Dienstag, 30. Juni 2020

1906 Rede mit Resi


Der Wind klappert erst jetzt mit den Fensterflügeln, die doch die ganze Nacht über offen standen. Die Sommervormittagsstille mit leisen Geräuschen vom Autoverkehr, eine männliche Radiostimme – fast poetisch.

Der Wind geht durch meine Kammer und versucht, das Fenster zu schließen, aber bewegt die Fensterflügel in der falschen Reihenfolge, so daß sie sich blockieren.. Er wird immer wilder dabei. Ich fürchte um die Glasscheiben.

Ich spreche mit der Katze, die schon wieder gefüttert werden will, und sage: Rede mit Resi! Die kann das auch!










(30.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1905 Das sollte genügen


Es surrt heute als freundliches Singen und es fehlt ihm die übliche ohrenverletzende Schärfe fast völlig. Dafür, daß ich so lange schlafe, bin ich viel zu müde, schon jetzt, noch nicht einmal Mitternacht. Mein Blick glaubt hier bereits alles zu kennen und ist sehr unaufmerksam geworden, wandert nicht mehr, sondern eilt gleichgültig über alles hinweg.
Ich zwinge ihn, sich langsamer zu bewegen, aber er weigert sich, mehr Input aufzunehmen, sondern trübt alles gleichmäßig ein.
Ich selber finde keine Stelle, wo ich meine Augen weiden kann, oder wenigstens den Blick verankern. Begleitet wird das von Unlust und deutlicher Frustration.

Das rosarote, horizontale Leuchten einer Buchrückenschrift, das am stärksten meine Aufmerksamkeit anzieht, hasse ich und ich habe mir geschworen, nie mehr Bücher mit Metalliseschrift zu kaufen.
Mir zu Fleiß richte ich richte ich nun mein Geschau auf diese unangenehme Stelle; vielleicht hat gerade sie eine Botschaft für mich.

Nein, hat sie nicht. Daß das kapitalistische Aufmerksamkeitsgeheische abstoßend ist, habe ich schon vorher gewußt.

Jetzt nehme ich einen blaßblauen vertikalen Streifen ins Visier, viel angenehmer, wie ein kleines Nebelband oder schwaches Glitzern auf nassem Asphalt, aber das aufdringliche Rosarot verbleibt am Rande des Gesichtsfeldes und stört.

Wenn ich das rosarote Glitzern mit meinem Notizbuch vor Augen abdecke, wird der Raum schlagartig angenehmer, schöner und meiniger, jedoch ermüden meine Arme schnell. Ich brauche jedoch dieses Buch: Wörterbuch Tschechisch – Deutsch und vice versa.

Ich stecke das Buch woanders ins Regal; immer noch sichtbar, aber um die Hälfte gedämpft.
Das sollte genügen.








(29./30.6.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 29. Juni 2020

1904 Für heute


Den Faden verliere ich; auf der Schädeldecke krieselt und rieselt es sich;
ich werfe orientierungslose Blicke aus meinem nächtlichen Bettversteck.
Viel, viel Sonne heute hab ich aufgenommen.
Wohin werde ich noch schwimmen oder schwemmt es mich?
Ich lache mich unhörbar aus.
Finita la comedia, für heute.










(28./29.6.2020)








©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1903 Umsonst


Herzklopfen in aller Herrklotzsfrühe. Beim Katzenfüttern überanstrengt in der Morgendämmerung? Oder beim Kirschenessen? Oder beim Öffnen des klemmenden Fensters? Beängstigend, wie aufgeregt mein Herz schlägt. Meine linke Hand hat den Drall sich zu verkrampfen. Ich arbeite dagegen und suche Unterstützung bei den faden Taubenrufen.
Die frische Lichtschachtluft tut gut. Ich lauere auf Schreibanregung beim Geräusch diverser Klospülungen.
Im Bauch ist mir immer noch flau. Mein Kopf ist immer noch in Schrillsubstanz gehüllt. Die wird jedoch immer durchlässiger und akustischer und auf ihre irdischen Frequenzen beschränkt.

Ja nicht den linken Arm verkrampfen!
Im Vorzimmer knackt es. Auch mich erreicht die kalte Luft nun besser.
Ein Druck in den Ohren, als würde ich mit einer Seilbahn fahren. Die tauben Rufe kommen näher.
Meine Ohren arbeiten wie verrückt, um aus den stillen Phasen Lärm zu holen.
Jetzt werd ich wieder müde.

Oh, das Gold meiner töchterlichen Miniikonen glänzt! Und weil sehr klein, ist es nicht zu aufdringlich. Ich suche das wiedergefundene Bild der einfachen Frau, die sich gerade zu entkleiden beginnt in ihrem erschrockenen Weiß (dem Maler aus Armut Modell gestanden?).
(Die Katze hat sich schnurrend auf meine Brust gelegt und stinkt aus dem Maul.)

Mein Gott! In mir steigt der Mut auf, heute in die Albertina zu gehen! Ein Wunder.
Ein Windstoß, der die Zimmertür schlägt, schreckt uns beide – Katze und mich – auf.

Diese Albertinaidee breitet sich in meinem Inneren aus und verfestigt sich. Sie erreicht mein Herz, das aufgeregt ausruft: Wir schaffen das! Zaghafte Wellen des Optimismus und der Zuversicht durchrieseln mich; ich kann es kaum glauben.
Ich lasse meine Seele noch ein wenig in diesem Gefühl schaukeln, wachsam, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen.

Ich möchte eine jungfräuliche Entscheidung. Eine die aus mir kommt und nicht durch Aufrufe, Anweisungen, Übergriffen, Programme, Belästigungen bedrängt und verunreinigt ist.

Aber es wächst auch die Angst. Und immer noch nicht kann ich mir vorstellen, wie ich Paria in die Albertina hineingehe; ich, der ich doch schon aufgegeben habe und nicht mehr um einen Platz in der Gesellschaft kämpfen will; ich, der ich im Ausgedinge bin (obwohl mir der Hof nie gehört hat); ich, der ich sozial und gesellschaftlich ein Nichts bin. Gar nichts.

Jetzt tobt der Kampf zwischen Hoffnung und Verzweiflung.










(25.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1902 Niederbiegen


Die Tage biege ich nieder. Der Leere entkomme ich so nicht. Große Scheu hinauszugehen. Ich bin selbst erstaunt darüber. Die Rollo ist repariert. Am Abstellgleis? Im Ausgedinge? Welcher Schreck hat mich da hineingejagt. Will ich meine Wunden lecken? Schütze ich mich oder mach ich mich fertig?








(24./25.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 24. Juni 2020

1901 Die Stephansdomwäscherei


Meine Ohren tun so, als würden sie einen Düsenjäger hören, und als wären sie ein wenig mitten drin. Das war sofort vorbei, wie ich das Licht aufgedreht habe. Nun wollen die Ohren das Drehen der Spülung im Geschirrspüler hören – was genauso nicht stimmen kann, aber die Illusion dieses drehend schleifenden und unwuchtigen Geräusches hält sich schwach, aber hartnäckig.

Ich möchte mich wieder in Dunkelheit hüllen.

Der Impuls, den soeben mühsam zurechtgelegten Satz aufzuschreiben, vertreibt ihn wieder und löst ihn sofort im Vergessenen auf, aber läßt ihn mir bedeutend und gewichtig erscheinen.

In meinem Notizbuch drüben schauen die Zeilen interessanter aus: eine Seite ist irgendwie rund beschrieben, lesen konnte ich es jedoch nicht mehr.

Ich weiß nicht, wie meine Wäsche in die Stephansdomwäscherei geraten ist – über die Erbsünde vielleicht, die mir schon seit einer Stunde im Kopf herumgeht.

So ein Rowdy geht auf meine unbefleckte Weiblichkeit innen los. „Zurück zur Anklagebank!“ hätte ich beinahe schon gesagt. „Schau, die!“ sagt die weibliche Stimme meiner Frau in mein rechtes Ohr, als ich jedoch die Augen öffne, ist nichts zu sehen.

Drüben, in der anderen Welt, geht die volle Badewanne im Überschwemmungsgebiet nieder.

Wieder eine deutliche Diskrepanz zwischen den Notizbüchern. Immer wache ich ernüchtert auf, aber diesmal habe ich meinen rechten, Kugelschreiber haltenden Daumen glitzern und funkeln gesehen.

Ein starkes Ziehen, das von einem Stechen oben an der linken Schläfe ausgeht, verzerrt meinen Schädel nach rechts.
Die Verehrung der Heiligen Jungfrau vom Heiligen Bründl soll von dieser Stelle ausgehen, aber Sartre scheint desinteressiert (habe ich 1989 in Paris wirklich mit Sartre gesprochen? Geht sich das mit seinem Todesjahr aus?).

Ein Dreieck zwischen den -ings – eine philosophische Dreifaltigkeit. In diesem Fall hat sich die Zahl als unwirksam erwiesen.

Mein rechter Daumen am linken Zeigefinger ergibt einen viel zu starken Impuls.

Werden so viele Geräusche auch vererbbar sein?

Die Welt ist altklug, angewiesen auf soon-i-noar.

Doch, das sensible Verhältnis hängt dir deutlich um.

Wir sehen unsere Beziehung weiter als Salonpraxis?!









(23.6.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1900 Entzug


Heute bin ich – obwohl erst nach zwei Uhr nachts zu Bett gegangen – um acht Uhr aufgestanden, denn ich hatte Großes vor.
Ich habe geduscht, gefrühstückt, telefoniert und da noch etwas Zeit war, Photos von mir und meinen neuen T-Shirts gemacht, auf Facebook in mein Album gestellt und dann bin ich noch ein wenig herumgesurft und dann war es so weit:

Ich stecke mein Laptop ab, gebe es in den Einkaufstrolley, stecke die Einkaufsliste ein und fahre ihn auf einem Umweg, um einhundert Euro vom Bankomaten abzuheben, zu Fuß zum Reparateur.
Dann bin ich – weil schon mit Trolley unterwegs – einkaufen gegangen, habe das Zeug nach Hause geschleppt, habe dort das vergessene Netzanschlußkabel des Laptops in den Rucksack gesteckt, meine beiden Notizbücher (Traum und 'Wirklichkeit) dazu und bin nochmals zum Reparateur.

Dort habe ich das Kabel abgegeben, habe mich auf den Weg zurück gemacht, überlege, ob ich mir einen Kaffee in meiner neu übernommenen Stammcafebar leisten und erlauben darf (meine altertümliche, feudalistisch beformte Seele empfindet das als Verrat an den vorigen Pächtern), schwanke, stelle fest: Montag geschlossen, und bin nach Hause.

So! Was tun? Lesen, denke ich. Dafür lege ich mich aufs Bett, unten wirbeln die Tagis, ich denke mir: ich will ein wenig ruhen und lauschen – aber nicht so gezielt, eher die Geräuschkulisse als Ganzes genießen. Mir Kurzbehosten wird ein wenig kalt, ich schlüpfe unter die Decke und wache um dreiviertel Drei auf.

Nun liege ich wieder im Bett, habe brav gelesen, überlege wieder: was tun?
Ich könnte das Douloxetin recherchieren, angeregt von einer Facebookfriend, die kein Medikament einnimmt, ohne sich vorher gründlich kundig gemacht zu haben. Ach!: fällt mir auf: ein Denkfehler! Das Laptop ist doch beim Reparateur! Ich lächle in mich hinein ob meines typischen Entzugsverhalten. Dieser Fehler passiert mir heute öfters.
Ich könnte nochmals versuchen, das Rouleaux zu reparieren. Ja, aber zuerst schreibe ich das auf. Und es gäbe viel mehr zu tun: das Zimmer staubbesaugen. Äh! Das wird mir alles schon zu viel! Ich bleibe bei der Reparatur des Rouleaux.

Erledigt.
Ionesco, Knausgård gelesen; und die Muse gefunden, einfach und absichtslos im Atlas zu blättern. Dann wieder eingeschlafen.

Viel, viel geschlafen!










(22.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1899 Versuche


Ich lache über die Katze: sie geht, wenn ich das Bett richte, aus dem Zimmer, und kommt wieder bei der Tür herein, wenn ich mich hinlege.

„Großvatilein! Großvatilein! Ich bins, dein Pezi!“ So war es bei uns nie. Ich probiere eine andere Familien-Herkunftskultur aus. Unangenehm!
„Mein Sohn! Ich habe dir alles gezeigt, was ich vom Leben und der Welt weiß und weitergeben konnte. Jetzt geh hinaus und versuche dein Glück! Zurückkommen darfst du immer, egal, wie es dir ergangen ist.“ Nein, so war es auch nicht.
„Hearst! Gschissener! Wos wüsd'n do!“ So war es auch nicht. (Hätte dann denken können: „so ein Trottel!“)


Ich breche diese Versuche ab.









(21./22.6.2020)








©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Sonntag, 21. Juni 2020

1898 Botschaft 014


„Lyris fehlt!“

Anmerkungen des Aufschreibers:
Eindeutig eine Botschaft, da kein begleitender Traum.
Kanal: der übliche Traumchannel
Wer spricht? Männliche Stimme.
Tonart: fest, laut; wie ein Zuruf bei wenig Zeit (sozusagen im Vorbeifahren)
Adressat: ich
Muß googeln:
(1) Lyris ist ein Unternehmen in Emeryville, Kalifornien, Vereinigte Staaten, Dachorganisation: J.L.Halsey; Tochter: Piper Software.
Aha. Eine bestimmte Software fehlt. Bin technologisch nicht uptogedated genug. Ist das gemeint? Öffne dich endlich der Moderne (und Postmoderne), aber in den lebenspraktischen Angelegenheiten.
(2) Lyris (Lyrik aus Israel) ist eine Gruppe deutschsprachiger Dichter in Jerusalem. Die Dichter kommen aus Deutschland, Österreich und der Bukowina. Sie verbindet die gemeinsame Sprache und das Schicksal der Emigration. (aus Wikipedia)
Interessant. Was fehlt mir? Verfolgung? Vertreibung? Emigration? Für meine Schreiberei, auf dass sie richtige Dichtung werde und ernsthaft? Für mein Leben überhaupt? Ich habe kein Recht zu jammern, da kein wirkliches Leid erduldet? Soll ich in Israel leben? Mit dieser meiner Herkunft? Gerade deswegen?
(3) Lyris Titanenkind. Kurzbiographie: Heimat: Himmelsrand. Fundort: Kalthafen. Die Zuflucht. Beruf: Soldatin. Ära/Ären: zweite Ära. Aussehen: groß, „nordisch“ blond, vollbusig, großhüftig, alles in Leder, streng, hart, mitleidslos. Volk: Nord. Geschlecht: weiblich. Verbindungen: fünf Gefährten.
Lyris Titanenkind ist eine Nord und Halbriesin in The Elder Scrolls Online. Sie ist die zweite Person, die man trifft und begleitet einen durch die Hauptquest. Sie ist eine bekannte des Propheten und wurde nicht wie der Entseelte nach Kalthafen gebracht. Sie hatte eine schwere Vergangenheit, da sie Riesenblut besitzt und unnatürlich groß ist. Sie verließ ihr Zuhause, um für Kaiser Varen Aquilarios zu kämpfen und wurde Mitglied der fünf Gefährten. (Quelle: fast alles aus und nach elderscrolls.fandom.com).
Tja. Mit solchen Sachen habe ich nichts zu tun. Spiele keine Internetspiele und will es auch nicht. Bei diesem Nordzeugs und Germanengerune wird mir immer sehr ungemütlich. Auch dieser Frauentyp ist mir nicht geheuer. Aber gut, wer weiß, was in den verschmutzten Bereichen der Tiefen der Seele so herumtreibt. Bei den Vorfahren! Wiewohl ich auf meine vor allem slawische und teilweise auch keltische Vorfahren Wert lege! Neben den germanischen, die mir nicht geheuer sind. Wiewohl die Nazerei mit den historischen Germanen nichts zu tun hat. Die Lyris Titanenkind auch nicht. Eben! Darum ist sie mir unheimlich. Was heißt das für mich? Bin ich der Entseelte und nach Kalthafen gebracht? Gefallen tut mir nur: das Wort „Gefährte/in“: jemand, der der gleichen Fährte folgt. Und Aquilarios, wenn der wirklich was mit Gewässern zu tun hat.
 

Ach zum Teufel! Mir ist das jetzt zu viel und zu blöd. Schluß für heute.











(21.6.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1897 Botschaft 013


„Du mußt mich jetzt wieder verlassen, sonst bekomme ich Schwierigkeiten!“

Anmerkungen des Aufschreibers:
eindeutig eine Botschaft: nicht in Traumgeschichte eingebettet, sondern eigenständiges Ereignis für sich: ich höre die Stimme, sonst nichts rundherum.
Kanal: üblicher Traumchannel
Adressat: ich gehe davon aus, dass das ich bin. Keine Anweisung, es jemandem auszurichten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ich eine solche überhört habe oder sie mir aus Unerfahrenheit und Ungeübtheit entglitten ist.
Wer spricht? Männliche Stimme. Mehr weiß ich nicht. Wer sollte Schwierigkeiten bekommen, wenn ich bei ihm bin? Ein guter, wohlgesonnener Daimon, der im Dienste eines weniger guten, weniger wohlgesonnenen steht?
Inhalt: ich soll jetzt weg. Schwierigkeit: ich weiß ja gar nicht, wo ich bin/war! Von wem oder wo soll ich weg? Unklar.
Tonart: feste, männliche Stimme, nicht ängstlich, aber doch besorgt.
Weitere persönliche Anmerkungen des Aufschreibers:
ich komme mit der Botschaft nicht weiter. Unangenehm der Gedanke, dass ich für jemanden gefährlich und oder unangenehm sein könnte.
Das ist jetzt alles.











(20./21.6.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Samstag, 20. Juni 2020

1896 Die Spannung zwischen den Materialien


Dieser Titel ein Geschenk meiner Frau und Muse, mit der ich ganz entspannt im Bett liege. Jetzt muß ich mir noch eine Geschichte dazu ausdenken. Noch ein Geschenk: „Lady Gaga singt vom“ Mister Kaka (Eigenbau). Und die „Diskussion“ auf Facebook in „Einwortgedichte und andere Wortspiele“ fällt mir ein: Großglockner, Großglöckler, Großglöckner, Großglöcknerin, der Glöckler von Notre Dame, der Großglöckler unserer Lieben Frau (die Spannung zwischen den Materialien), und dann war da noch etwas, das ich vergessen habe. Ich sitze da im Bett und versuche mich zu erinnern.

Der Wind schlägt die Türen mehrmals (die Spannung zwischen den Materialien).
Von oben höre ich die Dusche bruzzeln.

Plötzlich fällt mein Kopf nach hinten und donnert gegen die Wand. Ich reiß mich zusammen. Noch einmal donnert der Kopf gegen die Rückwand (die Spannung zwischen den Materialien).

Die Katze liegt da wie ein wächsener deutscher Schäferhund (Rolf, der Schäferhund gibt acht, was die kleine Nela macht).

„Du mußt mich jetzt wieder verlassen, sonst bekomme ich Schwierigkeiten!“

Plötzlich taucht links von mir ein großes Porträtfoto eines mir unbekannten, fröhlich lachenden Mädchens auf.

Als ich die Augen geschlossen halte, sehe ich einen schönen Baum mit zentralem Lichtreflex (Montagepunkt?)

Als würde die Leich gleich aus dem Bett steigen.

In der Küche klopft und krachte es.

Gleich lege ich mich wieder flach.











(20.6.2020)













©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1895 Die Katze füttern


Morgendämmerung. Die Katze füttern. Jetzt wieder im Bett. Stille. Kein Laut. Nur der Lärm in meinen Ohren. Nun kommt die Katze mit ihrem Schnurren dazu.









(19.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1894 Diese ewige Teilrefundierung


Gestern und heute waren gute Tage (17./18.). Gestern habe bis zur Erschöpfung zehn Texte geschrieben, heute eineinhalb und auch wieder einen Märchenkommentar. Und das Schreiben macht mich glücklich. Je mehr desto glücklicher, und wenn ein oder zwei darunter sind, die mir gelungen erscheinen, dann überhaupt.
Dann ein positives online-Feedback von einer Kollegin. Ach, tut das guuut! Ich könnte hüpfen vor Freude.
Dann mit unserem Tierarzt … wegen unserer Katze … hat geklappt.
Ja, alles bestens bis zum Abend.

Dann ist der Laptop eingegangen und ich gleich mit. Ich meine, gesponnen hat er oft und zeitweise ist er dauern abgestürzt – ich hatte sogar ein Album mit Fotos von abgestürzten Bildschirmen angelegt und auf Facebook geteilt. Bis mir die Fotos zu blöd wurden – also doch das Beste daraus zu machen habe ich versucht – nach dem Grundsatz: was man nicht verhindern kann, soll man wenigstens genießen. Oder zumindest betonen.

Aber diesmal scheint es ernst zu sein. Und das könnte mich vor echten finanziellen Schwierigkeiten stellen. Was wird die Reparatur kosten? Kann das Ding überhaupt noch repariert werden? Wie bekomme ich das mit meiner Minipension hin?

Ohne Laptop - was tun? Voller Entzug. Zum Lesen noch zu aufgeregt. Da befasse ich mich mit den Teilbeitragszahlungen der Kranken Kasse für meine Depressionspsychotherapie (bei 350.- Behandlungskosten im Monat erhalte ich 140.- teilrefundiert; bei einer Pension von 400.-) und stelle fest, daß sie mit den Zahlungen an mich erst im Februar sind, und dass sie mir in den Monaten, wo ich wegen der Medikamenteneinstellung einen psychiatrischen Facharzt in Anspruch genommen habe, nur die 60.40 von den 70.- von der Psychiaterstunde refundiert haben, aber nichts von den 350.- der Psychotherapie. Ich ärgere mich und will mich gleich online beschweren, ach geht ja nicht, dann einen Brief schreiben; notgedrungen handschriftlich (es wird sicher alles korrekt sein und rechtlich abgesichert, wie die das machen – nur Leute wie ich bleiben dann über).

Ich bin völlig niedergegangen; ich weiß nicht ein noch aus. Was kann ich tun? Ich habe keine Ersparnisse, ich bin völlig überfordert, weiß nicht, an wen ich mich um Hilfe und rechtliche Unterstützung wenden kann – und es muß ja gratis sein. Gleich flüchte ich im mein: ich mag nicht mehr. Ich möchte meinen Lebensabend ohne Überlebenskämpfe verbringen. Ich möchte einfach in Ruhe meine Textlein schreiben, wenn sich (Kost und Logis bekomme ich ja von meiner Frau) ab und zu ein Kaffeehausbesuch ausgeht, oder gar ein Buch oder eine CD – dann ist das super, aber das ich be-anspruche und fordere gar nicht mehr. Ich habe mich eh schon so reduziert.

Das Schlimmste in solchen scheinbar oder anscheinend ausweglosen Situationen ist ja, dass ich sogleich in einen solchen Jammer und eine solche Mutlosigkeit verfalle, in einen solchen Jammer, dass der mir schon ein wenig unheimlich ist. Sicher, es wird schon auch der Internetentzug eine Rolle spielen – ich weiß, wie wichtig mir das Internet als Ersatz für echten gesellschaftlichen Austausch und einen echten, realen und handfesten Platz in Gesellschaft und Welt ist. Ich mag dann nicht mehr, wenn mir das bißchen Welt zusammenbricht, und mir kommt dann vor, immer, wenn es mir gut geht, wenn ich glaube, dass mir etwas gelungen ist (Texte) und es läuft, muß irgendsoein böser, blöder oder eifersüchtiger Gott, oder Göttlein (oder meine internatlisierte Selbstbestrafung – das ist ja wurscht, wie der Scheiß heißt) das Ganze zertreten.

Das ist mein Lebensabend, ich will endlich etwas existentielle Sicherheit haben, ich will meinen bescheidenen Vergnügen nachgehen und geduldig auf Freund Hein warten. Und ich glaube, immer noch etwas zu sagen zu haben, aber nicht durchzukommen. Ich will kein Gezappel wegen eines kaputten Laptops, den ich doch für meine Schreiberei, meine Behördenkommunikation, Mediennutzung (Information, Literatur, Musik, Filme) etc brauche. Ohne dieses Fenster zur Welt vereinsamte ich doch hier in meiner Kemenate.
Wie gesagt: ich habe das eh Jammer genannt und jämmerlich ist es auch.

Und das ist der nächste Punkt: ich halte mich in solchen Situationen kaum aus; wenn ich mir zuschaue, wie ich niedergehe und jammere, ekelt mir vor mir selbst.

Gottseikrank und Gottlog gibt es einen kleine Region in mir, die sich da nicht völlig reinziehen läßt. Die dann sagt: „Peter, das kennst du schon! Bisher bist du immer noch irgendwie – es muß ja nicht elegant sein  - da rausgekommen. Warte ein wenig ab. Überschlaf das Ganze. Lies Knausgård oder Charms oder deinen C.C.“

Ja, das hilft!












(18./19./überarbeitet 21.6.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Donnerstag, 18. Juni 2020

1893 „Das Märchen vom Rosenstock“


von Elisabeth Reiner („das bunte Buch“; Geschichten, Märchen, Sagen) ist heute mein Thema.
Wenn ich mich auch an viele Märchen in diesem Buch erst wieder beim Durchblättern erinnern konnte – von diesem wußte ich immer. Wobei es gar nicht die Geschichte und der Name des Märchens waren, die sich mir so richtig kindlich eingeprägt hatten (verdammt! Gerade habe ich es gelesen und schon verfalle ich in so einen geschraubten, verlogenen Tonfall!), sondern es waren die Bilder, die mir mein langes Leben so tief im unschuldigen Herzen bewahrt verblieben sind.

Die Geschichte möglichst kurz erzählt: die Tochter der Blumenfee lebt in einem großen Garten in einem riesigen Wald ohne Menschen und vor ihnen verborgen, ist eine verkitschte Schamanin: kann Heilsalben etc. herstellen, heilt die Tiere des Waldes, redet wohl auch mit ihnen (das steht so nicht da, aber ich trau mich - jetzt also kein Trauminet – dies zu ergänzen).
Parallel: in einem Königreich ein Prinz, war böse zu Blumen, hat eine im Zorn zertreten, Strafe: Dorn im Fuß, den keiner rausziehen kann und der seinen Körper vergiftet (Bumm! Was ist dann die Strafe für die Sünden der heutigen Landwirtschafts- und Industrie und Abholzung etc?).
Im Traum (das ist jetzt mein Revier!) hat der Prinz eine Vision von der heilenden Jungfrau im Wald, sattelt sein Pferd, reitet allein (! ohne Gefolge! Das schafft nicht einmal der Kurz! Und der ist kein Prinz! Aber sicher für ein Wunder notwendig) in den Wald. Wie er das mit seiner angeblich schweren Krankheit macht, wird nicht erklärt.
Er findet die Jungfrau, ist hingerissen, steht in Trancestarre bis Sonnenuntergang da, alles züchtig.
Sie typisch – erst erschrocken, dann verliebt, versucht ihn zu heilen.
Es gelingt aber nicht. Sie ruft ihre Blumenfeemutter (PanchaMama – schön! Matriarchalischer Rest) und erfährt, sie müßte ihren Lieblingsrosenstock zur Salbe verarbeiten, was die Mutter für undenkbar hält. Denn mit diesem Rosenstock ist sie magisch verbunden und wenn der verletzt wird, verliert sie ihre Schönheit (schon richtig: geht das Matriarchat, oder auch nur ihre weibliche Identität kaputt, oder ihre magische Jungfräulichkeit, da sie dann ihre Energien doch an Männer verschwendet …) und wird runzelig, unansehnlich, häßlich und zahnlos (das ja!).
Sie macht es in der Nacht, pflückt die Rosen, schlägt den Rosenstock um, verwendet sein Holz – wie vorgeschrieben – als Feuerholz zum Kochen der Salbe, die streicht sie dem schlafenden Prinzen unbemerkt auf den Fuß. Dorn fällt heraus; sie wird häßlich, schämt sich ihres Aussehens (! von der Angst, zu dick zu sein, ist allerdings nicht die Rede!) und haut ab. Also sie opfert sich für den Prinzen aus Liebe (oder dem Patriarchat?).
Prinz erwacht geheilt, sucht die Heilerin, findet sie nicht, er kennt aber ihre magische Verbindung zum Rosenstock, weil sie es ihm erzählt hat. Ich habe vergessen: sie hat die Asche der Aktion in einem Krüglein mitgenommen. Der Prinz, als der die Stelle, wo der Rosenstock stand, fand, zählte er eins uns eins zusammen, reitet ihr nach, sie dreht sich verschämt weg, er nimmt sie in seine Arme, fragt, ob sie seine Frau werden will – die Augen sind unverändert geblieben – küßt die Häßliche auf den häßlichen Mund. Liebe besiegt Fluch: im Krüglein mit der Asche wurlt es, weil ein neuer Rosenstock anhebt zu wachsen, sie graben ihn an seiner Stelle wieder ein, er wird schöner als zuvor, die Jungfrau wird schöner als zuvor. Prinz reitet mit seiner Braut in das Königreich seines Vaters. Hochzeit. Königswerdung. Beide sehnen sich nach dem Garten im Wald (matriarchalisches Rückzugsgebiet oder die magische Welt? Oder doch nur falsche Idylle?), Amtsverzicht zu Gunsten seines Bruders. Glücklich.

Also: an die Geschichte konnte ich mich nicht erinnern. Es waren die Bilder, die mein kindliches Herz bewegten und vielleicht auch der außerordentliche Edelmut der zwei.
Ach, die Blumenfeetochter war ja so schön! gezeichnet. Wie sie da im Profil unterm Rosenstock die Tiere heilt. Ich habe mich als Bub wohl in dieses Bild verliebt (heute würde ich sagen: im Profil ein wenig wie eine junge Phillipa Strache; die Haare jedoch goldener, voller und wallender. Und viel, viel schöner!). Und am anderen Bild: wie sie sich demütig und züchtig und um einen Kopf kleiner an den lieben, edlen Prinzen schmiegt! Und wie sie mit dem Krüglein davoneilt! Von hinten und die Haare immer noch wunderschön! Der Prinz hinterher; wobei: wenn ich das jetzt so anschaue: er reitet nicht, er läuft nicht, er steht eigentlich ein wenig breitbeinig-deppert hinter einem Baum und hebt seine rechte Hand wie zu einem „Hey!“

Jedenfalls war es um mich geschehen. Möglichst unbeobachtet von meinen Eltern habe ich diese Seite betrachtet und betrachtet, immer und immer wieder.

Ja und dann habe ich mir vorm Einschlafen wieder Geschichten auszudenken begonnen, von dieser schönen Jungfrau und mich als ihren Prinzen, mit vielen, vielen Hindernissen – die Erfüllungsmomente habe mehr und mehr hinausgezögert, schon mehr selbstzerfleischende Tragödien von Aufopferung und Verkannt-Werden, als Sehnsuchtserfüllung – und mit meiner Gedankendisziplin war es vorbei.











(18.6.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1892 Dieses Wunder!


Oh! Auf einmal wirkt eine von mir als magisch Wunscherfüllung anziehen sollende, aber schnell hingekritzelte Zeichnung, einfach an die meinem Bett zugewandte Wand des Kastens getackert – sie sollte so oft beiläufig wahrgenommen und auf mein Unterbewußtsein wirken und dieses wiederum auf mein Handeln – also nun wirkt diese Zeichnung durch meine verschmierte Leseschreibbrille plastisch, gekonnt und die herbeigesehnte Szenerie – ich lehre und erkläre vor Zuhörern – wunderbar und beeindruckend darstellend. Ein kleines, feines Meisterwerk! Wohlgemerkt: durch meine verschmierte Brille! Und war eigentlich zur Wunscherfüllung gedacht. Aber gut, soll mir recht sein.
Wahrscheinlich spielt bei diesem Wunder auch der halbdunkle Raum eine Rolle – ich habe nur mehr die Leseschreiblampe beim Bett aufgedreht.

Und Geisterstunde sollte auch noch sein – wenn man die Sommerzeit abzieht: gerade noch. Da kann schon einiges in Bewegung kommen, nicht wahr?

Und nun trage ich am Kopf einen Prinzenreif (ich meine nicht den Niederschlag, sondern den Kopfschmuck) aus Kribbeln (das wäre wieder fast ein Niederschlag): Stirn – Schläfen – Hinterkopf – Schläfen – Stirn.

Ja, ja, die Wesen sind noch unterwegs.

Aber jetzt bin ich müde, denn ich habe heute zehn (inklusive) Texte geschrieben; respektive fertiggestellt. Ich bin rechtschaffen müde.










(17./18.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 17. Juni 2020

1891 „Peter, der Trauminet“


Diese Geschichte von Karl Maier-Heimdalt (aus „Das bunte Buch“; Geschichten, Märchen, Sagen) handelt von einem kleinen Buben namens Peter, der klein, schwach, ängstlich und unsportlich ist. Er schläft und träumt gerne, denkt sich vorm Einschlafen Geschichten aus, in denen er der Held ist, hat Angst vor der Realität, vor den anderen, stärkeren Buben, wenn in der Schule zwei Mannschaften gebildet werden oder die spielenden Buben sich zum Beispiel in Cowboys und Indianer aufteilen, will ihn keine Gruppe haben und reden voll Verachtung über und zu ihm und nennen ihn Feigling, Hasenfuß und Trauminet. Er sucht den Schutz der Autoritäten (zu recht, dafür wären sie ja da).
Auf einem Schulausflug, nach einem Gewitter, führt ein Bach Hochwasser und als sie diesen auf einem schmalen Steg überqueren, fällt ein Bub, auch eher ein ängstlicher, der den Peter nie verspottet hat, in den reißenden Bach und bevor jemand reagiert, springt Peter in den Bach um den einzigen Freund zu retten, aber er wird sofort selbst abgetrieben und schließlich retten diesen Buben der Lehrer und den Peter zwei der starken Buben. Peter bekommt eine Lungenentzündung und es ist nicht sicher, ob er überlebt. Aber schließlich hat er die Krise überwunden und die großen starken Buben kommen ihn besuchen und versprechen, ihn nicht mehr zu hänseln, weil er ja mit seinem Möchtegernrettungssprung bewiesen hat, dass er kein Feigling ist.

Diese Geschichte ist doch völlig verdreht! Entweder man schreibt ein Märchen, meinetwegen ein Evangelium, dann muß der Peter den anderen Bub retten, oder man läßt das. Reinhupfen für nix und wieder nix – ich bezweifle, dass das bei den starken Buben großen Eindruck macht. Ich würde eher erwarten, dass sie sagen: „so ein Depp!“ Und ich bin mir auch nicht sicher, ob sie reinspringen würden, um ihn zu retten. Aber das mag ein dumme Spekulation eines frustrierten und verbitterten Geistes sein. Trotzdem: wenn schon, sollte man dann bei einer solchen Geschichte nicht weit ausholen und hoch ansetzen? Das heißt, dem Peter die Rettung gelingen lassen? Oder sie tragisch beenden! Das da ist weder das eine, noch das andere. Mir kommt sie sehr phantastisch und ausgedacht vor und letztlich sind doch alle brav.

Ich kann mich aber noch erinnern, welcher Schock es für mich als Kind war, als ich auf diese Geschichte gestoßen bin. Abgesehen davon, dass ich nicht der Kleinste in der Klasse war, hat die Beschreibung des Peter auf mich zu hundert Prozent zugetroffen! Und jetzt heißt er noch so wie ich! Mir ist vorgekommen, als wäre damit mein Charakter schon vor ewigen und für ewige Zeiten im Großen Buch festgeschrieben. Welche Scham, so aufgedeckt zu werden. Und noch schlimmer: ich traute mir nicht zu, reinzuspringen um den andern retten zu wollen. Dann waren da noch die spöttischen und verächtlichen Anmerkungen meines Vaters dazu, der meinen Schrecken – wie es der Teufel will, war er dabei – genau mitbekommen hat. Ich konnte es nicht einmal unbemerkt mit mir selber ausmachen.

Es fehlt in der Geschichte ja auch jede Andeutung, was die Qualitäten eines solchen Kindes sein könnten – der rustikale Wertekanon mit seinen strukturell notwendigen Übergriffen und Menschenopfern (Sündenböcke; Mobbing, Mühlviertler Hasenjagd) bleibt unangetastet.
Aber ich will es andeuten. Das hat jetzt mit dieser Geschichte nichts mehr zu tun, sondern mit meiner kindlichen Frömmigkeit damals: irgendwo hatte ich gelesen – vielleicht in einem Beichtspiegel – dass man seine Gedanken beherrschen lernen kann. Und wer jetzt glaubt, es kommt eine fürchterliche Geschichte von Schuldgefühlen und moralischer Quälerei, irrt. An diesem Punkt nicht. Im Gegenteil: ich habe es als Volksschulkind ohne spirituelle Unterstützung geschafft, wie ein buddhistischer Novize meine Tagträumereien, die ich bevorzugt am Abend vorm Einschlafen exzessiv veranstaltet hatte, abzustellen – aber eben ohne Selbsthass. Ich hatte verstanden, dass diese Tagträume meine Energien auf illusorischen Boden und auf Luftschlösser lenken, und mit einer unglaublichen Geduld meinen Kampf geführt. Ohne mich zu ärgern oder mich zu beschimpfen habe ich jedesmal, wenn ich dieser weltflüchtigen Sucht verfiel, den Gedankenfluß mit einem festen, inneren „Halt!“ gestoppt und mein Bewußtsein wieder herausgeführt. Und wenn es ein, zwei oder fünf Minuten später wieder losging, habe ich genauso sanft und konsequent nochmals von Neuem begonnen – bis ich mir das Tagträumen tatsächlich abgewöhnt hatte. Und ohne die Affenmetapher zu kennen. Was hätte aus mir werden können, wenn ich einen echten, kompetenten, weisen Begleiter für diese Bewußtseinsreise gehabt hätte!

Aber hatte ich nicht. Ein paar Jahre später bin ich dieser Sucht wieder von Neuem verfallen, und das hatte auch mit dem „bunten Buch“ zu tun. Das ist aber eine andere Geschichte.












(16./17.6.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1890 „Die harten Hände“


Märchen von Dr. Marainne Kaindl; aus „Das bunte Buch“; Geschichten, Märchen, Sagen.

In dieser Geschichte finden wir das typische Szenario vor: arme kinderreiche Handwerkerfamilie, der Älteste, Hans, muß deshalb in die Welt hinaus, sein Glück versuchen (gilt sicher auch für viele der heutigen als Wirtschaftsflüchtlinge beschimpften allein flüchtenden, unbegleiteten jungen Männer). Er ist reinen Herzens, naiv, schüchtern, bescheiden und es schließen sich ihm bald zwei arrogante Schnösel an, die sich als Prinzen ausgeben und auf ihn herabschauen und ihn für einen Tölpel halten, und die sich je eine der in der Welt überall zur Freiung (Frei!-ung) ausgeschriebenen Prinzessinnen erobern wollen. Tatsächlich kommen sie in eine Stadt, wo eine Prinzessin zu haben wäre. Hier aber finden sich auf den Fahnenstangen nicht wie in Märchen zu erwarten die Köpfe der an der obligatorischen Aufgabe gescheiterten Freier (Gottseikrank heißen die nicht Be-Freier), sondern bloß deren abgeschorenen Haare – vermutlich eine zivilisatorische Bereinigung der Autorin. Die Aufgabe besteht darin, aus drei Paaren weiblicher Hände, die durch einen Vorhang gestreckt werden, die zwei verehrungswürdigsten Hände zu wählen. Klar: die Schnösel wählen Schönheit und Reichtum, der Tölpel harte, alte Hände, die ihn an die seiner Mutter erinnern und gewinnt damit die Prinzessin.

Nun, es fällt mir gar nicht so leicht, gegen diese Story zu wüten. Die Verniedlichung Haare statt Köpfe stört mich: als könnten Fehlentscheidungen im Leben nicht wörtlich oder im übertragenen Sinn tödlich sein. Im Leben geht es immer auf Leben und Tod und nicht bloß um Haareschneiden. Und wenn ich vom guten Mütterchen und ihren guten Mutterhänden höre, steigen mir die Grausbirnen auf – aber vermutlich bin ich ungerecht, denn das liebe Mütterchen hat ihren Hans zum Abschied noch gestreichelt, was ich von meiner Mutter nie kannte, und zum Abschied damals hatte sie mir zornig eine Nagelschere auf den Tisch geknallt mit den harten, böse schimpfenden Worten: „aber jetzt mußt du dir das Zeug selber kaufen!“ - wo ich es gar nicht verlangt hatte, dass sie es mir kaufe. Also: vielleicht ist da auch Neid dabei. Trotzdem ist mir die Vorstellung, von meiner Mutter gestreichelt zu werden, unangenehm bis zur Übelkeit.

Zurück zur Geschichte: was auffällt: die Prinzessin hat sich den Hans schon vorm Auslesetest gewählt, pflanzt ihn ein bißchen, der Hans wird immer rot, aber es ist klar: sie lieben sich etc etc. bleibt bescheiden, wird ein guter König, der auch ein Herz für Arme hat. Was kann man schon dagegen sagen? Aber dennoch kommt sie mir verlogen vor, weil sie in sich nicht stimmt. Das ist ein spießbürgerlich zensuriertes Märchen, in deren ursprünglichen Formen es - wie in den griechischen Sagen zum Beispiel - viel härter und grausamer zugeht – wie es die Welt ja ist. Das gilt auch, wenn die Autorin dieses Märchen erfunden hat und - wie ständig in dieser verlogenen Zeit – Märchen als erbaulich triefende Erbauungsgeschichten und Belehrungsschwachsinn für Kinder mißverstanden hat und nicht als oft recht präzise Darstellungen des Lebenskampfes und des Kampfes um Erfüllung zur Orientierung für die Suchenden, natürlich immer nur im Kontext der jeweiligen Kultur.

Ich kann mich nicht erinnern, wie ich die Geschichte damals als Kind aufgenommen habe. Vergessen hatte ich sie nicht. Die Schüchternheit und das ständige Erröten des Protagonisten sollten mir gefallen haben, aber mit dem Dummkopf wollte ich mich -  so vermute ich – nicht identifizieren, denn ich wollte doch als gescheit gelten. Nicht schlau, aber gescheit. Freilich war da für mich Schüchtling auch ein Stück Hoffnung drinnen, das ein solcher anscheinend doch auch reüssieren kann, aber ganz wird die Identifikation nicht aufgegangen sein.











(16./17.8.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1889 Schwerkraft


Mein Kugelschreiber tendiert dazu, zu Boden zu fallen und übt seine Schwerkraft auch auf meine Traumbilder aus. Deshalb: am Land hat man es mit seiner Todelhaftigkeit eindeutig besser.
Im Traum kaufe ich im Jenseits eine Packung Grapefruitsaft. Das Wort „Packung“ kommt mir in diesem Zusammenhang ganz komisch vor. Ich kann mich kaum beruhigen.

Nach längerer Abwesenheit tauche ich endlich wieder im Traum auf, aber sehen tu ich nichts.











(17.6.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1888 Macht echt Spaß!


Ich schüttle mein Haupt und stoße ein paar Mal mit meinen Nacken gegen den roten, mexikanischen Polster hinterm Kopf. Ich drücke den Polster richtig und von oben über die Kante der Rückenlehne des Bettgestells. Das ist regelrecht befreiend und macht Spaß! Und dehnt meinen Hals und spannt und lockert den Adamsapfel. Diese Übung, die ich gerade erfunden habe, ich werde sie patentieren lassen.

Meine Eltern sind schon arg! Da sind sie nach ihrem Tod nun uralt, leben im Ausgedinge und jetzt sind beide schwanger! Die Mutter trägt mehrere Embryos, der Vater – wenn ich mich richtig erinnere – einen.
Ich habe nachgefragt: natürlich künstlich eingesetzt und sie werden per Kaiserschnitt herausgeholt werden, wenn es so weit ist. Mir ist das Ganze unangenehm und ungustiös, aber bitte! Wer bin ich schon um etwas zu beurteilen. Zu tun haben will ich aber mit der Sache nichts.
Und wo werden die alle in dem kleinen Häuschen mit den winzigen Zimmerchen Platz haben? Noch dazu, wo noch mehrere Verwandte – wenn ich nicht irre eher väterlicherseits – da herumhängen und auch schwanger sind und anscheinend auch da wohnen (ich bin ja nur auf Besuch). Es wurde mir bei meinem Traumaufenthalt nur ein wenig gezeigt, was sie dort drüben so treiben, aber nicht, wer diese Schwangerschaftshäufungen und künstlichen Befruchtungen und wofür organisiert.
Ich bin ja nur froh, daß ich damit nichts zu tun habe.

Ich dehne, strecke nochmals meinen Hals und biege den Kopf nach hinten und versuche, wieder den Kopf zu schütteln, was jetzt aber nur schlecht gelingt. Dafür jedoch entdecke ich diese Hospitalismus-Bewegung für mich: den Kopf mit Druckpunkt im Nacken auf dem mexikanischen Polster drehend  hin und her werfen. Macht echt Spaß!









(17.6.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1887 Das Wunder der Stäbchen und Zäpfchen


Mir ist gerade das Wunder der Stäbchen und Zäpfchen aufgefallen: als ich das Leselicht abgedreht habe, war es im Zimmer sofort ganz finster. Nach einiger Zeit des Sinierens stelle ich fest: ich kann im Dunklen sehen! Und das Ganglicht, das sich ausgerechnet so ab halb zwölf Uhr Nacht nicht mehr ausschaltet, scheint ziemlich stark durch mein Zimmerfenster mit dem zu kurzen und zu schmalen Rouleaux – meine liebe Frau hatte stur und steif behauptet, die Maße ihrer Fenster auswendig zu kennen und war richtig verärgert und hatte mit mir geschimpft, als ich mein Zimmerfenster trotzdem ausmessen wollte. Aber als guter, braver (ich weiß zwar nicht, wo da die Tapferkeit liegen sollte) Ehemann mochte ich mir nicht vorwerfen lassen, daß ich meinem lieben Weibe mißtraue und ihre Angaben nachkontrollieren wolle – und damit um Gottes willen auch sie! -  und auch sonst solchen Wickeln eher abgeneigt – also wegen dem zu schmalen und zu kurzem Rouleaux scheint vom Gang her viel Licht zu mir herein, sodaß ich das meiste Interieur sehen kann. Und so drehe ich mich beim Einschlafen zur Wand, damit ich nicht ins Licht schauen muß.











(16./17.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1886 Gspold Lemlold remastert


Der Versorgungswissenschaftler sagt: „die Nahrung ist nicht auffindbar“. Aber nicht in den Medien, sondern in meinem Traum.
Der Finger, der über die Bücher im Regal an der gegenüber liegenden Wand streicht, stellt sich als mein rechter Ringfinger heraus, der sich seitlich an die Blätter meines Notizbuches geschmiegt hat.
Ich höre die Tagis kommen; ich sollte aufstehen und an die Arbeit gehen.

Gspold Lemlold, angeblich aus Vorarlberg. (Klingt aber abgesehen vom Gs gar nicht so!)

„Ich komm schon zu euch!“ ruft eine helle, junge, engelsgleiche Stimme in meinen Traum. Aber sicher keine Traumbotschaft! Das muß die Stimme meiner Frau sein, die den Tageskindern diesen Satz zuruft. Höchstens durch meinen Schlaf hindurch etwas remastert.










(16.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1885 Die Frau verliert sich


Aufrecht, mit gestrecktem Rücken steht sie da und reckt ihren prächtigen Busen bekleidet in die Welt.
Nun ändert sich das Bild, die Brüste werden kleiner – aber immer noch groß – das Kleid eleganter, die erhobene rechte Hand ist in Bewegung festgehalten.
Die Frau verliert sich, das Bild wird immer abstrakter und nähert sich immer mehr dem Brandl'schen Berg, den die Kunstkarte doch in echt zeigt.

Komisch eigentlich, dass ich mich noch immer nicht in die Albertina getraut habe. Das „Du darfst nicht!“ scheint ausgereicht zu haben, mir die Albertina von meiner Wunschliste zu streichen. Oh Mann! Du hast noch immer die Gehorsamskarotte im Arsch stecken! Aber dann Bilder von Bergen in Bilder von Frauen verwandeln!









(16.6.2020)









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1884 Traumgetrümmer


Die Einfälle, Gedanken und Bilder schaffen nicht den Weg durch das Traumgetrümmer aufs Papier. Mein Notizbuch liegt aufgeschlagen auf den Oberschenkeln und bleibt leer.








(16.6.2020)








©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1883 Die Bravheitskarotte im Arsch


Meine oder deren Idee drüben, meine Kindheitsmärchen und Geschichten zu kommentieren und dabei meine geistigen Kindheitseinflüsse und beeindruckenden Bilder zu erforschen, habe ich ausprobiert und bin nicht vorangekommen. Ich habe ein bißchen im riesigen „Bunten Buch“ geblättert und keine Lust gehabt, auch nur eine der Geschichten zu Ende zu lesen. Diese geballte Bravheit und Berechenbarkeit (arm, aber gut; bescheiden, aber belohnt) ist so langweilig und geistlos; nicht die geringste Inspiration geht davon aus. Das ist mein erstes Resümee. Vielleicht versuche ich es in einer irgendwie anderen Anordnung.

Ich kann schon ein wenig meine damaligen Gefühle spüren, aber sofort wird mir säuerlich zu Mute und vor lauter Bescheidenheit taucht mein Bild als gekampelter und braver Jungscharbub mit ordentlich gescheitelten Haaren auf. So sehr ich das damals gebraucht habe um ein Gegengewicht zu meinen naziverseuchten Eltern zu finden, so sehr es damals meinen vulgärdarwinistischen Horizont erweitert und mich darwinistisch Aussortierten geschützt und ein wenig gefestigt hat (Gott hat mit JEDEM Menschen etwas vor; Es gibt kein lebensunwertes Leben): auch da mit diesem Buch und seinem Geist, der weder rassistisch noch nationalistisch sein wollte – die Märchen kommen aus aller Welt – und das Buch wurde uns von den Eltern geschenkt! -  wurde mir die spießige Bravheitskarotte in den Arsch geschoben (nur sinnbildlich!).

Nein! Nein! Schon gut, daß ich das Buch damals in die Hände bekam. Ich habe darin viel und oft gelesen, Orientierung und Trost gefunden, mich in die Geschichten vertieft bis zur Lesetrance – sozusagen.

Ich kann mich noch erinnern, wie eine Geschichte meine ersten zarten Gefühle für Mädchen herausgeholt hat (die habe ich heute absichtlich überblättert; mit der wollte ich nicht anfangen). Oder wie mich die verkleideten Schamanengeschichten von Reisen in andere Welten fasziniert haben. Ja, ich werde es nochmals versuchen mit diesen Geschichten. Und meine Ambivalenz, die sich hier zeigt – Liebe zu und Wut auf deren Geist - wird sich durch alle meine Kommentare ziehen.

Mein Eindruck heute ist: die Quintessenz dieser Geschichten: wenn du brav bist, wird es dir am Ende gut gehen, was doch ein gottverdammter Blödsinn ist.







(15./16.6.2020)






©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 15. Juni 2020

1882 Plumps


Etwas wie Angst huscht über mein Aufwachen und Aufsetzen und Das-Gleichgewicht-Suchen. Still. Unglaubliche Stille bei geöffnetem Fenster (mitten in der Stadt. Eine solche Stille bekommt ihr am Land kaum noch hin!).
Ich nicke wieder ein und warte auf Anrufe und Anweisungen von drüben. Oder drinnen. Läuft aufs Selbe hinaus!

Abrechnung mit meine Kindheit an Hand meines damaligen Märchenbuches. Ist das eine Aufforderung von oben und innen? Jedenfalls eine interessante Idee! Ein bißchen scheue ich die viele Arbeit. Und davor, meinen Schreibtisch aufräumen zu müssen. Im Bett wird mit dem Riesenbuch schwer zu arbeiten sein. Ich scheue die Arbeit sehr! Eigentlich wollte ich mein Leben schon auslaufen lassen und mich nie mehr anstrengen.

Habe ich schon angebissen? Schaut so aus. Wer hat mich an der Angel? (bloß eine rhetorische Frage: das Nagual.)

Die leichte Übelkeit, die schon verschwunden war, kehrt wieder. Ist da.

Mein Hobby (das Wort mag ich auch nicht): Wörter und Namen, ohne sie verstehen zu müssen, Sprachen und Regionen oder Ethnien zuzuordnen zu versuchen (das kommt jetzt, um mich von der schweren Arbeit, die ich innerlich schon angenommen habe, nochmals abzulenken und ein paar Priouetten der Startverhinderung zu drehen). Aber Anfangen kann ich noch nicht: ich muß das Buch erst auftreiben („auftreiben“ - ha, ha ha – nachher habe ich festgestellt, das Buch befand sich dreizehn Schritte von meinem Bett entfernt ganz normal in einem Regal).

Einnicken und im Zwischenreich schweben.
Die inneren Bilder beginnen schon zu zoomen.
Ich korrigiere und überarbeite Textstellen, die in dieser Welt nicht vorhanden sind.
Ein Plumps unten bei den Tagis erzeugt optische Wellen auf meinen inneren Bildern.

Ein schönes, wohliges Arrangement: auf meiner Schreibhand hockt die Katze und ich kraule ihren pelzigen Bauch und sie, sie zwingt mich so zu knappen Sätzen, in der linken halte ich mein Notizbuch und den Stift wie der Heilige Wasweißichwer oder der böse Dichter beim gedankenlosen Vorauer Denkmal.

Die Katze kratzt mir beinah die rechte Pulsader auf (maßlose Übertreibung; bloß zwei rote Strichlein).

Ich warte noch auf den deutlichen Aufwachimpuls und den richtigen Aufstehklick, wo sich mein Blick entschleiert und aufklart und mein Bewußtsein mit einem leichten Knall endgültig in die Alltagswelt eindringt.










(15.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1881 Meine Nase vor und wieder zurück


Ich blicke auf die Bäume, deren Duft ich mag und die ich schön finde, deren Namen ich jedoch nicht ausstehen kann. Mir kommt vor, ihr Name macht sie herunter und das wirkt auf mich.
Jetzt läßt sie der Wind des Wetterumschwungs im Hof da vorm Fenster tanzen: Wild durcheinander wirbeln Äste und Zweige, manchmal beinah wie in wiegendem Reigen. Die Sonne beleuchtet sie jetzt.
Ich gebe die Hemden, die mir zum Trocknen die volle Sicht verhängen, weg.
Jetzt drückt es die Kronen gegen die Hauswand. Sogar die Weide kommt mit ihren Spitzen hinter dem Dach hervor.
Konter-kariert (sic!) wird das dramatische und ehrfurchtgebietende Geschehen durch das gerasterte Gedudel des Radios unten, das den fleißigen Köcherinnen die Welt und die Küche ordnet (Was nicht unbedingt schlecht ist, bevor ich  mich in unsäglichem Pathos verliere).
Auf das Wort „Oma“, das von unten heraufdringt, fallen mir meine Großmutter und Großtante mütterlichseits ein, die sich vor Bergen fürchteten und den Anblick des Grimming kaum ertrugen, worauf das Schauspiel draußen im Hof, das weder mir gehört, noch ein Schauspiel ist, zu der wildesten Szene bisher anhebt.

Die Augen wollen mir zufallen und beginnen zu brennen und tränen. Der Wind pfeift im ungenutzten Kamin in der Wand hinter mir.

Warum verwende ich einen grünen Stift, wo ich diese Farbe fürs Schreiben nicht so mag? Meine schlanke Lesebrille: ziemlich verdreckt.

Die Augen fallen mir nun wirklich zu und mein Gesicht verschiebt seine Formen und rückt – ich sehe es mit dem inneren Auge – meine Nase vor und wieder zurück – wie eine Photographin das Objektiv ihrer Kamera.
Den Tanz der Bäume verfolge ich jetzt mit geschlossenen Augen.
Radio off.
Stille.
Schritte und das Abstellen eines Glases.
Jetzt steigt die zurückgehaltene Erhabenheit wieder auf. Der Wind pfeift beunruhigt im Kamin.

Nach einem kurzen sitzenden Schlaf öffne ich die Augen, und für einen Moment ist alles, was ich sehe, von grüner Farbe.










(14.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 12. Juni 2020

1880 Großer Facebookpostingsumverteiler


Ich bin jetzt alt und habe mein großes Werk immer noch nicht vollbracht! Jetzt wird’s mir schon gnädig und nix fällt mir ein! Für alles, was mir einfällt müßte ich Jahre, Jahrzehnte lang üben. Zum Beispiel gitarrischer Popstar (schon mit eigenem Gesang!). Also: zu spät.
Bescheidener: Slowenisch lernen. Ein Jahrzehnte alter Traum. Beim meinem zunehmenden Gehirn- und Erinnerungsversagen: viel zu spät.
Uniprof wäre wohl auch schwierig; ach nein, in diesen bürokratischen, gremialistischen und hyperwissenschaftlichen Zeiten – kein Interesse.
Sprachwissenschaftler Schwerpunkt Etymologie: gibt's noch Privatgelehrte? Nein. Also: Nein.
Haus und Baum pflanzen: von mir pflanzen lassen sich nicht mal mehr meine Kinder (Zwinkersmily), pflanzen kann ich nur mehr euch, liebe Leserinnen und Leser. Ob ihr's euch gefallen läßt? Blumenkistl am Fenster außen wurden verboten. Innen gilt nicht.
Malerei: ob ich bei meinen chronischen Selbstzweifeln den Biss gehabt und eine professionelle und arbeitstechnische Ausdauer entwickeln können hätte? Weiß man nicht, da döbranitisch zerstört.
Schreiberei: naja – wo ist der große Roman? Wo ist ernsthafte Arbeit, die über mein kurzatmiges Geblödel hinausgeht?
Vom Großen Schamanen ganz zu schweigen. Ohne Rekapitulation und Beherrschung der Träume: niente! Nada! Nischt!
Kabarettist: zu spät!
Sogenannter Influencer: kann mit dem technischen Equipment nicht umgehen.
Großer Liebhaber, Großer Lover: Equipment … kein Kommentar! Zu feig, zu empfindsam äh empfindlich, zu spät.
Weiser Einsiedler in einsamer Einsiedlerhöhle: kein Internet! Und mein Kreuz ist schon zu kälteempfindlich; außerdem zu wenig Zeit um weise zu werden.
Großer Lehrer? Jetzt? Im Pensionsalter? Oida! Außerdem Angst vor Kindern und Jugendlichen nie überwunden. Beamtenanstellungsalter!
Großer Prediger: ginge technisch noch, aber wo? Will keine eigene Kirche gründen.
Großer Säufer vor dem Herrn: Müßte mir mein selbstauferlegtes Alkoholverbot aufheben und dann ordentlich anzahen.
Großer Drogist? Derlern die Fachsprache nicht mehr und bin illegal so ungeschickt. Außerdem eignet mir ein Wahrheitszwang, wäre bei Polizeibefragung sehr ungünstig (habe keinen Rechtsanwalt, der sagte, dass es da um eine höchst private Angelegenheit geht. Kann mir überhaupt keinen Rechtsanwalt leisten).
Großer Schauspieler? Höchstens am Papier.
Großer Kunstsammler: Geld! Bei plötzlichem Reichtum und wenn ich wie wild sammelte, könnt es sich ausgehen. Traue ich mir zu!
Großer Fernseh … wasweißich … Moderator? Laut Döbereiner „Fernsehachse hervorragend“. Zu alt. Gedächtnisschwäche. Zu schiech.
Nein, das wird alles nichts mehr!
Großer Schmarotzer: ein großes, schmarotzerisches Werk! Ja, aber nicht groß: viel zu viele Skrupel und Schuldgefühle, viel zu viel Zauderei!
Bleibt nur noch ein großes Werk als Facebookpostingsumverteiler und Beitragsspammer. Ja, das geht! Das könnte ich noch machen!
Alles andere in die Schublade.












(11.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1879 Die mitternächtliche Trauer


Die mitternächtliche Trauer. Ein Knoten in des Leibes Mitte, würgt mich innen bis zum Hals herauf und drückt noch auf die Tränendrüsen. Aber die sind sehr widerständig.
Seufzen. Diese tiefen Atemzüge, wo man die Luft in notiger Gier regelrecht einsauft.
Ich möchte schlafen. Ein Teil von mir möchte noch nicht liegen gehen, der andere kann nicht mehr. Schlafen. Das werde ich tun. Meine Seufzer können den inneren Knoten nicht lösen. Aber der Schlaf kann es – von den Träumen unterstützt. Ja, schlafen.









(11./12.6.2020)









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Donnerstag, 11. Juni 2020

1878 Was für ein Glück!


Was für ein Glück! Meine Töchter sind beide da und spielen Gitarre und singen so schön; Lieder von „Blackbird“ (Beatles) bis „Otherside“ (RHCP). Ich liege auf der Couch, bin still und mische mich nicht ein. Was für ein Glück! Was für ein Vormittag!









(11.6.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1877 Botschaft 012


„He! Alter Mann!“

Anmerkungen des Aufschreibers:
Ich bin mir sicher: das ist ein Fake!
Wer spricht? ich selber.
Adressat: ich selber.
Übermittlung: vom Gehirn des Schreibers mittels Nerven in die Schreibhand und von dort mittels Pilotstift ins Notizbuch.
Aussage: ich bin ein alter Mann; mein Körper baut ab; meine Zeit läuft ab; meine Kraft nimmt ab; ich ertrage Niederlagen immer schlechter; mein Handlungsspielraum ist sehr eingeschränkt.
Tonart: jovial, lässig, auf lustig, – aber hörbar, um den Ernst der Lage zu überspielen. Soll aufmunternd wirken.
Persönliche Anmerkungen des Aufschreibers: du bist nicht Aufschreiber, sondern Autor dieses Textes; er ist also nicht von drüben herübergechannelt!
Frage: warum machst du das? Naja, so ein Einfall halt heute Nacht. Ich dachte, das könnte lustig werden.
Weitere persönliche Anmerkung es Schreibers, weil's eh schon wurscht ist: Was haben Hufe mit der Hüfte zu tun? (auch eine in der Nacht aufgetauchte Frage, als meine Frau von einem Schmerz in ihrer Hüfte sprach).
Antwort: nichts. (vgl. Mackensen, Ursprung der Wörter)
Weitere persönliche Anmerkung des Schreibers: ziemlich müde geworden das Ganze!
Resümee: Fader Fake.
Resümee 2: ich werde keine gefälschten Botschaften mehr machen.









(11.6.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1876 Sommerliche Temperaturen


Ich sitze friedlich vorm Laptop und schaue Zeit im Bild und dann ZiB-Wetter. Es ist von „sommerlichen Temperaturen“ die Rede und bei diesem Stichwort kommen sofort Bilder und Gefühle meiner kindlichen und jugendlichen Sommerferien herauf, mit all den Hoffnungen, Erwartungen, und dann Enttäuschungen, sodaß mir plötzlich ein Schmerz und eine Trauer einfährt, ganz plötzlich von Null auf Hundert, die kaum zu ertragen sind. Ich muß kämpfen, dass mich die Verzweiflung nicht übermannt. Nicht wegen der verlorenen Jugend, sondern weil ich sie damals nicht leben konnte.









(10./11.6.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 10. Juni 2020

1875 Botschaft 011


„Was ist denn, Ossi!“

Anmerkungen des Aufschreibers:
Ich kann mir nicht helfen, ich habe das Gefühl, hier schwindelt wer! Was soll so eine Botschaft?
Wer spricht? Zum ersten Mal eine weibliche Stimme! Erinnert mich an die meiner Frau. Aber sie kann es nicht gewesen sein, denn unter den Tageskindern gibt es keinen Ossi (gäbe es einen, könnte sie es unten ausgerufen haben).
Adressat: Ossi. Wer ist Ossi? Ich bin es nicht! Mein Vorgänger hier im Haushalt wurde so gerufen. Aber was soll dann das? Was geht das mich an? Der ist erfolgreich und aus allem Schlamassel längst heraußen und braucht meine Botschaften oder die über mich vermittelten sicher nicht.
Ich kannte bei meinen Proletenjobs einen Ossi gerufenen Alkoholiker – oder Ex-Alkoholiker – so genau wußte ich es nicht – und ewig trauernden Witwer. Ist er gemeint? Er als mein unmittelbarer Vorgesetzter hatte einen Narren an mir als seinen braven Arbeiter gefressen und mich in aller Öffentlichkeit sogar als seinen Augenstern bezeichnet. In Erinnerung an seine Geschichten muß ich lachen. Erst recht bei denen, die man mir an einer andern Arbeitsstelle in einem andern Postamt über ihn erzählt hat, Geschichten, die er mir nicht verraten hat. Ist er gestorben? Lebt er noch? Ich wüßte seinen ganzen Namen nicht mehr. Ich fühl jetzt Trauer und Dankbarkeit für diese alte, distanzierte Freundschaft, längst schon unter den Jahrzehnten tief begraben.
Übermittlung: der innere Traumchannel (sehr informativ diese Aussage, was?!). Naja, gar nicht so sicher.
Tonart: wie eine leicht genervte Mutter.
Sprachform: schlichte Erziehungsspeach.
Inhalt: als weder Adressat noch Sprecher kann ich dazu gar nichts sagen.
Nochmals: Sprecherin? Ja wer? Eine weibliche Göttin? Frau Holle? Unsere Liebe Frau von Wasweißich … Mariazell (die eingesperrte!)? (Deshalb schon genervt?). Meine internalisierte Mutter? Nein, viel zu wenig hysterisch und viel zu wenig genervt und viel zu wenig überfordert und viel zu … wie kann ich sagen? … spricht den Ossi bewußt und direkt und mit Namen an – passt nicht zu meiner Mutter! Eine kollektive Mutter? Sozusagen das durchschnittliche europäische Mutterprinzip? Oder meine Tante Frieda, die ich als Kind gern als Mutter gehabt hätte? Naja. Kann ihren Sound in diesem Ausruf zwar ein wenig, doch nicht ganz erkennen. Habe schon auch Erinnerungen an eine genervte Frieda, aber trotzdem.
Resümee: Ich weiß nicht wer gerufen hat, weiß nicht, was die Botschaft soll, hat jedoch Erinnerungen heraufgeholt und mich in eine leicht traurige, aber nicht unangenehme, sondern dem Anlass angemessene Stimmung versetzt, auch wenn ich nicht weiß, welcher Anlass das ist.
Weitere persönliche Anmerkung des Aufschreibers:
Ossi könnte schon für den im Vergleich zu mir erfolgreicheren Typen stehen. Das würde auch für den Postler Ossi gelten, denn immerhin hatte er einen gut bezahlten Job und eine gute, ausreichende Pension. Und untergehen werde ich ja auch.










(10.6.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1874 An der Schädeldecke


Auf meinem Schädel kribbelt die Kopfhaut hellwach und interessiert, bereit, die Wellen des Universums aufzunehmen. Ein gestoßener tiefer Seufzer (ähnlich denen, mit denen sich Kinder beim Beenden ihres Weinens wieder beruhigen) entringt sich meiner weit gemachten Brust - aber vom Weinen keine Spur. Ein tiefes, mehrfach Luft nachschöpfendes Gähnen dehnt Mund und meinen Bauch und macht mir den schönen guten Morgen spürbar.

Jetzt wachen meine Backenknochen auf und drücken sanft auf diese Weise mir ihr Dasein aus und auch ein wenig – mechanisch – auf die Tränendrüsen.

Jetzt wandert der leichte Druck zu meinen Ohren, besonders im linken spüre ich ihn wie einen Pfropfen, der sofort das Surren steigert und einen hohen, monochromen Ton erzeugt.

Nun aber scheint sich dieser Aufmerksamkeitsdruck aufzulösen und wandert nicht mehr weiter.

Doch! Auf der Schädeldecke entsteht er wiederum, beginnt, den ganzen Kopf mir einzuhüllen; der fühlt sich wie in Sandy's runder Glaskugel.

Die Wahrnehmungsspots wandern jetzt am ganzen Körper hin und her, gehen aus und wieder an – ich kann dem nicht mehr folgen.

Now wieder an der Schädeldecke und rieselt rundherum am Kopf herunter. Die Ohren neuerlich verpfropft.

Jetzt bin ich schon zu wach, um all das noch ganz deutlich sauber spür'n zu können.

Stimmt doch nicht ganz: denn es melden sich wieder einzelne Körperstellen. Sogar in leichten Schlaf versinke ich.

Alles genehmigt und von meinen innern Klägern und Richtern frank erlaubt! Dient ja auch der Text- und Wahrheitsfindung!











(10.6.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com