1861 In die Lichtstärke
Der katzenhafte Fehlalarm und meine sinnvolle optische
Täuschung begleiten meine Morgenzeremonie. Ein neues Wesen ist an der
Bücherwand entstanden und schaut mich gesichtslos an. Von der Gestalt her
könnte es ein Engel sein, ich weiß schon: aus Gebirge und aus Bücherrücken. Das
Gebirge vom Brandl. Auch deswegen kommt etwas Erhabenes und Herrliches herüber,
auch etwas Strenges. Das vielleicht vom Buch (Scholochow, der stille Don).
Darunter ein im Dämmer leuchtender Fluß und ein im Dämmer
leuchtendes Schneefeld (Monet und Munch).
Der zusammengestückelte Engel hebt seine Rechte, ob zum
Segen oder zur Mahnung ist mir unklar. Oder zum Halten einer gefährdeten Balance?
Die Gestalt könnte die Hand auch vorm Mund halten, als Zeichen still zu sein,
nicht zu reden (gälte das auch fürs Schreiben?).
In meinen und um meine Ohren spielt sich eine
Wahnsinns-Surr-Synphonie ab, mit wechselnden Lautstärken, Tempi und Surrinstrumenten
und Temperaturen. Ein verrückt dynamisches und überraschungsreiches Konzert (wo
ist übrigens mein Montagepunkt?).
Ich hebe wieder den Blick; mein zusammengestückelter Engel
hält noch. Könnte jetzt jedoch auch ein König sein. Malach, Mäläck, Metoo.
Meine Bilder werden plötzlich sakral und katholisch
ausgestellt (das nicht mehr in dieser Welt) und ich habe bemerkt, daß – in die
Lichtstärke …
(4.6.2020)
©Peter Alois Rumpf, Juni 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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