Mittwoch, 17. Juni 2020

1883 Die Bravheitskarotte im Arsch


Meine oder deren Idee drüben, meine Kindheitsmärchen und Geschichten zu kommentieren und dabei meine geistigen Kindheitseinflüsse und beeindruckenden Bilder zu erforschen, habe ich ausprobiert und bin nicht vorangekommen. Ich habe ein bißchen im riesigen „Bunten Buch“ geblättert und keine Lust gehabt, auch nur eine der Geschichten zu Ende zu lesen. Diese geballte Bravheit und Berechenbarkeit (arm, aber gut; bescheiden, aber belohnt) ist so langweilig und geistlos; nicht die geringste Inspiration geht davon aus. Das ist mein erstes Resümee. Vielleicht versuche ich es in einer irgendwie anderen Anordnung.

Ich kann schon ein wenig meine damaligen Gefühle spüren, aber sofort wird mir säuerlich zu Mute und vor lauter Bescheidenheit taucht mein Bild als gekampelter und braver Jungscharbub mit ordentlich gescheitelten Haaren auf. So sehr ich das damals gebraucht habe um ein Gegengewicht zu meinen naziverseuchten Eltern zu finden, so sehr es damals meinen vulgärdarwinistischen Horizont erweitert und mich darwinistisch Aussortierten geschützt und ein wenig gefestigt hat (Gott hat mit JEDEM Menschen etwas vor; Es gibt kein lebensunwertes Leben): auch da mit diesem Buch und seinem Geist, der weder rassistisch noch nationalistisch sein wollte – die Märchen kommen aus aller Welt – und das Buch wurde uns von den Eltern geschenkt! -  wurde mir die spießige Bravheitskarotte in den Arsch geschoben (nur sinnbildlich!).

Nein! Nein! Schon gut, daß ich das Buch damals in die Hände bekam. Ich habe darin viel und oft gelesen, Orientierung und Trost gefunden, mich in die Geschichten vertieft bis zur Lesetrance – sozusagen.

Ich kann mich noch erinnern, wie eine Geschichte meine ersten zarten Gefühle für Mädchen herausgeholt hat (die habe ich heute absichtlich überblättert; mit der wollte ich nicht anfangen). Oder wie mich die verkleideten Schamanengeschichten von Reisen in andere Welten fasziniert haben. Ja, ich werde es nochmals versuchen mit diesen Geschichten. Und meine Ambivalenz, die sich hier zeigt – Liebe zu und Wut auf deren Geist - wird sich durch alle meine Kommentare ziehen.

Mein Eindruck heute ist: die Quintessenz dieser Geschichten: wenn du brav bist, wird es dir am Ende gut gehen, was doch ein gottverdammter Blödsinn ist.







(15./16.6.2020)






©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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