1875 Botschaft 011
„Was ist denn, Ossi!“
Anmerkungen des Aufschreibers:
Ich kann mir nicht helfen, ich habe das Gefühl, hier
schwindelt wer! Was soll so eine Botschaft?
Wer spricht? Zum ersten Mal eine weibliche Stimme! Erinnert
mich an die meiner Frau. Aber sie kann es nicht gewesen sein, denn unter den
Tageskindern gibt es keinen Ossi (gäbe es einen, könnte sie es unten ausgerufen
haben).
Adressat: Ossi. Wer ist Ossi? Ich bin es nicht! Mein
Vorgänger hier im Haushalt wurde so gerufen. Aber was soll dann das? Was geht
das mich an? Der ist erfolgreich und aus allem Schlamassel längst heraußen und
braucht meine Botschaften oder die über mich vermittelten sicher nicht.
Ich kannte bei meinen Proletenjobs einen Ossi gerufenen
Alkoholiker – oder Ex-Alkoholiker – so genau wußte ich es nicht – und ewig
trauernden Witwer. Ist er gemeint? Er als mein unmittelbarer Vorgesetzter hatte
einen Narren an mir als seinen braven Arbeiter gefressen und mich in aller Öffentlichkeit sogar als
seinen Augenstern bezeichnet. In Erinnerung an seine Geschichten muß ich
lachen. Erst recht bei denen, die man mir an einer andern Arbeitsstelle in
einem andern Postamt über ihn erzählt hat, Geschichten, die er mir nicht
verraten hat. Ist er gestorben? Lebt er noch? Ich wüßte seinen ganzen Namen
nicht mehr. Ich fühl jetzt Trauer und Dankbarkeit für diese alte, distanzierte
Freundschaft, längst schon unter den Jahrzehnten tief begraben.
Übermittlung: der innere Traumchannel (sehr informativ diese
Aussage, was?!). Naja, gar nicht so sicher.
Tonart: wie eine leicht genervte Mutter.
Sprachform: schlichte Erziehungsspeach.
Inhalt: als weder Adressat noch Sprecher kann ich dazu gar
nichts sagen.
Nochmals: Sprecherin? Ja wer? Eine weibliche Göttin? Frau
Holle? Unsere Liebe Frau von Wasweißich … Mariazell (die eingesperrte!)?
(Deshalb schon genervt?). Meine internalisierte Mutter? Nein, viel zu wenig
hysterisch und viel zu wenig genervt und viel zu wenig überfordert und viel zu
… wie kann ich sagen? … spricht den Ossi bewußt und direkt und mit Namen an –
passt nicht zu meiner Mutter! Eine kollektive Mutter? Sozusagen das
durchschnittliche europäische Mutterprinzip? Oder meine Tante Frieda, die ich
als Kind gern als Mutter gehabt hätte? Naja. Kann ihren Sound in diesem Ausruf
zwar ein wenig, doch nicht ganz erkennen. Habe schon auch Erinnerungen an eine
genervte Frieda, aber trotzdem.
Resümee: Ich weiß nicht wer gerufen hat, weiß nicht, was die
Botschaft soll, hat jedoch Erinnerungen heraufgeholt und mich in eine leicht
traurige, aber nicht unangenehme, sondern dem Anlass angemessene Stimmung
versetzt, auch wenn ich nicht weiß, welcher Anlass das ist.
Weitere persönliche Anmerkung des Aufschreibers:
Ossi könnte schon für den im Vergleich zu mir erfolgreicheren
Typen stehen. Das würde auch für den Postler Ossi gelten, denn immerhin hatte
er einen gut bezahlten Job und eine gute, ausreichende Pension. Und untergehen
werde ich ja auch.
(10.6.2020)
©Peter Alois Rumpf,
Juni 2020 peteraloisrumpf@gmail.com
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