Montag, 31. Oktober 2016

481 Zweihundertdreiundsiebzig Ich-Sätze (Teil 4)

Ich genieße den schönen Herbsttag.
Ich habe gewußt, ich habe alles richtig gemacht.
Ich bin extra dafür angereist.
Ich scheitere schon drei Stationen vorher.
Ich huste ein wenig.
Ich mache mein Resümee für das Jahr 2010.
Ich war glücklicher Besucher von Konzerten.
Ich sehe die Döbraniten mit ihren Zeigefingern stechen.
Ich glaube, daß einige Texte doch eine gewisse Brisanz enthalten, wenn man sie ernst nimmt.
Ich darf nicht zum Frühstück kommen.
Ich mache mich selber lächerlich.
Ich bin auf mittlerer Höhe.
Ich wollte wieder einmal den Sternenhimmel sehen.
Ich warte geduldig.
Kann ich bei Ihnen übernachten?
Ich nutze den Vormittag schon ziemlich gut.
Ich kann mich nicht erinnern.
Ich liege, lehne noch traumverwirrt da.
Ich mag nicht mehr vom Lichtschacht schreiben.
Ich schalte den Computer ein.
Ich sitze im Zentrum.
Ich ziehe mir das Surren wie eine Nachthaube über.
Ich lache über mich.
Ich bin für Reaktionen grundsätzlich dankbar.
Ich zucke in Gesicht und Körper.
Ich hänge noch an vielen Dingen und Ideen.
Ich vermute eher, sie will mich provozieren.
Ich habe hingeschaut.
Ich kenne den Spruch von früher.
Ich müßte einiges an dem, was ich bisher geschrieben habe, umschreiben oder ergänzen.
Ich will erzählen, wie ich auf den Dichter Daniil Charms gestoßen bin.
Ich war in meiner Heimat an einem See schwimmen.
Ich habe mir gedacht, es ist doch höchste Zeit, daß sich da etwas ändert.
Ich habe nicht hingeschaut.
Ich habe mich nicht getraut.
Ich registriere das.











©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 28. Oktober 2016

480 Meine transrealen Begegnungen

Mein Gesprächspartner drüben ist noch nicht ganz ausgereift, oder meine Kommunikationsfähigkeit für transreale Gespräche. Letztlich verstehe ich es dann doch nicht oder verliere den Sinn auf dem Weg hierher. Eine kleine rote Kugel war auch im Spiel; als was? - keine Ahnung.

Meine Lesung findet auch im drüberen Tirol nicht statt, obwohl ich extra dafür angereist bin. Aber das ist schon fast zwei Stunden her. Jetzt versperrt mir meine Wachheit den Weg zurück. Abwarten. Ich sinke schon noch nochmals rein. Das Leben erwacht rundherum und erzeugt seinen eigenen Sog.

Alles für sich sprechen lassen. Von drüben leuchtet mein Handy her und zeigt mir ein Photo; zu kurz, als daß ich es erfasse. Darunter erscheint schnell mein Fuß – und weg ist er.

Zahlen am Samstag. Pah! Ich will jetzt nicht genau nachrechnen – noch dazu, wo erst Freitag ist.

„Da habe ich gewußt, ich habe alles richtig gemacht.“ - diesen Satz möchte ich auch ein einziges Mal sagen können. Ob schnell oder langsam. Kennt ihr alle den alten Film von Tati? „Rapidité, rapidité.“ Die Insider werden's schon wissen.

Ein kurzer neuer Blick auf einen unglaubwürdigen Sternenhimmel (die Sterne blinken wie elektronisches Spielzeug).

„Soll man alle Fremden kastrieren?“ Nein, nein! Dieser Satz ist auch drüben aufgetaucht und aus dem Zusammenhang gerissen. Oder er hat gar keinen Zusammenhang gehabt. (Wieso riskierst du, deine Leserinnen zu verschrecken?) (Im Grenzgebiet drüben, zu uns her, ist halt die Müllhalde des Menschengeschlechts.) (Der Mist kommt von uns.) (Aber nicht von mir!)

Noch eine Ausstellung drüben, alles noch leer, der Raum bloß mit Leintüchern ausgekleidet. Ein Indoorzelt. Eine alte, verwirrte Frau führt eine gut verpackte Leiche im Rollstuhl durch die nicht geöffnete Ausstellung und behauptet, das wäre ihr Kind. Viel zu groß! Mein Verdacht – es ist ihr Mann da unter den grauen Tüchern. So alt war die gar nicht, vielleicht zwei, drei Jahre älter als ich. War's das schon oder geht es noch weiter? Ich weiß nicht.

Oh Gott! Diese Angst vor Schularbeiten! Auch drüben! (Das kommt ursprünglich doch aus unserer Welt, oder?)

Und immer wieder das „Haus am Fluß“. Es ist in hunderten Träumen immer der gleiche Ort. Den gibt es dort drüben ganz sicher.

Irgendwas war noch, aber der Protokollant ist eingeschlafen.


















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

479 Meine Ikonostase

Um fünf Uhr früh aus dem Schlaf gescheucht. Müde noch und grüblerisch. Der Schwung der letzten Tage scheint verflüchtigt. Geflohen, wovor?

Unten hört man jemand seine Morgengymnastik machen (Ui! Das ist aber ganz böse ausgedrückt.). Handstand, Kopfstand und so. (Nein, nicht, was ihr denkt!)
Ich scheitere schon drei Stationen vorher. Mindestens. Aber ich gehe jetzt trotzdem nicht auf die Scheiterungswelle ein. Du weißt schon, die Welle, die das Schiff zum Scheitern bringt und in seine Holztrümmer zerlegt.
Gestern abend habe ich den Satz „Eine Riesenwelle rollt auf mich/das Festland/meine Insel zu“ geschrieben. Worauf genau, darauf konnte ich mich mit mir selber nicht einigen.

Jetzt hocke ich da, huste ein wenig. Ein trockener Husten, nicht stark, aber weggehen tut er auch nicht.

Wie gesagt, ich bleibe neutral, beobachte nur, seufze kaum/ein wenig (schon wieder unentschieden!). Mein kariertes Hemd dort an der Tür erinnert mich an eine ausgedachte Holzfällergesundheit, amerikanisch. Überhaupt: der Sessel voller Kleidungsstücke, etwas achtlos hingeworfen, hingeschleudert in mißverstandener existentialistischer Nachäfferei. Wahrlich, trotz Popmusik bin ich in den Fünfzigerjahren hängen geblieben.
Zum Teil. Meine Selbst- oder Weltbezichtigungstour will auch nicht so recht gelingen – nun, ich nehme es ja nicht ernst.

Also, was dann? Mein Blick streift über meine unorthodox an die Wand gepinnte Ikonostase aus Heiligenbildern, Hochzeitsphoto, einer Glückwunschkarte meiner kindheitlichen Lieblingstante zum Sechziger, berührenden Kinderzeichnungen und Basteleien meiner Töchter und getrockneten Blättern. Und einer kleinen, originalen, schönen, sensiblen Arbeit der slowenischen Künstlerin Jana Vizjak. Wie es ihr wohl geht? Das letzte vereinbarte Treffen hat nicht geklappt.

Anscheinend hat diese Ikonostase etwas Zufälliges, fast Beliebiges. Aber nicht ganz. Nein, ich muß sagen, ich liebe sie – sie ist das Album meines Lebens. Der letzten zehn, zwanzig Jahre.
Also scheine ich mein Leben zu lieben. Was will ich mehr? Ich muß es mir nur vorsagen und beweisen. Ausrechnen sozusagen.

Mein Gott! Da hängt ja neben dem Bademantel auch noch mein schönes Rekapitulationstuch, seit Jahren nicht mehr gebraucht.















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 27. Oktober 2016

478 Ja, das mach' ich

Ich liege wie in einer dicken Suppe aus Surren, atmosphärischer Dichte und ausgeschlafener Morgenmüdigkeit – also angenehm. Nichts geht noch, aber ich genieße die Ruhe und den langsamen Start in den Tag. Die Nase rinnt, die Augen tränen und die Nase kitzelt noch in einem aufsteigenden Niesanfall, der sich – jetzt – explosiv entlädt. Die Tränen laufen die Wangen hinunter und wollen dem Ganzen irgendeinen Anschein geben – dabei sind sie ganz harmlos – im genauesten, wortwörtlichen Sinn dieses Wortes.
Lesebrillenverschwommen ruht mein Blick lächelnd auf meinem winzigen, blaugestrichenen Hausaltar dort an der Wand, mit den übereinandergeschichteten Steinchen und dem kleinen Rauchfäßchen, das ich fast nie nütze.
Nicht weit davon lehnen die Walkingstecken an einer Wandkonsole und bringen mich auf die Idee: ich gehe walken! Fünfzehn Minuten will ich noch warten. Ja, das mach' ich! Noch die El Hombre que Corre (siehe youtube) und los geht’s.














©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

477 Ein Gefühl des Aufschwungs

Fröhliches Surren in den Ohren begleitet ein Gefühl des Aufschwungs. Es geht hinauf. Als würde ich ganz leicht und unauffällig schweben, kaum merklich immer höher. Ein Lift nach oben, der aber nie oben ankommt. Eigentlich befindet man sich immer an der gleichen Stelle, aber man fühlt sich nach oben gezogen. Vielleicht ist es auch das ganze Universum, das in die Höhe gezogen wird. Jedenfalls ist es nichts Depressives in dem Sinn „ich fahre nach oben und komme nie an“. Nein, so ist es nicht. Nein, es ist ein gutes Gefühl.
Vielleicht wird in dieser Welt nichts hochgezogen, aber in einer anderen der Energiekörper aufgeladen und das fühlt sich hier an wie Liften (ja,ja; kleines Wortspiel!). Oder zwei verschiedene Wahrnehmungen vermischen sich. Oder es wird wirklich das ganze Universum hochgezogen. Was weiß ich! Ich bin ja kein Seher!
Mein Zwerchfell zuckt dreimal ganz leicht in einer Andeutung von Lachen. Tief drinnen. Im Gesicht gibt’s nur ein kaum sichtbares Lächeln. Aber fein! Sehr fein!
Die Augen ruhen nach einer kleinen Runde in die Umgebung sanft, wohlwollend, freundlich und besänftigend auf das strenge Gesicht eines Photos einer Christusikone. Meister, du mußt nicht mehr so streng dreinschauen! Diese Zeiten sind vorbei. Die besten Prediger sind heute Kabarettisten. Zumindest bei uns hier. Die strengen Religionswächter haben weltweit ausgedient, ihre Zeit ist endgültig vorbei. Sie toben noch in verschiedenen Verkleidungen, aber ihre Zeit ist vorbei. Das wissen oder spüren sie, daß sie keinen Boden mehr unter den Füßen haben, darum sind sie ja so wild. Also, Jesus von Nazareth, du kannst jetzt deine Freundlichkeit und dein Lachen offen zeigen. Oh, da seh' ich es, da hängt doch tatsächlich ein lächelnder Christus daneben! Ein Relief auf einem Weinfaß. Oh, schon so alt! Salvator, um 1300. Fast schade, daß ich nichts mehr trinke. Ich glaube halt, daß das bei mir eher nach unten ginge.














©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 26. Oktober 2016

476 Ich bin glücklich

Ich soll etwas erledigen; einkaufen oder so ähnlich. Ich fühle mich jedoch überfordert von dieser Aufgabe. Ich frage meinen Vater, der hier gerade in der Nähe ist und jetzt im Traum ganz anders ausschaut, als mein wirklicher Vater hier auf Erden ausgeschaut hat, nämlich blond und nicht dunkel zum Beispiel – ich frage ihn also, ob er das erledigt. Er will nicht recht und sagt nicht deutlich nein, aber tut so herum, daß es mir klar ist, daß er nicht will. Da frage ich ihn ganz spontan – aus einer plötzlichen Eingebung heraus – ob er mich beim Einkauf begleitet. Nach ein wenig zögern willigt er ein. Ich bin irrsinnig erleichtert und hüpfe vor Freude. Ich falle ihm um den Hals und umarme ihn. (Ganz undenkbar!) Super, er begleitet mich beim Einkauf. Ich erledige den Auftrag – er steht mir zur Seite! Ich bin glücklich.














©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 25. Oktober 2016

475 Ihr Fell ist weiß

Schnelle Stimmungsschwankung. Zuerst fröhlich und voller Elan, und ein paar Stunden später erschöpft und müde und innerlich zum Heulen. Gut, das erstere war vor der Arbeit und das andere während, wo nichts ging und ich mich erfolglos bemüht hatte. Es könnte auch der aufkommende Föhn mitgewirkt haben. Das war gestern.
Heute bin ich von einem Traum erschüttert. Ein Maler, mit dem ich einen Ausmalauftrag besprochen habe, hatte sein Gespann vorm Garagentor meines Elternhauses abgestellt. Wir waren hier auf Urlaub und die Besprechung mit dem Maler war gestern. Heute reisen wir ab und das Gespann steht immer noch da. Der kleine Wagen ans Garagentor gequetscht, die zwei Tiere ganz ruhig. Ich bin zutiefst erschüttert vom Gehorsam der Tiere – ich weiß nicht, ob es sehr kleine Eseln oder Hunde sind. „Die haben jetzt vierundzwanzig Stunden nichts zum Fressen und kein Wasser bekommen!“ Die sind die ganze Zeit dagestanden und haben keinen Mucks gemacht. Nicht geschrien, nicht an ihrem Geschirr gezerrt, nicht versucht, wegzugehen. Einfach still dagestanden, angeschirrt, stumm, ergeben in ihr Schicksal. Das geht mir so nahe; selbst jetzt, eine gute Stunde nach dem Traum, ist mir noch zum Heulen und das Bild dieser braven Tiere habe ich immer noch vor meinem inneren Auge. Ihr Fell ist weiß, wie ich mich noch erinnere.















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 20. Oktober 2016

474 Die wirkliche Veränderung

Gestern hat meine ältere Tochter vom Philosophieunterricht in der Schule geschwärmt und begeistert von Platons Höhlengleichnis erzählt als Sinnbild ideologischer Verblendung. Ich war nahe daran, noch zu ergänzen, daß das bei Platon auch noch ins Fundamentalere geht. Aber ich habe mich zurückgehalten und nichts gesagt und gelächelt. Nur den Hinweis, daß ich ihr vor Jahren schon angekündigt habe, daß ihr die Philosophie gefallen wird und sie bei diesem Fach und bei der Literatur aufblühen wird, das habe ich noch angebracht. (Ich bin doch ein unverbesserlicher Rechthaber!)
Ich habe deswegen nichts gesagt, weil ich meine Kinder in ihrem Aufwachsen viel zu viel belehrt  und ihnen damit viele Chancen genommen habe, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und ihre eigenen Erkenntnisse zu gewinnen.

Aber mit dem Höhlengleichnis läßt sich gut erklären, was Zauberei bei Carlos Castaneda ist. Mit unserer Alltagswahrnehmung sind wir in der Höhle gefangen und sehen nur Schatten des Eigentlichen und unsere Erkenntnisse und Vorstellungen bleiben schattenhaft. „Das ist ein Tisch.“ - Schatten! – in dem nur Promille vom eigentlichen Ding abgebildet sind. „Das ist eine Wand und da kann ich nicht durchgehen“ - Schatten! „Die Welt besteht aus Objekten“ - Schattenspiel! „Der hat einen XY-Charakter“ - Schattenerkenntnis. „Die Zeit ist ein Kontinuum von wasweißichwas“ - Schattenerkenntnis (die mehr oder weniger das Ursprüngliche widerspiegelt). „Der Mensch wird geboren, lebt, wird alt, stirbt“ - Schattendefinition.
Zauberei ist eine Technik, sich von diesen Fesseln zu befreien und zum Ausgang der Höhle zu krabbeln. Also nur ein Weg. (Das wäre auch Religion, wenn sie echt ist.) Es geht nämlich darum, zum Höhlenausgang zu kommen und die Wirklichkeit direkt zu sehen. Das ist Sehen. Dorthin zu gelangen ist für uns in der Höhle Gefangenen ein mühsamer Kampf und alle Zaubertechniken dienen nur diesem Ziel.

Die Erfahrung des Sehens jedoch verändert den Menschen wirklich und die Welt wird für den Seher oder die Seherin nie mehr so sein wie sie vorher war. Das ist die wirkliche Veränderung.
In den tiefsten Schichten unseres Bewußtseins wissen wir, daß wir in der Höhle gefangen sind und wir alle wollen in unserem tiefsten Inneren zum reinen Sehen gelangen, aus dessen Reich wir ja kommen. Unsere ganze Verzweiflung und Wut kommt letztlich nur aus dem, daß uns das nicht gelingt. Gerade beim modernen Menschen, der besonders weit von seinem Ursprung entfernt ist. Wir alle habe das Potential zum Sehen; es ist unser angestammtes Erbe. Wenn es uns nicht gelingt – das ist unsere wirkliche Wunde.
















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

473 Krieg ist jederzeit möglich

Aus einem Alptraum aufgewacht. Das Herz rast, der Schock sitzt tief. Ich kann kaum sprechen. Mein Inneres zittert. Viel zu viel Unerledigtes noch in meinem Leben. War vielleicht schon die Lücke offen? Die Lücke, durch die das Innerste nach draußen, in die Unendlichkeit durchbricht? Das Epizentrum des Zitterns in der Nabelgegend scheint es nahe zu legen. Ein plötzliches alltägliches Geräusch aus der Küche schreckt mich Verschreckten nochmals kurz auf. Ich bin eher froh, hier, in dieser Wirklichkeit aufgewacht zu sein, obwohl der Traum sehr realistisch war und auch für diese Alltagswelt ein äußerst ungutes Gefühl zurückgelassen hat: Krieg ist jederzeit möglich.
Ich bin sehr dankbar für den Regen draußen, den ich höre; das Prasseln und Tropfen beruhigt mein aufgescheuchtes Herz, die Bettdecke wärmt meinen angstvoll zitternden Leib.
Jaaa, ich atme tief durch. Es kommt alles zu seiner Zeit.
„Ich bin bereits der Kraft anheim gegeben, die mein Schicksal regiert ...“ (aus Carlos Castaneda).
Ich singe still die Zeile: „I am already given   To the power that rules my fate ...“
















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 18. Oktober 2016

472 Zweihundertdreiundsiebzig Ich-Sätze (Teil 3)

Ich antworte „ja“.
Ich muß um den Text kämpfen.
Ich spüre die lautere Anwesenheit.
Ich bin.
Ich erinnere mich vage, daß Erotik im Spiel war.
Ich muß nicht übertreiben.
Ich höre es.
Ich selber hänge im Zwischenstadium fest.
Ich denke mir aus, daß ich kündige.
Ich selber beziffere meinen Wert am Arbeitsstrich mit Null.
Ich bekomme Lob aus der Unterwerfung heraus.
Ich hau mich ab!
Ich werde sie in schonungsvollen Schritten hinführen.
Ich spüre, daß die Angst da unten irgendwo lauert.
Ich räkel mich genußvoll.
Ich fahre den richtigen Wachzustand nur langsam hoch.
Ich weiß es jetzt.
Ich schreibe nicht nur für die Schublade.
Ich kann der Welt etwas geben, mit dem sie etwas anfangen kann.
Ich werde jetzt ganz vorsichtig.
Ich lächle gütig.
Ich bin schnell optimistisch und vertrauensvoll.
Ich bin froh, daß du da bist. Ich grüße dich.
Ich bin bereit, mich einer möglichen Enttäuschung zu stellen.
Ich glaube an Wunder.
Ich bleibe ein Wundertäter ohne Wunder.
Ich vollbringe selber keines.
Ich lasse meinen Kopf schief hängen.
Ich kann seufzen und durchatmen.
Ich schrecke auf und weiß nicht weiter.
Ich schwebe einen geräumigen Schacht nach unten.
Ich spüre jetzt das Herz.
Ich habe von der Welt wirklich keine Ahnung.
Ich verstehe nichts, was da draußen passiert.
Ich halte tapfer dagegen.
Ich werde nicht zermalmt.
Ich stelle gerade etwas fest.
Ich habe keine Zeit.
Ich bin voll im magnetischen Kampfgeschehen.
Ich will überleben.
Ich will mich dem Alltag zuwenden.
Ich muß das alles ganz anders angehen.
Ich gebe zu, ich habe die Lesebrille auf.
Ich sehe das Phänomen zum erstenmal.
Ich hadere manchmal damit, wie ich mein Leben gestaltet habe.
Ich habe jetzt das, was ich verdiene.
Ich mache mir das innerlich klar.
Ich möchte die Fenster öffnen und reinschauen.
Ich muß mich mit blöden Gedanken nicht aufhalten.
Ich bin hängen geblieben.
Ich habe Zeit, ich kann bis Nachmittag schlafen.
Ich bin an der Kante des Selbstmitleids.
Ich habe nichts erreicht damit.
Ich habe mich rausgehoben.
Ich vermute es halt.
Ich finde diese Schreiberei langsam fad.
Ich bin kein Sprachgelehrter.
Ich bin jetzt ganz in die Nähe meines Geburtsortes geraten.
Ich bin aufgewacht.
Ich zittere noch.
Ich warte, was da kommt.
Ich schaue tief in meinen Abgrund.
Ich zitiere.
Ich konnte halbwegs schmerzfrei liegen.
Ich habe mich nur ein wenig geärgert.
Ich habe mit Freuds gesammelten Werken begonnen.
Ich habe angegeben.
Ich bin viel zu …
Ich verkneife es mir.
Ich schreibe es nicht hin.
Ich bin zufrieden und fröhlich.
Ich lache innerlich sogar.
Ich habe in meinem Leben nichts erreicht.
Ich muß mich nicht anstrengen.
Ich habe schon vor Jahren etwas in der Schublade geschrieben.
Ich fühle eine leichtes Stechen.
Ich lasse das Buch los.
Ich öffne und schließe die Hand.
Ich selber hocke im Bett.
Ich wundere mich, wie blöd mein Geist sein kann.
Ich wollte vor meinem Tod noch den Freud auf den Kopf stellen.
Ich sollte bald mit der Arbeit beginnen.
Ich bräuchte ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Ich habe Lust auf ein Frühstück.
Ich selber bin ein alter Grantscherben.













©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

471 Ich antworte „ja“

„Papa!“ ruft leise eine unsichtbare Stimme. Bittend und liebevoll. Ich antworte „ja, ich höre, mein Kind!“ in die Weite hinaus, die mich umgibt.
Vor meinem inneren Auge schaut die Notizbuchseite ganz anders aus, viel wilder, chaotischer; die Schrift bezeugt, daß ich um den Text kämpfen mußte.
John Frusciante singt, aber ganz anders, als ich ihn kenne, und außerdem a capella.
Mein unsichtbares Kind jedoch sagt nichts mehr. Ich spüre seine lautere Anwesenheit nur noch ganz zart. Anderes drängt sich vor und die stille Anwesenheit verliert sich im Lauten.
Heftige Regentropfen trommeln einen meditativen Klangteppich; die Katze schnurrt so intensiv, daß es fast schon übertrieben wirkt.

Meine stille Stunde am Morgen.

Wie schön es hier ist, da, wo ich bin.
















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 17. Oktober 2016

470 Die Landung

In Surren eingebettet. Noch ganz aus dem Traum heraus schrillt es wie alarmiert. Dabei war es kein schlechter Traum. Eher einer der angenehmen; vage erinnere ich mich, daß Erotik im Spiel war. Das Surren scheint der Übergangsalarm zu sein, wie bei der Landung einer Raumkapsel. (Ich muß nicht übertreiben: es genügt als Gleichnis die Landung eines Flugzeugs.) Das Schreiben schält mich wieder etwas mehr aus der Traumverfangenheit heraus, das Surren zieht sich in den Bereich um den Kopf herum zurück und wird ruhiger und leiser. Jetzt umkreist mich das Schnurren einer Katze, bevor sie sich neben mich legt. Mein Streicheln vertreibt sie wieder. Der Holzboden knarrt unter irgendwelchen Schritten. Ein Reißverschluß wird zugezogen – ich höre es. Ich selber hänge in diesem Zwischenstadium fest. Mir fällt meine Arbeitswoche ein und das schlägt sich sofort auf den Magen. Ich denke mir aus, daß ich kündige, wenn mir das Ganze zu blöd wird, oder ehrlicher gesagt: zu nahe an meine Wunden geht. Dieser Ausweg steht mir ja offen. Obwohl: sich dann vom Arbeitsamt sekkieren lassen …? Hunderte sinnlose Bewerbungen schreiben ...? Wo ich selber meinen Wert am Arbeitsstrich mit Null beziffere? Und jetzt fällt mir noch etwas Ungutes ein!









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469 Zweihundertdreiundsiebzig Ich-Sätze (Teil 2)

Ich schreibe für die Schublade.
Ich denke zu sehr in richtig und falsch.
Ich bin nicht sehr empathisch.
Ich habe ein schlechtes Personengedächtnis.
Ich liebe den Grimming.
Ich bin undankbar.
Ich befürchte, solche Ich-Sätze sind eher sinnlos.
Ich liege gern im Bett.
Ich übersehe oft mein Glück.
Ich möchte gern in Pension gehen.
Ich bin stolz auf meine Bücher.
Ich bin stolz auf meine Platten-, Kassetten- und CD-Sammlung.
Ich erfreue mich an Musik.
Ich liebe den Herbst und den Nebel.
Ich freue mich, daß Sturm Graz die Tabelle anführt.
Ich nehme mich nicht immer so ernst.
Ich bin leicht angerührt.
Ich genieße den Sonntagsschlaf.
Ich esse gern und viel.
Ich war schon dreimal magersüchtig (oder viermal).
Ich war einmal in Fiuggi.
Ich liebe Holz-Sägen.
Ich fürchte mich auch vor Kindern und Jugendlichen.
Ich bin unaufmerksam.
Ich mag die blaue Stunde.
Ich höre „thick as a brick“ von Jethro Tull.
Ich betrachte den roten Faden.
Ich gehe manchmal walken.
Ich erinnere mich an das schwarze Zimmer von H.P.
Ich finde es eigenartig, daß manches nur mehr in der Erinnerung existiert (oder? Ist es gar nicht so?).
Ich stelle mir die Ewigkeit nicht als ein dahinlaufendes Zeitkontinuum vor, sondern als die gleich“zeitige“ Gegenwart aller Intensitäten, die in unserer „normalen“ Welt hintereinander angeordnet sind. Also außerhalb der Zeit.
Ich habe von Kant gelernt, daß Raum und Zeit bloß Kategorien unseres Bewußtseins sind.
Ich gebe gerne an und übertreibe viel.
Ich kann bei Filmen, Geschichten und so weiter weinen, selten aber Menschen gegenüber.
Ich habe einen Hang zum Abstrakten.
Ich war zu Studienbeginn auf mich allein gestellt verloren
Ich hatte in der Tischlerei ständig Angst vor den Maschinen.
Ich fürchte mich vor dem Hass, der jetzt in unserer Gesellschaft wieder hochkommt.
Ich finde einiges davon auch in mir.
Ich bin im Moment recht zufrieden.
Ich verscheuche die Katze, die sich auf mein Notizbuch legt, nicht.
Ich habe „Lieblingsstellen“ (in der Musik und in der Landschaft).
Ich finde den Satz von H. Kissinger „die Intellektuellen sind Zyniker und Zyniker haben noch nie eine Kathedrale gebaut“ ziemlich zutreffend. Nicht ganz, aber ziemlich (kommt natürlich darauf an, was man unter einem „Intellektuellen“ versteht).
Ich bekomme vom Zeitunglesen schnell einen müden Kopf.
Ich bekomme vom Computerlesen schnell einen müden Kopf.
Ich vergesse vieles, was ich mir vorgenommen habe.
Ich finde in mir oft Trauer und Schmerz, wenn ich in mich hineinhorche.
Ich hoffe, daß ich bald die angepeilten 273 Ich-Sätze geschrieben haben werde.
Ich bekomme immer noch das ungute Sonntagabendgefühl.
Ich werde ein Räucherset kaufen.
Ich möchte so gern fromm sein.
Ich muß viele meiner Urteile revidieren.
Ich wäre am besten dran, wenn ich das Urteilen überhaupt aufgäbe.
Ich muß über meinen Eifer schmunzeln.
Ich betrachte den Fleck an der Wand.



(15./16.10.)











©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com


Samstag, 15. Oktober 2016

468 Zweihundertdreiundsiebzig Ich-Sätze (Teil 1)

Ich bin einmal mit dem Zug von Aachen bis Regensburg schwarz gefahren.
Ich fühle mich von Kirchenglocken angerufen.
Ich schaue gern aus dem Fenster.
Ich habe Staub in meinem Zimmer.
Ich bin in der Steiermark geboren.
Ich vertrage nicht viel Alkohol und Kaffee.
Ich war einmal jung.
Ich habe ein reiches Innenleben. Oder besser gesagt:
Ich lebe in einer Phantasiewelt.
Ich liebe die Musik von John Frusciante (erst seit ein paar Jahren).
Ich bin ein „Blatt im Wind“. (C.C.)
Ich kann nicht Englisch.
Ich bin Akademiker.
Ich bin sehr labil.
Ich habe eine Glatze.
Ich habe oft Schuldgefühle.
Ich bin ein schlamperter Hund.
Ich halte nicht viel aus.
Ich trage gerne Anzüge.
Ich bin ein Schmarotzer.
Ich hatte als Kind viele Albträume.
Ich habe mein Erbe schon verbraucht.
Ich neige zur Amtssprache.
Ich bräuchte eigentlich kein Telefon.
Ich halte Daniil Charms für einen großen Schriftsteller.
Ich bin fasziniert vom Namen „Piz Buin“.
Ich kann mir alles nur mehr schlecht merken.
Ich kann nicht wirklich zeichnen.
„Ich bin ein Genie, wie es nur alle zweitausend Jahre gibt.“ (falsch! Außerdem habe ich den Satz von W. Döbereiner gestohlen)
Ich war immer grün hinter den Ohren.
Ich werde ganz leicht rot.
Ich kann gut Fenster putzen (mach es aber nicht gern).
Ich verberge, was ich wirklich denke.
Ich habe oft Kreuzschmerzen.
Ich möchte gerne Slowenisch lernen.
Ich bin überhaupt nicht cool.
Ich war einmal sehr religiös.
Ich brauch zum Lesen eine Brille.
Ich habe oft Frauenhelden beneidet.
Ich kann gut Geschirrspüler einräumen.
Ich verschlinge die Bücher von Knausgård.
Ich mache mich oft peinlich.
Ich bin Döbereiner ins Messer gerannt.
Ich lege den leeren Kugelschreiber auf den Schreibtisch.
Ich verzähle mich gern.
Ich verplempere viel Zeit am Computer.
„Ich bin ein Versager“ (habe ich als Jugendlicher eineinhalb Seiten lang im mein Tagebuch geschrieben).
Ich habe nicht gezählt, wie oft das  (- “ -)  war.
„Ich kann lesen“ (im Internet gefunden).
Ich bin schüchtern.
Ich bin in der St.Eiermark aufgewachsen.
Ich werde langsam richtig alt.
Ich kann mir manchmal infantile Scherze nicht verkneifen.
Ich habe nie einen Kampf gewonnen (soweit ich weiß).
Ich habe Angst vor Menschen.
Ich bin oft schwermütig.
Ich habe trotzdem einiges erlebt.
Ich verstehe die Welt nicht.
Ich glaube, daß mein Schwanz zu kurz ist.
„Ich bin kein Künstler, ich bin kein Poet, ich bin eine Inkarnation, die keiner versteht“ (ein Satz, den ich in meiner Jugend im Radio gehört habe; vermutlich in der musicbox. Weiß nicht mehr, von wem).
Ich habe recherchiert (hahaha; das obige Zitat ist von Oswald Wiener; aber ich hatte es fast fünfzig Jahre falsch im Gedächtnis abgespeichert! Es heißt richtig:).
„ich bin kein künstler, ich bin kein athlet, ich bin eine inkarnation, die keiner versteht“ (Kleinschreibung nicht vergessen!).
Ich war früher fast täglich in der Bluebox.
Ich liebe Formulierungen.
Ich fahre gern mit dem Zug.
Ich habe Angst vor der Welt.
Ich sehne mich nach der Unendlichkeit (sagen wir halt einmal so).
Ich bin bestenfalls ein mittelmäßiger Interviewer.
Ich habe mich ins gemachte Nest gesetzt.
Ich gerate leicht in Stress.
Ich habe schon öfters Schaden angerichtet.
Ich lege mich manchmal zu meiner Frau ins Bett.
Ich lese gern.
Ich bin als Arbeiter gewissenhaft und ordentlich.
Ich trage selten Anzüge.
Ich hatte in der Schule viel Angst.
Ich war ein ganz braves Kind.
Ich konnte meine Talente nicht recht entfalten (deswegen werde ich rausgeworfen und rausgeworfen werden, wo Heulen und Zähneknirschen herrscht. vgl. Matth 25;30).
Ich erfreue mich an guten Formulierungen.
Ich habe zwei linke Hände.
Ich bin einmal wegen dem Revolutionary Ensemble per Autostopp nach Köln gefahren, obwohl sie dort gar nicht gespielt haben (Falschinformation).
Ich bin der Meister der irreführenden Überschriften.
Ich bin leicht zu beeinflussen.
Ich bin jetzt müde.
Ich habe überhaupt kein Vermögen.
„Ich bin ein so ein Idiot!“ (Erleuchtung. Schublade Nummer 64, „der innere Seher?“).
Ich komme ungern zu spät.
Ich glaube an Auferstehung und Himmelfahrt als wirkliche Möglichkeit für jeden einzelnen von uns (nicht symbolisch, sondern wirklich; Himmelfahrt ohne einen Leichnam zurückzulassen).
Ich bin zu nichts zu gebrauchen.
Ich gehe jetzt schlafen.
Ich habe keinen Führerschein.
Ich bin schon einmal betrunken im Straßengraben gelegen.
Ich bekomme die Sachen nicht auf die Reihe.
Ich kann nicht auf eigenen Beinen stehen („Gehilfe“ C.C.)
Ich gehe bald essen.
Ich gebe einem jeden recht.
Ich verberge, was ich wirklich empfinde.












©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 14. Oktober 2016

467 Phytologische Befragung

Lob bekomme ich aus der Unterwerfung heraus. Das süße Gefühl der Zugehörigkeit. Süß, aber trotzdem schal, mit unangenehmem Beigeschmack, unangenehmem Nachgeschmack. Phytologische Befragung (Ich hau mich ab!). Schlaftrunkenes Intermezzo oder schlaftrunkenes Präludium (Was ist denn heut' mit mir los?!). Ausgiebiges Duschen, aber nicht von mir. Die Amis merken nicht, daß etwas faul ist. Ich werde sie in schonungsvollen Schritten hinführen. Eine geheime Welt tut sich auf.

Zweihundertdreiundsiebzig Ich-Sätze

Nichts ist mehr so, wie es war.














©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 12. Oktober 2016

466 Ausgeruht aufgewacht

Ausgeruht aufgewacht. Es zittert noch ein Traum in mir, aber ohne Angst. Wirklich, gar keine Angst. Zuversicht und Optimismus lehnen sich entspannt an meine Verschlafenheit. Dabei war eine Entscheidung im Spiel, gleich im Moment, wo das Bewußtsein aus dem Traum herausgeschnellt gekommen ist. Ich spüre, daß die Angst da unten irgendwo lauert, aber heute hat sie keine Chance. Ich räkel mich genußvoll und fahre den richtigen Wachzustand nur langsam hoch. Kreuzschmerzen sind da, dominieren jedoch nichts. Ein plötzliches, unerwartetes Geräusch an der Durchreiche erschreckt mich, aber kann die Grundstimmung nicht ändern. Ah! Jetzt weiß ich es: es war nicht nur eine Entscheidung dabei, sondern auch eine gute Nachricht gestern Nacht vorm Einschlafen. Die ist mir gleich beim Aufwachen wieder gedämmert: Ein kurzer Text von mir wird bei einer Ausstellung gezeigt; dieser kleine Erfolg stärkt mich ungemein; ich schreibe nicht nur für die Schublade. Ich kann der Welt etwas geben, mit dem sie etwas anfangen kann.

Und das weckt Hoffnungen, daß daraus noch mehr werden könnte.
Da werde ich jetzt vorsichtig, denn meine Erfahrung sagt mir, daß sich die meisten Hoffnungen nicht erfüllt haben. Aber ohne Feindseligkeit mir selber gegenüber. Ich lächle gütig darüber, wie schnell ich optimistisch und vertrauensvoll bin. Wie ein Kind, das noch ein ganzes Leben vor sich hat. (Ich grüße dich; ich bin froh, daß du da bist.) Es macht mir im Moment nichts aus, mich vielleicht in einer Illusion zu verrennen; ich bin bereit, mich einer möglichen Enttäuschung zu stellen. Außerdem glaube ich an Wunder. Auch, wenn ich ein Wundertäter ohne Wunder bleibe. Die Tatsache, daß Wunder möglich sind, beruhigt mich ungemein, auch wenn ich selber keines vollbringe. (Genauso wie die Geschichte, daß es Schmetterlinge gibt, die in einem Sommer von Nordeuropa über die Alpen bis in den Süden kommen. Oder die Erzählungen von Auferstehung und Himmelfahrt. Daß es diese wirklichen Möglichkeiten, diese Chance wirklich gibt, genügt für meinen Seelenfrieden, auch dann, wenn mir das nicht gelingt.) Es ist keine Schande, einer der Millionen Schmetterlinge zu sein, die es nicht über die Alpen schaffen.

Ein guter Zeitpunkt für die Morgenmeditation. Der Optimismus gebiert viele Bilder. Es gelingt mir nicht, meinen Geist leer zu räumen. Aber das macht nichts. Das rote Leuchten ist auch noch da.

















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 11. Oktober 2016

465 Anders! Ganz anders!

Am Morgen wieder von der Angst gepackt. Ich lasse meinen Kopf schief hängen. Mein Gott, an was klammere ich mich denn so?
Jetzt ist meine stille Stunde, in der Wohnung ist es ganz ruhig. Die Angst spüre ich vorallem im Bauch, als harter Knoten in der Nabelgegend. Das Herz pumpt tapfer Blut. In den Ohren schrillt und schreit und surrt es. Bruchstücke von Zeit tanzen vor meinen geschlossenen Augen herum. Allmählich lockert die Angst ihren Griff und ich kann seufzen und durchatmen.
Die Schwingungen von Schritten erreichen mich von irgendwo her und lösen neuerlich die Angst aus. Ich schrecke auf und weiß nicht weiter. Ein sinnloser Alarm, der mir wahrscheinlich viel Energie gekostet hat.
Ich schwebe einen geräumigen Schacht nach unten, wie im Inneren eines riesigen alten Turms ohne Stiegen.
Jetzt spüre ich das Herz, leicht verkrampft. Ich habe von der Welt wirklich keine Ahnung. Ich verstehe nichts, was da draußen passiert. Wieder wird mir fast schlecht vor Angst. Ich halte tapfer dagegen, nur, daß ich nicht zermalmt werde. Irgendwie überstehen; es muß nicht elegant sein.
Erinnerungsfetzen leuchten kurz auf und verlöschen gleich wieder. Neue Welle der Angst; nur nicht mitreißen lassen. Bei den Erinnerungsfetzen sind auch fremde Erinnerungen dabei, wie ich gerade feststelle. Aber ich habe keine Zeit, mich darauf einzulassen; ich bin voll im magnetischen Kampfgeschehen und will überleben.

Vorerst scheint das Ärgste überstanden. Erschöpft und schwer gezeichnet will ich mich dem Alltag zuwenden. Im Innersten vibriert die Angst noch ein wenig; es bleibt ein flaues Gefühl.

Ich muß alles ganz anders angehen. Ganz anders!














©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

464 Hadern und Trauern

Da vorne im Bücherregal ist ein rotes Licht. Ein langgestrecktes Konglomerat kleiner quadratischer roter Lichtpunkte. Ich gebe zu, ich habe die Lesebrille auf, da sehe ich in der Weite verschwommen. Schön wäre es, wenn das energetische Gäste wären, aber wahrscheinlich ist es eine gewöhnliche Lichtreflexion. Oder eine ungewöhnliche, denn ich sehe das Phänomen zum erstenmal und kann mich nicht erinnern, in letzter Zeit an dieser Stelle im Bücherregal etwas verändert zu haben.

Ich hadere manchmal damit, wie ich mein Leben gestaltet habe, aber das ist gar nicht der springende Punkt. Denn ich muß nicht hadern – ich kann ja auch sagen: alles, was jetzt ist (oder nicht ist), ist die Folge meiner Entscheidungen in meinem Leben. Ich habe jetzt das, was ich verdiene. Genau das. Und wenn ich mir das innerlich klarmache, akzeptieren das mein Geist und meine Seele. Nur: Schmerz und Trauer bleiben da. Das dürfen sie auch.



(10./11.10.)








 ©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

463 Kurze voyeuristische Notiz

Die vielen erleuchteten Fenster hier draußen am Platz, ich möchte sie öffnen und reinschauen, wie das Leben da abläuft. Ohne einzugreifen, ohne zu reagieren, am besten unsichtbar. Überhaupt durch Mauern schwebend, dann bräuchte ich keine Fenster öffnen.
Das ginge, ich müßte nur meinen Traumkörper formen und einsetzen.

Manchmal sieht man Schemen am Fenster vorbeihuschen.



(10.10.)








©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 10. Oktober 2016

462 Was ist in mir?

Schlecht geschlafen und müde. Die Kreuzschmerzen bis in den Traum. Und wieder ein kurzer Blick in meinen Abgrund, irgendwann mitten in der Nacht. Kommt jetzt das große Aufräumen? Das Gefühl, daß von mir nichts übrigbleibt. Unter der Maske ist nichts. Naja, mit so blöden Gedanken muß ich mich nicht aufhalten. Aber wie geht es weiter? Es soll Schmetterlinge geben, die im Frühling von Skandinavien nach Süden aufbrechen mit dem Ziel, über die Alpen zu kommen.
Es kommen nur ganz wenige an. (Italien will ich als Ziel nicht hinschreiben, alle wollen „gen Italien“. Und ich weiß es nicht, vielleicht biegen auch welche links ab Richtung Balkan?) (Damit sind wir wieder bei Freud und der Lücke in der Bücherreihe im Regal links oben und bei meinen jahrelangen „Reise-in-den-Süden“-Träumen, wo ich immer nach Jugoslawien zu reisen versuchte und immer an der selben Stelle hängen blieb.)
Auch jetzt beim Schreiben bin ich hängen geblieben. Ein Vibrieren läuft durch meinen Körper und um ihn herum. Verwirrung aus Schlafmangel. (Aber ich habe Zeit. Ich kann bis in den Nachmittag schlafen, wenn ich es will und wenn es meine Schmerzen zulassen.) Von meinen in die Matratze gepressten Fußsohlen gehen aufsteigende Impulse aus. Die Welle geht über mich hinaus bis ins Universum, den Sternenhimmel über mir. Ich bin an der Kante des Selbstmitleids – unklar aus welcher Richtung – und frage mich nach dem, was in mir ist. Was ist in mir?










©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

461 Zu früh gefreut

Sonntagnachmittag. Ich hab eh nichts erreicht damit! Also braucht's nicht eifersüchtig sein. Aber es stimmt! Ich habe mich rausgehoben. Der Preis ist sehr hoch. Ständige Selbstzweifel und ständige Kreuzschmerzen. Wie kann man nur so stur sein!?
Im Bücherregal links oben eine Lücke. „Da kommt Freude auf!“ - wahrscheinlich auch so ein Spruch aus WWII. Ich vermute es halt; fast alle Männersprüche kommen aus dem Krieg. Nicht aus irgendeinem, sondern aus diesem Krieg. „So ein Koffer!“ vielleicht noch aus der Monarchie. Von „Kuffar“ - „Ungläubige“ - als Schimpfwort über die K&K-Armee (Bosnien!) ins Wienerische gewandert??? Ich weiß es nicht; ich bin kein Sprachgelehrter. Das interessiert mich jetzt auch nicht, obwohl es mich sonst immer interessiert. Also, liebe Kreuzschmerzen – was wollt ihr mir sagen?! Das Herausheben ist dem Rückgrat schon zu anstrengend? Entspannen und Loslassen? Aber was? Alles? Was alles? Überhaupt untergehen?
Die Haller Mauern fallen mir ein. Die Assoziationskette verlief folgendermaßen: „50% der Kreuzschmerzen gehen auf Depression zurück“ - habe ich vor kurzem so oder ähnlich von Reinhard Haller gehört – Haller Mauern – Hall bei Admont. So, jetzt bin ich ganz in der Nähe meines Geburtsortes geraten. Passt alles. Von Hall bei Admont zu Hall in Tirol, Andi Haller – Hilfe bei Übersiedelung im Jahr 1985 (? oder 86?) - jetzt breche ich die Kette ab (sie ginge so weiter: Andi – Andreas Speckbacher, Sohn des Josef Speckbacher (Tirol) – Vorfahren – Referat in der Unterstufe Gymn. - oh wie beschränkt war mein Horizont damals! … aber heute!!! … )



(9.10.)









©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 6. Oktober 2016

460 Das Kreuz ist deutlich besser heute

Von irgendeinem Lärm erschrocken bin ich aufgewacht. Ich zitter noch, vom Traum? vom Schrecken? Die Ohren surren ganz verrückt. Das Herz, es klopft wie aufgescheucht. Das Kreuz ist deutlich besser heute, so liege ich im Bett und warte, was da kommt. Die ersten Gäste sind die Katzen, die ins Krankenzimmer kommen; die eine schnell, die andre fragt erst an.
In dieser Flaute schau ich plötzlich tief in meinen Abgrund; es rutscht mir sozusagen dieser Blick ganz einfach aus; und unvermittelt, plötzlich steht das Bild vor mir, die unangenehme Wahrheit ist nicht wegzuschieben, obwohl sie mir zunächst, sofort entglitten ist. Das auffrisierte Selbstbild funktioniert nicht mehr. Mein schmerzgedämpfter Körper nimmt's gelassen; die Psyche eiert noch herum und will sich drücken.













©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

459 Homo Incurvatus In Se

Den ganzen Tag verkrümmt herumgegangen. (Mir geht dieser Telegramm- Tagebuchstil schon sehr auf die Nerven! … Wissen überhaupt noch alle, was ein Telegramm ist?) Das gibt ein deutliches Bild ab: „der in sich selbst verkrümmte Mensch.“ (Von wem das Zitat stammt, weiß ich nicht mehr; es ist die Definition von „Sünder“ - irgendwann auf der Theologie aufgeschnappt.) (AH! Schön! Ich habe auf Wikipedia nachgeschaut, ich zitiere – (danke Universum, daß es Wikipedia gibt!) - „homo incurvatus in se - (lat; dt: „der auf sich selbst verkrümmte Mensch“) ist eine prominente Formel der christlichen Theologie. Sie kennzeichnet die Selbstbezogenheit des Menschen anstelle von Gott- und Nächstenbezogenheit (Proexistenz bzw. Liebe) als das Wesen der Sünde.“ Geht auf Augustinus zurück und wird von Thomas von Aquin aufgegriffen. Schreibt Wikipedia.) (das AH! wegen Thomas von Aquin, nicht wegen Augustinus!) Gottseidank konnte ich halbwegs schmerzfrei liegen, und deshalb viel lesen. (Übrigens, wenn wir schon bei den heiklen Zitaten sind: auch Don Juan Matus sagt bei Carlos Castaneda, daß es keine Krankheit gibt, sondern nur ein Sich-Gehen-Lassen. Das ist die gleiche Aussage wie oben, nur in einem anderen Sprachspiel. Es ist nämlich mit Sich-Gehen-Lassen nicht das Gegenteil von Sich-Zusammen-Reißen gemeint, sondern die Verweigerung, die Verantwortung für die eigene Existenz hier auf Erden zu übernehmen und dafür, ihr magisches Potential zu entfalten. Anders gesagt, die Weigerung, sich auf den abstrakten Punkt zu beziehen.) (Hi, Hi, Hi, Hi, Hi!) (In Wirklichkeit habe ich mich nur ein wenig geärgert, weil auf Facebook einige Leute das DJM-CC-Zitat geliket haben, während ich selber vor Schmerzen darniederlag. Als hätte das was mit mir zu tun!) Also, Gottseidank konnte ich halbwegs schmerzfrei liegen und deshalb viel lesen. Ich habe sogar mit Freuds gesammelten Werken begonnen, weil ich im heutigen ersten Text (458) mit dem „Vom-Kopf-auf-Die-Füße-Stellen-Freuds“ angegeben habe. Vielleicht jedoch stellt er mich auf den Kopf. (Jetzt habe ich den fast unwiderstehlichen Drang, irgendetwas Selbstrelativierendes zu schreiben, so a là: „ja, natürlich ist das von mir eine Anmaßung, ich meine das eh nicht ernst, ich kann am großen Freud natürlich nichts kritisieren, da bin ich viel zu … etc.“ - aber nein, nein, nein! Ich verkneife es mir; ich schreib's nicht hin!) Wir werden ja sehen. Ich nehm' das alles nicht so ernst, denn wenn ich mich den ganzen Tag mit solchen Sachen beschäftigen und herumspielen kann, dann bin ich zufrieden und fröhlich. Innerlich lache ich sogar.
Und außerdem: wenn ich schon in meinem Leben nichts erreicht habe, dann muß ich mich jetzt auch nicht mehr anstrengen. Nicht mit der Freudwiderlegung, nicht einmal mit diesem Text hier. Was für eine Freiheit! (Bei der sogenannten „Freudwiderlegung“ geht es nur darum, daß der Freud von seinem Standpunkt aus den abstrakten, dritten Punkt nicht in seine Überlegungen einbeziehen konnte. Aber darüber habe ich schon vor Jahren hier in der Schublade etwas geschrieben.) (Dieser Telegramm- Tagebuchstil erinnert mich immer an Briefe oder Tagebucheintragungen deutscher Soldaten im WWII von der Front, der sich noch lange im Brief- und Postkartenstil dieser Generation gehalten hat und sehr nach „Amtssprache“ (Eichmann; siehe dazu auch Marshall Rosenberg) klingt.) Der in sich selbst gekurvte Mensch.



(5.10.)









©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 5. Oktober 2016

458 Das Kreuz ist meine Schwachstelle

Meine Schwachstelle bereitet mir heute die stärksten Schmerzen. Meine Aufmerksamkeit ist sozusagen ans Kreuz genagelt. Sie registriert darüber hinaus nur das alarmierende Surren in den Ohren. Jenseits aller Wortspiele: mich bewegen und bücken tut sehr weh. Meine Gedanken zeugen von einer gefühllosen Geisteskälte. Was sagt mein Herz dazu? Momentan nichts. Schweigt es wirklich oder spür ich es nicht? Jetzt fühle ich ein leichtes Stechen in seiner Gegend. Der linke Arm, der das Notizbuch hält, wirkt ein wenig verkrampft. Ich lasse das Buch los und strecke die Finger meiner linken Hand aus und schließe sie wieder. Mehrmals öffne ich die Hand und schließe sie wieder zur Faust. „Schach dem Herztod!“ fällt mir ein, die Kampagne mit dem einarmigen Dr. Kurt Jeschko, der angeblich mit zwei Frauen im Bett am Herzinfarkt starb. (Ich selber hocke im Bett und zwei Katzen umkreisen mich.) Ich wundere mich, wie blöd mein Geist sein kann und worüber er sich amüsiert. Auch nicht weitergekommen als unsere Väter, einarmig oder nicht.
Ach! Ich wollte ja vor meinem Tod noch den Freud vom Kopf auf die Füße stellen – oder umgekehrt. Dann sollte ich bald mit der Arbeit anfangen. Egal, das Wichtigste dazu habe ich eh schon geschrieben, irgendwo tief unten in der Schublade, so eine Skizze halt. Ich bräuchte ein bedingungsloses Grundeinkommen, um wirklich daran zu arbeiten. (An einen Lohn für eine solche Arbeit denke ich gar nicht mehr, ich habe nicht das Gefühl, daß mir soetwas zusteht.) Das mit dem bedingungslosen Grundeinkommen denkt sich wahrscheinlich mein Selbstmitleid. Wenn ich mich behaupten muß, wird es nicht gehen (bei diesem kaputten Rückgrad!). In einer unfreundlichen Welt gehe ich unter, egal, wie sehr ich selber ein Grantscherben bin. Im Daseinskampf verliere ich.

Okay, meine Aufmerksamkeit hat sich wieder vom Kreuz gelöst, der Geist fährt wieder herum und ich war jetzt von den Schmerzen abgelenkt; die Schmerzstarre ist ein wenig aufgelöst. Meine Aufmerksamkeit wendet sich naheliegenden Dingen zu; zum Beispiel registriert sie, daß ich hungrig bin und Lust auf ein Frühstück habe. Meine Disziplin denkt: vorher den Text fertig schreiben und auf die Schublade stellen, mit vollem Bauch bist du lascher. Meine Resignation sagt: Stör deine Familie nicht beim Frühstücken! (Nein, das sagt meine verstörte Seele.) Meine Müdigkeit sagt: ich will noch nicht aufstehen. Meine Vernunft und meine Neugier sagen: nutze die stille Zeit zum Lesen (Walter Kempowski, Das Echolot, Freitag, 12. Dezember 1941), das geht ganz angenehm im Bett. Du frühstückst doch sonst nie vor elf, zwölf, und jetzt ist es zwischen sieben und acht.
Die eine Katze schnurrt, die andere schreit.
An üben ist heute nicht zu denken.

















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 4. Oktober 2016

457 FKK

Mir hat geträumt, daß ich als Chorsänger in der Kirche wie alle anderen Sänger auch bei der Osterliturgie nackt auftreten muß, als Zeichen der Demut. Aber irgendwas stimmt nicht, denn ich bin der einzige Nackte. Es scheint der falsche Moment zu sein, zu früh vermutlich. Oder will sich sonst keiner die vorgeschriebene Blöße geben? Geht es sich noch aus, mich schnell anzuziehen, bevor der Gesang losgeht? Und wo habe ich mein Gewand überhaupt abgelegt? Der Chor steht übrigens vorne beim Altar, für alle gut sichtbar. Ich werde durch das Aufwachen aus der unguten Situation gerettet. Richtig schwer peinlich war sie mir nicht. Ich war eher verwirrt darüber, was jetzt los ist und was jetzt gilt.

Draußen regnet es und ich genieße die angenehmen, melancholischen Geräusche der auffallenden Regentropfen. Aber etwas ratlos bleibe ich doch zurück, was will mir der Traum bedeuten?
Diesmal besteht der Dreiklang aus Regen, Weckerticken und Ohrensurren. Der Nachhall des Traumes läßt meine Schreiberei nicht Fahrt aufnehmen, ich bleibe immer wieder stecken. Meine Gedanken kehren immer wieder zum Traum zurück, ohne jedoch damit weiterzukommen. Das Surren in den Ohren ist so laut, als wäre ich die ganze Nacht in einer bis zum Anschlag aufgedrehten Disco gewesen. Jetzt heult mich auch die Lüftung aus dem Lichtschacht an, aber gedämpfter, denn ich halte das Fenster geschlossen.

Am Liebsten würde ich heute nichts tun. Gar nichts! Nur der Stimmung meines Traumes und meines Daseins nachspüren, zu erfühlen versuchen, was die Botschaft ist – von beiden: Dasein und Traum. Und nachdenken, was das bedeuten soll. Es würde mir sicher viel einfallen. Aber die kontemplative Lebensweise wurde schon vor Jahrhunderten von der dummdreisten Rationalität zerstört. Spätestens mit Joseph dem Zweiten.
















©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 3. Oktober 2016

456 Das Kreuz ist mein Schwachpunkt

In meinem Körper spielt es sich ab. Wellen durchlaufen ihn, ein Ziehen baut sich auf, das Herzklopfen dehnt sich aus. Die Auflageflächen halten alles zusammen, sie sind der Rand. Ich fühle nämlich meinen Körper fast als Gefäß, die hockende Haltung mit angezogenen Knien erlaubt diesen Eindruck. An den Druck- und Knotenpunkten kribbelt es: Hände, Handgelenke, Fußsohlen, Nacken, Hintern, an der Stelle der kaputten Bandscheibe im Kreuz. (Das Kreuz ist mein Schwachpunkt.)
Auch hinter den Augen ist irgendetwas. Am stärksten spüre ich die Hände; die arbeiten, weil sie Notizbuch und Schreiber halten. Dann die Fußsohlen, weil die den hockenden Körper abstützen.
Jetzt geht eine Welle von unten in den Kopf und darüber hinaus, die mich ein wenig hoch zieht, obwohl mein realer Kopf nach vorne gekippt bleibt.
Meine Aufmerksamkeit schnellt hin und her und wird auch – von außen? - herumgeschnellt, eine Bewegung, die ich auch körperlich fühle. (Will ich den Energiekörper „herbeischreiben“? Das wird nicht gehen!)
Nun sinkt alles nach unten.
Ich werde mich wieder ausstrecken.











©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

455 Deja-vu

Die Birke dort trägt ihr frühherbstliches Laub - noch grün, aber schon trocken und angewelkt, gelb schimmern bereits manchen Stellen am Rand - im sonnigen Nachmittagslicht; der Wind streicht sanft über die Blätter und bringt sie zum Vibrieren. Ihr Anblick ruft Erinnerungen hervor, aufgeladen mit altbekannter Sehnsucht, aber ohne Inhalt. Ich erinnere mich an nichts Konkretes, nur an das Gefühl. Ich komme nicht durch zum Kern. Vielleicht sind in diesen Erinnerungen viele Herbsttage meiner Kindheit gespeichert, die Ferien sind vorbei, die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, die Schule hat wieder begonnen, ich bin nicht ausgekommen. Ich atme durch und will mich den kommenden Herausforderungen stellen.

Da drüben sehe ich in dem Haus da ein helles Zimmer im oberen Stock, mit schöner Aussicht und Überblick, große Fenster, die Sonne scheint hinein. Gleich sehe ich mich in diesem hellen, ruhigen Arbeitszimmer am Schreibtisch sitzen, die große Bücherwand, ich arbeite an einem Text. Auch dieses Bild kommt wie eine Erinnerung daher. Aber wo soll ich das erlebt haben? Keine Ahnung, ich erinnere mich nur an die Intensität des Augenblicks.

Ein Deja-vu, denn jetzt fällt mir ein, mich an dieses Zimmer schon vor vierundvierzig Jahren erinnert zu haben. Ich wandere als junger Student durch Graz, und sehe an einem Haus ein Fenster, hinter dem ich ein solches Zimmer vermute. Auch damals sehe ich mich in diesem Zimmer sitzen und arbeiten. Vom Fenster aus sehe ich einen großen, schönen Baum. Auch damals ein starkes Gefühl von Intensität. Vielleicht aber kristallisiert sich in diesem Bild nur meine Sehnsucht danach, meinen Ort und meine Arbeit gefunden zu haben und die „Erinnerung“ meint nur meine Gefühle, die Hoffnung, meinen Platz in der Welt zu finden, und keinen konkreten Ort.


(1.10.)











©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 1. Oktober 2016

454 Erinnerungen

Es muß irgendwo einen anderen Ort geben, wo ich lange Zeit meines Lebens verbracht habe. Ob ich an diesem Ort außerhalb oder vor meinem irdischen Leben war, weiß ich nicht. Vielleicht reist meine Seele oder mein Energiekörper, oder eher mein Traumkörper parallel zu meiner Erdexistenz irgendwo in anderen Dimensionen herum und erlebt und erfährt dort andere Welten. Weil die Verbindung zu mir hier nie ganz abgerissen ist, kann immer wieder etwas von dort herübersickern. Und da die Zeit eine Kategorie unseres Bewußtseins ist – wie schon Kant festgestellt hat, wenn ich mich recht erinnere – dann braucht mich die Schwierigkeit der zeitlichen Einordnung nicht wundern. Obwohl ich oft den Eindruck habe, daß ich vor meiner Geburt irgendwo war, wo es mir besser gefallen hat. Eigentlich: vor meiner Zeugung. Ich meine nämlich nicht den Mutterschoß. Es war eine helle Welt. Ich war gern dort. Ich sehne mich danach. Ich habe vage Erinnerungen daran. Die entgleiten immer dem Licht des Bewußtseins, ähnlich den Träumen beim Aufwachen. Mir bleiben nur Ahnungen, stark empfundene Ahnungen. Der Inhalt dieser Ahnungen ist jedoch hell.
Am Rande meiner Bewußtseinsinsel treiben auch schreckliche Erinnerungen herum, viele schreckliche Erinnerungen; ob aus der Frühzeit meines hiesigen Lebens oder von den Eltern, Großeltern, den Vorfahren vererbt, weiß ich nicht. Wir haben sicher viel Krieg in den Genen.
Diese Erinnerungen treten leichter in Bildern auf, ob in authentischen oder geborgten, das weiß ich nicht. Die hellen Erinnerungen haben kaum Bilder, höchstens ein vages Empfinden von Helligkeit und Weite.
Es können dies alles auch Erinnerungen der Energiefäden sein, aus denen ich zusammengesetzt bin und von denen die Zauberer sagen, daß jeder einzelne Energiefaden Bewußtsein und damit Erfahrung hat und früher andere Verbindungen eingegangen gewesen ist. Auch das kann sein.
Ich bin bei dieser Erforschung noch nicht weiter gekommen.


(30.9./1.10.)










©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

453 Energiesparlampe

Heute Morgen bin ich noch im Finstern in die Katzenscheiße gestiegen. Scheiß Energiesparlampen, dieses elende Funzellicht! Scheißkatzen, eure Freundlichkeiten gehen mir schon sehr auf die Nerven! Ich werde euch im Wald aussetzen! Wertvolle zehn Minuten meiner schmerzbehinderten Morgenzeit gehen ans Reinigen des Bodens und meines Hausschlapfens verloren.
Der Ärger darüber hat jetzt alle anderen Wahrnehmungen verdrängt. Die akustische Dreifaltigkeit von Lüftungsgeheule, Weckerticken und Ohrensurren, die geht allerdings immer um diese Zeit, so auch jetzt. Aber sonst fühle, spüre, höre ich nichts. Ich wurde zu schnell in die Realität gestoßen. Ich bin geradezu ratlos. Ich habe diese Zeit fürs Schreiben eingeplant, aber jetzt ist nichts.

Vielleicht ist es gut so, denn ich ahne tief im Hintergrund Gefühle wie Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, aber ich hole sie nicht hervor; darauf brauche ich jetzt nicht eingehen.
Also, ihr Katzen werdet nicht im Wald ausgesetzt.






Abend. Diese Müdigkeit in letzter Zeit. Das Gefühl seelischer und körperlicher Erschöpfung. Ich darf mich dem nicht ausliefern. Ich bräuchte wieder etwas, das mir Hoffnung und eine Perspektive macht, etwas wie ein fernes Licht in der Dunkelheit, auf das ich zugehen kann. Aber die Angst vor neuerlicher Enttäuschung wäre auch riesengroß. Ob ich noch einen Aufbruch schaffe?

(30.9.)










©Peter Alois Rumpf    Oktober 2016     peteraloisrumpf@gmail.com