Szenenwechsel! „Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber ...“ Also gut: Drehpause! Ihr könnt aufs Klo gehen!

Die Ratten fallen mir ein, die Ratten.

Chello oder Baßgeige? Schlafen! Schlafen! „Ist's edler im Gemüt ...“ Schlafen! Ich bin ein alter Mann und will um fünf Uhr früh (naja, inzwischen 5:46) schlafen!










(31.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1480 Verse


Der ärgste Schmerz ist von mir abgefallen.
Die Bilder an der Wand,
sie bleiben still und stumm.
Bloß meine Ohren heulen noch getreulich weiter,
jedoch erholen sie sich wieder.
Die Nüchternheit in mir und auch die Kälte tun mir gut.
Bevor ich Verse schreibe geh ich lieber schlafen.








(30./31.8.2019)









©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 30. August 2019

1479 Realitycheck


Realitycheck beim Bezirksgericht. Zugangsschleuse mit Waffenscan. Ich war gleich ganz klein, sooǿǿǿ klein, und eingeschüchtert!
Apfel-Karotte naturtrüb mit Wasser, groß: ich bin so durstig.
Und so traurig.
Stoßartiges Seufzen.
Nach Tagen mit gesenktem Blick kann ich allmählich wieder mein Haupt erheben. Aber die Trauer ist so groß. Und geistige Schwerfälligkeit, verlangsamtes Denken, Schwierigkeiten beim Konzentrieren. Dreimal habe ich mich tagsüber zum Schlafen hingelegt, weil ich keinen Schritt mehr weiter wußte und in meinem Zimmer gefangen war. Nach der Therapie habe ich es wieder ins Kaffeehaus geschafft.
Dort genieße ich es, beim Leben ein wenig dabeizusitzen – mit Abstand. Die freundliche Kellnerin schenkt mir ein Lächeln (T-Shirt: „Schön, daß ich Sie persönlich am Apparat habe“).
Am Heimweg trage ich meine Trauer offener durch die Stadt.











(30.8.2019)












©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1478 Abfahrt! Detto!


„Ein Sackerl?!“ schreit mich ungehalten ein Verkäufer von drüben an. Wofür? Zum Kotzen? Mir ist nicht schlecht! Ich bin verzweifelt. Das ist etwas anderes, du Depp!
Vorhin war ich drüben mit dem Pumpernig unterwegs. Was war da? Vergessen. Egal. Meine Verzweiflung hat nichts mit drüben zu tun.

Es ist fünf Uhr früh, die Katze will ihr Frühstück und hat mich - anfänglich sehr zart - aufzuwecken versucht. Okay, ich stehe auf und erfülle ihr ihren Wunsch.
Ja, die Katze – für mich eine wichtige Vertreterin und Verteidigerin des Realitätsprinzips.

Oh, wie ist es still hier in meiner liebgewordenen Kammer! Meine Ohren dröhnen und während ich lausche verändert sich der Ton; er nimmt etwas von seiner Schrille zurück.

Schreiben ist mein letztes Gefecht. Gut, das ist jetzt zu pathetisch, aber es ist schon was dran. Im Leben bin ich geschlagen; jetzt schlag ich mich mit Formulierungen durch. Ich hätte gleich ins Kloster zu den Formulierungen und Sätzen (sententiae) gehen sollen. Weggesperrt vom „Leben“, dem ich sowieso nicht gewachsen bin. Dem sogenannten „Leben“, denn wir, die Menschheit, befinden uns in gefallenem Status und geben ihn automatisch an unsere Kinder weiter.

Zurück zur Stille. Meine Ohren, die in der Stille mit ihrem Dröhnen sofort meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, pulsieren, als würden sie ein Eigenleben führen (nicht unwitzig: „die Ohren gehorchen nicht mehr!“).
Gut, mit diesen müden Scherzchen werde ich gegen den Tod auch nicht ankommen. (Abfahrt!) (Detto!)

Verschwommene Bilder rasen auf mich zu; keine Ahnung, wie sie verschwinden (hüllen sie mich ein? Entern sie via Solarplexus und Lücke mein Inneres?)

Mein Notizbuch rutscht mir aus den Händen; ich lasse es gewähren; eine gute Einübung ins Sterben.









(30.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1477 Muß ich gehen?


Das Gewitter ist über uns her gezogen. Ein wenig donnert und blitzt und tröpfelt es noch nach. Die Stille und Erleichterung nach dem Sturm. Jedoch nicht in mir. In mir arbeitet und quält es und sucht nach einem Ausweg. Meine üblichen Tricks funktionieren nicht mehr: meine Bilder, wenn ich sie anschaue (mit stumpfen Augen) antworten mir nicht, zeigen mir nichts, leben nicht. Ich fühle mich sicher in meiner Kammer, die mir nicht gehört, aber rundherum ist Kriegsgebiet. Werde ich diesen Unterschlupf bald verlieren? Oder verlassen müssen? Muß ich gehen?
Nun ist es wirklich still. In meinen Ohren tobt es in höchsten Tönen. Ich versuche, irgendwelche Anker zu finden, die ich auswerfen kann. Ich finde keine und ob sie im Untergrund Halt fänden, weiß ich nicht.

Sachte fängt es wieder zu regnen an; so ein freundliches Geräusch, wenn man im Trockenen sitzt.
Ich sitze im Trockenen, denn ich kann nicht weinen.









(29.8.2019)












©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1476 Was für eine Farce!


Es ist wie auf Reisen gehen, denke ich mir. Man läßt alles zurück und schaut, was kommt. Mir hat es nämlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Nur im Internet, auf Facebook, komme ich mich noch daseinsberechtigt und halbwegs selbstverständlich vor. Das Tatortintro fällt mir ein. Ich meine schon ein Dasein in Respekt und Würde und nicht halt irgendwie geduldet sein. Es geht schon um leben, und nicht um irgendwie überleben.
Habe ich ein Recht, wahrgenommen zu werden? Ich denke schon. Wenn es überhaupt so etwas gibt wie „ein Recht haben“.
Ich stehe vor schweren Entscheidungen.
Ich denke schon, daß fünf Tage in Würde leben besser ist als zwanzig Jahre in Frag- und Un-würdigkeit.
Oder ist das falsch? Ist es menschliche Selbstüberschätzung, die Frage nach Würde-Unwürdigkeit zu stellen?
Muß man bereit sein, für seine Entscheidungen zu sterben, um nicht den letzten Funken Selbstachtung zu verlieren? Ich fürchte ja. Oder sag ich: ich scheiß auf Selbstachtung und den ganzen Zirkus?

Ja, stimmt! Das stimmt! Ich bin kein wirkliches Gegenüber.

Werde ich einmal darüber lachen, wie ich hier so in einem gräßlichen, überständigen Weltschmerz hocke und herumlehne? Ist möglich, wäre auch die angemessene Reaktion. Wenn der Weg weitergeht. Ich sehe nicht, wo und wie er weitergehen kann. Das muß ich auch nicht. Es genügt, wenn die GöttInnen ihn sehen und ich ihnen vertrau. Aber Vertrauen ist eindeutig mein Schwachpunkt.

Irgendetwas piepst und ein herankommendes Gewitter donnert. Hoffentlich schlägt bei mir der Blitz ein, der „Unterbrecher der Folgerichtigkeit“ (das sagt er, während er in der guten Stube hockt. Was für eine Farce!).







(29.8.2019)









©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



Donnerstag, 29. August 2019

1475 Eine Schande, was ich da zusammenschreibe!


Ich kann meine Wahrnehmung photoshoppen: ich schaue ins Narrnkastl (jetzt aktuell im Gastgarten des Klostergasthofes Heiligenkreuz mit Blick auf Brunnen und Nordtor – das Glockenspiel geht gerade los.) (Weil daneben am Riesentisch eine Wiener Senioren-Autobus-Partie ißt und trinkt: Geschimpfe auf Wiener Wohnen: „keiner kennt sich aus, sie wissen nichts, kennen das Haus nicht. Früher hat es einen Hausingeneur gegeben, der gewußt hat, wo welche Kabel, Leitungen etc verlaufen, jetzt werde ich von Wiener Wohnen dauernd angeschrieben, dass ich auf meine Kosten irgendwelche Kabel entfernen soll, die ich nicht verlegt habe und wo ich gar keinen Schlüssel für den Zugang dazu habe und ich habe schon mehrmals angerufen und niemand kennt sich aus; ich ja auch nicht! Und der Hausingeneur früher ist regelmäßig vorbei gekommen und hat nachgefragt, ob alles in Ordnung ist, hat sich alles aufgeschrieben, wenn etwas nicht funktioniert hat und sich darum gekümmert; jetzt mußt du sechzigmal über sechs Ecken anrufen und keiner kann dir kompetente Auskunft geben. Außerdem hat es früher auch einen Hausvertrauensmann gegeben, an den man sich wenden konnte ....“ Nur für den unwahrscheinlichen Fall, daß jemand von der Wiener SPÖ meine Texte liest: wie es eure Klientel erlebt.)
Ich schau ins Narrenkastl auf das Nordtor und klick! ein Ruck – etwas ist anders an der Struktur des wahrgenommenen Bildes, das es verändert, obwohl Formen und Farben gleich geblieben sind.

Jetzt, nachdem ich Wildragout mit Marmelade schneller gegessen habe, als die Wespen es überrissen haben, jetzt geht das Photoshoppen nicht mehr. Zu voll! Zu satt!

Und diese eigenartigen, leicht horriblen Wasserspeiermasken am Brunnen mit ihren unkonventionell aufgerissenen Mündern …

… ein junger Kellner, der den Wespen-Fliegen-Krieg an den Speisetischen in eine Sciencefiction-Story einbaut (die Dings (Wespen) sind die Herren und die Dangs (Fliegen) sind die Sklaven und müssen den Dings dienen und Essen herbeischaffen … er hat natürlich echte Filmnamen verwendet, die ich nicht kenne – aber ich schließe daraus: die mythische Weltsicht gewinnt!)

… Mutter und Tochter im Partnerlook – oder doch ältere – jüngere Schwester? - wie soll ich das wissen! Ich bin ja kein Seher!

… richtig alte Frauen, die ständig an ihren Kostümen, Röcken, Blusen, Kleidern herumzupfen.

Ach tut das in schwerer Depression gut, ordentlich zu essen, mit – sorry! - so steht's auf der Karte: Mohr im Hemd mit einer Kugel Vanilleeis und Kaffee und dann noch einen Eiskaffee hier, im immer stiller werdenden Gastgarten, weil der Autobus mit den Wiener Senioren am Abfahren ist. Fahrt ab! Ich höre wieder im Brunnen das Wasser plätschern. 
Nun in die Kirche. Ich nehme meine Kappe ab, tauche meine rechte Hand ins Weihwasserbecken und mach brav mein Kreuzzeichen. Nehme Kerzen, die ich bezahle, zünde sie an, spreche kurz und schlampig zwei Gebete, dann setze ich mich in die Bank, direkt vor mir: eine Tafel, die Photographieren und Handy verbietet. Ja, eh! Ich merke, ich habe schon ziemlich viel Aversion aufgezogen. Orgelübungsspiel (Schubertmesse). Nichts paßt zusammen. Vorbei, meine Herren! Es ist vorbei! (als ob ich das wüßte!) „Dome der menschlichen Selbstüberschätzung“ (C.C.)
Ich gehe hinaus in den inneren Hof.

Der sanfte Wind hier, das stille Rauschen in den riesigen Platanen und das unaufdringliche Plätschern dieses großen, prächtigen Brunnens hier beruhigen mich und besänftigen ein wenig meine Verbitterung. Bei Tageslicht betrachtet: so toll ist der Hintern der frommen Frau, den ich vorhin in der Kirche kurz aber ansatzweise andächtig betrachtet habe, gar nicht. Aber was soll's, es geht mich alles gar nichts an. Ich habe hier in der Welt, dort in der Welt, in jener Welt, in jeder Welt nichts verloren. Ich bin überall im Ausland. Das Einzige, das manchmal von meiner unwiderruflich verlorenen Was-weiß-ich-was herüberweht, ist die Musik.

Jetzt ist die fromme Frau mit ihrer Tochter nahe an mir vorbeidefiliert, hat sich vor mich hingestellt und das Kirchenportal photographiert und ich muß sagen: so schlecht ist ihr Arsch gar nicht! Nein! Schöne Rundung! Aber wie gesagt: geht mich nichts an, nicht für mich.

Eine Stunde noch bis zum Autobus; mir ist jetzt schon fad vor lauter Resignation.
Die Kuttenbrunzer tragen immer Bücher in ihrem linken Arm – wie ich sie um ihre Büchererlaubnis, die Erlaubnis zu lernen und zu lehren beneide! Auch wenn sie nichts zustandebringen ist ihre Existenz besser und sinnvoller als meine. Dabei könnte ich denen ordentlich aufmischen! (ja, ja, Burschi! Allzu-spätpubertärer Anfall, wie?)
Die fromme Frau mit Tochter geht mit einem Kuttenbrunzer mit Buch in der linken Hand mit und sie verschwinden in einer Tür. Der Wind meint es gut mit mir und läßt mir zum Trost die Platanen tanzen. Kokett drehen sie sich vor mir einmal nach links, dann nach rechts, nach links, nach rechts, nach links, nach rechts … dann kräuseln sie die Blätter und schütteln ihre Zweige, wie ich meine Hände, wenn ich beim Tensegrity die Energie aufwühle und mische (lang, lang ist's her).

Kuttenbrunzer und Kettenraucher? Ich sage ja! Wer will das schon überprüfen! Es ist völlig wurscht, was ich sage, ob es stimmt oder nicht.

Übrigens sehe ich eine Pest-Dreifaltigkeits-Marien-Sieges-XY-Säule von hinten. Schaut aus wie ein übergeschnappter, ausgelassener, musical-dancingender, ein paar Meter in die Höhe geschmissener und dann zu Stein erstarrter Inhalt eines Käfigs voller Narren. Mit ihren verdrehten, dekadenten Gesten und Körperhaltungen. Und unten im festen und geometrischeren Sockel die leidenden Jammerlappen (das schreibe ich!) mit ihren schräggestellten Köpfen. Aber das Glockengeläut – ich wollte gerade beginnen, über es herzuziehen – nein, das kann und will ich nicht verunglimpfen; das schlägt bei mir eine schöne Saite an.

Meine Füße tun mir weh vom Wandern, mein Arsch tut mir weh vom Sitzen, mein Kreuz tut mir weh von … Heiligenkreuz? Weil ich mich gestern über den Tisch habe ziehen lassen? Von dem, was ich alles herumschleppe?

Ich pepp das Ganze mit den Red Hot Chili Peppers auf! Los geht's!

Zwei müde Kuttinger ohne Bücher.

Jetzt geht mein Blick auf Dach, Dachfenster, Rauchfänge, Entlüftungsschlötchen, komische Dachbalustradenfiguren inklusive Krone, die wie eine Spinne ausschaut, eine naive Gams, verstümmelt wirkende Figürchen, Köpfchen, Dachspitzerln, Dachreiter – scheiß drauf! Keine Lust mehr! Ich habe meine Verzweiflung nicht vertreiben können.

Weil ich an meiner Frau Ärgernis genommen habe: Trennung von Tisch und Bett und Bildschirm.









(28.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1474 In tiefer Verzweiflung


Oh Gott, würde ich gern einen Trip einschmeißen! Ich habe das noch nie gemacht und Gottseidank wüßte ich auch gar nicht, woher ich den bekommen könnte, und wie das geht, und kenne auch die Fachsprache zur Anbahnung des Geschäftes nicht und auch nicht die Kaufrituale. Aber ich halte meinen inneren Schmerz kaum noch aus. Ich fühle mich so überflüssig in der Welt – selbstverständlich ist das dummes Selbstmitleid – der Trip würde mir – so erhoffte ich – die Wadln vieri richten. Ein Schlag: entweder ändere ich meine Haltung oder ich überlebe es nicht. Ich brauche diesen Tritt, und er muß gewaltig sein, gewalttätig, gewaltsam, gnadenlos, damit mein beschissener Charakter zerbricht. Mein beschissener Charakter – das sind die zu fester Form gegossene Gewohnheiten, Denkmuster, Glaubenssätze und Systeme etc etc etc. Alles weg! weg! weg! weg!
Alles, an das ich mich klammere: weg!

Die Form soll zerbrechen, entweder kann das übrig gebliebene Konglomerat eine neue, bessere finden oder es löst sich auf.












(27./28.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Dienstag, 27. August 2019

1473 Herr der Lage


Aus einem Traum in Extrembarock erwacht schwimmt noch alles. Wenn ich zum Beispiel aufs Bücherregal blicke, saust es mit allem Pi Pa Po nach oben, aber bleibt doch am Platz. Die Augen fallen mir zu – ich kämpfe dagegen an, aber schaffe es nicht – und schon bin ich in einem dunklen Wald, der nur an einer Stelle beleuchtet ist. Ins Licht gehen oder im Dunkeln verborgen bleiben? Wo ist es weniger gefährlich?
Mühsam nach oben geschwommen (kein Auftrieb) hätte ich beinahe ins falsche Notizbuch geschrieben, nämlich in ein gelbes, geträumtes.

Im Miniturnsaal mit den typischen Holzgeräten (einer genaueren Betrachtung hält das „typisch“ nicht stand) – findet da ein Treffen der Rechten statt? Ladet mich ein schüchtener, leicht stotternder IT-Experte, den ich einiges aus seinem Fachgebiet fragen möchte, zu einer Veranstaltung seiner Partei „die xxxx Rechten“ ein? Leider habe ich das xxxx vergessen! Es könnte nämlich auch ironisch gemeint gewesen sein. Was war das? Die „trögen Rechten“? Etwas ähnliches? Vergessen!

Unten in der echten Welt wird die Stiegensperre errichtet, ich sehe es nicht, ich höre es, und wenn sich via panta rei nicht alles, vor allem nicht die Form verändert hat, habe ich damit recht.

Ich lasse mich selbst wieder einsinken, ohne Gegenwehr, mit zwei Hunden … äh! … Geräusche lockern das ganze Gebäude auf.

Ich bin nämlich … Ausweise? Paß?

Eine ganz eigenartige, häßliche Figur kommt herein.

So! Ich lege das Schreibzeug weg.

Ich mein ... schau ich so aus, als wäre ich Herr der Lage?








(27.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1472 Wenn man Socken falsch herum anzieht


Aufgewirbelter Staub schwebt durch den breiten Lichtstrahl meiner Nachttischlampe. „Wenn man Socken falsch herum anzieht, trägt das gesamte Universum deine Socken – nur du nicht.“ (Danke Jakob Nord oder Christian Pensch oder Flat Eddy (Facebook) für die Überlieferung oder Erfindung dieses tollen, genialen Satzes, der mein Leben bereichern wird und meine Philosophie in neue Dimensionen erhebt.) Das gefällt mir sehr! Ich werde es bei Gelegenheit ausprobieren! Das gesamte Universum in meinen Socken! Was wird das für Auswirkungen haben auf mich, die Welt (! - weil sie dann ja meine Socken trägt), auf meine Wahrnehmung, mein Empfinden, mein Selbstgefühl, mein Selbstwertgefühl, mein Selbstbewußtsein, mein, mein, mein … und auf Wahrnehmung, Empfinden, Selbstgefühl, Selbstwertgefühl, Selbstbewußtsein der Welt haben!? … unglaublich!

Der Staub hat sich inzwischen gelegt, aber nicht ganz: es war noch ein Stück roter Staub unterwegs.
Mein rechtes Ohr beginnt – wie kann ich das beschreiben? - auszugreifen; es greift auf die Welt außerhalb der Ohrmuschel zu. Seine ungewöhnliche Aktivität kitzelt. Ich beherrsche mich: ich kratze es nicht und stierl und bohrl auch nicht darin herum, um seine Aktivität zu stoppen; nein, ich möchte wissen (von video – gesehen haben), was diese Ohrenaktivität für Auswirkungen zeitigt. Aber das Phänomen verschwindet langsam.

Dafür beginnen die Finger meiner linken Hand, die das Notizbuch festhalten, an dessen Einband zu rutschen und ich muß nachgreifen und fester zupacken.

Nun bearbeitet irgendeine Kraft meine rechte Wange, vorne in der Nähe des rechten Ansatzes meines Oberlippenbärtchens; es pickst und juckt dort in einer Tour.

Wieder versucht mein rechtes Ohr aktiv zu werden und nach außen zu wirken.

Finita la comedia? Finita la comedia.








(26./27.8.2019)










  ©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Montag, 26. August 2019

1471 Meine irdischen Ohren


Aus einem tiefen, schrecklichen Albtraum an die Oberfläche geschwemmt, verwirrt und orientierungslos, wußte ich nicht wo ich bin und erkannte mein Zimmer nicht und bin gleich wieder abgesunken, zuerst in Finsternis und Panik, und dann ins kleine Haus meiner Eltern, das es so zu ihren Lebzeiten nicht gegeben hat, das aber am richtigen Platz steht, wo im wirklichen Leben ihr wirkliches Haus gestanden, aber in diesem Traum verschwunden ist. Irgendein zunächst unidentifizierbarer, unsichtbarer Horror durchdringt die Szene. Ich rede mit meinen Eltern und irgendetwas ist mit meinem Vater. Ach ja, er wird gewalttätig gegen meine Mutter (was er im wirklichen Leben niemals war – gegenüber seiner Frau) und auch mich will er umbringen. Ich versuche mich zu verstecken oder auszukommen. Zitternd vor Angst wach ich kurz auf und sinke sofort wieder hinunter. So geht das mehrmals auf und ab, bis ich beim Auftauchen die Membran, die mir das endgültige Durchdringen bis in die Wirklichkeit verhindert hat, einfach zerreißt und ich ausgeschlafen und wach meine irdischen Augen öffne.

Meine irdischen Ohren hören die Tageskinder unten und ich denke mir, ich könnte hinunter frühstücken gehen. Paßt das jetzt oder störe ich unten? Oder bin ich sonst jemandem im Weg?











(26.8.2019)











©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1470 Neue Taktik


Meine Depression hat sich eine neue Taktik ausgedacht: sie kommt jetzt schubweise, wie aus dem Nichts oder aus heiterm Himmel (also gibt es heitere Wetterlagen!) und diese Attacken sind sehr stark mit seelischen Schmerzen verbunden, die ich jedoch stark körperlich spüre. Ein seelischer Schmerz, der plötzlich und unerwartet als Anfall zugreift und einen innen zu zerfressen scheint, vielleicht vergleichbar mit starkem Liebeskummer. Vielleicht ist Depression eine Form von starkem Liebeskummer, im Sinne einer vom Gegenüber nicht angenommenen tiefen Liebe zu Mitmenschen und Welt.

Ich verfalle diesem „Liebeskummer“ nicht ganz; ein Teil von mir beobachtet das Geschehen, und tritt dann hin und denkt sich seinen Teil und läßt die Depri reden.

Ich weiß auch, daß ich wieder hinauskomme, und manchmal fällt mir etwas ein, das das beschleunigen kann. Wenn ich nichts finde, verwende ich meine Traurigkeit zum tieferen Musikgenuß.

Jedoch, es ist schon so, daß ich manchmal mich selbst und meine Rolle in der Welt, der großen und der kleinen, der sichtbaren und der unsichtbaren, kaum aushalte.











(25./26.8.2019)












©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1469 Einigermaßen menschenleer


Vor Klees Dreitaktquadraten, die so toll, so toll, so toll sind! Mein Gott! Unsere Augen sind Spiegel für die Sonne. Der Narr daneben … ich bin nicht gekommen um zu urteilen, sondern um zu schauen. Und zu schreiben. Verdammt gekrümmt hocke ich da (oder sollte ich zwischen den beiden einen Beistrich einfügen?) und gaffe auf die intensivsten Rechtecke, die ich kenne, solange sich keine menschlichen Rundungen, Längen, Querungen, Vertikalen davor stellen.
Kurz streife ich auch die zwei Fische, aber heute haben es mir die kleinen Rechtecke angetan.

Und nun etwas ganz anderes: Kokoschkas Städtebilder (flankiert von Thönys New York). London und Dresden: sofort entsteht eine Welt, in der ich leben möchte: genauso (anscheinend/scheinbar) hingeworfen, aber jeder Strich sitzt und erfüllt seinen genau richtigen Platz. Es gibt nichts zu kritisieren, alles ist wie es ist einfach das Leben und die Welt - Aus meiner jetzigen Perspektive sozusagen weit weg, von schräg oben, angehalten beziehungsweise in einer ganz extrem langsamen Zeitlupe (die Bilder bewegen sich doch!) und einigermaßen menschenleer.











(25.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1468 Ich glaube alles


Ich drehe mich mehr zur Wand hin und habe den Lokaleingang fast im Rücken; so habe ich mir das Schreiben hier angewöhnt: mit überschlagenen Knien (rechts auf links), das Notizbuch schräg auf Oberschenkel und Tischkante, den Kopf schief nach links und meinen Rumpf ziemlich zusammengekrümmt.

Unglaublich schöne Musik hier im Lokal (keine Ahnung wer; ich frage nicht; bin gerade zu fromm). Das Lächeln der Kellnerin über mein T-Shirt „Ich glaube alles!“ löst eine kleine Glücksexplosion aus: es gibt freundlich gesonnene Plätze (!), hier darf ich sein. „Sturm und Klang“ lese ich auf einem Plakat: auch nicht schlecht!









(23.8.2019)








©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 23. August 2019

1467 Heute ist mein Zimmer fröhlich!


Heute ist mein Zimmer fröhlich! Bei jedem Wimpernschlag tanzt und hüpft die ganze Wohngemeinschaft mit: Bücher, Bilder, die CD-Stapel, die Steine, die Weihrauchgefäße vom Hausaltar, alle Gegenstände, selbst die festen Wände samt Fenster, Tisch und Stühle springen in die Höhe. Ich seufze erleichtert auf. Meine Brust ist nämlich noch ein wenig erstarrt von einem Albtraum mit Vater; sie weitet sich jetzt wieder.

Unten spielen friedlich die Tageskinder und ihre Geräusche und Gespräche stabilisieren mir die gute Stimmung.
Ein paarmal seufze ich noch meinen Albtraum raus, dann bin ich endlich bereit aufzustehen.










(23.8.2019)











 ©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 22. August 2019

1466 Rosa Schrift


Wie geht die rosa Schrift händisch? Gar nicht schlecht. Weniger häßlich als die Farbe des Kugelschreibers selber. Sogar schön.

Schöne, elegische, melancholische und laute, hallende Gitarrenmusik. Eine lachende junge Frau streicht ihrem Freund zart aber deutlich über seinen Hintern.
Eine schlanke, blonde, dänisch aussehende und klingende Frau (ich lehne mich mit meiner Behauptung weit aus dem Fenster, aber wer kann es überprüfen?) geht nach einem längerem Gespräch mit dem Kellner - aufs Klo.
Eine alte Frau schaut mir lächelnd in die Augen (wegen meines T-Shirts, auf dem „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit/Jugend“ steht).
Drei sonnenbebrillte, grauköpfige Männer in den besten Jahren sitzen draußen und stieben auseinander, als ich sie zu beschreiben beginnen will.

Die Musik hat sich verändert, der Rauminhalt ebenso und das schnell. Akustisch dominieren nun die Kaffeemaschinen – seit wir selbst eine besitzen ein fast schon als angenehm empfundenes Geräusch.
Die Lautsprecher sind doch etwas übersteuert. Die zarte, zache Kellnerin mit den schönen Tatoos saust mit dem Tablett durchs Lokal und schaut sich dabei um, ob alle gut versorgt sind.

Jetzt sind wir bei zu lauter leiser Klaviermusik. Ich sehe die violette Blüte einer Winde – glaube ich – die sich die Hauswand hinauf wächst.

Jetzt kommt zum elektrisch gewordenen Klavier Schlagzeug, Bass, Gesang und schneller, markanter Rhythmus; nicht zu vergessen die schoafn, querschießenden Gitarrenakkorde.
Es ist sommerzeitlicher Mittag und ich beginne, mich nach den Tageskindern zu sehnen.

Die laute Musik, die mich einhüllt, hält mich noch am Platz. Oh! Jetzt wird sie noch toller: eine zeitgenössische Variante meiner Jugendmusik mit afrikanischer Grundierung (kurz: Popmusik aus Afrika). Damit hänge ich wieder fest. Ich traue mich heute nicht, im Lokal zu fragen, welche Gruppe das ist.










(22.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1465 Die Schulzeit ist vorbei


Es herbstelt. Die Luft ist kühl. Mein Zimmer noch recht dunkel. Der Abschied vom Sommer, der in meiner Jugend meine Hoffnungen, Erwartungen, Träume nie erfüllen konnte, beginnt. (Ich Narr hatte immer geglaubt, der Sommer mache mir mein Leben.) Das mit dem Sommer ist schon lange anders: ich muß vielmehr schauen, daß ich ihn mitbekomme, den Sommer, trotz Hitze. Ich spüre keine Jahreszeiten mehr und ohne Erwartungen, Lebens-Erwartungen, mag ich auch nicht schwimmen gehen. Es fehlt die kindliche Freude oder Erregung, wenn es den ersten spürbaren, lauen Frühlingsabend gibt, oder den ersten heißen Sommertag. Nur der starke, einschneidende Schmerz, wenn das veränderte Blau des Himmels im Sommer noch zum ersten Mal den Herbst ankündigt (und damit das näher kommende Ende der Ferienzeit) kann es noch geben, manchmal in abgedämpfter Form, wenn ich diesen Tag in der Stadt nicht verpasse. Ja, die herbstliche Schwermut ist mir geblieben und auch ein wenig das Aufrütteln dabei und die Entscheidung, die herankommenden Herausforderungen (früher der Schule - jetzt des Alters) anzunehmen.

Die Schulzeit ist vorbei, auch wenn ich gerade wieder mit einem meiner Schulalbträume aufgewacht bin.

Mehr als die Schulzeit ist vorbei.










(22.8.2019)










©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1464 Unter mir der Abgrund


Ich blicke aufs Papier: nein, ich habe noch nichts geschrieben – ich war mir nicht mehr sicher in diesem Zustand an der Grenze von Traum und Wirklichkeit.
Michael Douglas (oder war es nicht doch der Kirk?) macht in meinem Zimmer die Bodenklappe zu einem Keller auf; ich beobachte es, draußen auf der Fensterbank stehend. Unter mir der Abgrund.

Ich wollte eigentlich noch eine Frage ausfahren (Das funktioniert so per Knopfdruck wie das Öffnen der CD-Lade beim Player). Weg!










(21.8.2019)











©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 19. August 2019

1463 Mein Magen knurrt


Meinem Blick eignet heute ein leichter Grünstich an. Die Bilder an der Wand bebildern mich mit außergewöhnlicher Intensität, fast, als wären sie lebendig. Selbst das Photo dort läßt innen meine Tränen ansteigen.
Die Bücher im Bücherregal bilden rätselhafte Gestalten und Verbindungen … hoffentlich keine schlagenden … gut, nutzen wir die Chance und steigen aus, lassen alle Dinge sein, wie sie sind, drängen ihnen keine Beschreibungen auf und gehen frühstücken. Mein Magen knurrt.








(19.8.2019)









©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1462 Brunnenplätschern


Sonne von links. Autos von rechts. Durchblick von vorne. Joiken von innen. Kinder von rechts. Brunnenplätschern von links. Schauder von oben, hinten. Unsicherheit von links (gekipptes Fenster). Flimmern überall. Knacksen innen oben (Halswirbel).
Schatten. Hüsteln von rechts. Aufmerksamkeit immer stärker nach rechts.








(18.8.2019)









©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1461 Ich lege alle Ämter zurück


Frust frißt sich herein. Wie schneller Rost zersetzt er … meine Schutzschilde? mein Balancegerüst? meine Lebenslügen?
Die Resignation breitet sich im porösen Material aus; ich lege alle Ämter zurück – die sichtbaren und die unsichtbaren. Ich habe sie doch gar nicht richtig inne gehabt, wie mir nun auffällt; ich durfte sie nur ein wenig spielen. Ich bin in Wirklichkeit gar nie angesprochen. Genug gejammert! Genug !

Ich atme tief und lausche. In meinen Ohren und zwischen ihnen schrillt es. Ich verspüre auch einen leichten Druck im Gehör, der deutlicher wird, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf lenke. Unter- oder Überdruck kann ich jedoch nicht entscheiden. Es scheint alles etwas linkslastig zu sein und ich höre auch die Haustür zufallen. Jetzt scheint sich der Schwerpunkt nach rechts zu verlagern, aber dort bleibt er höher als auf die linken Seite.
Am Schädel oben spielt sich auch etwas ab, Bewegungen, teilweise überm Scheitel, und das Zusammenziehen von etwas, das nicht die Kopfhaut ist.
Auf der linken Seite nähern sich von weitem geschriene Juchzer. Im Moment befindet sich das Schrille mehr im Hinterkopf, während von unten kurz ein leiser Laut hochsteigt, der wie das Springen einer gespannten Saite klingt, aber verhüllt, gedämpft durch viele Stoffschichten hindurch.

Halbe oder noch kleinere Wortstücke geistern herum, weit davon entfernt, mir irgendeinen Sinn zu vermitteln (such ich in die falsche Richtung?).
Eine ganz normale Tür schlägt im Haus zu. Das intensive Surren surft auf unbekannten Wellen hin und her. Ein Mann spricht undeutlich, kaum vernehmbar, ich muß, um ihn zu hören, durch viele Lautschichten konzentriert hindurchlosen. Eine Frau antwortet – ich tippe auf Nachbarhaus.

Ein Flugzeug begleitet mein Surren (oder wem immer es gehört). Meine Kopfhaut fängt an, sich am Hinterkopf unwillkürlich zusammenzuziehen. Ein Rhythmus taucht auf und verliert sich gleich wieder. Ein einzelner ferner Schlag. Nun pulsiert der Punkt unterhalb des Nabels, als würde er leichte Stöße erhalten; manchmal verlagert es sich mehr zum Solarplex hin. Es wird dunkler in meinem Zimmer oder in meinem Bewußtsein. Ein Geräusch, als würden leere, umgedrehte Plastikbecher auf einen Tisch geknallt, aber in weiter Entfernung, taucht hin und wieder auf.

Jetzt gerate ich in Phantasien (ich wäre reich, habe einen sicheren, stillen, abgelegenen Landsitz, lebe dort und …).

Das Surren hat jetzt die Form einer waagrechten Scheibe angenommen, die in Ohrenhöhe meinen Kopf – nicht durchschneidet, aber durchdringend durchtönt.

Am Hinterkopf zieht es sich zusammen, vorne an der Stirn zieht es auseinander und wird gleich aufreißen und etwas öffnen. Jetzt ist es zur Nasenwurzel heruntergerutscht. Das Pulsieren ist wieder oben an der Stirn und geht bei den Ohren hinaus. Wellen am Hinterkopf. Erst jetzt merke ich, daß ich die ganze Zeit über meine linke Hand verkrampft halte.
Die Haustür.
Die richtigen Konsequenzen ziehen.
Irgendetwas schlägt gegen irgendetwas – weit weg.








(17.8.2019)












©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 16. August 2019

1460 Du duftest, ich stinke


„Du duftest, ich stinke!“, denk ich mir während ich mühsam aus der ehelichen Bettnische krabble. Die Katze begleitet mich von eben diesem Bett zum anderen oben – zu ihr habe ich das nicht gedacht, da hätte ich „wir beide stinken“ denken müssen.

Es läutet an der Wohnungstür in meinen zweiten Schlaf hinein; zuerst reißt es mich, aber dann: ich bin eh schon aus dem Schneider und im oberen Bett.

Die Träume und Traumszenen greifen nach mir. Aber wo ist die Stimme des Sehens? Oder zumindest die eines Zuschauers/einer Zuschauerin?

Lang hat's gedauert, jetzt aber ruft eine weibliche Stimme von rechts drüben: „Peter! Niemand hier liegt so lange im Bett wie du!“

Das ist jetzt die Frage: ist das eine Feststellung einer Tatsache? Und das Vorwurfsvolle meine eigene Projektion? Wenn die Stimme wirklich von drüben ist – nein, ich glaube nicht, daß die so verurteilend sind. Ich hoffe sehr, daß sie das drüben nicht nötig haben. Oder haben sie da auch verschiedene Abteilungen mit unterschiedlicher Bewußtseinsentwicklung?

Und noch etwas interessantes: die Stimme drüben spricht von „hier“, wenn sie hier, mein Zimmer, unsere Wohnung das Haus meint! Oder meinte sie überhaupt die ganze Mazzesinsel? Oder gar ganz Wien? Bin ich schuld, daß die Wiener in den anderen Bundesländern und bei diesem Kurz als Langschläfer verschrien sind? Oh mein Gott!











(16.8.2019)











©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 14. August 2019

1459 Wenn ich will




Flotte Musik im Ausweichcafé. Cappuccino mit Herz (Schaum). Das Café ist wirklich kein Ersatz, sondern voll gültig: ich gewähre die Bitte, es sei in meinem Cafébund das dritte.

Nach dem Traum von Woodstock – weil ich grad die Wochenendausgabe der Wiener Zeitung sehe – sehne ich mich mehr als damals: Sex + Drugs + Popmusik + (innerer) Frieden, obwohl ich mich lange Zeit darüber lustig gemacht und das Ganze äußerst kritisch gesehen habe.

Und von jener Zeitungsschlagzeilen provozierten Aussage distanziere ich mich sofort wieder deutlich und dezidiert! Ich lehne so eine unreife Haltung ab!

Ich zahle und gehe.


Ich könnte mich natürlich auch – wenn ich will – nach einer Cola-Rum-Fernseh-Werbung-Szene sehnen: eine fröhliche Gruppe von Jugendlichen, leicht, traditionslos, erwartungsvoll, aber nicht zu sehr, alles schaut noch unentschieden aus – zum Beispiel zwischen Männlein und Weiblein – trinken, sind aber nie sichtbar betrunken, jedoch immer ganz entspannt, Jeunesse dorée, mit coolen Autos am Strand, auch ich mit Führerschein und Auto ein Macker.

Ich könnte mich natürlich auch – wenn ich will – nach der Mitgliedschaft einer Gruppe betrunkener Markthocker sehnen, mit dicken Bäuchen und hochgeschobenen Brillen, das Auskommen scheint gesichert, mit langsam-schwerer Rede – aber immer mit ich-kenn-mich-aus.

Oder bei den fitteren Boccia-Boule-Spielern mit italienischem oder französischem Alt-Herren-Flair.

Oder – wenn ich will – nach einem Leben als isolierter Fernsehseher, mit Bier oder Whisky, mit zweihundert Fernsehsendern und allen Internet-Film-Diensten mit Krimis, Dokus, Sport und Pornos, der um sieben Uhr abends schon nervös wird und nach Hause eilt und spät in der Nacht seine Übelkeit vorm einsamen Zu-Bett-Gehen mit ein paar Schluck hinunterspült, und wenn es nicht reicht, ein paar Schlaftabletten nachschiebt.

Oder – wenn ich will – nach dem Leben als erfolgreicher? -loser? Vertreter, der überall mit seinem Auto herumfährt und überall im Lande herumkommt und dann doch in meistens schlechten Absteigen absteigt und sein Haupt auf fragwürdige Kissen bettet.

Ich könnte mich auch – wenn ich will – danach sehnen, als patriarchalischer Besitzer eines ansehnlichen Anwesens oder als großer Nomaden- und Herdenchef eine riesige Familie zu führen, in deren Mittelpunkt ich stehe, mit allem Drum und Dran, Dienstbotinnen und Besuche, Kind und Kegel(kinder), der eben – so wie zum Beispiel Abraham – seine Frau und seine Mägde vögelt und in großem, sinnlichen Reichtum lebt (also mit Wein, Weib und Gesang – so hat schon der eine meiner Großväter seinen Besitz allerdings runtergewirschaftet).

Oder gar nach einem Leben als afrikanischer Kleinfürst mit Harem (klar strukturiert und hierarchisiert), dessen Frauen ihn füttern, während er im Fernsehen die Fußballweltmeisterschaft verfolgt.

Oder ein niederösterreichischer oder steirischer Schloßherr, mit Großgrundbesitz, Wald, Jagd und besten Beziehungen in die lokale Politik, als der ich im Trachtenjanker herumrenne und von den Einheimischen verehrt und privilegiert werde – inklusive Ius primae noctis und weiterer Nächte auch, ein Recht, das ich natürlich nur ganz sanft und mild und in gegenseitigem Einverständnis ausübe.

Ich könnte mich natürlich auch – wenn ich will - nach einem langweiligen, faden Leben in Nordschweden sehnen, dort, wo es keine Gasthäuser gibt und die Menschen auf Distanz leben – ein alter Traum! - und wenn es mir doch zu langweilig wird, irgendeinen Kurs an der Volkshochschule belegen.

Oder nach einem äußerlich unauffälligen, aber gut abgesicherten Leben als Analytiker bei irgendeinem Geheimdienst, der sich heimlich daran delektiert, wo er überall beteiligt ist und trotzdem niemand davon weiß. Wenn ich will.

Oder nach einem Leben als wirklich keuscher Priester, Mönch, Einsiedler, Wanderprediger - kirchlich oder nicht, christlich oder buddhistisch oder weiß der Teufel was, der sein Leben dem Abstrakten widmet und dem Salto ins Unvorstellbare.

Oder – wenn ich will – nach einem Leben als gebildeter, kultivierter Señor, glücklich und ernsthaft verheiratet, mit gesicherter Stellung in der Gesellschaft, nicht zu verunsichern, der weiß, wer oder was wo hingehört und seinen rechten Platz hat und das auch immer sagen kann.

Oder ich könnte mich auch – wenn ich will – danach sehnen, ein genialer und versoffener Künstler zu sein, der sein Leben der Kunst opfern zu müssen glaubt und tolle Werke schafft und dem alles nachgesehen wird.

Oder nach einem Leben als fröhlicher Wanderer durch die Unendlichkeit.











(14.8.2019)











©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1458 Der verletzte Holunder


Einen Tag vor Mariä Himmelfahrt muß ich in der kühlen Morgenluft hier am Bett so laut und plötzlich und explosiv niesen, daß die Katze erschrickt und – mir kommt vor: unwillkürlich - ihr Schnurren einstellt. Für Astrologen, Döbranitinnen und Laien: Niesen, plötzlich, explosiv und Himmelfahrt: alles ein Werk des Uranos (= der Himmel).

Draußen jammern und heulen nun Arbeitsmotoren auf und ich hoffe, daß die faulen, überaktiven Arbeiter nicht die schöne Weide oder sonst einen oder mehrere Bäume im Hof umsägen.

Jetzt sägt oder feilt einer (eine?) im angrenzenden Nachbarhaus an irgendetwas herum – aber eindeutig händisch (also nicht faul). Ich höre es durch die Wände. Ich vermute feilen, oder die Person sagelt mit einem schlechten, stumpfen, klemmenden Fuchsschwanz zum Beispiel ganz schlecht, ungeübt und unrhythmisch.
Ich riskiere es: ich wünsche Gottes Segen und Geduld zum Werk (wer weiß, was da Furchtbares gemacht, gebastelt oder zersägt wird).
Da jetzt sanft gehämmert wird, klingt es eher nach einem konstruktiven Werk, das dann freilich auch häßlich und schiach sein kann.

Das Werk im Hof war schiach und böse, denn die haben den Holunder (-der = -dron = -tree; Baum der Göttin Frau Holle!) komplett zusammengeschnitten, daß kein Ast, kein Zweig, kein Blatt mehr übrig ist. Dabei ist die Frau Holle die Göttin, die für den Schutz des Hauses zuständig ist. Und früher, als es noch Restbestände des Matriarchats gab, hat es geheißen: „vor dem Holler muß man den Hut ziehen!“, heute schimpfen sie ihn ein Unkraut. Ich habe dem verkrüppelten, verletzten Holunder meine Hand aufgelegt und bete für dieses bewußte Lebewesen, daß es sich erholt und die Kraft hat, nocheinmal auszutreiben. Keine Frage, das fällt alles auf uns zurück.










(4.8.2019)











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1457 Leere


Es ist eine Leere in mir. Nicht die, die schmerzt, weil so viel fehlt, auch nicht die, die den inneren Raum weit macht, sodaß man aufatmet, sondern eine neutrale, unbestimmte, ein bißchen eine faule vielleicht; sie macht mich weder glücklich noch unglücklich; und da es schon weit nach Mitternacht ist, ist sie auch ein wenig müde.

Aber weil ich an das Aufatmen gedacht habe, atme ich jetzt wirklich tiefe, tiefe Seufzer. Ich lasse es damit gut sein.











(13./14.8.2019)











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1456 Ich lenke mich ab


Ich lenke mich ab mit Krimis, Spielen – die Musik zähle ich nicht zu den reinen Ablenkungen – aber wenn ich damit aufhöre, dann schwanke ich zischen Verzweiflung und Wut.

In meinem Gesichtsfeld bewegt sich etwas – mein Gott, durch eine unwillkürliche Kopfbewegung ausgelöst, denke ich – und es interessiert mich nicht.
Es ist in meiner Nabelgegend, wo sich im Moment der Schmerz sammelt. Innen natürlich, ich rede von innen. Dort zieht und wurlt es.
Ich schließe die Augen um alles besser spüren zu können, aber die zucken immer wieder unwillkürlich auf.

Meine Armbanduhr – die häßlichste Armbanduhr der Welt – tickt ganz leise und manchmal hört man irgendwo einzelne Wassertropfen. Ich höre sogar das Knacken des Bodens, wenn sich die Katze an mein Zimmer schleicht. Sie verhält sich ganz ungewöhnlich: fünf Mal ist sie schon in mein Zimmer gekommen und gleich wieder gegangen, oder hat überhaupt nur zur Tür hereingeschaut. Normalerweise kommt sie und bleibt eine Zeit lang und läßt sich streicheln, legt sich zu mir. Jetzt aber starrt sie in die Ecke über mir, als würde sie dort jemanden sehen und geht wieder hinaus.









(12./13.8.2019)










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1455 Zwei Stunden lang


Zwei Stunden lang habe ich nach dem ersten Aufwachen, im Bett sitzend, mit dem Kugelschreiber in der Hand, das offene Notizbuch am Schoß, geschlafen. Und auch jetzt komme ich noch nicht auf.







(12.8.2019)








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1454 Eine Fratze heult


Innerlich sehe ich mich oder sonst eine Fratze stumm heulen und schreien, äußerlich ist nichts, gar nichts. Innerlich ist meine Leibeshöhle mit Schmerz angefüllt, äußerlich ist nichts, gar nichts.
Mein Blick kommt nicht so recht raus und liefert nur mehr verschwommene, müde Bilder. Mein inneres schwarzes Loch läßt meine Augen überhaupt nicht strahlen, nur mehr wenig Licht kommt aus. Gedankenlos und gleichgültig streichle ich die Katze, weil ich mich erinnere, daß sie das gern hat.









(11./12.8.2019)











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Sonntag, 11. August 2019

1453 Depression


Die eine Kellnerin pflegt sich bei der Bestellung so resolut neben mich zu stellen, als würde sie mich ohrfeigen, wenn ich eine falsche Bewegung mache (Rapid Eye Movement). Die andere, die zarte, setzt ein abweisendes Gesicht auf, wie die eine meiner Töchter, die zur Zeit auf mich nicht gut zu sprechen ist. Aber das ist alles ganz in Ordnung und für mich ein Abenteuer.


Nachdem mich am Donnerstag Trauer, aber seit gestern und vor allem am heutigen Tag eine ordentliche Depri im Griff hat – ich komm damit schon zu recht – trage ich das Leiberl mit der Aufschrift „sterblich“, um mich daran zu erinnern, daß ich sterblich bin, und mich zu fragen, ob sich diese Depri angesichts des Todes auszahlt und um überhaupt die Proportionen zurecht zu rücken, aber auch, um die anderen an ihre Sterblichkeit zu erinnern, bevor sie mir Niedergeschlagenem gegenüber sich üppig, frech oder unverschämt zu benehmen trauen.

Depression heißt nicht, daß man nur traurig ist – traurig geht noch; das ist ein angemessenes Gefühl und Empfinden – die halte ich besonders mit schöner Musik gut aus. Nein, das was einen fertig macht, ist vielmehr das Gefühl, überflüssig, sinnlos, ein Versager zu sein, der sein Salz (das er verbraucht) nicht wert ist. Das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit. Diese Wertlosigkeit empfinde ich als einen ungeheuren Druck, den ich körperlich spüre und der jedes Aufrichten, jedes vom Sessel Aufstehen zur größten körperlichen Anstrengung macht, als einen Schmerz, der einen komplett einhüllt.

Was soll's: Universum und Natur werfen ihre Geschöpfe aus und dann schauen sie, ob was wird. Nur ist es ihnen völlig egal. Gottseidank!








(10.8.2019)










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1452 Nein


Den Übergang vom Land zur Stadt zu beschreiben gelingt mir nicht:
der unschuldig versäumte Bus und meine Gelassenheit zuerst und mein Geschimpfe später und mein Bedauern über mein Aufregen noch später? Beschreiben? Nein.
Meine Trauer beim Ankommen in der Stadt? Beschreiben? Nein.
Gleich den Alltagsstress? Beschreiben? Nein.
Meine Text-Fehler-Korrektur und Überarbeitungspläne? Beschreiben? Nein.
Die Männer, die sich in den Glastüren und Fenster spiegeln? Beschreiben? Nein.
Die vorbeigehenden Frauen und ihre Hintern? Beschreiben? Lieber nicht.
Die Musik im Lokal? Beschreiben? Nein.
Meinen ausufernden Kaffeekonsum? Beschreiben? Nein.
Das schöne Sonnenlicht auf den Hauswänden über der Gasse? Beschreiben? Nein.
Den stolzen Gang der Kellnerin? Beschreiben? Nein.
Jetzt die Musik im Lokal? Beschreiben? Nein.
Irgendetwas aus meiner Zeitungslektüre? Beschreiben? Nein.
Meine zunehmende Verlegenheit? Beschreiben? Nein.
Die Wahnsinnstrauer, die mich nun überfällt? Beschreiben? Nein.
Die große, große Leere zwischen den Gegenständen? Beschreiben? Nein.
Der Schmerz hinter und zwischen meinen Augen? Beschreiben? Nein.
Mein Verstummen? Beschreiben? Nein.
Mein mühsames Aufstehen gegen ein immenses, niederdrückendes Gewicht? Beschreiben? Nein.
Kurze Entspannung, Wirbel drinnen, Wirbel draußen? Beschreiben? Nein.
Wieder die unsägliche Trauer, nachdem ich die Zeitung weggelegt habe? Beschreiben? Nein, es lohnt nicht.

Sagen wir es so: Bedeutungslosigkeit mit Landschaft ist schöner als Bedeutungslosigkeit ohne Landschaft. Natürlich stimmt der Satz auch nicht wirklich.







(9.8.2019)








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1451 Ich habe eine Affäre mit dem Wind


Ich bin jetzt auf der stillen Seite. Die Vier-Stamm-Linden haben sich bei genauerem Hinsehen als Acht-Stamm-Linden herausgestellt, die den Platz, an dem ich nun sitze, im Kreis umgeben. Rechts hinter mir macht eine Frau, die mir bekannt vorkommt, Yoga; von dort tönt auch leise Meditationsmusik her. Aber ich, als gescheiterter Tolteke, sitze im wirklichen Zentrum des magischen Ortes. Auch hier streicheln sanfte Brisen die Büsch' und Bäum', bewegen manches Zweiglein und Ästchen und lassen andere aus. Ich atme tief. Ein Schauder läuft über und durch mich; ich danke euch, ihr Bäume und Verwandte.
Die Gelenke der Yogini höre ich knacksen; die Fliege, die mich umkreist, summt; die Autos im unsichtbaren Hintergrund brummen, fahren und ihre Reifen auf der Straße rollen und grippen laut.

Ich will meinen Platz etwas säubern.

Ich habe den Platz in einem Kreis von etwa gut ein Meter im Durchmesser von Ästen etcetera gesäubert. Die Mittagsglocken geben mir recht, während die Frau nebenan sich nach ihrem Kopfstand tief gebeugt auf Mutter Erde hinkniet. (Mit „Mutter Erde“ tu ich mir immer noch schwer, denn beim Stichwort „Mutter“ habe ich die Tendenz, aggressiv zu werden und auszurasten.)
Ein Vogel ruft mich mehrmals und immer wieder zur Beruhigung. Ich nehme meine Kappe ab und blicke ins vereinigte Königreich der Baumkronen (dabei versuche ich eigentlich, still zu werden). Ein unsichtbares Flugzeug dröhnt über mir – dem Zentrum der Welt – hinweg.
Ein naher Vogel zirpt. Oh, wie meine Brillengläser verschmiert und trüb sind!

Ich fühle mich ausgesprochen wohl im Zentrum der Welt. Das Zentralgefühl tut mir gut. Ein Specht gibt mir recht und klopft auf Holz. Danke, mein Freund.
Warum schlingert und wirbelt das Gedröhn der Flugzeuge so auf und nieder, hin und her, lauter und leiser?
Der Wind kommt von weitem – ich sehe ihn an Bäum' und Büsch' heranwehen – direkt von vorne auf mich zu, schaukelt meinen linden Kreis auf und hüllt mich kurz und zärtlich ein (ich habe eine Affäre mit dem Wind). Und nochmals kommt eine Böe den gleichen Weg daher und tut mir lieb und gut. Und beim dritten Mal eine ganz, ganz zarte und sanfte Brise. Der Specht, die Spechtin lacht nicht, aber klopft mich aus. Ich lächle zurück.

Und wieder: die Brise nehme ich zuerst beim zirka sechzig Meter entfernten Ahorn wahr, dann beim Gebüsch und dann hier in meinem Lindenbaumkreis.

Nun gehen meine Brisen schon ineinander.








(8.8.2019)









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1450 Auf dem Anger


Mitten auf dem Anger des Hauptplatzes unter einem Ahorn oder ahornblättrigen Was-Weiß-Ich-Was im Liegestuhl das Stadtgeschehen beobachtend, den regen Autoverkehr vor allem vor, aber auch hinter mir, nicht ganz so bequem wie es ausschaut, weil die Holzleiste der rechten Arlmlehne der Liege mit meinem schreibenden Arm nicht so ganz zusammenpaßt, aber bei angenehmer Temperatur mit leichten, wohltuenden Brisen, vorbeiwandelnde Touristinnen und eilende Männer – vielleicht einheimisch. Manche reden vom Essen, eine Ameise untersucht meinen Unterarm (wo kommt die so schnell her?), tusch, tusch Autotüren, Motorstarten, vorbeiheulen (Autos sind immer laut).
Eine junge fünfköpfige Familie zieht vorbei. Ortsansässige Pensionisten, eine blonde Gartenarbeiterin (Gemeinde?) mit Scheibtruhe, dicke Weiber mit Rezepten in der Hand verschwinden im Eingang zur Apotheke. Der Bus nach Horn (886) fährt leise ab. (!)
Ein Bärtiger mit ansehnlichen Bauch, den er würdevoll vor sich her trägt – da er in den 1926 stillgelegten siebenundfünfzig Meter tiefen Brunnen schaut offensichtlich ein Tourist.
Ein HO-Auto mit schepperndem Anhänger. Eine wirklich sanfte Brise schaukelt die Bäume und Büsche, indem sie langsam über den Platz wandert und dabei auch meine nackten Unterschenkel streift. Fahrradtouristen brechen nach einer ausgiebigen Rast unter den Linden. Und Kastanienbäumen auf und fahren Richtung Westen, während ganz oben ein Flugzeug dröhnt.
Eine feste Frau ganz in weiß mit einer weißen Schachtel kommt aus der Apotheke, gibt die Schachtel in ein Auto und kehrt wieder in die Apotheke zurück.
Ein Auto parkt nah und frisch arschlings zum Geschäft ein, während ein anderes nach dem Einkauf (seines Herrl oder Frauerls natürlich) zuerst arschlings raus aus dem Parkplatz und dann ganz normal wegfährt.
Schachtel scheinen hier popülär zu sein, denn ein Mann mit einer solchen unterm Arm und eine Frau mit einer Tenniszeugstasche umgehängt verschwinden im Hauseingang des Sparkassenhauses.
Es werden viele Autotüren geklescht, viele Motoren gestartet, viele Autos vorbeigefahren, viele aus und ein geparkt.
Eine große Gruppe Stockwanderer kurvt herein und schaut den Brunnen hinunter, aus dessen Tiefe schon einige Pflanzen und Bäume wachsen. Auf die Frage ihres Anführers, ob alle brav waren, antwortet eine: „nein, die sowieso ist ins Wirtshaus abgebogen.“ Der Anführer mit Cowboyhut erklärt die Stadt: er sagt. „Gasthaus, Kaffeehaus, Eissalon“ und zeigt dabei in die jeweilige Richtung.

Der Brunnen ist wieder freigegeben und ich werde jetzt hingehen und hinunterschauen und dann meinen Standort wechseln.










(8.8.2019)









©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com