Montag, 8. Juni 2020

1865 Vor und Au


Zum Frühstück: „Kann ich mir deinen Löffel ausborgen? Ich hab meinen schon abgegeben!“
„Ja, ja!“

Erstaunlich: heute bin ich vor sechs Uhr aufgewacht und dann aufgestanden, bin die paar Schritte zum herrlichen, herrschaftlichen und Chorherrenstift hinauf und habe die prächtige Anlage (N, O, S, W) umrundet.

Die Wiesen im Morgentau und auf den Bergen (oststeirisch gesprochen – ennstalerisch würden die Berge unter Anführungszeichen stehen – unterstell ich mal) rundum steigt der Nebel hoch und versucht sich zu verflüchtigen. Die wunderschöne und so schön ausstrahlende Sonne, das Gemüt und Herz angreifende, will sagen berührende Wesen. Die Wiesen, Wälder und Felder so lieblich hingelegt, über sanfte und robustere Hügel erstreckt (ob die robusten Hügel bei Dauerregen zum Beispiel wirklich die robusteren sind, oder nicht doch als erste abrutschen?).

Ich weide meine Augen. Ich denke: kultivierte Natur. Die Menschen lehne ich neuerdings heftig ab, ihre Landschaften liebe ich – zumindest von der Weiten.

Aber auch ich habe hier Vorfahren in den Gräbern. Ich war heute dort, habe eine Kerze hingestellt, die Ahnen beschimpft und für sie zornig und lieblos gebetet.

Vorher noch war ich bei einer Friseurin, die mir (wem sonst?) ihr Seepferdchen gezeigt hat. Auf ihren rechten Busen tätowiert.

Nun sitze ich nach einem großen Mittagessen am Balkon des Hotelzimmers, die Beine auf einen zweiten Sessel ausgestreckt (das Arrangement von meinem Weibe übernommen) und blicke zum Marktflecken hinunter in den Graben und hinauf, gaffe direkt zur Pfarrkirche hinüber – ich schätz, ich bin auf Augenhöhe – auch mit dem Baukran davor, bis hinauf zum alten Rathaus, suche den kindheitsvertrauten Weg zum alten Bad, drehe den Blick zum neuen Bad mir seiner 58 Meter Rutsche – in gut 25, 30 Jahren inzwischen auch schon alt geworden – so gut kenn ich die Jahreszahlen nicht – streife noch die hohen, bewaldeten Hügel mit ihren hineingeschnittenen Wiesenflächen und Getreidefeldern.

Der Himmel wird mehr und mehr bewölkt, ich schaue noch auf den letzten Sonnenflecken dort links auf der Wiese und seinen scharfen Schatten der randständigen Bäume, verfolge ihn in den Wald hinauf, wo er sich fast verliert und dann wieder derfängt und herunter in den tiefen Graben wandert, auf halbem Weg vom Untermarkt zum Obermarkt hoch bei der Pfarrkiche innehält und die und ihren Vorplatz fromm beleuchtet (oder frech? Wer weiß.), dann wirklich weiter bis zum Rathaus schleicht und sich im Rathauspark vergißt.

Ich betrachte unter mir zwei junge Amseln, schaue einer Frau beim Rasenmähen auf den Rücken – alles von oben herab und den Nordhang hinunter – nun kommt das Licht nochmals in den Untermarkt – ich denke: für jetzt ist es genug!









(6./8.6.2020)








©Peter Alois Rumpf,  Juni 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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