Montag, 22. Oktober 2018

1150 Toni Sailer


Die Toni-Sailer-Diskussion. Oder Nicht-Diskussion. Es wird viel verschwiegen. Wirkt die türkis-blaue und schrecksnagelige Medieneinschüchterung schon? Vorauseilender oder hinterherlaufender Gehorsam? Nur mehr wenige „unbotmäßige“ (der blaue Steger) Journalisten? Stellt euch vor, der Vorwurf einer Vergewaltigung einer Vierzehnjährigen würde gegen einen Ausländer (außer einem Deutschen) erhoben! Die Kronenzeitung und die anderen Drecks- oh Verzeihung! Ich korrigiere mich - Krawallmedien würden sich überschlagen vor Begeisterung!

Ja, es tut weh, wenn Idole stürzen! Ich kenne das selber. Auch ich bin ein „passiv-autoritärer Charakter“, immer in Gefahr,  bewußt – unbewußt auf der Suche nach einem starken Mann zu sein (die dann nie, nie, niemals wirkliche Vatergestalten sind). Die Wahrheit ist aber den Menschen zumutbar (Ingeborg Bachmann) oder „nur die Wahrheit kann euch befreien“ (irgendwo im Neuen Testament). Gerade wenn man ein gebrochener Mensch ist (passiv autoritärer Charakter). Die Wahrheit muß den Menschen zugemutet werden.

Wie gesagt, ich habe es auch mit den Autoritäten und Idolen, aber jetzt weiß ich es, wenn es heißt: „aber der nicht! Der doch nicht!“, dann ist es für mich fast schon ein Beweis, jedenfalls ein starker Hinweis, daß er es war. (Übrigens: falsche Anschuldigungen sind selten.) Natürlich vergesse ich nicht, daß ich die Sache auch falsch einschätzen könnte.

Die Unschuldsvermutung ist selbstverständlich ein hohes Gut. Vor allem der Polizei muß der Unterschied zwischen verdächtigt, beschuldigt und überführt eingebläut werden. Die Mißbrauchten selber brauchen keine „Unschuldsvermutung“ anwenden, denn sie wissen ja, was die Wahrheit ist. Um es an meinem Beispiel zu erklären: ich kann sagen: „der deutsche Tourist aus der Gegend Coburg (wie er selber gesagt hat), dessen Namen ich nicht kenne, hat mich damals Dreizehnjährigen im Sommer 1967 (Wehe, wenn ich mich irrte und es war ein Jahr früher oder später! Meine Glaubwürdigkeit vor Gericht wäre sofort in Frage gestellt! Dabei ist dieses Ereignis umgeben von grauem Nebel und schlecht in meine normalen Erinnerungen integriert, weil es nicht verarbeitbar ist, obwohl es wirklich und real stattgefunden hat) also im Sommer 1967 am Klo der Badeanstalt vom Putterersee gegen meinen Willen, unter Anwendung von Gewalt – nicht direkt gegen mich, sondern gegen die Tür, die ich schließen wollte – sexuell mißbraucht.“ Ich brauche nicht anfügen: „es gilt die Unschuldsvermutung“ - das wäre eine Farce! Wenn jemand über meine Aussage berichtet, muß er es und soll er es, kann aber – finde ich – anfügen, daß ihm meine Aussage glaubwürdig vorkommt, wenn es für ihn so ist.
Wenn aber jemand den mißbrauchten Frauen – meistens sind es ja Mädchen und Frauen, obwohl ich auch bei Buben und Männern eine hohe Dunkelziffer vermute – vorwirft, daß sie lügen, verletzen sie die Unschuldsvermutung gegenüber den Mißbrauchten – indem sie es als gegeben annehmen, daß die lügen – was ja auch eine Anschuldigung ist!

 Oft kommt das Argument: warum haben die solange geschwiegen? Mein Gott, ihr Ahnungslosen! (Und ich unterstelle: ihr wollt gar keine Ahnung haben, denn dann müßtet ihr in euer Inneres blicken, eure psychischen Abwehrmechanismen anschauen und in Frage stellen, wozu ihr zu feig seid, denn dann würden sich eure Selbstverständlichkeiten und eure falsche Selbstsicherheit auflösen! Das unterstelle ich – es gilt die Unschuldsvermutung. Ihr habt keine Ahnung! (Ganz ohne Unschuldsvermutung!)

Ich bin jetzt fast 65 Jahre alt und wenn ich von dieser Puttererseegeschichte rede, beginne ich regelmäßig am ganzen Körper zu zittern; immer noch! Ich habe mich damals niemandem anvertrauen können und natürlich bin ich damit nicht zu meinen Eltern gegangen, denn ich habe zu Recht befürchtet, daß die mich erschlagen hätten, zumindest vor Wut und Überforderung verdroschen und sie hätten mir die Schuld gegeben („warum hast du dich nicht gewehrt!“ - ich habe mich eine zeitlang gewehrt, aber er war als Erwachsener stärker – außerdem haben meine Eltern sowieso zu Unrecht vermutet, daß ich homosexuell sei – nein, da hatte ich keine Chance, Hilfe und Unterstützung zu finden! Auch das andere Umfeld – Lehrer etc. war völlig unsensibel – sie haben einen Schüler nicht wahrgenommen, sondern nur seine Fehler.)
(Ich rege mich bei diesem Thema immer noch so auf!) Könnt ihr euch, ihr Lügenverdächtiger vorstellen, wie einsam und ungeschützt so ein Kind, eine Jugendliche ist? 14 Jahre im Fall Toni Sailer! Sicher stimmt die Anschuldigung! In meinem Zorn und meiner Wut: ganz ohne Unschuldsvermutung spreche ich das aus!

Und wenn das schüchterne, naive vierzehnjährige Mädchen ihren Schock, ihre Scham überwunden hätte und den Toni Sailer angezeigt hätte? Vermutlich wäre sie gar nicht gehört oder ernst genommen worden. Und wenn doch – wen hätte sie sich da aller zu Feinden gemacht? Der Irdninger Tourismusverein mit seiner Städtefreundschaft mit Coburg und den Wirtschaftsinteressen dahinter, wie in meinem Fall, wäre ein Schas im Wald gewesen im Vergleich zum Österreichischen Schiverband und zur Republik Österreich in ihrem Fall – siehe die Vertuschung und „diplomatische“ Niederschlagung des Verfahrens gegen Toni Sailer 1974 durch die Regierung Kreisky. Und die Gerichte? Daß ich nicht lache! Die waren und sind doch immer korrupt, wenn von oben die Anweisungen kommen! Ich verweise auf den Prozeß gegen Murer – ich weiß, daß das eine andere kriminelle „Branche“ ist – wo auf Weisung und Druck des Justizministers Broda der Freispruch des Massenmörders schon vorher festgestanden ist. (Ich verweise auf den Film „Murer – Anatomie eines Prozesses“ von Christian Frosch, um die Tapferen auch beim Namen zu nennen.)
Nein, nein, meine Freunde der falschen Unschuldsvermutung und des „muß vor Gericht geklärt werden“ - gerade bei solchen Fällen funktioniert der Rechtsstaat nicht.

Oder warum glaubt ihr, daß sich bei dieser schwindligen ÖSV-Kommission kaum wer gemeldet hat? Weil sie zum ÖSV kein Vertrauen haben und genau wissen, welche Macht und Interessen dahinter stecken. Und bei den ersten Reaktionen auf die Vorwürfe der tapferen Frau Werdenigg (Danke, Frau Werdenigg!) waren die Drohungen unüberhörbar – die wurden nur aus taktischen Gründen nach außen hin zurückgenommen. Ich soll mich als Mißbrauchter vor den Täterseilschaften verletzlich machen? Wo sind wir denn!

Und wenn – was ja jetzt überall üblich ist – sofort auf Rufschädigung und Geschäftsschädigung geklagt wird, mit Schadenersatzforderungen, die für jeden Normalverbraucher einen jahrelangen Prozeß unmöglich machen, mit all den gewieften Verzögerungstaktiken zynischer und rückgratloser  Rechtsanwälte (Fall Grasser!) und der möglichen staatlichen Einflußnahmen (Sportler des Jahrhunderts), vor allem jetzt bei dieser Regierung, die sich nicht durch hohes Rechtsempfinden auszeichnet und in der und um die sich einige genau dieser Sailer-Kahr-Typen tummeln. Nein, die Mißbrauchten werden von den staatlichen, behördlichen und sonstigen Autoritäten nicht geschützt (Frau Maurer zum Beispiel – wenn es sein muß mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten!). Nie!

Wenn nicht von außen ordentlich Druck ausgeübt wird (Danke, Frau Werdenigg!) geschieht nichts, denn die männerbündlerischen Seilschaften ticken ähnlich – auch die, die keine Täter von sexuellen Übergriffen sind. (Ich behaupte sogar, so Gestalten wie dem Charly Kahr kann ich seine Täterschaft ansehen, diesen hohlen Angebertypen!)

Darum melden sich viele erst jetzt: weil es jetzt Menschen gibt, die ihnen glauben und bereit sind, sie zu unterstützen, ihnen zuzuhören. Vorher waren die mit ihrem Leid sehr, sehr einsam, niemand wollte das hören oder sehen.

Mein inneres Zittern hat mich zu einem chaotischen Text voll innerer Wut verleitet. Ich verbessere ihn aber mit Absicht nicht. Ich werde diesen Text nicht in ein paar Tagen mit Abstand überarbeiten. Absichtlich nicht. Ihr müßt euch daran gewöhnen, so etwas Chaotisches und Sprunghaftes zu verstehen, ihr müßt das lernen, denn traumatisierte Menschen können ihr Trauma oft nicht gefühlsbereinigt und ohne Lücken, Fehler im Datum z. B. etc. erzählen, weil es nicht richtig intergriert werden kann, weil ein solches Ereignis in der Biographie nichts verloren hat! (Ich meine, das sollte niemandem angetan werden. Ein solches Erlebnis ist ein Fremdkörper.) Scham, Verletzung, Wut, Selbstzweifel, Angst, Unsicherheit, Selbstanklage, Selbstverachtung, Selbsthass verhindern das. Die können so tief gehen und einem das eigene Leben als ständiges destruktives Hintergrundrauschen ruinieren.

Und das will auch festgehalten sein: die Täter sind allesamt Hampelmänner männerbündlerischer Kollektive und/oder Gefangene an der Nabelschnur ihrer Mütter. Das entlastet die Täter nicht! Erwachsene, reife Männer sind das nicht! (Toni statt Anton, Charly statt Karl) Niemals! (darum sind die nie wirkliche Vorbilder, nie wirkliche Größen. Immer falsche Idole – wenn „Idol“ nicht eh schon „Trugbild“ heißt.)

(22.10.2018)




Nachtrag, eingefügt am 24.10.2018

Mein nüchterner und wahrheitsliebender Geist läßt mir keine Ruhe, sodaß ich zwar wie versprochen den Text nicht mehr ändere, aber einen Nachtrag anbringe – das ist der Kompromiß.

Zunächst: die Suche der nicht initiierten Buben, Burschen und Männer nach einer Vatergestalt, die einen akzeptiert, einem den Platz in der Welt finden hilft und den Rücken stärkt, führt fast immer in die Falle falscher pseudostarker Männer, die einen dann seelisch und/oder körperlich mißbrauchen. Oder sie führt in falsche Verbrüderungen a la Burschenschaften.

Beim erwähnten Umfeld (Lehrer) gehören auch Ärzte dazu (Priester schreibe ich lieber nicht hin – da könnte man in des Teufels Küche geraten), die blind für Kindesmißhandlungen waren und alle Lügen der Eltern fraglos akzeptiert haben.

Und zum Thema „warum melden sich die alle erst jetzt?“ ist zu ergänzen: Warum melden sich nicht die Täter? (aller Voraussicht nach werde ich das demnächst hier in der Schublade zeigen, wie das geht, wenn mir die Opfer meiner damaligen sexuellen Übergriffe als Fünfzehnjähriger die Erlaubnis geben.) Die Frau Werdenigg zum Beispiel nennt ihren Vergewaltiger nicht, wenn ich sie richtig verstehe, geht es ihr um die Veränderung dieser männerbündlerischen Strukturen verbunden mit Macht über Abhängige und eben nicht um Rache – obwohl: Rache wäre, wenn eine Mißbrauchte dem Täter den Schwanz abschneidet, nicht, wenn sie ihn nennt – aber trotzdem: die Motive für das Schweigen von Frau Werdenigg sind edel und konstruktiv – daran habe ich keine Zweifel – und sie nimmt dafür in Kauf, von der Kronenzeitung per Schlagzeile hinterhältig gefragt zu werden, ob sie lügt. Warum geht der Täter von damals nicht zur Kronenzeitung und gibt ihr ein Interview, wo er bekennt, daß er der Vergewaltiger der Frau Werdenigg ist und die Frau Wedenigg nicht lügt? Leicht ist es nicht, aber auch für ihn gilt, daß „euch nur die Wahrheit befreien kann“. Das sind alles keine richtigen Männer, sondern aufgeblasene Feiglinge (kompensiert durch waghalsiges Schifahren – die Wahrheit zu sagen wäre mutiger.)! Und wie ist es damit, die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen? Und wenn ihr euch fürchtet, daß der von Karawallmedien aufgehetzte Pöbel dann über euch herfallen und medial lynchen wird, dann kann ich nur sagen: durch eure falsche Vorbildfunktion habt ihr euch diesen Pöbel herangezüchtet. (Es könnte aber auch sein, daß euch die Journeille mit Mitleid über eure ungerechte Verfolgung verhätschelt.)

Dann: es gibt ja auch neuere Fälle. Laut Spiegel wurde ein junger Schüler einer Sportschule von einem Trainer handgreiflich sexuell belästigt und nachdem der Jugendliche zur Polizei gegangen ist, von seinen Mitschülern gemobbt, daß er einen Selbstmordversuch unternommen hat und jetzt in psychiatrischer Behandlung ist. Die Mobber waren natürlich froh, daß es nicht sie erwischt hat, oder wenn doch, daß jetzt der da dran ist und sie nicht über ihr „Versagen“ (wie sie es empfinden, denn ein Mann MUSS sich wehren und behaupten können) reden  müssen. Das ist ein „Menschenopfer in zivilisatorischer Verkleidung“ (W.Döbereiner), dem Opfer werden die Ängste, Zusammenbrüche, „Schwächen“, einfach alles als negativ Empfundene ALLER in der Schule aufgeladen. Er soll für alle sterben (Wäre der Selbstmord gelungen hätte es vielleicht sogar geheißen: „ich hat einen Kameraden, einen besseren findest du nit“, zitieret nach W. Döbereiner) (Ich wünsche dem Burschen alles Gute! Daß er die Hilfe, die er braucht, finden und bekommen kann und er seinen Weg finden. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten! – oder wenn Ihnen das lieber ist: die Kraft möge mit dir sein!) Der Täter muß nach dem Urteil  - wie ich den Medien entnehme - nicht ins Gefängnis. Dazu möchte ich zwei Anmerkungen machen.

Erstens: Über die Sinnhaftigkeit von Gefängnissen kann man diskutieren. Ich bin mir sicher, es gäbe sinnvollere und auch für die Täter heilsamere Methoden, als einsperren. Es ist nur aufwendiger und bei der Regierung jetzt besteht dafür keine Chance. Aber nachdem wir nun einmal (noch?) dieses Rechtssystem  haben, wo Täter eingesperrt werden können, verstehe ich es nicht, wirklich überhaupt nicht, wie – um einen Fall aus Deutschland aufzugreifen – eine Rentnerin, die nicht genug zum Überleben hat, zu einer Haftstrafe verurteilt wird, weil sie aus dem ABFALLCONTAINER eines Supermarktes Gemüse genommen hat, was als Diebstahl gewertet wurde, und einer mit tollem Gehalt, der einem jungen Burschen das Leben ruiniert, kann herumspazieren? Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!

Zweitens: Nach allen seriösen psychologischen, pädagogischen und sozialpsychologischen Erkenntnissen – ich verweise z.B. auf Jesper Juul und familylab.de – sind ÜBERGRIFFE UND MOBBING IN INSTITUTIONEN EIN FÜHRUNGSPROBLEM, Herr Schrecksnagel! (Schade, daß Sie das nie lesen werden!) Nur wenn die Führung schlecht und schwach ist, wird gemobbt  und übergegriffen.

Drittens: Schulen gehören strikt unter staatliche Aufsicht und dürfen nicht von Firmeninteressen unterwandert sein. So schlecht und fragwürdig die staatliche Aufsicht gerade im Bereich Internate und Sport auch ist, es geht nicht an, daß aus wirtschaftlichen und Vertuschungsinteressen gegen jede Kritik und auf Anschuldigung mit Rufschädigungs- und Schadensersatzklagen gedroht werden kann! Herr Schrecksnagel! Treten Sie zurück!  Sie sind unhaltbar in so einer sensiblen Position!



Das wollte ich ergänzen. Und ich hoffe, ich habe das Ganze nicht verwässert, sondern noch eins draufgesetzt!





Nachtrag 30.10.2018: Erheblich für den Freispruch des Massenmörders Murer waren natürlich die Interventionen der ÖVP, deren Mitglied Murer war, angeblich besonders von Theodor Piffl-Perčević.











©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1149 Schluß damit!


Mein Kreuz schmerzt, schmerzt, schmerzt. Ich will nicht mehr zum Arzt gehen. Ich habe zur Zeit genug von Untersuchungen. Schon viel zu viele Arzt- Kontroll- Diagnose- Sch- Termine. Überall muß ich meine Geschichte erzählen und mich preisgeben, dann werde ich zum nächsten Arzt, zur nächsten Psychologin verschoben, dort wieder alles von Anfang an. Die Kreuzschmerzen seit dem Stress mit dem Diagnosetermin. Sieht denn keiner, daß ich nicht Diagnosen, sondern Hilfe brauche? Vor zwanzig Jahren, als das mit dem Kreuz angefangen hat, hat mir ein Facharzt erklärt: „Wenn Sie Beamter wären, würde ich Sie auf Kur schicken“. Da ich aber kein Beamter bin, wurde ich nicht geschickt. Jetzt ist es zu spät. Jetzt ist die Bandscheibe kaputt. Schluß mit der Jammerei! Aber wenn mir wer sagt, ich hätte doch selber etcetera etcetera, verweise ich auf meine depressive Lähmung, die es sehr schwer macht, für sich selber einzutreten, für sich selber zu sorgen und seine Schmerzen wichtig genug zu nehmen. Wenn beim ersten Anlauf nicht reagiert wird, gibt man schnell auf. Schluß damit!








(19.10.2018)









©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Samstag, 20. Oktober 2018

1148 Zeitlupe


Jetzt war es wieder ganz deutlich: ich liege noch im Bett, höre die Tageskinder, habe die Augen offen, sehe den Polster vor meiner Nase, aber bin noch nicht wirklich wach. Dann schiebt sich der Schleier weg – diesmal vergleichsweise langsam, meistens geschieht es in einem „Blobb!“ - ich sehe den Polster schärfer und bin richtig wach und fähig aufzustehen. In der Regel erlebe ich diesen Augenblick als zerreißen des Schleiers, heute passierte es sozusagen in Zeitlupe. Wichtig ist, daß dieser Moment von innen kommt, nicht von außen.









(19.10.2018)










©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1147 Wunderschöne Musik



Peruanische „Popmusik“ aus den Sechziger- und Siebzigerjahren bei mir zu Hause lenkt mich vom nächtlichen Schreiben ab. Ich gebe das Schreiben auf und höre zu.







(18./19.10.2018)








©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1146 Legales Cannabis


Das Kreuz schmerzt mich seit Tagen und heute ganz besonders. Das ist schon recht ungemütlich. Das Wärmepflaster lindert den Schmerz nur wenig. Im inneren Monolog erkläre ich Frau M. die Energiewürmergeschichte – und phantasiere so meinen inneren Monolog zu einem äußeren Dialog. Auf diese Art habe ich das schon tausendemale gelehrt.

Ich werde von einem anderen Gast gebeten, auf sein Laptop aufzupassen, während er – ich vermute – aufs Klo geht. Ich bin doch zu etwas zu brauchen! Die Gefahr, daß ich den Auftrag vergesse, während ich schreibe und wegdrifte, ist dennoch gegeben.    Aber schon erledigt; der Mann kommt schon zurück.

Schreiberische Flaute. Ich blicke herum: zwei Anzugsmänner im intensiven Gespräch mit entschiedenen Gesten. Ein wenig neidisch bin ich.
Schon wieder eine vierzig minütige Flaute. Innerer Stillstand, der nicht wirklich unangenehm, aber ein wenig unbefriedigend ist.
Die Unruhe wird größer. Ich werde gehen.

Ich bin gegangen und habe mir legales Cannabis (Buddha Skunk; CBD ~ 5%, THC 0,3%) mit einigen Schwierigkeiten aus dem Automaten (fast alle Fächer waren leer) in der MaHü geholt.

Und tatsächlich: zu Hause nach einem Pfeiferl ist von den Kreuzschmerzen nur mehr ein Nachhall geblieben und ich konnte mich bewegen. Maria hilft. Nur im Schmerzzentrum im Kreuz war noch das Glutnest nicht völlig ausgeräuchert (Ich liebe falsche Vergleiche!). Zunächst hat es so ausgeschaut, daß ich als Einzelgänger zu Donnerstagsdemo gehen könnte. Aber später dann sich die Schmerzen wieder zurückgekommen – und ich kann nicht permanent Cannabis pofeln!







(18.10.2018)










©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1145 Der Diagnosetest


Ich sitze direkt vorm Luftballonherz, das sich noch immer in den Luftwirbeln der U-Bahnzüge dreht. Ich schaue auf die häßlichen Wände unten und auf die schönen Mosaike oben. Ich bin wieder einmal überpünktlich. Ich warte auf den Termin zu einem vierstündigen psychologischen Diagnosetest, ob ich für eine Traumatherapie – sozusagen – geeignet bin. Aufputschen tu ich mich über den MP3 mit „Mother's Milk“ (wie sinnig!) von den RHCP.

Was für eine Farce: vier Stunden (tatsächlich waren es dann fünfdreiviertel. Ich war komplett fertig! Nachtrag 19.10.) wollen sie brauchen um herauszufinden, was ich weiß: daß ich schwer traumatisiert bin. Das merke ich doch an jeder meiner alltäglichen Reaktionen. Zum Test hinzugehen ist eine Unterwerfung meinerseits an das System (und meine Unterwerfungen sind dann gründlich!), um die Therapie bezahlt zu bekommen. Selber bezahlen könnte ich sie nicht, auch weil ich nicht auf mich und meine Bedürfnisse schauen und mich – auch finanziell – nicht behaupten kann. Ein fauler Kompromiß, weil ich einsehen muß, daß ich es allein nicht schaffe. Mich gibt es eigentlich gar nicht. (Das hindert mich nicht, blöd herumzuschauen; im Gegenteil: ich glaube ja deswegen immer, frau sieht mich nicht.)

Das Luftballonherz dreht sich ganz leise, dreht sich gegen den Uhrzeigersinn ein, dann mit dem Uhrzeigersinn aus. (Meine Brillen sind schon sehr verschmiert.)

Es ist interessant, zwischen lauter eilenden Menschen etwas Zeit zu haben.

Das Dröhnen des U-Bahnzugs spüre ich als Vibration in meinem Körper. Ich versuche, die vorbeischwebenden Gesichter unauffällig zu lesen – aber ich verstehe gar nichts. Manchmal glaube ich, etwas zu erahnen, aber es geht zu schnell und mir zerbröselt meine Erkenntnis, bevor sie da ist. Manchmal ergibt sich daraus Augenkontakt, den ich immer, meistens beide, sofort abbrechen.

Ein Schrecken durchfährt mich: habe ich die Adresse meines Termins vergessen? Ja. Aber ich finde einen Zettel, wo sie draufsteht.

Immer habe ich solche Angst. Die halbe Nacht konnte ich wegen dem Termin nicht schlafen. Als würde ich zu einer Gerichtsverhandlung mit drohender Verurteilung müssen. (Müssen? Wieso „müssen“?) Liebe RedHots, bitte putscht mich ordentlich nach vorne!

Ich lasse einen U-Bahnzug nach dem anderen abfahren ohne einzusteigen. Ich brächte es aber nicht zustande, den Termin platzen zu lassen. In Gehorsam gefangen. Ich trage mein T-Shirt mit der Aufschrift „fluchtbereit“. Was für eine Angeberei! Ich würde erstarren und mich ohne Gegenwehr abführen lassen.









(17.10.2018)











©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1144 Sieben Sätze


Drei Sonnenblumen am gegenüberstehenden Tisch. „Ich will aufblühen, strahlend in der Welt sein, von innen heraus nach außen meine Arme ausbreiten und mich aufrecht ganz dem Leben hingeben.“ Das war Satz 1.

Satz 2 lautet: „Der Bruder muß den Erbanteil auszahlen.“ Nicht mir. Es geht nicht um mich, sondern um eine obdachlose Frau. Ja, das muß er.

Satz 3 lautet: „Friede den Hütten, … den Palästen!“ Ja, was soll man den Palästen an den Hals (in diesem Zusammenhang wirklich ein windschiefes Bild!) wünschen? Krieg? Ich weiß nicht. Ist da schon jemals etwas Gescheites herausgekommen? Aber was dann? Außerdem die Hütten: sind die zum Frieden fähig oder brennen sie sich gegenseitig ab? Irgendetwas muß sich da ändern.

Satz 4 lautet: „Gehen wir auf den großen Spielplatz?“ Das kleine Kind am Tisch gegenüber. Was mir auffällt: auf allen Spielplätzen haben sie die Holzspielgeräte entfernt und auch die kleinen Holzhäuschen, in die die Kinder so gerne hineingegangen sind. Was immer da dahintersteckt. Ich bin sicher, da steckt etwas dahinter.

Satz 5 lautet: „Verjazzt mir nicht den Mozart!“ Doch, verjazzt ihn! Ich höre gerade ein schönes, gelungenes Stück.

Satz 6 lautet: „Freie Fahrt für freie Bürger!“ Nein! Auf keinen Fall! Erstens sind diese „freien Bürger“ nicht frei, sonst bräuchten sie keine Autos als Schutzhülle, Fassade und Egovergrößerung. Und zweitens … ach, das ist doch alles bekannt.

Satz 7 lautet: „Schreibe keine faden Sätze!“ Ja, das stimmt. Gut!









(16./19.10.2018)










©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1143 Dann nicht!


Nur ein kleiner Ausblick, weil ich im Hinterzimmer sitze. Ein glücklicher Tag! Ich habe schon zwei Texte verarbeitet. Sehr gelungene. Das Tagessoll ist erfüllt. Alles, was jetzt noch kommt, ist Draufgabe. (Zugabe! Zugabe!)

Irgendetwas lenkt mich hier ab; der Raum ist optisch zu geschlossen, zu nieder. Ich werde jedoch damit arbeiten. Oder eben nicht.

Dann nicht.







(15.10.2018)









 ©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 15. Oktober 2018

1142 Oh! Was für ein herrlicher Traum!


Oh! Was für ein herrlicher Traum! Bei einer großen Kunstausstellung mit vielen großen, bekannten Künstlern und meinen Freunden von REM bin auch ich eingeladen, meine Werke zu präsentieren.

Aber wie so oft, wenn ich im Traum meine Arbeiten aufhängen will, stellt sich heraus, daß es für meine Sachen keinen Platz mehr gibt; alles ist schon vollgehängt; Sachen, die ich schon aufgehängt habe, wurden wieder heruntergenommen (wo sind die eigentlich?).

Aber egal! Denn: ich spiele mit meiner Band, wo ich der Sänger und Gitarrist bin, zur Eröffnung der Ausstellung!

Obwohl: wie so oft, ist die Ausstellungseröffnung auf einmal zu so einer Art Klassentreffen geschrumpft.

Aber egal: wir spielen und ich singe großartig und brilliere auf der E-Gitarre und unsere Musik ist eine tolle Mischung aus RedHotChiliPeppers und CHICHA LIBRE. Herrlich! Toll! Hinreißend!

Zwar gibt es auch die traumatische Tendenz, unser schönes, beglückendes Spielen irgendwie zu reduzieren – zum Beispiel den Versuch, daß die Tonanlage nicht recht funktioniert, irgendein Instrument fehlt – aber die Musik ist stärker!

Zwar bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob wirklich ich es bin, der singt und die E-Gitarre so wunderbar behandelt, aber ich kann die Musik hören!

Ich kann die wunderbare Musik hören!







(15.10.2018)








©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com



1141 Ende der Diskussion! Und Maul halten!


Ich habe vor kurzem in der Kleinen Zeitung Graz gelesen, daß ein rumänischer Bettler wegen gewerbsmäßigem Betrug verurteilt wurde, weil er beim Betteln ein körperliches Gebrechen vorgetäuscht hatte – nämlich eine Krücke verwendet hat, die er gar nicht braucht.

Alter Schwede! Wer zeigt so etwas an? Und das Urteil kann man nur als rassistisch beurteilen, wenn meine Vermutung stimmt, daß der Bettler der zur Zeit in Europa am meisten verfolgten Ethnie angehört. Und außerdem ist es ein antisoziales Urteil, weil es nur gegen Arme gerichtet ist. Wie zum Beispiel auch das gesetzliche Verbot von Obdachlosigkeit in Ungarn (Aha, denkt sich der Obdachlose, dann investiere ich halt in eine Eigentumswohnung!).

Zunächst möchte ich erklären, daß ich jemand bin, der Bettlern ab und zu etwas gibt. Da gibt es welche, die mir sympathisch sind, und welche die mir nicht sympathisch sind. Manchmal ist mir einer auch lästig (aber da kann ich „Neinsagen üben“). Wem ich wieviel gebe, ist jedoch ganz meine freie Wahl - im Gegensatz zu den Steuern etwa, da habe ich keinen Einfluß drauf, welche Gauner ich auf höchstem Niveau mitfüttere. Wenn ich auf einen „falschen“ Bettler hereinfalle, ist das meine Sache, und wenn ich will, kann ich daraus etwas lernen. Außerdem rechne ich damit, daß es zum „Geschäftsmodell Betteln“ gehört, sich als besonders bemitleidenswert zu präsentieren („Ist da jemand?“ - da leben dann möglicherweise auch einige Wichtigtuer davon).

Und die legalen Betrügereien? Die Waren so zu verpacken, daß sie nach mehr Inhalt ausschauen, als drinnen ist? Farbstoffe in Fleisch, Säfte und andere Lebensmittel, damit sie frischer ausschauen? Nachdatieren? spezielle Beleuchtungen? unseriöse Werbeversprechen und und und? Oder Geräte so zu bauen, daß sie geplant früher kaputt gehen als nötig? Oder die Autoindustriebetrüger, die mit Millionen Abfertigungen und Millionenpensionen ausscheiden? Oder der Steuerbetrug mit Briefkastenfirmen, wo jeder weiß, daß das keine richtigen Firmen sind, sondern vorgetäuscht? Wo ist da die Gerechtigkeit? Und da will ich mich über Bettler aufregen?

Ich möchte noch etwas sagen: meine Erfahrungen mit Bettlern/Bettlerinnen sind überwiegend positiv. Ich habe mich schon manchmal über den einen oder anderen geärgert, aber bei denen, wo ich sozusagen Stammkunde bin, haben sich schöne Zeremonien eingebürgert: wir verneigen uns bei der Begrüßung höflich voreinander, und/oder schlagen beide ein Kreuzzeichen, wünschen einander Gesundheit für uns und unsere Familien (sanitate!) und manchmal Gottes Segen. Aber auch bei gelegentlichem Kontakt, wenn ich irgendwo unterwegs bin, ist mir aufgefallen, daß ich vor allem von afrikanischen Bettlern oft ein „God bless you!“ höre (und ich kann's brauchen!). Eine solche Kommunikation ist mir tausendmal lieber als diese ganze Spießerraunzerei und Pöbelaggressivität.

Wer zeigt soetwas an? Wer den Bettlern ihren Beruf (eigentlich beten; wie Wissenschaftler für Wissen schaffen bezahlt werden) neidig ist, kann ja seinen Beruf aufgeben und sich zum Betteln auf die Straße stellen oder setzten. Das steht jedem frei! Niemand kann einen daran hindern! Also: dann mach das und wenn dann lieber doch nicht, dann Ende der Diskussion! und Maul halten!

Nein, dieses Urteil ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!










(13./14.10.2018)











 ©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Sonntag, 14. Oktober 2018

1140 Einzelgänger gegen Türkis-Blaun


Was Umzüge in der Öffentlichkeit betrifft habe ich Erfahrungen seit meiner Kindheit. An die St.Martin–Laternenumzüge kann ich mich nicht erinnern, haben aber sicher stattgefunden. Faschingsumzüge (Cowboy, Scheich, Reporter – außer Cowboy unter mütterlicher Regie); als Ministrant (oft mühsam das Kreuz getragen) und dann phasenweise bis herauf fast zur Gegenwart: Fronleichnamsprozessionen – auch da wird von oben Regie geführt (Volk antwortet dem Zelebranten, wie vorgeschrieben etc.); in meiner Grazer Studentenzeit: Demonstrationen, eine Hörsaalbesetzung, eine Protestkundgebung gegen den sogenannten „Steirischen Frühling“, das war damals eine faschistoide, deutschnationale, naziverseuchte Gegenveranstaltung gegen die „entartete“ Kunst des „Steirischen Herbstes“ (obwohl ich den Peter Rosegger heute auch mag – trotz aller Problematik), wo wir, als die Polizei uns vertreiben wollte – die Anregung kam von den meistens gut organisierten Kommunisten – die österreichische Bundeshymne gesungen haben, wodurch es für die Polizei etwas schwerer wurde, auf uns loszugehen. Und so weiter.

Dann habe ich mich politisch zurückgezogen, wußte auch nicht mehr, wo ich hingehöre. In Wien habe ich nur mehr bei einer illegalen Demo um 1980 herum teilgenommen und bin für ein paar Stunden verhaftet gewesen – und bin mir dabei sehr blöd vorgekommen, weil das schon eine ganz andere Generation war. Und zu einer Anti-Waldheim-Demonstration bin ich noch gegangen, aber mich hat dann doch das blauäugige antifaschistische Getue genervt – wer weiß schon, wie er sich in der Nazizeit verhalten hätte? Sicher, der Waldheim war eine verlogene, hohle Gestalt, aber trotzdem. Dann wollte ich nichts mehr damit zu tun haben, habe mich auch nicht mehr als „links“ gesehen und eher meine konservativen Seiten betont und gepflegt. (Das war komplizierter: ich müßte da noch meine döbranitische Gefangenschaft abhandeln, aber das ist mir jetzt zu viel. Außerdem habe ich hier in den Texten schon so viel darüber geschrieben.)

Inzwischen bin ich wieder einigermaßen nach links gewandert, denn diese Regierung geht mir sowohl mit ihren wirtschaftsliberalen, als auch mit ihren autoritären, faschistoiden Zügen ganz gegen den Strich und so tauchte bei mir der Gedanke auf, doch wieder einmal zur Donnerstagsdemo zu gehen.
Aber ich gehöre doch nirgends dazu, war dann mein Vorbehalt, und überhaupt: in Menschenmassen fühle ich mich meistens nicht wohl, das kollektive Schreien von Parolen ist mir eher peinlich und zuwider, das Ganze oft zu ernst und zu verbissen – so unterstellte ich. Wo gehöre ich wirklich dazu? Zur sozialistischen Jugend nicht, zu den Omas gegen rechts nicht … Außerdem: „gegen rechts“ trifft es aus meiner Sicht auch nicht genau, denn es gibt auch Konservative, die gegen eine wirtschaftsliberale Politik sind (katholische Soziallehre!) und/oder gegen die faschistoiden Versuche, den Rechtsstaat auszuhebeln, die Medienfreiheit – so fragwürdig die in Österreich auch immer schon gehandhabt wurde – einzuschränken und das Pöbelhafte salonfähig zu machen. Also: „XY gegen rechts“ geht für mich als Slogan für meine Spruchtafel nicht.
Dann ist mir vor ein paar Tagen eine Lösung eingefallen, mit der ich mitgehen könnte und die mir Spaß macht: „Einzelgänger gegen Türkis-Blaun“. Das paßt!

Blieb noch die Überlegung, ob ich mir in meinem labilen Zustand nach der Panikattacke so eine Massenveranstaltung zumuten kann. Dann habe ich mich fürs Demonstrieren entschieden, weil ich mir sicher bin, daß die politische Entwicklung nach extrem rechts ein Mitauslöser meines Zusammenbruchs war. Ich habe ja zur Zeit des letzten Bundespräsidentenwahlkampfes in einem Zug zum Beispiel schon eine Gruppe solcher Nazi-Figuren laut und mit falschen und verlogenen Anschuldigungen der Schaffnerin gegenüber gegen polnische Mariazell-Pilger vorgehen sehen, und auch mit Haxlstellen und Beschimpfungen als Kanaken usw., wo ich dann vor Angst erstarrt nicht reagieren konnte. Denn jetzt werden genau dieselben Typen hinaufgespült, werden laut und wollen wieder zuschlagen, die mich in meiner Kindheit gequält haben. Die mir – ein paar Jahre älter - zum Beispiel als „Freunde“ auf einen Baum hinaufgeholfen haben, auf den ich als Kindergartenkind allein weder hinauf noch herunter gekommen wäre, dann hinuntergestiegen sind, unten ein Feuer gemacht haben, brennende Zweige zum mir auf die Plattform heraufgeworfen und gedroht haben, den Baum anzuzünden. Ich habe Todesängste ausgestanden. Natürlich wollten sie das nicht wirklich machen – weiß ich jetzt; aber wenn sie von oben und ihresgleichen die Erlaubnis haben? Ich denke an „Flammenwerfer statt Wasserspritze“ - ich bin sicher, daß solche Typen bei entsprechender Rückendeckung dazu in der Lage sind zu morden. Das ist schon ernst gemeint. Genauso, wie die Vergewaltigungsandrohungen gegen Frauen - zum Beispiel gegen Frau Maurer (der Schreiber gehörte ausgeforscht und verhaftet und wegen gefährlicher Drohung eingesperrt!) ernst gemeint sind – die würden das tun, wenn es ihnen der Staat oder ihr Umfeld erlaubt. Was glaubt ihr, welche das sind, die in Kriegen vergewaltigen? Genau diese Typen! Ist ja auch in Europa nicht so lange her, oder? Diese Typen brauchen nur die Erlaubnis von oben, oder die Gleichgültigkeit der Gesellschaft oder einen rechtsfreien Raum, dann mache die das.

Ja, da ist meine Wut, meine Angst und mein Zorn und deswegen war es dann ganz klar, daß ich zur Demo gehen werde, gegen alle meine Bedenken, denn ich habe ganz persönliche Gründe. Demonstrieren ist ja nichts Besonderes - ich will nur meine Angst und meinen Zorn zeigen, und meinen Willen, mich diesmal zu wehren - aber ich mußte schon meine Angst vor Massenveranstaltungen und andere Ängste überwinden.

Irgendwie hat mein Zeitplan nicht ganz funktioniert und so habe ich erst in letzter Sekunde mein Schild gebastelt, die Schrift mit Tusche zunächst, weil ich in der Eile keinen dicken Filzstift gefunden habe. Dann sehe ich: der Text steht am Schild ganz linkslastig (!) und rechts ist noch viel Raum frei. Also, denke ich mir, ich zeichne schnell noch so ein gehendes Strichmandl in die freie Fläche. Dabei fällt die Tusche-hältige Röhre, die in der Verschlußkappe verankert ist, heraus und es gibt verschüttete Tusche, Flecken und so weiter. Ich versuche, das irgendwie zu retten, indem ich die Tusche auftupfe, kreativ verschmiere – alles in Eile – dann finde ich doch einen dicken, blauen Filzstift, mit dem ich die Schrift retten kann, während der Maxl eine ziemlich abstruse Figur abgibt. Egal, ich muß los, das Plakat noch schnell auf eine Holzleiste getackert, MP3-Ohrenstöpsel rein und Start.

Nun, wo wäret ihr zur Donnerstagsdemo hingegangen? Im Internet habe ich in aller Eile nichts gefunden, nicht einmal, ob sie wirklich stattfindet. So ging ich zum Bundeskanzleramt, denn die erste vor einer Woche hat dort stattgefunden und die vielen bei schwarz-blau 1 auch (bei rot-blau hat es keine gegeben. Warum eigentlich?) Hm. Nichts zu sehen. Ein paar Leute, die aber auch Touristen sein könnten. Aha, denke ich mir, dann gehe ich wirklich, wie es das Schild behauptet, als Einzelgänger herum. Ein wenig mulmig wäre mir da schon, denn ich fürchte mich auch vor einer aggressiven Polizei. Ich gehe noch zum Parlamentsausweichsquartier vor, um zu schauen, ob da etwas  Demonstratives zu sehen ist. Nein, nichts. Ich gehe wieder Richtung Ballhausplatz um mit meiner Einzeldemonstration zu beginnen, als mich drei junge Frauen ansprechen, ob ich zur Demo wolle, denn sie haben erfahren, daß die woanders stattfindet. Wie sie herausfinden: vor der ÖVP-Zentrale,  wir wissen nicht, wo die ist, aber auch das finden sie heraus und so machen wir uns auf den Weg Richtung Rathaus. Endlich finden wir die Demo.

Es sind viele Leute dort, Reden, Musik vom Lautsprecherwagen. Mit den Ohrenstöpseln meine Einzelgängerei so zu betonen, kommt mir jetzt doch übertrieben vor und ich drehe meine Musik ab. Verstehen kann ich vom Lautsprecherwagen trotzdem nichts, aber ich stehe brav da und halte mein Schild hoch. Nachdem der erste Windstoß meine schlampige Fixierung an der unteren Kante des Schildes gleich losgerissen hat, muß ich das Schild ständig mit einem Finger an der Holzleiste festhalten. Bald ist meine Hand verkrampft. Und ich mußte wirklich erst eine Zeitlang Unsicherheit und Unwohlsein in der Menge aushalten, bevor ich mich psychisch etwas entspannen konnte. Daß einige Leute über mein Schild lachen, hilft mir dabei. Das kollektive Schreien (Vorbeter – das Volk antwortet) ist mir immer noch peinlich. Ich erfahre auch, daß der Demonstrationszug bis zum Urban-Loritz-Platz gehen wird. Gut.

Allmählich setzt sich der Zug in Bewegung und stockt doch immer wieder auf seiner Strecke. Leute schauen aus den Fenstern (wie bei Fronleichnamsumzügen). Im siebenten Bezirk (wo sonst!) winke ich einer Bekannten, die auch aus dem Fenster schaut, aber sie sieht oder erkennt mich nicht. Mein Schild wird oft photographiert, was mich sehr freut.

Als wir dann am Ziel angekommen sind, habe ich vom Herumstehen schon ziemlich starke Kreuzschmerzen. Tapfer stehe ich trotzdem da und halte mit verkrampften Händen mein Schild hoch.

Es gibt wieder Reden, Musik von der kleinen Bühne, die ich hier gut verstehen kann. Obwohl aus meiner Sicht recht gute Reden gehalten werden, verlasse ich den Ort um halbzehn vor dem Ende der Veranstaltung, denn meine Schmerzen – vor allem im Kreuz - sind schon zu groß und ich bin völlig erschöpft. Da fällt mir erst auf, daß ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen habe. Mühsam setze ich mich in Bewegung und gehe zunächst ein Stück zu Fuß nach Hause, um die Verkrampfungen zu lockern.










(12.10.2018)












©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1139 Music Is My Aeroplane


Gibt es heute eine Donnerstagsdemonstration oder nicht? Wer kann mir das sagen? (Omas gegen rechts. Nachtrag 13.10.) Niemand. Ich weiß schon, was ich mache. Ich erzähle es morgen.

Schöne afrikanische Popmusik – wie ich schon einmal geschrieben habe: wo sich Lebensfreude und Schmerz ausdrücken dürfen.

Der eine da drüben bedient die Tastatur seines Laptops mit so sanften, schönen, fließenden und tanzenden Fingerbewegungen und lächelt dabei so glücklich in den Bildschirm, daß man nur von Liebe sprechen kann. Das ist nicht spöttisch! Er freut sich über irgendetwas – sei es über das Leben selbst – und drückt es aus und      und telefoniert dabei, wie ich gerade erkenne.

Der andere schaut ernster – wenn auch nicht ganz ernst drein – und seine sporadischen Fingerübungen auf seiner Tastatur kommen mir auch regelrecht zärtlich vor, begleitet von einem gewissen sinnierenden Zug im Gesicht und beim Innehalten der Fingerbewegungen.

Der etwas ältere Herr – schon noch jünger als ich – muß sich am Tablet etwas mehr anstrengen und suchen, wo er hintippen muß – das erinnert mich an meinen eigenen Umgang mit diesen Geräten.

Die Dame neben mir – da fällt mir jetzt nichts Besonderes auf. Ich kann auch nicht so unauffällig und unbefangen hinschauen. Sie denkt auch viel nach, kommt mir vor.

Mit der Musik sind wir nun in Lateinamerika gelandet (Music is my aeroplane, RHCP); es gilt auch: Freude und Trauer. Wie das Leben halt so spielt. Tränen steigen in meine Augen und stauen sich nicht nur dahinter.

Ortswechsel. Bald hebt es mich aus -Cappuccino Nummer drei. Jetzt fühle ich mich schon verpflichtet, meine beiden Lieblingscafes täglich zu besuchen (mein infantiler Hang zur Treue, wenn ich gut aufgenommen worden bin), jedoch ist mir das vom Herumziehen und vom Kaffeekonsum her eine willkommene „Pflicht“. Nur – wie bringe ich das alles im Tagesablauf unter?

Was ich auch schon lange einmal loswerden wollte: seit Jahrzehnten bin ich ein konsequenter und überzeugter Sitzbrunzer – wie die anderen das handhaben (wörtlich !), war mir aber fast immer egal. In letzter Zeit laß ich mich jedoch manchmal zum Stehbrunzen hinreißen – was immer das heißt, was immer dahinter steckt.   Gut, das wäre auch gesagt!

Ich warte auf meine Frau und es wird langsam Zeit, daß sie auftaucht und mich von meinem Schreib- und Bekenntniszwang für heute erlöst.

Jetzt ist es mir gelungen, selbst mit dem Schreiben aufzuhören, Brille und Griffel wegzulegen und das forcierte Nichtstun zu genießen. Herumzuschauen ohne Absicht, irgendeine Schreibidee zu finden. Bravo! Die Gedanken, Bilder, Assoziationen dürfen herumfahren, wie sie wollen – ich fühle mich nicht verpflichtet, sie aufzuschreiben.








(11.10.2018)










©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 10. Oktober 2018

1138 Der Demonstrant von der traurigen Gestalt


Horche und schaue ich in mich hinein: am ehesten Ratlosigkeit.

Ich habe gerade von einer Autorin gelesen, die für ihren Roman bis zu sechzehn Stunden am Tag gearbeitet hat. Das geht bei mir nicht. Ich bin zu weit davon entfernt: viel zu wenig Selbstvertrauen, viel zu wenig Mut, viel zu wenig Kraft, viel zu wenig Durchsetzungsvermögen.

Macht nix! Ich spucke halt meine Textlein aus und werfe sie über meine Schublade hinaus in die Welt. Vielleicht lächle ich dabei, vielleicht weine ich, vielleicht spielt sich gar nichts ab.

Mein Gott! Mein Scheitern schaut mich von allen Seiten an. Ich muß so tapfer sein, das auszuhalten. Es gibt nichts, was für mich spricht. Ich schaue mich um und sehe nur Ankläger. Schluß damit!

Aber eine andere Möglichkeit, als es irgendwie auszuhalten – sie muß nicht elegant sein – sehe ich nicht. Wobei ein wenig elegant schon schön wäre – wenn ich Wünsche äußern darf.

Wie wäre es mit demonstrieren gehen? Ablenkung und Aktionismus?  Der Demonstrant von der traurigen Gestalt? (mit den Windmühlen kämpfen oder gegen die Windmühlen kämpfen?)

Immer, wenn wichtige, menschenfreundliche Reformbewegungen, wie zum Beispiel für einen würdigen Umgang mit Kindern in Schulen, Familien, in der Gesellschaft überhaupt, stark genug werden, um die kritische Masse zu sein, die eine wirkliche Veränderung herbeiführen kann, dann kriecht der Pöbel aller Gesellschaftsschichten von oben bis unten aus seinen Löchern und will alle hoffnungsvollen Ansätze zerstören. Die Leute, die zu feig, zu träge, zu dumm sind, in ihr Inneres zu schauen und sich über ihr Leben, ihr Handeln, ihre Motive und ihre inneren Mechanismen Rechenschaft zu geben, wollen dann alles vernichten – legal und illegal – was ihre verbiesterten Selbstverständlichkeiten in Frage stellt oder auch bloß nicht teilt.


Jeder Mensch kommt als leuchtendes Wesen zur Welt.
Jeder Mensch will im tiefsten Inneren an der Welt und der Gemeinschaft teilhaben und sich arbeitend einbringen - unter Wahrung seiner Integrität.
Kooperation ist ursprünglicher als Konkurrenz.
Jeder Mensch ist im Kern ein liebendes Wesen.
Ein Aufwachsen, ohne daß einem das Rückgrat gebrochen wird, ist möglich.








(10.10.2018)












©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1137 Ich reiße mich los


Ich reiße mich los, um mich zu rasieren und unter die Dusche zu schmeißen. Das kommt doch erst später! Das ist der Schlußsatz. Noch hockst du im Bett über deinem Notizbuch. Wie wickle ich die vom Ende her begonnene Geschichte jetzt ab?

Ganz still ist es nun. Nur meine Sirenen singen etwas schrill. Ich drehe das Handy auf, denn schließlich hat der Tag schon begonnen. Ein verhärtetes Stück Haut vom Nagelbett meines rechten Ringfingers kratzt beim Schreiben mit unangenehmen Ton am Papier.

Mir fällt mit leichtem Erschrecken ein, daß ich diesen Sommer nur ein einziges Mal schwimmen war. Und bis jetzt noch nie wandern. Heute wäre der genau richtige Herbsttag dafür, aber ich werde es nicht machen. Warum nicht, weiß ich selber nicht. Tageswanderungen waren früher mein liebstes Entspannungsmanöver. Wenn ich's nicht mehr ausgehalten habe, bin ich losgegangen. Seit meiner Panikattacke ist das genauso abgestorben wie meine Tensegritypraxis. Was ist da passiert? Mein Kopf wird ganz schwer und müde, mein Herz traurig. Verstehen kann ich das nicht. Diese Trauer wird schwerer und will mich wieder in den Schlaf drücken; etwas Angst gesellt sich dazu und versetzt mich in leichten Alarm, der mich wieder aufweckt. Das verstehe ich jetzt überhaupt nicht.

Ich nehme mir für morgen eine solche Wanderung nach Heiligenkreuz vor. Ich werde völlig aufgeregt – hej! Verdammt! Was ist da los? Schnappe ich jetzt über? Diese Wanderung habe ich doch schon hunderte Male gemacht; zu allen Jahreszeiten; besonders gerne im Herbst. Warum diese Aufregung und Abwehr? Ist es des Zieles wegen? Heiligenkreuz? Weil du endgültig mit der Kirche gebrochen hast? Oder weil das Stift, als es noch ein Knabeninternat hatte, eine Stätte des Kindesmißbrauchs war, wie zum Beispiel Adolf Frohner, der als Kind dort im Internat war, berichtet hat?

Du bist doch früher auch in der Lobau herumgerannt wie ein Irrer, hast alles Ecken und Enden erkundet – das wäre doch auch eine Möglichkeit. Das zieht dich auch nicht an? Was ist los? Warum geht das nicht mehr? Ich versuche, mir die Glücksmomente und Landschaftsbilder bei den vielen, vielen kleinen Wanderungen im Umland von Wien vor mein inneres sehendes und fühlendes Auge zu rufen, sehe das auch vor mir, aber es zieht mich nicht so richtig an. Etwas sperrt sich dagegen.

Mir fällt auch ein, daß ich seit der Panikattacke keine Selbstmordphantasien mehr habe. Das soll mir nur recht sein, aber wie paßt das zusammen? Ich verstehe immer weniger.
Wurde ich durch die Attacke so in mich gejagt, daß ich mich nicht mehr hinaus traue? Angst vor der Welt? Lebensangst? Alles nicht neu, aber verschärft? So richtig verstehe ich es trotzdem nicht.

Tiefer Seufzer. Na gut, ich will darauf vertrauen, daß das ein Heilungsprozeß ist. Ich habe es bisher immer als heilend empfunden, durch Wälder und über Wiesen und Felder zu wandern. Mit der Wanderung morgen wird es nichts.

Ich reiße mich jetzt los, um mich zu rasieren und unter die Dusche zu schmeißen.








(10.10.2018)










©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 9. Oktober 2018

1136 Der unkonzentrierte Blick


Wie meine Leserinnen (inklusiver Plural) schon wissen, liebe ich den unkonzentrierten Blick, wo zumindest tendenziell die Hierarchie der gesehen Dinge – die gottgewollte Ordnung der Wahrnehmung, wenn ihr so wollt – verflacht und die einzelnen Wahrnehmungsobjekte sich stärker nebeneinander platzieren. Das heißt natürlich nicht, daß nicht jederzeit ein Ding ins Cafe eintreten kann, daß sofort meine ganze Aufmerksamkeit bekommt und emotional aufgeladen wird – ich bin ja ein schlechter Asket – aber trotzdem ist das wenn schon nicht eine meiner leichtesten, so doch eine meiner interessantesten Übungen. Die Dinge bekommen etwas Schwebendes. Ich habe da immer ein Bild vor mir, wie mein Bewußtsein durchs Universum fliegt. So eine Art „Major Tom“ (Peter Schilling) „völlig lösgelöst von der Erde“. Der Raum des Cafes wird zum Weltraum, zum All. Tendenziell natürlich nur. Das Schöne an dieser Welt ist, daß es dort keine Verurteilungen, überhaupt keine wertende Urteile gibt. Was nicht heißt, daß man diesen Flug nicht als schön zum Beispiel empfinden kann. Die ganze Palette von traurig bis glücklich ist möglich, jedoch ohne daß jemand sagt: „so was deppertes!“ oder „das ist (moralisch) falsch/feig/verboten!“ etcetera. Die Frage, ob man zu etwas „zu gebrauchen“ ist taucht erst gar nicht auf. Man schwebt durch unendliche Weiten und staunt und schaut. Das gefällt mir! (Klick)
Was nicht heißt, daß man auf einer solchen Reise nicht in den Orbis starker Kräfte gelangen kann, die einen abbremsen und gefährlich werden können. Oder beschleunigen.

Zurück ins Cafe: das hier ist eine ganz leichte Variante; das Allermeiste meiner Masse bleibt in der Alltagswelt. Trotzdem wird etwas vom vielen Nichts zwischen den Teilchen spürbar, und die Fassade aus Beschreibung ein wenig fragiler. Man könnte auch sagen: alles fliegt – zumindest durchs Universum.








(9.10.2018)











©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1135 Geduld und Ausdauer


Der Handywecker düdelt, weil ich mir vorgenommen hatte, heute früher aufzustehen. Einfach so, ohne Termin. Ich will schon alarmiert aufspringen, da denke ich mir: ich habe ja keinen Termin … ich habe auch keine rechte Aufgabe da draußen … ich habe wirklich die Freiheit zu entscheiden. Und der gerade anlaufende Stress fällt sofort von mir ab.

Ich liebe es, lange zu schlafen. Ich liebe es zu träumen; ich finde Träumen sehr spannend und interessant, auch wenn mich Albträume heimsuchen. Wobei ich in letzter Zeit vor allem schöne Träume hatte. Ich liebe dieses lange Aufwachen mit seinem Wechsel von seichten Wach- und Schlafzuständen.

Jetzt hocke ich im Bett im noch verdunkelten Zimmer und schreibe, die Katze neben mir, die schnurrt, wenn ich sie ab und zu streichle. Ich genieße die hereingetretene Stille. Dösen. Einfach herrlich.

Ein kleiner Bub ist schon lange im Krankenhaus. Die Eltern tun alles, damit er drinnen bleibt. Ich frage sie, ob das wirklich ihr Wille ist, ob sie ihn nicht nach Hause nehmen wollen, vom Krankenhaus aus wäre das kein Problem. „Nein!“, sagen sie, „er soll im Krankenhaus bleiben. Er weiß nämlich schon, wie er seine Eltern nennen soll: Schnutzi und Wutzi.“

Siehst du, diese Halbschlafphasen sind äußerst produktiv und kreativ und bringen anspruchsvolle Ergebnisse! Für diese Amkürzestengeschichte vom Buben habe ich gut zwei Stunden über dem offenen Notizbuch gebeugt geschlafen und gedöst. Geduld und Ausdauer sind die wichtigsten Tugenden für Jäger und Fischer.









(9.10.2018)











©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 8. Oktober 2018

1134 Reflexionen


Das ist alles der Natur, dem Universum oder – meinetwegen – dem sogenannten Lieben Gott völlig wurscht. Die liefern einem die Konsequenzen und fertig.
Ansonsten geht es mir gut. Interessant: heute sitzen hier herinnen nur Männer. Sind alle Frauen beim Unterschreiben?
Übrigens: so sicher bin ich mir gar nicht, daß die immer Konsequenzen liefern; vielleicht läuft es ganz anders? Oder das System ist viel komplexer, als wir es überschauen. Das sicher. Oder es gibt gar kein System.
Mir wäre es trotzdem lieber, mein Leben hat mit meinen Entscheidungen zu tun – egal, ob ich sie in Freiheit oder als Sklave getroffen habe. Diese Entscheidung liegt sicher bei mir: das muß ich glauben. Genug der Reflexionen.

Die Lichtreflexe auf den Gläsern, Spiegeln, Fensterscheiben, Metallblenden, auf den verglasten Bildern, selbst ein wenig auf dem Holz faszinieren mich noch immer.

Jetzt wende ich meine Aufmerksamkeit auf die Schatten und schon rieselt mir ein Schauder über den Rücken. Zum Beispiel die Zuckerdose: das Glas und der Metallverschluß glänzen und dieser Glanz löst die Gestalt der Zuckerdose ein wenig auf. Ihr Schatten wirkt beinah präsenter, obwohl auch er leicht und brüchig ist, weil das Glas im Bereich, der nicht mit Zucker gefüllt ist, das Licht durchläßt und der Rand des Schattens verschwommen ist.

Jetzt, ganz plötzlich, kommt die Trauer: ich sitze hier und bin alt und habe mein Leben nicht gelebt. Und es ist schön, hier zu sitzen. Nun fallen mir die zentimetergroßen kreisrunden Löcher im Holz der Rückenlehnen der Sessel auf und sehe sie als Kreise und wenn ich den Blick unzentriert halte als Kugeln im Raum schweben.
Das sind meine Spiele, das sind meine Vergnügen, wozu auch das Aneinanderreihen von Wörtern gehört, mit dem Anspruch, ab und zu eine gute, wahre, schöne (bonum et verum er pulchrum convertuntur) Formulierung zu finden. Garniert mit ein bißerl Angeberei – man ist ja trotzdem ein Wesen, das in der Dualität leben muß – auch wenn ich mich weitgehend heraushalte.

Vielschreiberei: vielleicht ist das auch eine Sünde – aber ich verweise auf den ersten Satz.

Das ist eine wichtige Erkenntnis, daß es niemanden gibt, der einen verurteilt, außer  - wenn man so stur und anklammernd ist – man selbst.

„Trzesniewski – die unaussprechlich guten Brötchen“: dieser Werbespruch gefällt mir und ich muß immer lächeln, wenn er mir unterkommt (das ist keine Werbung! Am Heimweg ist mir jemand mit einem Paket Trzesniewski-Brötchen unterm Arm über den Weg gelaufen).

Meine Methode schon als Maler und Zeichner, aber auch als Schreiber ist die integrierende Kollage, wenn es geht unterlegt mit kontra-induzierter paradoxer Intervention.









(8.10.2018)













©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 7. Oktober 2018

1133 Birgit Minichmayr oder meine Bühnenkarriere


Wenn ich an die Anfänge meiner Bühnenkarriere (hüstel, hüstel) denke, tauchen im Dunkeln meines immer schlechter werdenden Gedächtnisses Erinnerungen an Krippenspiele – der Beginn vieler Karrieren der darstellenden Kunst – auf, zum Beispiel im alten Irdninger Pfarrsaal – immerhin ist der Pfarrhof ein Renaissancebauwerk und da bekommt man als sensibler Mensch schon eine gewisse Ästhetik mit – Näheres entzieht sich jedoch meines Zugriffs.

Etwas besser erinnere ich mich an ein Theaterstück über die vier Jahreszeiten in der Volksschule – dritte oder eher vierte Klasse. Eine Lehrerin hat das mit uns einstudiert und wir sind in den frühen Sechzigerjahren des zwanzigsten Jahrhundert (pädagogisch und so). Ich war der Herbst, von dem ich wirklich glaube, daß er meine Jahreszeit ist. Der Seeberger Rudi spielte den Winter, die Wutte Fritzi den hüpfenden Frühling, der Tauscher Toni den Sommer.
Irgendwann war unsere Regisseurin mit meiner Leistung nicht zufrieden – zu schüchtern, zu leise, zu verhalten – und legte für mich noch eine Extraprobe ein. An dem Nachmittag also gehe ich zur Probe, und weil ich mich wegen dieser Extraprobe geschämt habe, habe ich das „Extra“ vor meinen Eltern verheimlicht.
Wie das dann genau abgelaufen ist, weiß ich nicht mehr, jedenfalls trifft mein Vater an diesem Tag den Tauscher Toni – mein Vater kannte die Familie sehr gut, weil er früher dort in Untermiete gewohnt hatte – und fragt ihn, ob er denn jetzt keine Probe habe. So, damit war ich aufgeflogen. Zu Hause wurde ich dann gefragt, warum ich nicht gesagt habe, daß das sozusagen eine Strafprobe wegen schlechter Leistung war und meine Mutter ist dann auch gleich darauf aufgesprungen, was ich beim Theaterspielen nicht gekonnt und warum ich wieder versagt habe. Dazu muß ich festhalten, daß ich für meine Eltern überall Spitzenleistungen hätte erbringen sollen: beim Fußball, Mathematik, Pflanzenkunde, Theaterspielen, Schule überhaupt, Schifahren, Sport überhaupt, Flöten und Geigenspielen, gesellschaftliche Gewandtheit und und und … sie wollten halt so gerne mit mir angeben (aber übertreffen hätte ich sie nicht dürfen).
Gut: an die Aufführung – wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich läßt: im Hof der neuen Volksschule – kann ich mich nicht mehr erinnern. Irgendwie werden wir die Sache schon hinbekommen haben.

Nach der Matura zog ich nach Graz, um Theologie zu studieren und da lernte ich den Alois Neuhold (Neuvalis) kennen, einige Semester über mir, der mich mit seiner christlich-närrischen Unbekümmertheit und seinem Gottvertrauen – es wird erzählt, er soll mit seinem alten NSU-Prinz, bei dem ab einer gewissen Geschwindigkeit der vordere Deckel aufgesprungen ist und die Sicht verstellt hat, trotzdem mit Gottvertrauen weitergefahren sein und es ist auch nie etwas passiert – sehr beeindruckt, und der mir die bildende Kunst (vor allem Klee) und die klassische Musik erschlossen und mich zu seiner Jugendgruppe nach Hönigtal mitgenommen hat. Da gab es dann das Theaterprojekt, das in katholischen Kreisen beliebte Apostelspiel von Max Mell aufzuführen. Darin geht es um ein armes, naives, ganz frommes Mädchen (Magdalen), das mit ihrem Großvater in der Einschicht lebt. Eines Tages klopfen zwei verwilderte Soldaten an die Tür und bitten darum, hier übernachten zu dürfen. Der Großvater erlaubt es, aber die zwei führen nichts Gutes im Schilde. Für das Mädchen jedoch sind die zwei die Apostel Petrus und Johannes und sie spricht sie auch als solche an und mit ihrer unschuldigen Gläubigkeit rührt sie die beiden so ans Herz, daß sie von ihrem Vorhaben abkommen und ihr verkommenes Leben zu überdenken beginnen.
Ich war als der Johannes vorgesehen und unser Regisseur war der Schauspieler Fladerer vom Stadttheater Graz, der die bösen Gesellen in einen bolschewistischen Kontext stellte und vor allem den Johannes (in der Bibel als einer der zum Fanatismus neigenden Donnersöhne bezeichnet) als „idealistischen“ - also vorstellungsfanatischen - vom Leben abgehobenen und deshalb lebensverachtenden Eiferer zeichnete – im Gegensatz zum etwas bodenständigeren Petrus.
Das ganze Projekt hat sich hingezogen, der Petrus ist abgesprungen. Der Regisseur wollte auch nicht mehr weitermachen und so ist die Sache für eine zeitlang eingeschlafen. Sie wurde dann aber wieder aufgenommen, ein junger Student übernahm die Regie, ein Petrusdarsteller wurde gefunden und die Proben wieder aufgenommen.
Mein Problem dabei war, daß ich inzwischen selber zu einem „idealistischen“, kopflastigen und lebensverachtenden „Revolutionär“ heran – gereift kann man nicht sagen. Ich hatte meinen katholischen Glauben verloren, sah mich als radikalen Linken (alles nur in der Vorstellung, im Kopf) und war gerade dem Verband sozialistischer Studenten beigetreten. Andererseits wollte und konnte ich den Alois und seine Jugendgruppe nicht im Stich lassen. So radelte ich zu den Proben nach Hönigtal, später dann fanden sie in Graz statt. Ich verheimlichte es ängstlich vor meinen neuen Genossen, daß ich an so einem "reaktionären, klerikalfaschistischen" Stück mitmache und fürchtete, daß das auffliegt.
Das Stück wurde zweimal aufgeführt, wenn ich mich richtig erinnere in Eggersdorf, und der im Publikum sitzende Fladerer soll gesagt haben, daß ich am routiniertesten gespielt habe (obwohl ich einen ordentlichen Hänger hatte).

Jetzt überspringen wir einige theaterlose Jahrzehnte und landen im einundzwanzigsten Jahrhundert, so cirka vor acht, neun Jahren. Ich war inzwischen verheiratet und hatte zwei Kinder, aber nur einen schlechten und immer schlechter bezahlten Job als sogenannter „neuer Selbständiger“ in der Meinungsforschung, das heißt: keine Pensionsversicherung, keinen bezahlten Krankenstand, keinen bezahlten Urlaub, von 13. und 14. Monatsgehalt ganz zu schweigen, unsicheres Einkommen, unsichere Auftragslage – wenn keine Aufträge da waren, gab es keine Arbeit und keinen Verdienst, Bezahlung nur pro fertiges Interview – es konnte ohne weiteres vorkommen, daß man ein oder zwei Stunden unbezahlt die falschen Telefonnummern aussortiert hat. In meiner Verzweiflung versuchte ich jeden Strohhalm zu ergreifen, und so bewarb ich mich auch als Statist beim Burgtheater. Ich wurde photographiert, ein paar Daten wurden aufgenommen, ich kam in eine Datei und hörte mindestens ein Jahr nichts.
Irgendwann kam ein Anruf vom Burgtheater. Ich war verwirrt, denn ich hatte diese Bewerbung schon längst vergessen. Als ich endlich im Bilde war, worum es ging, reagierte ich eher ablehnend, denn ich hatte gerade einen besseren Job als vorher, auch in der Meinungsforschung, bekommen, mit Bezahlung nach Stunden und fix angestellt. Damit war ich zeitlich aber nicht mehr so flexibel.
Da sagte der Anrufer, daß es um Lulu mit Birgit Minichmayr geht und ich in der Szene als Statist allein mit der Minichmayr auf der Bühne wäre, was ja nicht jeder von sich sagen könne. Ja das stimmmt!, dachte ich. Und – wow! - die Minichmayr! Nicht nur, daß sie eine große Schauspielerin ist, sondern auch eine schöne Frau - finde ich. Also erklärte ich mich bereit, zum Casting zu gehen.
Beim Casting stellte sich heraus, daß man einen Diener darstellen sollte, der ein Tablett mit irgendwelchen Getränken trägt und der Lulu serviert. Und daß der Diener nicht alleine mit der Minichmayr auf der Bühne ist.
Leider hatte ich zu dieser Zeit schon große Probleme mit meinem Kreuz und gerade in diesen Tagen eine solche akute Schmerzphase, daß ich kaum gehen konnte. Trotzdem fuhr ich zur Probe, wo man den Gang mit dem Tablett zeigen sollte und ich konnte nur unter großen Schmerzen meinen Probelauf machen, verschärft dadurch, daß in einer solchen Phase das Vor-sich-her-Tragen von auch nur leichten Dingen (Kraneffekt) meine Schmerzen um einiges verschärfte. Übrigens waren hauptsächlich alte Herren zum Casting geladen. Jedenfalls wurde ich nicht genommen.
Einige Zeit später las ich, daß das Stück abgesagt wurde, da die Minichmayr („die Minichmayr!“ - ich will halt auch ein bißerl den Theaterjargon mich verwenden trauen) aus dem Projekt ausgestiegen ist, weil sie sich vom Regisseur nicht beschützt fühlte.
Aber seitdem gehe ich mit dem Scherz hausieren: „selber schuld, liebes Burgtheater!, warum hast du mich nicht genommen?  Denn wenn du den Rumpf nicht nimmst, will auch die Minichmayr nicht spielen!“

Aber jetzt im Ernst: das Stück ist doch wirklich eine „seltsame Männerfantasie“, eine „Projektionsfläche der Männer“ in dem Lulu als Frau sowieso schon preisgegeben wird. Frau Minichmayr wollte „weniger von (erotischer) Erwartungshaltung geprägte Wege“ mit diesem Stück gehen. (nach und auch alle Zitate hier aus dem Artikel von Barbara Petsch in der Presse vom 21.4.2011)

Und? Stimmt es denn nicht? Es stimmt. Das beweist doch der Anruf vom Burgtheater und womit man mich gelockt hat sowie meine Reaktion darauf.









(7.10.2018)













©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 5. Oktober 2018

1132 Jetzt die Zeitung?


Heute habe ich den Jazz im Rücken, den Blick ungefähr gen SüdSüdWest (nicht „gen Italien“, sondern gen Zadar), ich blicke somit durch zwei Fenster und die offene Tür auf die Gasse. Ich sehe Autos vorbeischleichen und Menschen vorbeischweben, diese drehen manchmal ihren Blick her. Ein bißchen Wind geht – ich merke es an den Speisekartenblöcken seitlich der Tür, deren oberste Blätter sich von Zeit zu Zeit heben und am Haarschopf eines Gastes draußen, weil jener von Zeit zu Zeit lustig hüpft, während dieser am Laptop schreibt.

Jetzt habe ich den Blues im Rücken und ein Bobo geht vorbei. Es ist aber nicht mein Blues. Ich bin zufrieden und nach dem köstlichen Frühstück satt. Gut, meine wippenden Füße hat der Blues erreicht. Hmm, eine gewisse Mittagselegie könnte sich einschleichen, aber keinesfalls ist sie unangenehm.

Jetzt die Zeitung?








(5.10.2018)









©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1131 Ein Wink des Schicksals?


Ein Wink des Schicksals? Am Tisch gegenüber verhandeln ein Autor und eine Dame (Verlegerin? Von einem Verlag? Lektorin? Buchvertreiberin? …) über eine Buchveröffentlichung. Mich reißt's, aber es rührt sich nichts: keine veröffentlichungsgeile Erektion. Ich spring nicht an und nicht auf.

Gut, dann nicht. Literarisch (?) noch nicht geschlechtsreif (oder schon nach dem Klimakterium?)

Und warum notiere ich das dann? Ah! Passiv-autoritärer Charakter mit Hochmut! Ich will entdeckt werden, sogar gegen meinen unechten Widerstand.

Wäre Aktivwerden nicht besser? Nein, Peinlichkeiten gibt es schon genug in meinem Leben. Gemma Batterien kaufen (und läuft und läuft).






(4.10.2018)








©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1130 Gönnung


Ich schau ins Narrenkastl, wie man das bei uns nennt. Dort glitzert es, weil sich dahinter die Gläserablage befindet, mit Spiegeln als Rückwand. Der Boden: Terrakotafliesen (ich habe wieder den Blick gesenkt – zu intensiv darf ich dem Leben nicht zuschauen). Der Narrenkastlbereich (ich habe den Kopf wieder gehoben auf mittlere Höhe; Grüße an Joseph T. Jocher) läßt mich das Leuchten und Glitzern deutlicher wahrnehmen als ohne dieses Ding. Das Leuchten und Glitzern der einzelnen Gegenstände wird durch das Narrenkastl zu einem Gesamtgeschehen zusammengefaßt. Das Ereignis „Glitzern“ wird im Verhältnis zu den einzelnen Gegenständen stärker und legt sich über die Dinge. Ich bräuchte versuchsweise statt einer Objekt-  eine Ereignissprache. Aber lassen wir das, der Whorf ist schon lange her und meine diesbezüglichen lächerlichen Versuche auch schon fünfunddreißig Jahre (wird mir jetzt alles Liegengelassene hergespült?).

Das Blaue dort teilt sich auf zwei Hosenbeine auf. Und da drüben auch. Und hier ebenfalls und auf eine Jacke.

Die Nacktheit hier im Raum teilt sich hauptsächlich auf Köpfe mit Gesichtern, viele Hälse – zum Teil mit anschließenden Dekolletes, ein paar Unterarme, auf viele Hände, und zwei Frauenbeine von einem Drittel der Riste, die unbedeckt sind, über die Knöcheln bis in den oberen Bereich der Oberschenkel.

Aus den Lautsprechern Nina Simone; ich höre zu.

Hier gibt es eine zweisprachige Speisekartentafel: Österreichisch – Deutsch: Erdäpfelpüree – Kartoffelpüree. In der genauen regionalen Aufschlüsselung des Sprachgebrauchs würde es  komplizierter werden.

Nein! Falsch! Keine zweisprachige Speisenkarte! Ich habe mich verlesen: weil die letzten Worte (sic! Kleiner Gag) hingefuzzelt sind und durch den Kopf einer Gästin teilweise verdeckt waren: richtig heißt es Karotteniregndetwas.

Und nun ein Witz, vor sechsundvierzig Jahren bei Hesse gelesen: Ein berühmter Schriftsteller wird gefragt, was er am Vormittag gemacht habe. Er antwortet: „ich habe einen Satz geschrieben.“ Frage: „Und am Nachmittag?“ Antwort: „ da habe ich den Satz wieder durchgestrichen.“

Also ich bin schneller und produktiver: einige Sätze geschrieben, den oberen Abschnitt mit der Speisekarte wieder durchgestrichen, weil falsch (– obwohl: wer kann mich daran hindern, zu behaupten, es gäbe hier zweisprachige Speisekarten, auch wenn es nicht stimmt? Niemand! Das ist meine Freiheit!), dann die Durchstreichung wieder aufgehoben (das mache ich immer mit solchen Linien: - - - - - - - - unter dem Text oder seitlich den ganzen Absatz)  und noch etwas hinzugefügt; und das alles vom späten Vormittag bis Mittag.

Apropos Mittag: „einen Tagesteller und ein alkoholfreies Bier dazu, bitte!“ Gönnung! Erdäpfelpuree mit Faschiertem, das Lieblingsessen meiner Kindheit.

Das Wort „Gönnung“ verdanke ich meinen lieben Töchtern.








(4.102018)











 ©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 3. Oktober 2018

1129 Ich bin so glücklich


Ich gehe vom Kaffee (drei Cappuccinos) nach Hause und nehme den Umweg über die vielgeliebte Neubaugasse (früherer Wohnsitz auf Mond-Saturn), zu Fuß, mit „Look on“ von John Frusciante in den Ohren [„I can't get through knots in my mind I resent the self I can't find (…) A paper and a pencil are the best friends I've got (…) I didn't get what I wanted but I didn't care a lot I saw the life was kidding Look on I'm warning you I skipped a life to be here I've got no right (…) When I thought life was terrible things were going fine (…) I flip through empty pages that I thought I wrote on I Can't tell what is dreaming Look on Look on Look on]

Ich gehe also dahin und als der Wind einen Haufen gelber Blätter über Parkspur und Gehsteig an mir vorbeibläst, bin ich glücklich, glücklich, glücklich, daß ich leben darf.

Ich steige dann in die Ubahn, verlasse sie auf dem Weg nach Hause jedoch eine Station früher als sonst, um die Maria-Theresien-Straße hinunter zu gehen. Die Nachmittagssonne, die mir in den Rücken scheint, beleuchtet den gräulich-bläulichen Asphalt und die Häuser und die müden grünen und gelben Herbstblätter der Bäume vorm Hintergrund der dunkelgrauen Wolken am Himmel so schön. So schön! Ich habe John Frusciantes „Dissolve“ am MP3 und auf der Brücke, genau in der Mitte (wo einmal ein Aufkleber mit der Aufschrift „Fremdkörper“ gepickt ist) grüße ich die Donau (hier in Gestalt ihres großen Armes, der fälschlicherweise Kanal heißt), die Sterne, die Sonne, den Wind und die Wolken, die Erde mit ihren Pflanzen und Tieren und Menschen und die Stadt und – wie bin ich dankbar! - es rieselt noch der Glücksschauder über meinen Rücken. Daß ich das noch erleben darf, obwohl ich schon so lange nicht mehr hier verweilt und gegrüßt und mit all denen geredet habe. Wie schön! Es stimmt: das Universum kennt keine Moral! Gottseidank! Obwohl ich heute vergessen hatte, mein Antidepressivum einzunehmen: Ich bin so glücklich, so glücklich!










(3.10.2018)












©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1128 Danke und Bussi


Ich bin zur turbulenten Uhrzeit eingetroffen und habe gerade noch einen Sitzplatz geschenkt bekommen. (Vom Chef persönlich, der mir extra nach draußen nachgelaufen ist, um mir zu sagen, daß gerade ein Platz frei geworden ist! Danke und Bussi! Vor allem auch an die Chefin!)

Nun sitze ich am Tischchen und ein Schauder läuft mir über den Rücken. Einer der angenehmen Sorte. Und nocheinmal!

Der Sommer ist vorbei, im Schanigarten sitzt keiner mehr. (Später dann doch.) An diese Dichte muß ich mich erst gewöhnen. Die Zeitungen sind durchgeblättert, also muß ich schreiben. Es gibt noch ein paralleles Ich, das andere Sachverhalte beobachtet und manchmal wird das parallele das erste. Aber das sind nicht die zwei Naturen: menschliche und göttliche, beziehungsweise physischer Körper und energetischer Doppelgänger, sondern bloß innerhalb der menschlichen Natur die unfruchtbare Spaltung zwischen Geist und Affenanteil (Stop following me!).

Warum kenne ich      ach was!

Das Heilige-Maria-Kippbild oben an der Konsole ist aus meiner Perspektive genau am Kippen, sodaß ich beide Marienköpfe sehe, wenn auch den einen stärker als den anderen. Der stärkere lächelt schwach, aber sehr schmerzvoll und die Augen sind so traurig. Die Frau, die gerade zur Theke und nachher wieder zu ihrem Tisch zurückgegangen ist, versucht viel neutraler, cooler und unberührbarer dreinzuschauen, vielleicht eh in Abgrenzung, denn ganz so glaubwürdig ist das Zwei-Marien-Kippbild auch wieder nicht. Übrigens: rechts neben dem Zwei-Marien-Kippbild lehnen drei Qualtingers, die rufen: „Der Iglu brennt!“

Die neutrale Dame von vorhin schaut nun, von der Seite betrachtet – in einem anregenden Gespräch mit einer anderen Dame – regelrecht lächelnd aus. Ah, ich verstehe: wahrscheinlich fällt ihr der Weg durch den öffentlichen Raum  - vom Tisch zur Bar und zurück – auch nicht so leicht. Das kenne ich!

Auch auf die Gefahr hin, daß es mich aushebt: Cappuccino Nummer drei? Ich zittere schon innerlich vor rauschender Vorfreude. Ich kann es kaum erwarten. Noch halte ich inne und tu so, als ließe ich meinen Plan von Verstand und Vernunft überprüfen – man will ja nicht als kaffeerauschgierig dastehen respektive -sitzen.

Warum und wem will ich das alles überhaupt erzählen? Achja! Flaschenpost ans stille Universum.





(3.10.2018)






©Peter Alois Rumpf    Oktober 2018     peteraloisrumpf@gmail.com