Montag, 31. Januar 2022

2575 Schlaf

 

Aus wirklich grauslichen, schrecklichen, furchteinflößenden Albträumen erwacht fühle ich mich elend. Meine Körpermitte zittert noch und obwohl die Träume bereits wieder ins Vergessen absinken, bin ich ihres Entsetzens voll. Ich schreibe das nicht her, um mich zu beklagen oder beim Universum zu beschweren, sondern einfach als Bericht. Es ist schon hell, denn die Tage sind länger geworden. Ich hocke noch im Bett und schaue mit meinem unsichtbaren Auge ins reine Grauen. Mein Zimmer ist voll unsichtbarem Entsetzen, aber mir fallen wieder die Augen zu. Ich bleibe sitzen – vielleicht kann so die Albtraumsubstanz besser von mir abfließen.

10:58. Die Augen verklebt kämpfe ich mich mühsam aus dem vielfach unterbrochenem Schlafmarathon, immer zittrig.

Es hat zwölf Stunden gedauert, bis mich der Schlafgott freigegeben hat.

 

(31.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2574 Mehr geschieht nicht

 

Heute scheint ein spezieller Art-Ensemble-of-Chicago-Tag zu sein. Ich bin erschöpft und erhole mich jetzt. Warum schreibe ich so trocken, fad und phantasielos? Alle Poesie fürs Zuhören der Musik verbraucht? Bei diesem Stück („Urban Bushmen“) schlafe ich meistens ein und erwache erquickt. Oh, jetzt beginnt mein Surren wieder heftig zu pulsieren, aber nur ein paar Sekunden lang und das nur von Zeit zu Zeit. Sonst bleibt es monoton. Und ich werde schon jetzt wacher und munterer; ohne Schlaf. Meine Frau unterrichtet unten Yoga und ich mache mir Sorgen, dass die Musik in meinem Zimmer zu laut ist. Ich drehe leiser. Ich kann mich jedoch nicht mehr entspannen. Immer denke ich: „Bin ich zu laut? Stört es sie unten? Geht’s so?“ Ein paar Minuten halte ich noch durch, dann kann ich nicht mehr konzentriert zuhören und meine Lieblingsmusik beginnt mich zu nerven. Ich drehe ab.

23:30. Mein Blick ins Zimmer bleibt nüchtern, trocken, erweckt nichts, nichts tanzt. Lediglich mein Surren in den Ohren hüpft von Zeit zu Zeit. Nur die relative Dunkelheit verleiht den Gegenständen etwas Weichheit. Mein Geist gerät in Rage und mein Körper beginnt zu zucken. Dann ist diese Aufwallung wieder vorbei. Mehr geschieht nicht.

 

(30.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2573 Albertinatour

 

Auf meiner heutigen Tour raste ich zunächst bei Michela Ghisetti. Und schon bin ich zu unruhig um still sitzen und schauen zu können. Dabei bin ich zu Fuß zur Albertina und die albertinische Tour hat schon beim Hergehen begonnen. Ich fixiere mich auf Ausschnitte, wie bei den Graffitis. Ich könnte wieder heimgehen.

 

(28.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2572 Im Knast

 

Es ist der Tote, der im Knast sitzt; dessen Rückkehr aber fürchten sie. Aber die Kraft verbleibt mir! Ist er nicht süß, der Mensch, wenn er versucht, interessante Sätze zu schreiben? Oder wenigstens interessant klingende? Der Sinn ist davongehüpft wie die Katze vom Bett auf den Schreibtisch; dort knurrt, brummt und schluckauft das Wesen. Stimmt die Formel? Ich hoffe es und schlafe weiter.

 

(28.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 26. Januar 2022

2571 Vielversprechend

 

Ich bin bei so einem studentischen Jugendtreff von Wohngemeinschaften und weiß aber, dass ich fast siebzig Jahre alt bin. Es zeigen sich da sehr komplizierte Beziehungsgeflechte oder Gefüge und prompt verliebe ich mich in eine junge Frau. Die Geschichte hebt vielversprechend an, doch im Endeffekt will sie dann doch nicht und ich ziehe mich verzichtend zurück (ich lese gerade Italo Svevos „Ein Mann wird älter“, wobei aber der „Held“ der Erzählung fünfunddreißig ist! Fünfunddreißig! Da bin ich gerade Hilfe suchend dem Döbereiner tapfer ins Messer gelaufen!) Warum wir in St. Gallen, Steiermark, sind, weiß ich nicht. Am Anfang befand sich das Ganze woanders, wie mir scheint. Und Schiffsbau spielt auch eine Rolle. Ist St. Gallen dafür nicht ein bißchen weit weg von der Enns? Ach Träume! Ist er nicht süß, der Mensch, wie er ißt und bis tief in die Nacht Kaffee trinkt, schläft, träumt und dann benommen aufwacht? Dann will er seine Träume verstehen, aber seine Zellen kennen sich nicht mehr aus und wissen nicht, ob, warum, wie und überhaupt sie sich magnetisiert haben sollten. Ja, ja, Mesmer wäre Freud vorzuziehen, wie es in einschlägigen Kreisen heißt. Die Katz klettert auf mir herum und nicht weit von hier in der Kindertagesstätte singen, jubeln, rufen, spielen fröhlich die Tageskinder. Bald werden sie Mittagsschlaf halten; ich höre schon die Bilderbuch-Anschau-Phase vorbereitet werden und ein Bub „liest“ den Text schon den anderen vor. Ich höre die Kinder, denke an sie und stelle sie mir vor mein inneres Auge, und ein Fuder Schwermut legt sich auf mich, aber nicht, weil die gehörte Szene traurig wäre, nein, im Gegenteil, weil ich an meine Kindheit und ihr Programmierungsprogramm denken muß. Die Kinder hier werden nicht falsch gemacht.

 

(26.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2570 Ich Dalit

 

Meine Frau lacht und sagt, ich würde mich gern als Opfer inszenieren. Das stimmt überhaupt nicht! Aber ist er nicht süß, der Mensch, wie er sich regt und müht in allen und über alle Grenzen hinaus? Ja, so ist es! Man bedenke den ganzen energetischen Aufwand und das Gehirnvolumen! Heute überredete mich meine Angegr … Anvertr … Angetraute, sie zum Kauf eines Trolleys zu begleiten. Der alte verlor seinen Unterleib, als ich ihn nach einem Einkauf schwer beladen wie so oft die Stiegen zum zweiten Stock schnaufend hochgezogen habe (es gibt im Haus keinen Lift). Das Lockmittel, das meine Frau zur Überredung einsetzte, war – und da mußte ich lachen – dass ich beim Einkauf sicher etwas erleben würde, woraus mir ein neuer, lustiger Text entstünde. Und als der Trolleyeinkauf, zu dem wir zu Fuß in die Praterstraße gewandert waren, erledigt war, drängte sie mich, in diesen Turm da, dessen Name mir nicht und nicht einfallen will, in den obersten Stock zu fahren, um a) die Aussicht, und b) die Deckengestaltung der Pipilotti Rist anzuschauen. Das habe sie schon lange vor und nun seien wir in der Nähe und … und so weiter. Mir ist soetwas vorallem so plötzlich ohne mentale Vorbereitung äußerst unangenehm und peinlich: ein Hotel, eine Bar, ein Restaurant, das ich nicht kenne und das der höheren Preis- und Gesellschaftsklasse angehört oder anzugehören scheint, einfach so zu betreten und das noch dazu ohne Konsumationsabsicht, also ohne durch irgendeine Bezahlung wenigstens den Anschein einer Anwesenheitswürdigkeit meiner Wenigkeit vorzutäuschen, bereitet mir Qualen und großen Stress. Denn ich bin ein Dalit, der in solchen den höheren Kasten vorbehaltenen Einrichtungen nichts verloren hat. Ich gerate ins Schwitzen und innerliches Zittern – nach außen hin versuche ich eine große Gleichgültigkeit abzustrahlen – denn ich rechne jeden Moment damit, durch mein Aussehen, meine Kleidung, mein Verhalten, meine Sprache – ich gerate dann gegen allen inneren Widerstand schnell in ungeschickte und gekünstelte oder proletige oder unterwürfige Redeweise – als Paria aufzufliegen und hinausgeprügelt zu werden. Ja wirklich! Das ist mein innerer Film. Passend war noch, dass ich den Trolley wie ein Diener hinter meiner Frau her gezogen habe, weil ich nicht ins Gebäude wollte und sie gleich und rücksichtslos vorgeeilt ist und ich brav hintennach. Auf die Idee, einfach umzudrehen bin ich - folgsam wie ich bin und panisch wie ich war - gar nicht gekommen. Ich glaube nicht, dass sie den Turm beim Weggehen schon eingeplant hatte, und überlebt habe ich trotz mehrmaligem Herumirrens im Gebäude – den richtige Lift haben wir nicht gleich gefunden - das Ganze auch; die Aussicht ist großartig und die Arbeit der Frau Rist interessant und schön. Aber was ist mit dem lustigen Text? Irgendeine Pointe hatte ich mir am Rückweg noch ausgedacht, aber jetzt fällt sie mir nicht ein. Waren es unsere Diskussionen im Turm - „wo ist der Lift?“ „da“ „nein da“ „dürfen wir das?“ „ja“ „gleich werden sie uns rausschmeißen!“ „zweiter Gang links, nicht erster!“ usw? Mein Gehirn scheint unterversorgt zu sein. Und halblustig ist unlustig. Gar nicht gut!

Und ich muß mir, wenn ich im Bett, meinem sichersten Ort, schreibe, nach dem fünfhundertsten Mal endlich merken: nicht den Kugelschreiber aufs Nachtkastl links von mir und das Notizbuch auf den Bücherstapel links neben dem Bett legen, wenn ich dabei auch den Kopf nach links drehe, um den Vorgang zu sehen, und gleichzeitig gähnen muß! Das ergibt nämlich jedesmal einen krampfartigen Schmerz in Hals und Nacken, der sich nur langsam auflöst.

 

(26.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2569 Monarchisten

 

Ich kann beweisen, dass ich schweigen kann. Schweigen ist sehr wohl meins, auch wenn ich viel und gern rede. Ich mein, was soll das! Ich bin ein tiefsinniger, edler, weiser alter Mann! Kein aufmerksamkeitsheischender Schwätzer! Pah! Aber heute glitzert das Meer in Mali Lošinj am Nordufer in der Ferne (auf Grund einer Ansichtskarte kannst du ohne Ortskenntnis nicht die Himmelsrichtungen bestimmen!) Heute werde ich nicht schweigen! (wie auch gestern und vorgestern und vorvorgestern …).

Auseinandersetzungen mit Monarchisten? Oder bekunde ich Sympathien? Alles ist möglich.

 

(24./26.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2568 Unsinn

 

5:05. Schnurren, Surren, und noch ein monotones Geräusch; vermutlich eine akustische Täuschung aus Frequenzüberlagerungen und Interferenzen. Optisch fällt mir der Dreiklang, die Dreifaltigkeit der drei nackten Frauen allerdings erst nach langem Herumblicken auf (mit „Dreifaltigkeit“ wollte ich keinenfalls blöde Bemerkungen über den weiblichen Körper machen!). Mein verschlafener Geist fliegt flügellahm umher und dreht sich meistens im Kreis (die kursiv gesetzten Stellen habe ich erst heute beim Eintippseln hinzugefügt; ich wollte den Text ein wenig aufpeppen. Beim Schreiben der ersten Fassung ist mir das nicht eingefallen). Die Heizung springt mit Knistern, Knacken und Gurgeln an (knackig!). Ich unterbreche das Schreiben und schiebe meine rechte Schreibhand unter den warmen, weichen Bauch der schnurrenden Katze (manchmal kann ich die Hand ganz unter ihrem Bauch durchschieben und so weiterschreiben; jetzt aber nicht). Dann steht sie auf und geht ihren vertrauten Weg zum gewärmten Platz auf meinem Schreibtisch, aber so, als hätte sie den zum ersten Mal entdeckt und ganz neu gefunden (das ist so: mein Schreibtisch steht ganz ans Fenster geschoben; und als noch eines der großen, also Stiefkinder im Zimmer gewohnt hat, und die Wärme vom Heizkörper unter dem Tisch und dem Fensterbrett sich gestaut hat und nicht herauf gekommen ist, hat es mich gebeten, ins Fensterbrett einen Schlitz zu sägen, was ich auch mit der Stichsäge wenn auch sehr verlaufen, schief und häßlich gemacht habe. Das gefällt auch der Frau Katz). Die Sakristei meiner Kindheit erscheint vor meinem inneren Auge und ich spiele mit der Vorstellung, daß dort eine Katze (also ein kleines Leben) lebt. Ich schüttle meinen realen Kopf über diesen Unsinn. Regentropfen am Fenster?

 

(24./26.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 21. Januar 2022

2567 Belvedere

 

Vereiste Wege ins Belvedere. Kartjee Belvedère: ich möchte es halbwegs frnazösisch ausgesprochen; immerhin ist Prinz Eugen Franzose; obwohl Savoyen! Die arpitanische Sprache dürfte dem Italienischen näher sein, oder?

Ich sitze bei den mittelalterlichen Kreuzigungen. Ich kann mit dem Mittelalter und seiner Kunst nicht viel anfangen. Sie berührt mich nicht. Ich will auch keine Erklärungen dazu. Gut, das weite rosa Gewand des Jesus am Ölberg – der Faltenwurf ist schon sehr abstrakt; einzelne Sachen kann ich herauspicken. Viel Ablenkung im Moment. Direkt vor meiner Nase steht ein Weiberarsch. Bitte nicht schon wieder. Ich mag nicht mehr. Die Peitschen und Geißeln, die Gesichter. Es geht nicht. Für mich geht das nicht.

 

(21.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2566 Die Klarheit

 

2:54. Die Klarheit um mich verhindert mein Schreiben. Nichts verrutscht mehr und gibt etwas vom Verdeckten preis, nichts verschwimmt oder verwischt und läßt so etwas vom Dahinter auftauchen. Die trüben Brillengläser verzerren nichts zur Kenntlichkeit und im erstarrten Raume tut sich nichts. Das Surren dröhnt ins Leere und diese Leere ist so starr und fest, dass sich hier nichts rühren kann. Doch! Jetzt hat sich ein Regalbrett mit der Bücherlast hochgehoben! Dann ist es wieder wie vorher. Diese Leere ist mir etwas unheimlich; sie ist so dicht, sie läßt auch die Bilder an der Wand nicht abstrahlen. Die Zeit bewegt sich noch? Ich nehme an.

 

(20./21.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2565 Jausenbrot

 

Heute war ich wieder in der Therapie – wie ich es seit Jahren zweimal die Woche wegen Angststörung und mittelschwerer Depression mache. Dann bin ich zum Gerngroß (obwohl das der Mädchenname meiner Mutter ist, sind wir nicht verwandt. Im Gegenteil) um für unsere Kaffeemaschine diese sauteuren Entkalkungstabs zu besorgen. Ich vermute zwar, dass die Entkalkung mit billigem Essig genauso funktionieren würde, aber da ich nicht vom Fach bin, kenne ich mich nicht wirklich aus und will die Garantie auf das Gerät nicht gefährden (obwohl Kaffeefasten auch nicht so schlecht wäre). Auf dem Weg dorthin der Wintereinbruch mit stürmischem Schneefall. Ich besorge diese depperten Tabs ohne in der CD-Abteilung herum zu schnurchteln (Konto überzogen) und ohne mir etwas zu essen zu kaufen (Konto hoffnungslos überzogen und die kranke Gesundheitskasse hat mir noch immer nicht ihre teilweise Therapiekostenbeteiligung (eh nicht einmal die Hälfte) für Dezember erstattet (zeitweise waren sie ein halbes Jahr im Rückstand – aber wir haben ja einen Geldscheisser, nicht wahr, im Gegensatz zu denen da oben)). Zu Hause wird es dann genug Nahrung geben. Aber ich bin schon recht hungrig. Bei der U-Bahnstation Volkstheater stelle ich fest: meine Luftballon-Herz-Pilgerstätte gibt es nicht mehr. Alles weggeräumt. Allmählich gerate ich in Unterzuckerung mit Schwächeanfall. Ich habe „Wallungen“ (bei dem Wort muß ich immer lachen), der Schweiß bricht mir aus, ich fange an zu zittern. In der U-Bahn bei der Heimfahrt ist mir völlig schummrig; ich halte mich fest. Aussteigen, Lift, Heimweg – alles unter ungewöhnlicher Anstrengung. Ich schleppe mich die Stufen zu unserer Wohnung hinauf, trete ein, eile so gut es geht die Treppe zu meinem Zimmer hoch (! - Germanizismus akzeptiert), lege mein Außengewand ab und ziehe das Hausgewand an – vor lauter Zittern bringe ich die Hemdknöpfe kaum auf. Dann stopfe ich mir das Essen rein, ohne es mir aufgewärmt oder sonst ordentlich zubereitet zu haben. Für das nächste Mal erwäge ich, auf meinen Außentouren in die Stadt in meinem Albertinatascherl ein Jausenbrot mitzunehmen.

 

(20.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 20. Januar 2022

2564 Grüß Gott!

 

11h. Ein herzhaftes „Grüß Gott“! Der Wecker hat mich aufgeweckt, aber ich will nicht aufstehen. Ich muß! Ich muß! Ich muß! Nun sitze ich an der Bettkante und will mich nicht erheben. Aber ich muß! Ich muß! Ich muß! Anziehen, Pieseln (wie sich nachträglich herausgestellt hat, kann tatsächlich vom ordentlichen Brunzen keine Rede sein. Der echte Morgenstrahl ist schon vor ein paar Stunden anlässlich der Katzenfütterung abgegangen), Rasieren, Gesichtswäsche (heute verzichte ich auf die Morgendusche), Zähneputzen, Frühstück, Mundausspülen, Gebisseinsetzen, Texteintippen, Auf-die-Schublade-Stellen, Auf-Facebook-Kund-Tun, Ausdrucken, Fürs-Hinausgehen-Ankleiden und Abmarsch!

 

(20.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 19. Januar 2022

2563 Miles Davis in der Albertina

 

Ich sitze vor der Werefkin, wie immer. Mein maskierter Atem beschlägt die falsche Lesebrille. Trotzdem: das wilde Tier schleicht scheu – wie wilde Tiere es meistens sind – durch den winterlich-nächtlichen Wald. Genau weiß man und ich nicht, welches Tier hier geht. Oder ist im Wald gar nicht Nacht? Die Welt ist zu fremd für eine eineindeutige Erkenntnis. Die Bar in der Sturmnacht ist menschlich und zieht die Männer an wie mich früher die BlueBox. Unruhe, ich will weiter. Ins falsche Notizbuch – nämlich ins Traumbuch, das ich irrtümlich eingesteckt habe – das da zu schreiben, irritiert mich und ist mir lästig (für einen Chaoten muß Ordnung sein). Drehung zum Oberstdorfer Wald. Halbdrehung.

Ich laufe aus dem Ruder, ich ecke überall an – psychisch-mental – und reibe an jeder echten oder imaginierten Kante des Unerwarteten. Ich muß weiter in den nächsten Saal.

Ich habe auch die falsche Brille eingesteckt, die häßliche, kaputte, schief sitzende, ständig von der Nase fallende Ersatzbrille, und raste bei der Brücke. Photos machen geht besser. Keine Sitzbank mehr im Kokoschka-Saal! Das geht nicht! Das geht gar nicht! Das geht überhaupt nicht! Ach, welch tolle Bilder! Präzise und lebendig.

Wenigstens beim depperten Kardinal kann ich sitzen, in der Nähe des vierblättrigen Klees. Schritte sind zu hören. Die Klimaanlage röhrt und brummt. Darin ist jedoch Stille. Zwei neue Schrittchen, dann ist es wieder still. Das Sitzbankbrett geht gnadenlos über die rechteckigen Wandzierungen unter dem Fenster. Das darf es; ich finde den Eingriff gelungen und - nicht nur an der Wand – angebracht. Weitergehen! Ich kann noch viel weiter gehen!

Jetzt kann ich doch nicht weitergehen, weil mich ein Weiberarsch blockiert. Ich will ihm – gerade stolz an mir vorbei gestöckelt – nicht nachgehen. Ich warte, bis er weiter weg ist. Die stolzen, festen Schritte sind nun weiter weg. Aufbruch. Im Vorbeischlendern erfreue ich mich besonders an zwei der Kleeblätter und sitze dann mit überschlagenen Beinen vor Motesiczkys Arbeiter wie immer auf meiner Tour. Und zwar sitze ich ganz gekrümmt, unattraktiv und eingesunken. Ich will das so. Der Arbeiter ist einigermaßen aufrecht, vor allem freundlich. Der Faltenwurf seines Sakkos: eine Welt für sich. Er ist so deutlich da; ich so undeutlich. Und seine Hose! Rechts unten innen eine ganze Galaxie.

Bei mir hängt alles vom Sitzen ab; darum streife ich den lieben Giacometti nur und verweile nur ein wenig bei seiner Landschaft 1952.

Nun warte ich im Idiotengang bei den Sphinxen auf D. Die Säulen hier tragen nichts. Die Köpfe spitzeln auf ihren Marmornägeln in den Boden. Und die Sphinxe haben echt Arschgesichter und jede einen fragwürdigen Mund. The Sound of Austrian Dialects, no Music. Klimaanlage und Luftaustausch ist das Hintergrundrauschen. Ich warte auf D. Hoffentlich kommt sie vor meiner Unterzuckerung. Die beaufsichtigende Schrittemacherin geht offensichtlich nach Hause; Dienstschluß. Oder etwas trinken. Glockenschläge schlagen halb. Der erste Kopf ist der Augustus, wie ich am Schild ablesen kann. Der schaut zur Seite zu Boden. Hä? Der? Der macht auf verschämt? Oder sein positiv denkender Skulpteur. Zugeschwollene Augen steigen langsamst vorbei. Die Jugend hingegen flott. Die Bundesländler schreien so laut! (also! Das kannst du nicht wissen, wo die her sind; der Dialekt unter der Maske ist undeutlich!) (Aber mein Energiekörper kann es wissen.) Mann mit Hut, mehr Tunichtgut (ich lasse meinen inneren Verurteiler ungehindert arbeiten). Halt: das Spiegelbild ist nicht korrekt! Es zeigt eine Krümmung im Teppich, wo keine ist. Ich warte auf D. Und ich werde ungeduldig; ich reibe meinen entzückenden Rücken am Fensterglas hinter mir auf der Sitzbank. D ist da!

D ist da, aber jetzt warte ich vor dem Klo auf D.

Nun im Noëlsaal auf der Bank, während meine liebe D herumgeht. Der Döbereiner hatte seine Drecksgriffeln tief in meiner Seele und meinem Unbewußten! Ist mir vor diesen Bildern mit Belegstelle so eingefallen. Ich suche nur noch Sitzbänke auf, die Unterzuckerung ist in vollem/leerem Gange. Eine kleine Fastenzeit. Ich will nach Hause, sage es aber nicht. Im Gegenteil: ich ermuntere D noch herumzugehen. Es ist ok so.

Ein verzerrtes Kniegelenk nicht bei mir, sondern an der Wand. Mein Weiblein kommt und setzt sich neben mich. Oh! Das Kniegelenk ist nicht Lindgren, sondern Miles Davis!

 

(19.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2562 Schneid

 

5:30. Der überraschende morgendliche Schneid und die überraschende morgendliche Klarheit nach dem sofortigen Sprung aus dem Bett halten so lange an, wie dieser Satz gebraucht hat geschrieben zu werden. Und der Mann ist gefährlich. Was würde er der göttlichen Liebe wegen nicht alles tun. Alles ist vertrackt und durcheinander. Der Moser muß nicht so schön sein, Hauptsache, er hat die N.N. an seiner Seite. Weißt du, was ich in ihrem Bad gefunden habe? Ich auch nicht. Wie ich schon öfters gesagt habe: ich schreibe einfach. Die Zusammenhänge sehe ich erst später. Spätestens beim Sterben.

7h. Ich sitze im Bett und warte friedlich auf  Inspiration. Was kommt ist ganz plötzlich und unvermittelt Angst und Übelkeit. Völlig unvermittelt; von einer Sekunde auf die andere; wie aus einem Schock entstanden; einem Schock, der mir entgangen ist. Vibrationen im Oberkörper folgen und lassen meinen Kopf wackeln. Das geht nach unten und vibriert den Unterleib, dass die Bauchmuskeln zucken. Botschaft von drüben: einige Stunden in der Sonne.

9:29. Frau Huber schreibt mir die Seelen auf.

 

(19.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2561 Möwen

 

2:21. Ich will herausfinden, ob lebende Möwen, wenn sie im Wind stehen, auch so wackeln wie das über mir hängende Holzmöwen-Mobile über meinem Bett. Dazu strenge ich mich an, mich zu erinnern, wie sich Möwen im Wind stehend bewegen. Ich weiß aber nicht, ob ich meine Erinnerung an die Holzmöwe angepasst habe oder nicht. Denn zunächst ist mir dieses Gewackel ganz unmöwisch vorgekommen, aber nach einiger Zeit doch ähnlich.

Ich rufe die Katze, die hinter der angelehnten Zimmertür verharrt, als könne sie sie nicht aufdrücken. Ich höre ihren Atem. Sie antwortet mir mit einem röchelnden Laut, denn sie versucht immer wieder zu sprechen. Und sie bleibt hinter der Tür. Sie hört nicht auf zu sprechen. Erwartet sie, dass ich aus dem Bett aufstehe und die Türe für sie ganz öffne? Denkbar ist es, aber jetzt tatzelt sie sich schon herein und springt auf meine dargebotene Brust. Sie schaut meiner Hand bei den Schreibbewegungen zu, aber diesmal streicht sie nicht mit ihrer Wange am Kugelschreiber. Meine Verschreiber sind in letzter Zeit noch häufiger geworden; jetzt zB „diesmalt“ statt „diesmal“. Die berühmten Schaltungen im Gehirn. Das ständige Surren geht für kurze Zeit in hohes, spitzes Pfeifen über.

 

(18./19.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 18. Januar 2022

2560 Gut so!

 

5:32. In aller Herr-Gotts-Früh, nach der Raubtierfütterung, ist mein Blick auf die klare Modigliani-Nackte gefallen und hängen geblieben. Die drei kleinen, magnetischen Nackten aus der Albertina am Kassettenrekorder haben den lächerlichen, finsteren düreren Totenschädel verdrängt. Gut so! Ich bin für die Firma verantwortlich. Welche Firma? Firma Pröbel. Was stellt sie her? Keine Ahnung. Frau Katz schnauft mit ihrer Nase vor meiner leeren Seite. Meinem Patenkind sollte ich eine Camping-Wasser-und-sonst-Trinkflasche besorgen. Frau Katz liest jetzt die halb vollgeschriebene Seite. Blockiert wie ich bin, fange ich an einzuschlafen. Ich soll die künstlerische Leitung einer Weberei (Text!iles!) übernehmen. Die Frau meint beim Kinoeingang, sie fühle sich zu alt. Wenn die wüßte! Die knarrende Eingangstür, die eigentlich verschlossen sein sollte, löst Angst aus. So einfach ist die Story gestrickt.

12h. Unabsichtliche Meditation vorm leeren Blatt.

 

(18.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2559 Feierabend

 

Wir machen Feierabend. Weil ich mein Handy am Schreibtisch – der eigentlich ein Laptoptisch geworden ist – vergessen habe, weiß ich nicht, wie spät es ist. Ich stehe auf und hole es: 2:26. Ich gähne und bin müde, will mir aber unbedingt noch ein paar Zeilen rauspressen. Obwohl das Zimmer voll ist, ist eine Leere um mich herum; so etwas wie eine optische Sinnleere. Jedoch stört mich das nicht: ich finde es interessant, ohne Sinn finden zu müssen durch die Zeit zu gehen. Ich lache im Inneren laut auf; im Inneren! Vielleicht finde ich eine andere Art zu schreiben, eine neue Methode: verrückter, radikaler, mutiger, schutzloser, direkter.

 

(17./18.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 17. Januar 2022

2558 Wind ist aufgekommen

 

Wind ist aufgekommen. 9:28. Es tobt und rüttelt durchs Gebälk. Und die Tagis unten höre ich fröhlich hereinkommen. Ich lasse mich wieder so halb hinüberkippen. Zunächst keine Bilder, aber Vibrationen laufen durch mich und lassen meinen Körper zittern. Ich komme nun mit den Wellen der Bilder, die vom Zittern ausgelöst wurden, nicht nach. Als würden Stücke aus einer alten Kruste  ausgebrochen und abgelöst und abgestoßen und fliegen mir jetzt um die Ohren. Eine Decke wird über das ganze geworfen. Mein Spiegelbild, das mir überhaupt nicht ähnlich sieht, schlägt die Hände in gespielter Verzweiflung vors Gesicht. Mein realer Kopf schüttelt und wackelt in den Pölstern. Mein drüberes Ich scheint in Hausarrest zu sein. Oder Stubenarrest, jedenfalls geräumig. Die ersten Personen werden evakuiert. Oder deportiert. Trotz Zitter- und Vibriererei steht mein Selbst drüben auf (ich wußte gar nicht, dass sich der auch wieder hingelegt hatte). Plötzlich merke ich: Ich schreibe mit dem Kugelschreiber auf dem Laptopbildschirm über das Desktop (mein alter ego hat es an den Computer geschafft!). Mein altes Ego … nein, ich bin wieder drüben; mein anderes Ich rettet jemanden vorm Selbstmord. Das glaube ich zumindest hier, dass es nicht zu spät war. Geht drüben ein Kinderschänder herum? Ist das auch ein Ich? Die Sachlage ist mir nicht ganz klar. Mir wird gleich ein wenig übel. Ein tiefer Atemzug befreit mich von dieser unguten Vision. Die Katze schnarcht. Ich denke ans Aufstehen. Zu feig, dem Pädophilen drüben zu begegnen? Die Tür in die Ausstellungshalle ist sehr schmal und durch einen geschlossenen Glasflügel zur Hälfte blockiert. Der liturgiegewandlich voll ausstaffierte geistliche Würdenträger will als erster gerettet werden. Wo bleibt … was wird zuerst aufgegeben werden: die säkulare Schule oder die Kirche? Ich bin verwirrt: gibt es zwei unterschiedliche, separate Schichtungen meiner Erinnerungen? Zwei unterschiedliche, separate Erinnerungsablagerungsstätten? Ich höre drüben schlecht. „Siebenbecken“ scheint der junge Mann zu sagen, aber er sagt sicherlich etwas anderes. Ein plötzlicher Vibrationsstoß läßt mein rechtes Bein auszucken. Die weibliche Kraft drüben schreibt mir ihre Botschaften, indem sie mit Wollfäden die Buchstaben auf einen Karton stickt. So, jetzt reicht es mir! Schluß für heute Morgen.

 

(17.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2557 Stiegengeländer

 

Mir scheint das Stiegengeländer abhanden gekommen zu sein. Noch habe ich keine Ahnung, wohin mich das führen wird. Noch staune ich, dass ich nicht in Panik und Unruhe und die Stiegen hinunter verfalle.

 

(16./17.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2556 Artig

 

 

Saxophon und Trompete der jüngsten Anschaffung, der jüngsten Erwerbung, des jüngsten Gerichts wecken mich artig aus dem abendlichen Mittagsschlaf.

 

(15.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 14. Januar 2022

2555 Gute Idee

 

„Das ist ja noch erbärmlicher, wenn ...“ Nein, der Satz ist es nicht wert, notiert zu werden. Drüben erhalte ich eine Lektion in Verkaufspsychologie. Geholfen hat es nichts. Ich suche keine Verlage. Das erinnert mich zu sehr an die Galeriesucherei früher. Dafür bin ich zu alt. Ich halte die Aufregung nicht mehr aus, und nicht das ständige Hoffen und Enttäuscht-Werden. Außerdem könnte ich bei Erfolg die erwartete Rolle nicht erfüllen. Ich habe etwas Kindliches, Naives, meinetwegen Religiöses, dass mit Literatur- und Kunstbetrieb nicht kompatibel ist. Auch nicht mit dem kirchennahen und nicht mit dem esoterischen. Und mit neoliberalen Märkten welcher Art auch immer noch weniger. Ich bin froh, dass ich schreibe. Schluß! Punkt! Ich will mir von Experten und Kennern nichts dreinreden und nicht verunsichern lassen. Und schon gar nicht anpöbeln – dafür bin ich zu dünnhäutig. Gerade jetzt im Alter.

Von dieser langen Anstrengung in dieser Welt erholt sich mein Geist drüben. Lichtpunkte leuchten an der Schrift auf. Drüben wird mir die Bettdecke über meine schreibbereiten Hände geworfen. Gute Idee. Mir ist hier schon etwas kalt.

 

(14.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2554 In Lienz

 

5:15. Matutin. 5:30: die Heizung springt an und gurgelt in Leitung und Heizkörper. In Veli Lošinj schwappt die weiße Lava über und spritzt auf. So habe ich es noch nie gesehen. Und in Mali Lošinj führt ein extrem flache, feste Wesenheit die Hafenzeile entlang. Auf der Notizbuchseite flashen kleine leuchtende Buchstaben auf. Druckbuchstaben. In Lienz wird ein schönes junges Mädchen die später resolute Gefährtin eines älteren Lehrers. Meine Zähne malen rhythmisch im Takt, nicht aus Zorn und Wut, sondern vor Konzentration und Schreibeifer. Ich liebe diese Morgensituation zwischen hier und da. Während ich es drüben mit Grenzstreitigkeiten zu tun bekomme, knurrt hier der Magen. Der linke kleine Zechen sticht kräftig, ich schrecke auf und öffne die Augen.

 

(14.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 13. Januar 2022

2553 Pröbeln

 

6:00. Mitten in meiner Nacht. Auf zu meiner Matutin mit Katzenbegleitung. Und jetzt die Nachmeditation unter der Bettdecke. Aber mein Geist schweift herum, dass ich weder mit den Gedanken, geschweige denn mit dem Schreiben nachkomme. Ich lasse meinen unruhigen Geist und konzentriere mich aufs Streicheln und aufs Schnurren zu lauschen. Mein übertackertes GFK-Körperbild lugt an zwei Stellen hervor, aber die hervorragenden Füße werden wiederum von Päivi Vähäläs Bü verdeckt. Inzwischen habe ich einen contemporären, scheußlichen Schlossnachbau in Kärnten in Grund und Boden argumentiert via „jede/r, die/der Disneymärchenfilme mag, ist verlogen und psychisch krank, toxisch und strukturell destruktiv“. Diese meine Überzeugung habe ich aber nur in meinem inneren Intranet veröffentlicht.

Ich bin drüben in der Gerichtsmedizin und will eine Leiche retten. Mehr weiß ich von hier aus nicht. Aber dafür wurde mir ein neues Wort geoffenbart: „Pröbeln“. Wenn man neue Möbeln zu Probe hat? Gut, sehr überzeugend ist diese Logik von drüben hier nicht. Vielleicht gibt’s das auch als Tätigkeit: „pröbeln“. Das Wort jedenfalls gefällt mir. Und Ernährungstipps bekomme ich drüben auch: „Vormittags ohne Reis!“ Oder ist das schon ein Befehl? Ich denke, es ist besser, ich schlafe wieder richtig und ohne Notizbuch weiter.

 

Laudes mit meinem verschobenen Stundenplan und ich finde den Text nicht. Ich blicke in meinem Kelion herum, ob er sich irgendwo zeigt. Fehlanzeige. Ein Novize ist verschwunden. Hoch- und übersensibel läuft er bei Überforderung und Angeplärrt-Werden weg. Er hat sich irgendwo im tiefen Wald eine primitive Einsiedlerhütte gebaut. Aber diesmal hat er keine Notiz hinterlassen, wie er es – höflich wie er ist – üblicherweise tut. Jetzt sehe ich: drüben hat sich wer eingerollt und ist am Grunde des Meeres versteinert. Ob es der geflohene Novize ist, weiß ich nicht. Ich habe, obwohl es schon knapp nach acht ist, noch Nachtzeit gutgeschrieben. Gute Nacht!

 

(13.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2552 Rondinone

 

Auf meiner heutigen Expedition ins Belvedere 21 wollte ich den Gestalten von Rondinone ins Gesicht schauen, aber das ging nicht. Erstens schauen fast alle zu Boden, und zweitens habe alle die Augen geschlossen. Ich hatte den Eindruck, sie wären erschöpft. Meine Begleiterin beim letzten Besuch meinte, sie wären entspannt. Die geschlossenen Augen deuten wirklich darauf hin, dass sie ganz bei sich sind; es sind die Körperhaltungen, die mich auf „erschöpft“ brachten. Und in einem Gesicht, das nicht gänzlich zu Boden gerichtet war, meinte ich ein feines Lächeln zu erkennen. Vielleicht stimmt beides: es ist etwa eine Tanztruppe, vom Tanz erschöpft, ruht lässig am Boden aus, aber glücklich und ganz entspannt nach der Performance. Oder sammelt sich vor der Performance. Aber jede und jeder für sich. Ich erkenne keine Kommunikation untereinander. Das lächelnde blinde Gesicht habe ich vor meinem inneren Auge. Diese Installation geht mir hier und jetzt, spät nachts im Bett, recht nahe.

 

(12./13.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 12. Januar 2022

2551 Jesus Christus schüttelt den Staub

 

Erste Enttäuschung in der Lucy-Bar: die Kellnerin telefoniert und telefoniert und telefoniert. Ich rufe „kriegt man da was?!“ Nach dem ersten Schluck Kaffee bin ich gleich versöhnlicher. Anruf Hannes Priesch.

Politik – Religion – Gewalt. Austrofaschismus. Kreuzzüge. Konzent. (? Wollte ich etwas anderes schreiben und ich habe meine üblichen legasthenischen Verdrehungen und unglaublichen Auslassungen gemacht? Ich weiß nicht, was gemeint sein könnte. Konzentrationslager zB ist es nicht. Das weiß ich). Ein-Gott-Glaube – Polytheismus. Herbst 2022. Kleine Texte zu verschiedenen Themen? JCh: schüttelt den Staub. Sub specie aeternitatis. Ich selber habe meine „ewigen Anteile“ nicht in mein Leben gebracht. Ich weiß es aber und hoffe, daß ich mir beim Sterben nicht in den Arsch beißen muß.

Ich betrachte das Dreieckchen einer der Modigliani-Frauen – die auf dem Alberina-Plakat – das ich im vergrößerten Ausschnitt zurzeit als Hintergrund für mein Handy-Display verwende. Besonders geil, wenn ich die Funktion „öffnen“ drücke, um die Tasten zu sperren. Ich will so in vier Minuten anrufen, um einen Zahnärztinnentermin auszumachen. Ich warte nicht länger. Jetzt! 13:27. Zielperson nicht erreicht. Rückruf versprochen. So wie gestern, wo der nicht gekommen ist.

Ich konzentriere mich wieder auf die Situation hier in der Lucy-Bar. Einige Gäste. Ja, man kann sagen: hier fühle ich mich (größenwahnsinnig großartig). Zweiter Cappuccino? Weiß noch nicht. Bin vom Priesch'schen Angebot recht aufgescheucht. Rückruf erfolgt prompt. Di 25.1. 8h. Dissau. „Na gut!“ sagt eine Dame zwei Tische weiter. Still schließe ich mich dem an und bestelle noch eine Cappuccino. Ich versuche im Gesicht besagter Dame zu lesen. Sie wirkt so bei sich, selbstsicher, nicht anfällig für Blödheiten. Es gibt diesen Frauentyp. Jetzt will ich sehen, ob ich diesen Frauentyp verstehen kann. Deswegen schau ich möglichst unauffällig zu ihrem Gesicht hin. Nein, ich kann es nicht lesen. Jetzt gehen sie (sie und die Dame mit dem Rücken zu mir). Bauchschneiden. Die Fahnen flattern im Wind. (Die Fahnen fladern den Wind.) Seht wie die Wunden prangen (hatte gerade den Gedanken, dass meine Gebrochenheit ein Erkenntnisvorteil sein oder werden kann) (hört! Hört!). Ist unter der sprachlichen Kruste genug von mir spürbar? Und wenn nicht von mir, dann vom Abstrakten? Bauchschneiden. Die Fahnen flattern im Wind und spiegeln sich in der Glasschutzwand der Museumskassa. Bauchschneiden.

Zu viel Kaffee. Es hebt mich schon aus. Am verspiegelten Klo wäre ich auf der Suche nach dem Herren-WC fast in einen Spiegel gelaufen. Und in der Kabine habe ich im ersten Moment zwei Sitzgelegenheiten gesehen. Dann habe ich mir und meiner Mimik beim Scheißen zugeschaut. Den Messerschmidt'schen Grimassen nicht unähnlich. Jedenfalls schaut ein alter Mann her. Aber trotz Allem hat er was! Der hat schon noch Chancen! Schaut gar nicht so schlecht aus! Mein Gott! Wird das ein furchtbarer Text! Aber die Wahrheit und nichts als die nackerte Wahrheit ist den Leserinnen zumutbar. Nur meine Wampe stört etwas.

In der Lucy-Bar hat sich alles gewandelt; ich merke es erst jetzt: andere Leute, andere Stimmung. Ruhiger. Draußen flattern immer noch die Fahnen sprachlos im kalten Wind. Nach Verlust des pf: lügender Bauer – oben bei Maria Bilger. Soll ich nochmals raufgehen? Zeit hätte ich. Himmel-Herr-Gott-nochmal! Hör doch auf zu schreiben, wenn dir momentan nichts Wichtiges einfällt! Es können auch Illusionen sein, die einen in der Hölle retten. Rhythmus und Bass des leisen, monoton gesungenen Liedes sind sehr toll.

 

(12.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2550 Dunkle Frühe

 

Eine dunkle Frühe, schon von ein paar kompatiblen Lichtkorpuskeln durchsetzt. Die Farben der Bilder, Karten und Bücher leuchten in dieser morgenfrischen Finsternis ganz klar. Madame Mi-Tsi sitzt an einer etwas unpraktischen Stelle bei mir am Bett; ich erreiche sie kaum mit meinem Arm und kann sie nur gestreckt streicheln. Trotzdem schnurrt Madame Mi-Tsi hingebungsvoll, bis sie genug hat und auf meinen Schreibtisch wechselt. Jetzt zeigen sie mir drüben diese offene Notizbuchseite hier vollgeschrieben: eine Einladung zu transzendentaler Schreibweise? Wieder wird mir eine vollgeschriebene Seite angeboten. Aber was wäre der Preis?

 

(12.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2549 Die lieben Dinge

 

Oh ihr lieben Dinge hier in meinem Reich, ihr Bücher in den Regalen und Bilder und Karten an den Wänden, ihr Weihrauchkessel und du, Weihbrunnen, Ihr gestapelte Papiere, ihr aufeinandergeworfene Gewänder, ihr Medikamentenschachteln, ihr Geräte aller Art, ihr Zeugs, das herumliegt und herabhängt, ach, immer wieder beschreibe ich euch! Hoffentlich schabe ich euch dabei nicht ab oder stehle eure innere Kraft. Oder beschmiere euch mit meinen Unzulänglichkeiten!

Der Zelebrant dürfte sich wieder erholt haben und schaut heute frisch aus. Die zwei Visionäre lächeln leise. Die nackten Weiber sind halt halbnackt. Bei Mali Lošinj taucht in der Ferne aus dem Dunst ein Pyramidenberg auf; ein wenig schaut er wie die Kammspitze aus. Rettenschoess ist gefestigt und stabil; der Untergrund hält.

Es ist 2:19 a.m. und ich drehe jetzt das Licht ab.

 

(11./12.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 11. Januar 2022

2548 Verlorene Texte

 

Die Rembrandtsche Landschaft zu meinen Füßen. In Rettenschoess werden die Berge im Hintergrund vergeistigt, verklärt, ätherisch: eine Transzendenzwelle kommt von hinten heran und wird bald alles aufschweben lassen. In Veli Lošinj geschieht das nicht durch Verdünnung, sondern durch Energetisierung: diese Stadt wird durch total blendend weiße, transzendentale Lava erlöst, die ebenfalls aus dem Hintergrund herankommt. Mali Lošinj scheint standzuhalten. Oder täusch ich mich und es schmilzt weg und ich sehe die noch nicht verschmolzene Materie sozusagen wie dunkle Schneeflecken? Und es ist die materielle Haut nur mehr dünn und rissig über dem sich im Untergrund ausbreitenden ontologischen Nichts, das alles ist? Und an den gleißenden Stellen ist es schon durchgebrochen?

Unten wird die Stiegensperre angebracht und die Tage werden schon merkbar länger. Drüben gleiße ich mir etwas weg, aber Näheres hat meinen Augenaufschlag nicht überlebt. Drüben trainiert die … und die Szenen wechseln ständig. Im transzendenten Graz hat sich die Grazbachgasse in eine Grazberggasse verwandelt. Und ich werde von einer Kuratorin außerhalb der Öffnungszeiten allein durch das menschenleere Museum geführt. Ob das noch in Graz ist, das weiß ich nicht. Auf einem jenseitigen Dachboden finde ich ein Puzzleteilchen aus Holz. Und in einer anderen Rille wird mir irgendetwas graues Dreidimensionales ausgedruckt. Wir streiten noch darüber, ob es an der Nord- oder Südseite des Elternhauses angebracht werden soll. Das hat möglicherweise irgendwas mit Wärmedämmung zu tun und ich bin für Norden. Wer sind „wir“? Bitte die Regie fragen.

Drüben schieben sie mir falsche Notizbücher unter. Noch merke ich es gerade noch rechtzeitig und schreibe in diese nichts hinein, obwohl sich der Satz schon gebildet hatte. Die Frage ist, wer profitiert davon? Wer da drüben im Jenseits hat etwas davon, wenn er mir meine Texte stiehlt? Aber herüberretten konnte ich die Sätze auch nicht.

 

(11.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 10. Januar 2022

2547 Meine Texte in der Transzendenz

 

Ich bin aus einem lebhaften Künstlergruppen-REM-Traum erwacht und nun gilt es, den Lichtschachthof von den vielen toten Fliegen zu reinigen. Warum hat das bisher niemand gemacht? Diskussion über einen anderen meiner Texte drüben in der Transzendenz. Ich wußte nicht, dass meine Texte drüben so viel Aufmerksamkeit genießen. Oder werden dort sämtliche Texte der Welt besprochen und aussortiert? Meine Augen bleiben nicht gern offen; drüben gefällt es ihnen anscheinend besser. Ein finster dreinschauender, dunkler Mann drüben hat ein blaues Tuch am Kopf. Aber nicht wie einen Turban geschlungen, sondern einfach zusammengefaltet und auf den Kopf gelegt. Er hat ein schlankes, finsteres, männliches, erlebtes Gesicht. Eine neue, helle Szene erscheint. Ich vermeine, in der hiesigen Realität zu sein, aber dem ist wohl nicht so. Ah! Dort steht wer Wache! Ach! Das ist schon wieder eine andere Rille der Großen Traum-Jukebox. Jetzt bin ich kurz im Zentralspeicher; so schaut es zumindest aus.

Ich werde mich wieder flach legen.

 

(10.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2546 Bernadette

 

Vom Bücherregal her schaut mich ein Auge an, während ich einen Brief an eine meiner Töchter konzipieren und mir Notizen machen will, wenn ich aber genau hinschaue, verwandelt sich das Auge in die Schrift auf dem Buchrücken eines querliegenden Murakami. Drei neue Kunstkarten zieren meine Wand über dem Bett. Die halbnackten Weiber am Kastl machen mich heute nur traurig (sie sind es womöglich auch).

Ein dickes, dunkles, blaues Buch im Regal scheint sich zu isolieren und aus seiner Reihe zu lösen und ein paar Millimeter oder gar Zentimeter auf mich zu zu schweben. Aber nur kurz, dann hält es wieder still. Worauf will es mich aufmerksam machen? Woran soll ich mich erinnern? Ich stehe vom Bett auf und gehe zum Bücherregal: Franz Werfel, Das Lied von Bernadette.

Erstaunlich: im Nachhinein – ich wollte nachschauen, ob es irgendeinen Zusammenhang zwischen Bernadette und meiner Tochter gibt - stelle ich fest, dass der kirchliche Gedenktag der Heiligen Bernadette Soubirous der Geburtstag meiner Tochter ist, an die der Brief gerichtet sein wird.

 

(9./10.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 7. Januar 2022

2545 Macht Anarchie Katholisch?

 

Jetzt sitze ich auf einer blauen West-Bank – zum Knotzen nicht geeignet; passt aber zum angewandten Arbeitsethos des MAK – gegenüber dem Klo und lasse beim Schreiben ganze Buchstabengruppen aus. Ich habe mich nicht ins Klo getraut, weil gerade vor mir ein Mann hineingeflitzt ist. Links von mir ist eine rote West-Bank – aufrecht sitzen geht(!) - meine Lesebrille beschlägt sich mit meiner Ausatmungsfeuchtigkeit wegen der Maske.

Nun sitze ich auf einer goldenen West-Bank in der Säulenhalle. Ich habe mich vorhin dann doch aus Not aufs Klo getraut. Gar nicht so leicht, unter dieser mehrschichtigen Winterbekleidung mein kleines, verschrumpeltes Pimperl hervor zu holen und trotz des Gehüstels und Geräusper des Typen in der Kabine nebenan halbwegs entspannt zu brunzen. Dann muß mann in dieser Alarmstimmung sehr darauf aufpassen, dass mann vor Panik nicht zu hektisch, vorschnell und schlampig die letzten Tropfen abschüttelt und noch wahrnimmt, was mann tut. Wurscht! Säulenhalle! West-Bank! Wurscht! Auf in den Plafond.

Maske runter und – aha! - heute sitze ich gerne im Plafond. Liegt es am flirtophilen weiblichen Personal? Who knows! Ich habe meinen Spaß (und die mit mir auch! So a là wie frau alte Teppen behandelt? Oder doch Vergnügen am Dialog? Who knows!). Drei Beutestücke habe ich auch schon erstanden (Hoffmann-Karten). 15:15 – der erste Kaffee des Tages. An der Fensternische gelbt die Sonne (was blöderes ist dir nicht eingefallen?), ein strahlend blauer Himmel – für winterliche Flachland-Verhältnisse ein strahlend blauer Himmel – Komuskra Tengri! Komuskra Tengri, schau herab! Rette, segne und erlöse uns! Meinetwegen mit Deiner Unendlichen Weite, in die ich mich verlieren kann. Horizontal-vertikal: das Koordinatensystem ist so anstrengend für Seelen wie mich und mein Kreuz!

Die Droge Kaffee ergreift langsam und angenehm und immer stärker von mir Besitz: der schönste Augenblick: wo die Erhebung schon stattgefunden hat, aber die Nervosität noch nicht dominiert, sondern erst heranschleicht. Der Blick ganz schräg aus dem Fenster – erhascht nur im Fenster zwischen den zwei Flügeln eine schön designte Wärmedämmungs-Polsterung, ein wenig Hausfassade und die kahlen Bäume. Wer kann im Winter deren graphischem Reiz entgehen? Ich denke mir Geschichten aus, zB dass die lebhafte, ältere, unansehnliche Frau (Pardon!) am anderen Tisch drüben in Fellinis Casanova mitgespielt hat, weil die junge Frau am Tisch – wie ich vermute ihre Tochter – eine dieser changierenden Schönheiten, die auch hässlich sein können, aus dem Fellinifilm ähnlich sieht. Das Gespräch am anderen Nebentisch zwischen zwei alten Damen hindert mich an meiner Konzentration. Das ist keine Beschwerde! Ich lasse mich gerne ab- und wieder zurück lenken. Offenbarung ist immer und überall. Irgendein Betrug einer Frau an einem Mann ist das Thema der Damen. Mehr bekomme ich nicht mit. Kaffee finita, causa locuta.

Eingeschobener Nachtrag: auf dem Weg ins MAK wollte ich mein MAK-Annäherungs-Blues-Punk-Gedicht gleich beim Ankommen aufschreiben, hatte es jedoch glatt vergessen:

MAK! Prack! Tack! Zack! Zack! Zack! Plaque! Track! Wwwwrack! Schmack! Lack! Frack! Nack! Flak! Badáck! Rack! Fuck! Schlack! Sack! Kack! Lack! Luck!

Bis heute erhebe ich am Tisch der Erwachsenen/Iniziierten nicht meine Stimme, außer als Narr.

Schöne afrikanische, weiblich gesungene Musik aus den Salon-Plafond-Lautsprechern.

Seit Jahrhunderten sehe ich zum ersten Mal wieder – durch das Fenster – eine sich drehende Litfaßsäule.

Wie alt bist du eigentlich? Da müßte ich zuerst wissen: wo ich bin und welche chronometrischen Gesetze dort herrschen.

 

(7.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2544 Lauter schöne Dinge

 

11:22 a.m. Bett. Meine zwei Visionäre oben am CD-Regal (Seitenbord) sind heute sehr zurückhaltend. Frau Katz trinkt aus meinem auf dem Schreibtisch abgestellten Wasserglas – gut, dass ich es gesehen habe – ich hätte daraus getrunken. Dafür hockt sie, die Katze, jetzt auf meiner Brust und hindert mich am Schreiben. Dann klettert sie auf mein „Nachtkastl“ - eine heikle Sache, denn dort kann sie mir einiges durcheinander bringen – aber ich kann die Zeit jetzt zum Schreiben nutzen – und kehrt wieder schnurrend auf meine Brust zurück. Lauter schöne Dinge habe ich hier im Zimmer – die habe ich schon zu oft beschrieben – und irgendwo im Haus klescht es immer wieder, dass die Fensterscheiben vibrieren. Das Epizentrum ist ganz nah. Bei uns in der Wohnung? Ist das der Punkt, an dem die Welt ausgehebelt werden kann? Die Tageskinder unten hüpfen und sind so glücklich in ihre gemeinsamen Spiele vertieft; ich höre sie reden und besprechen und singen.

Bei mir heroben geschieht so eine Art Blauverschiebung: plötzlich konzentriert sich meine Aufmerksamkeit auf alle blauen Dinge im Regal, und dann im ganzen Zimmer und dann strahlt das Blau ein wenig auf das ganze Zimmer aus. Frau Katz - wieder drüben am Schreibtisch – dreht sich im Kreis und legt sich wieder hin. Ist es das, was ich die ganze Zeit mache? Mit meinen „Katzen“ansichten voll – mich blöd, blind und fromm in den Tod tragen lassen? (C.C.!) Oder abzurutschen? Jedenfalls ohne zu ahnen, was mich da wirklich erwartet?

Ich spüre, dass es Zeit fürs Frühstück wird. Ach liebe frankophone Schweizerin, du schaust wieder so intensiv her, dass ich mir falsche Hoffnungen mache. Die eine Nackte von Modigliani verwandelt sich in eine kosmische, universale Gestalt und schwebt in, über, irgendwie vor und auf dem gesamten Universum; wie eine Lichtkonfiguration über das All hingeworfen. Der Zelebrant daneben verschwindet fast vor Inkompetenz und Bedeutungslosigkeit; besteht nur mehr aus ein paar Farbflecken, die sich in nichts von den Farbflecken um ihn herum unterscheiden, die Schamröte für seine Anmaßung nicht nur auf sein Gesicht und seine Gestalt, sondern aufs ganze Bildchen verteilt. Der Auferstandene gleich daneben posiert und inszeniert sich eher hilflos! Gut, das wird aufs Konto meiner zeichnerisch malerischen Unfähigkeit gehen – das Photo kann nichts dafür. Schreibtechnisch gesehen sitze ich am Strand und schreibe in den Sand. Tief aus der Mitte der Erdkugel kommen deutliche Schwingungen herauf, die sich in meinem Körper als Übelkeit und als Tränen inkarnieren. Mit dem Schreiben halte ich das irgendwie im Zaum. Wie traurig ist der Anblick der über meinen Bürosessel geworfenen Tagesdecke – mir kommen fast (fast! Immer nur fast! Immer, immer fast!) die Tränen! Heul doch endlich! Die Übelkeit setzt sich in meiner Körpermitte fest und erlaubt jetzt kein Frühstück. Eine Wahnsinnsmüdigkeit überkommt mich.

Zum ersten Mal – so erscheint es mir – sehe ich mein Zimmer architektonisch: die Schränke als Gebäude, das Zimmer selbst als bebaute Landschaft, nur der Plafond stört ein wenig, aber ich gehe jetzt hinunter frühstücken.

Es geht nicht. Die Ruach, die Weltgeistin, die Hagia Sophia hatte sich über mich gebeugt. Ich merke es erst jetzt, wo sie sich zurückzieht. Ich rette mich in die Würfelhockerposition legère. Die kosmischen Wellen zupfen und zerren an mir. Ich möchte wissen, wie lange heute das MAK offen hat, aber ich stehe nicht auf um zum Laptop zu gehen. Wenn ich mir beim Schreiben zusehe, und der dabei entstehenden Schrift, kommt mir diese wie ein ungebremstes Menetekel vor: wie eine Zauberschrift, die durch mich rinnt und die ich nicht mehr stoppen kann. Elegisch melancholisch blicke ich auf die dort auf meinen Kleidersessel abgeworfene rote Unterhose und jetzt habe ich eine Pseudo-Rotverschiebung, wie es vorhin eine Pseudo-Blauverschiebung war. Meine Schrift beginnt zu kippen und sich zu verdoppeln und aus Brandls Berggipfel wird ein geisterhaftes Wesen. Alles wird wesentlich geisterhaft. Die Katze brummt und schnarcht in alarmierender Intensität und Lautstärke. Vor meinem inneren Auge spielt sich mein Tod als Kitsch-Krimi-Szene mit junger Frau ab. Wenn es nicht zu mehr gereicht hat, werde ich im Sterben arm dran sein. Die frankophone Schweizerin – Kleinformat – zeigt sich empört. Es ist nicht ganz klar: über mich? Oder dass man mich so unromantisch sterben läßt (sie will die Kitschszene zurück!). Wofür alles im Universum Energie da ist!

Ich liege noch im Bett und draußen wartet Sonnenschein, mein Sonnenschein, wenn ich mal etwas anmaßend sein darf.

Jetzt erlebe ich eine kleine Hellblau-Türkis-Verschiebung. Das vorhandene Rot wird blasser. (Ihr Politruks! Ich kann nichts dafür!) Die frankophone Schweizerin – Kleinformat – ist schon ganz grau. Nur die nackerte Modiglianerin bleibt kosmisch. Die aufgenommene Fahrt läßt mich beim Schreiben hudeln, sodass ich dauernd Buchstaben auslasse (was die dann so treiben, weiß ich nicht). Essen, schlafen, ist's edler im Gemüt … was spricht der Körper? Er spricht: „erstens: Hunger. Zweitens: schlecht. Finde die Lösung!“

Es ist mit mildem Verlauf zu rechnen. Eine tiefe, männliche, sonore Bassstimme erklärt mir etwas, was ich nicht verstehe. Schon vorbei! Ich habe die Botschaft verpasst. („Fürchte dich nicht!“? „Die Welt wurde nur für dich geschaffen!“? „Du bist Staub und wirst wieder zu Staub zurückkehren!“? „Treib nicht ab!“? „Du bist ein so ein Idiot!“? „Aaanaa hoot immaa des Bummerl!“? „Du hättest den Döbereiner  retten können!“? „Du bist der Rächer der Enterbten!“? Du bist enterbt!“? Du bist ein Erbschleicher!“? „Dein Schatten schießt schneller als du!“? Himmel, Arsch und Zwirn!“) Schluß jetzt! Schneider Schneider meck meck meck! Jetzt auch noch etymologische und redewendungsgenetische Vermutungen!  … Wenn ich jetzt nicht sofort mein Notizbuch weglege, werde ich nie mehr zu schreiben aufhören können und dabei verhungern und verdursten!

 

(7.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 5. Januar 2022

2543 He!He!He!He!

 

„He!He!He!He!“ Das ist aus dem Russischen übersetzt und das ruft der arme Köhlerbub in „Feuer, Wasser und Posaunen“, einem sowjetischen Märchenfilm von Alexander Rou. Er ruft es fröhlich zur armen Ziegenhüterin, das Mädchen, das er liebt. Aber nicht, um sie anzumachen oder herbeizurufen – sie geht sowieso schon in frommem Abstand an seiner Seite – sondern um einen wohlhabenden Kosakenreiter zu spielen, der sein Mädchen zum Zirkus, der gerade ins nächste Dorf reist, einladen sich leisten kann – für sie, die Armen, muß es reichen, den Tross beim Vorbeifahren zu bestaunen. Kurz: arm, tüchtig, fröhlich; gefährdet, aber ungebrochen. Als diese Szene heute im Aufwachen vor meinem inneren Auge auftaucht, werde ich traurig: denn ich bin lebensuntüchtig, schwermütig und gebrochen. Dieses „He!He!He!He!“, für mich ein unverdorbeneres „frisch fromm fröhlich frei“ (wenn's wahr ist, dass es unverdorbener ist! Ich glaub, es ist wahr)? Jetzt hocke ich noch in andächtiger Trauer aus eigenartigen, unverständlichen Träumen erwacht im Bett und versuche, mein vermutlich gar nicht blindes, sondern von uns so mühsam erarbeitetes Schicksal demütig zu akzeptieren. He!He!He!He!

 

(5.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2542 Abgeklärt

 

Meine Bilder an der Wand haben sich versprödet. Aus der Rettenschoesser Wiese hat sich ein kleiner Hügel in die Bildmitte verabschiedet. Veli Lošinj löst sich auf und über der Stadt erscheint der langegezogene Kopf einer Rokokoschönheit mit wahnsinniger Turmfrisur. Die Waldabfahrt der Riesneralm fällt in sich zusammen in die glühende Kugel. Und hinter Mali Lošinj baut sich eine unglaubwürdige Riesendachkonstruktion aus stabilem Pilzmaterial auf. Ist schon nach der Katastrophe? Habe ich die Große Katastrophe und den Supersupersupergau im Univerallockdown verschlafen? In einer geträumten Welt bin ich nicht: mein Realitycheck hat ergeben, dass ich die Aufschriften lesen kann und diese sich nicht verwandeln. Meine Gefühle reagieren ganz irdisch auf meine Anblicke, zB der Modiglianischen Nackten. Der rechte Visionär bekommt einen starken Abwärtsdrift: seine Wangen hängen schon bis zum Kinn hinunter. Sollte ich wieder weiterschlafen können? Ich, abgeklärt wie ich bin?

 

(4./5.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Dienstag, 4. Januar 2022

2541 Expedition

 

Nach einem Abstecher zur Alb mod bin ich jetzt in der Lucy-Bar im 21iger. Hier bin ich gern. Sehr, sehr gern. Nur der Kaffee schmeckt mir heute nicht. Man kann ja nicht alles haben! Gell! Gellen Sie!?! Eine hollländisch klingende Frau haucht schräg mir gegenüber ihre Brille an, um sie zu putzen. Jetzt raste ich, dann gehe ich in den ersten Stock. Jetzt sitze ich noch und die Frau gegenüber schäkert lachend mit ihrem Mann. Dänisch ginge auch. Oder doch eine andere Sprache. Ich gaffe in den wasserlosen Burggraben des 21iger-Hauses. Auf den ersten Blick nicht allzu interessant. Ich greife mir auf die Nase und bedecke bedeutungsschwer und mit Erschöpfungs-Leidens-Grimasse mit meiner bevorzugten linken (bösen) Hand mein Gesicht, als würde ich Stirn und Schläfen am Rande des Zusammenbruchs massieren. Gri-kritische Masse. Der Mund der Frau schräg gegenüber hat etwas überprotestantisches. Typisch fade, angenehme, leise Barmusik. Der Kaffee schmeckt mir nicht so, aber peitscht mich langsam in Hochform. Schenkel, aber keine Schenkelklopfer. Und als ich den Schaum aus der ausgetrunkenen Kaffeetasse kratze, scheppert und klappert der Löffel nicht wie auf Porzellan, sondern tönt wie auf speziellem Steingut gedämpfter, satter, runder, voller, tiefer. So ist es.

Jetzt sitz ich wieder – Gott sei krank – wo bleibt mein innerlicher Punk?

Ovid lacht (2. Strophe, 1. Zeile, 7. und 8. Wort).

Mind the Gap!

Ich kehre von meiner Expedition reich bebeutelt zurück.

 

(4.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2540 Morgenstund

 

Morgenstund hat Scheiß im Mund (Freud! Schau owa! Mundl, geh hee dou!). Meine Surrage ist wieder voll im Gange, mit allem Drum und Dran: laut, polyphon, mit Tonhöhen- und Lautstärkenzuckungen, sie sich anfühlen, als würde wer stoßweise auf meinen Kopf zugreifen. Frau Katz kommt und was ich nicht verstehe: wie es ausschaut benutzt sie auch auf der Bettebene ihre Krallen. Wieso? Da kann sie doch nicht abrutschen! Oder reicht der weiche Untergrund der Bettdecke, dass sie den Modus “unwegsames und gefährliches Terrain“ einschaltet? Jedenfalls bleibt sie dauernd mit ihren ausgefahrenen Krallen am Überzug oder Leintuch hängen.

Mich z'reißt's in einem Niesanfall und langsam kann ich mich mit dem Gedanken anfreunden, aufzustehen. Aber noch empfinde ich die Dunkelheit als bergend und heimelig. Noch raste ich. Weil ich dazu neige, meinen linken Arm angespannt und meine linke Hand zur Faust verkrampft zu halten, öffne ich diese bewußt und strecke jenen mit Absicht aus und lege ihn konzentriert, sanft und lieb auf die Bettdecke. Cannapé bis kana biss – aufstehen und zum Laptop? Ich verlasse jedoch das warme Bett nicht. Ich bin noch im betrachtenden Stand-by.

 

(4.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 3. Januar 2022

2539 Kompakttracing

 

Die Mondnacht Noldes klart sich auf und ich sehe tiefer in die Dunkelheit. Monets Kreusental wird heller und bunter. Dass ich nicht mehr zeichnen kann, macht mich traurig. Weil ich heut in der Albertina modern my friend Manfredo Schus Sakko und Wannsehdi gesehen habe, habe ich mir seine faustische Crash-Oper aufgelegt. Der taucherte Ox singt sein „Ööööh! Öööööh!“ und jetzt winselt die Dings so lustig. Der tiefe Ton des Schicksals. Optisch tut sich nix. Und nun die liebliche Scheiße-Zählung. Am Rande meines Gesichtsfeldes verwandelt sich Mali Lošinj in graue Staubwedel, während beim Faust musikalisch geraspelt wird. Die Katze streichle ich von unten nach oben. Beim Faust quietschts (glaube aber trotzdem nicht, dass der unselige Go! E! The! in der Folterkammer ist, wo er hingehörte!). Schöne Streicher und diverse Singstimmen suchen ihre Melodeien. Und nun kommt der fulminant-orschestrale Aufbau. Die vor Welt- Kosmos- und Lebensangst anmutig zittrige weibliche Stimme. So geht’s halt heutzutag der Seel. Ein Mann versucht den Beistand, verheddert und verliert sich auch ein bisserle im Pathogesäusel (passt so! Passt wie der Faust aufs Aug). Ich möchte so gerne sehen. Jedoch die Zeiten, da das Wünschen noch geholfen hat, sind vorbei und können nur in großer Müh und Plag herbeigezerrt werden. Scheiß drauf! Oh du schöner Scheißegesang! Von dieser lieblichen Stimme gesungen und von verführerischen Sirenen begleitet. Mechanisch klingende Kassenstürze schreddern immer wieder die musikalische Geschichte. Das stimmlich gestärkte Pathosorschester hebt wieder an. So ein schöner Schmerz! Ach, die Nackten von Modigliani! Wäre auch eine Option, aber die holde weibliche Stimme zählt wieder so lieblich die Scheiße. Irgendwas läuft aus dem Ruder; die Welt- Kosmos- und Menscheitsgeschichte holpert und bröselt nur mehr dahin. Tränen, tatsächlich Tränen! (Ist nicht wahr.) Das Schlagzeug macht das Ganze kompakt. Kompakttracing. Eine keusche, ätherische, verschwurbelte Geilheit überkommt mich; viel mehr als psychophysisches Gezappel kommt dabei nicht heraus. Am Vesuvstein sitzt ein Glitzer. Das Schlagzeug treibt das ganze zum Ausklang. Bitte verlassen Sie den Saal!. Ich gehe über zu Bach Scarlatti Mozart und lasse die wilde Wanda in die Tasten hauen (die wilde Wanda mit ihrer Maschin …).

 

(3.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2538 Erheben

 

15:22 vom Schlaf erwacht zur zweiten Tageshälfte. Im Zimmer dämmert es bereits. Ich habe noch viel vor: Essen zubereiten und dann verspeisen, Geschirrspüler, Tipseln, Schreiben, Zeichnen, Baden … lauter schöne Dinge. Vielleicht nochmals hinaus gehen – aber das ist ungewiss. Ich werde mich nun aus dem Bett erheben und dieses der Frau Katz überlassen. Nur ein wenig streicheln muß ich sie noch.

 

(3.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2537 Die moderne, alberne Tina

 

Der Westliche Sisyphos ist weg! Schade! Den Anzinger kann ich anschauen, den Mosbacher noch mehr; detto Damisch und sogar Barcelo. Sogar die eine oder andere Arbeit vom Kies Haring (den ich sonst nicht mag). Und sogar die ungefärbten Zeichnungen vom Schiele, den ich sonst nicht mehr anschauen kann. Es ist jedoch der Mosbacher, zu dem ich heute bei meinem Rundgang immer wieder zurückkehre. Und den Brandl von 85 auch. Die Bilder von West bedeuten mir nichts, gar nichts. Schade! Zitko! Naja! Würde mir das Bild weder vors Ehebett und sicher nicht ins Grab mitnehmen. Mein Gott, der Schmalix mit seinen Booten. Gut, geht heute auch. (Fast alles hier aus unserer Trigon-Zeit; der Rote Raum. Ich rede von der Zeit, nicht von den Arbeiten. Ich bin Zeitgenosse!)

Rast ma mal beim Elchgeweih-von-der-Seite. Nicht unangenehm da zu sitzen und in die Halle zu gaffen. Nochmals zurück zum Mosbacher. Mein Auge erholt sich vom allzu Beliebigen (Sei nicht so streng!).

Ich sitze im kleinen Café Ludwig und Adele hier in der Alb. mod. und versuche, ein Resumée meines ersten Vormittags-Büro-Kunst-Museums-Schreib-Arbeitstages zu ziehen. Durchwachsen. Textlich ist nix G'scheites, nur Beliebiges rausgekommen. Das Zeichenbuch habe ich auch mitgeschleppt, aber auch hier traue ich mich nicht zeichnen. Ich werde das mit dem Vormittag in den Museen noch öfters probieren, aber Musestunde scheint das nicht zu sein. Soll ich doch reumütig zu Nachmittag und Spätschicht zurückkehren? Schau ma mal. Und die Zeichnerei speziell scheint mir für alle Zeit verdorben zu sein.

Ich schein hier unter Katzs zu sitzen; die Deckenlampe gefällt (ich teile hier ur viele Urteile aus!). Lustig und fidele ist, dass ich von meinem Sitzplatz innen an der Außenwand des Hauses aus genau durch Gänge, Vorhalle etc zur Dame an der Kassa hinübersehe, die exakt vis-a-vis innen an der dortigen Außenmauer sitzt; und das zufällig, nicht arrangiert. Sie ist so weit weg, dass ich ihre schwarzen Haare und ihre schwarzgeschminkten Augen plus weißer Maske nur verschwommen sehe, die hinter ihrer Budel hervorschauen. Hinter ihr der offizielle Albertina-modern-Bildschirm, der wechselnde Bilder der Ausstellungsplakate zeigt. Drei von den grünen, laufenden leuchtenden Flucht-Manderl-Anzeigen habe ich im Blick.

Der Beginn des prächtigen Stiegenaufgangs zum Künstlerhaus hinauf, der in mein Blickfeld ragt, gerät mehr und mehr in meine Aufmerksamkeit. Als prächtiger Stiegenabgang gesehen erscheint er mir beinah als Endpunkt einer spätfeudalen Himmelsabstiegsleiter: auf der Erde angekommen. Eigentlich müßte ich gegen diese neunzehnjahrhunderte Pracht skeptisch bis allergisch sein, aber heute lasse ich es durchgehen. „SCund l“ lese ich am aufgeleuchteten Plakat hinten, jetzt wieder SCund l und wieder SCund l und jetzt „THE Die Kun“ - unleserlich und abgeschnitten. Ich bin so müde. Ich fahre heim.

 

(3.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2536 Es ist acht

 

Uuuh! Hab ich schlecht geschlafen! Von Albträumen gebeutelt und von der Katze beklettert und bekitzelt und bekratzt. Trotzdem schein ich ausgeschlafen zu sein; das grau-trübe Licht, das beim windbedrückten Fenster hereinkommt, leuchtet hoffnungsvoll und zuversichtlich. Ein neuer Tag ist ein neuer Tag. Und jeden Tag erschaffen ich und du die Welt neu. Ein unwillkürlicher, tiefer Atemzug sagt: Ja! Ich bin bereit – selbst, mich zu rasieren. Die Katze auf meinem Schreibtisch schaut zum Fenster in den heulenden Wind hinaus. Ich ordne meine Elemente ohne Elemententafel und geh innen die Checkliste durch. Ich warte im Bett, bis es acht ist.

Es ist acht.

 

(3.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2535 Achtung! Selbst!

 

Es surrt, rauscht, zischt und singt in meinen Ohren. Ich freue mich, wieder in meinem Bett zu liegen. Bitte, mich nicht mißzuverstehen: ich liege gerne auch in anderen Betten. Jedoch: mein Reich ist schön und meine Matratze formvollendet. Formvollendet wie meine Texte! „Weinerlich“ kränkt mich, auch wenn es stimmt. Auch mir wäre offenes, beherztes, lautes, langes, deutliches Weinen lieber! „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ lieber als vorsichtig, verschlossen, zurückhaltend und grüblerisch. Oder? Oder? ODER?!!! (frischfrommfröhlichfrei geht nach älteren Vorlagen auf den nationalistischen, antisemitischen, rassistischen Turnvater Jahn zurück, ein großer, böser Idiot der immer in „Volkskleidung“ - wie er sich die vorgestellt hat - herumgerannt ist und dessen Turnvereine schon die drei f zu einem hakenkreuzähnlichen Kreuz geformt haben. Christlich waren diese Protonazis nicht, „fromm“ heißt hier – auch nach älteren Vorlagen - „tüchtig“. Also: „frisch, fromm, fröhlich frei“? Auf ewig verdorben!) „Nehmen Sie einen Stock und schlagen Sie damit gegen die Wand!“ Das öffnet Ihre Parzellen, Ihre paar Zellen, Ihre Baazelen. Ach die Katze! Was schnurrst du so? Mir rinnt die Sprache aus.

Auf den Photos ist mein Zimmer noch toller. Was könnt ich noch sagen? Ich muß schreiben! Schriebe ich nicht, ich verlöre das letzte Futzerl Rest Selbstachtung. Mein Gott, wie es in meinen Ohren surrt, rauscht, zischt und singt! Also was könnt ich noch sagen? Das: alle Turnvereine, die auf Törnvater Jahn zurückgehen, also bei uns die ATVs, gehören – mitsamt ihren Julfeiern – wegen Wiederbetätigung verboten!

Was meinst du: schließen wir ab? Wir schließen ab.

 

(2.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 2. Januar 2022

2534 Vom Zwanz'ger-Haus

 

Zwanz'ger-Haus – für mich wird das Belvedere 21 immer das Zwanz'ger-Haus bleiben und aus! Schluß! Man muß das nicht so eng sehen. Mein Gott! Die Flunts! Sechzehn war ich und von ihnen nach Wien eingeladen und weil ich mir einen Besuch im Zwanz'ger-Haus gewünscht habe, beleidigt  sein und eine Schnute ziehen! Was für eine rigide Verbohrt- und Verklemmtheit! Können die einem Jugendlichen nicht wohlwollend seine Erforschungen machen lassen? Ja, das Böse ist immer und überall. Wieso bin ich in meinem Aufwachsen fast nur auf solch verdorbene Erwachsene gestoßen, von denen man nicht viel lernen kann? Wenn es meine Lebensaufgabe gewesen wäre, die zu sprengen, bin ich jetzt sehr spät dran.

Sitze in der Lucy-Bar und assoziiere Lucy in the Sky with Diamonds. Hätte beim Photographieren gerne meine Frau näher gezaht, aber gewußt wie? Nein!

Mozart ist mir oft zu springgingerlhaft, aber seine traurigen Sätze bringen mich manchmal fast zum Heulen. (Klaro steht mir das gar nicht, überhaupt gar nicht zu; mein Empfinden ist für die Weltgeschichte völlig uninteressant.)

Was ist eigentlich aus Rob Kasseckert geworden, früher Assistent bei der Lassnig?

Fernsehen im Zwanz'ger-Haus – sozusagen – in der Nähe der Rumpfpuppen. Aber ich dreh mich jetzt zum Brandl. Manchmal wandern meine Blicke von den Bildern zu den Menschen und sehe zB eine weibliche Arschbacke wackeln. Aber ich halte mich dabei nicht auf und kehre zum Bild zurück (ich mein', die Szene ist längst vorbei).

Bin bei fraglichen, ausgefressenen Skulpturen: weil es dort eine Sitzbank gibt (ich würde Museen - so gut es geht – vollbankerln!). Die Lassnig filmt mich. Aber ich versinke im Hall der Halle und in der Halle selbst (Les Halles) („Royal Albertina Hall“ - und das hier im Quartier Belvedère! (ich will es französisch ausgesprochen!)). Die tranceierenden Gesänge der Lüftungsanlage, aber ich werde nicht Damisch, dessen Bild mir gefällt (ich: 198? „damischer Tänzer“, Steiermark bei Seckau?). Die schwarzen Aufsichtigen – ich bin mehr quersichtig, hoffentlich auch tiefsichtig. Wieder zur nächsten Bank.

Tut mir leid Obholzer, der du meine REM-Einladung so gekonnt und selbstsicher als Scheiße kritisiert hast, ich bin von deinem Bild schwer enttäuscht! Ich fange damit gar nichts an. Aber R.I.P.

Der speerwaldige Rockenstaub geht mir am A vorbei. Da sagt mir der josefinische Mikl trotz Trunkenheit am Steuer viel, viel mehr. Svenja Deininger geht (mir NICHT am A vorbei!). Prantls Stein lädt zum Meditieren ein, aber wo kann ich mich hinsetzen? Keine Chance im Stehen – das spielt mein Kreuz nicht mit. Aha, Nicolas Jasmin; United schönes Rot. Till Megerle geht auch. Teilweise.

Die verratene Bilger hat einen schönen Bauern gepflügt; gleich nach dem Krieg.

Ich bin heut so tol(l)erant: A. Muthspiel, G.K. Beck, selbst die holde Polsterer – sie alle gehen (für mich; nur für mich; es geht nur um mich!). Kurt Weber geht (von Weiz nach Leibnitz/Libnica). Wotruba sitzt auch. Marie-Louise von Matesiczky – meine neue Liebe – hat Frau Ziegler schön gemalt. Trude Waehner malt den Fritz Stross – vor der Großen Katastrophe.

Sitzen! Sitzen! Sitzen! Ich will sitzen! (Siezen ist mir meist auch lieber als Duzen.)

Peter Pongratz malt eine interessante Ahnentafel. Monster? Wäre bei Männern, die Peter heißen, naheliegend. Auch der unselig-selige Klinkan spricht mich heute an (bin von mir überrascht) R.I.P. Und die Schachinger-Anna mit ihren Halterinnen. Auch die nördlichen Gobelins von Ingrid Wiener gefallen. Und die Showgirls der Kamilla Bischof. So! Jetzt reichts!

Jetzt rast' ich in der Eingangshalle mit Blick auf die leichte, so schön beleuchtete Lucy-Bar. Es reicht für heute. Ich bin müde und unterzuckert. Durch den weißen Vorhang sehe ich die Sonne schimmernd untergehen. Eine Frau mit in die Hüften gestemmten Armen geht stolz und aufrecht vorbei zum Aufgang. Eine größere Gruppe jüngerer Leute kommt herein.

Ich geh noch einmal in die große Halle zu den beeindruckenden Figuren von Ugo Rondinone, die mich - so wie die ganze Installation - sehr sehr ansprechen. Whow! Das ist die zentrale Ausstellung!

Das Reise-durch-das-Univerum-Feeling. Die S-Bahn fährt so geschmeidig und glatt. Keine materiellen Widerstände mehr feststellbar.

 

(2.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com


2533 Unterm Weihrauch

Relativ dunkel ist es in meinem kleinen Reich. Ich habe ja alles elektrische Licht abgedreht bis auf die Leselampe. Eine Kerze brennt noch unterm Weihrauch und vom CD-Player leuchtet das Blaue Licht. Von dem kommen auch die Trommeln. Ich bin reich beschenkt: ich habe drei Jahreskarten, die mich berechtigen, in die Albertina, die Albertina modern, ins MAK, ins Obere, ab Ende Jänner auch ins Untere Belvedere und ins Einundzwanziger-Haus zu gehen. Ich könnte von MO bis SA täglich ein anderes Haus besuchen, Bilder schauen, schreiben … wie ins Büro zur Arbeit gehen.

Wie gesagt: dunkel ist es heute in meiner Kemenate und die Trommeln trommeln ihre monotone Tranceline. Rhythmus, Zwischentöne und Schwingungsüberlagerungen verführen mich, aber mein innerer Monolog ist noch stärker; er gibt nicht so leicht nach.

Es wird wieder getrommelt, dann gesungen. Übrigens habe ich vorhin Musik über den Kopfhörer gehört (Bach, Scarlatti, Mozart), ohne zu bemerken, dass der Kopfhörer nicht angesteckt war.

Aber jetzt suche ich mein Zimmer ab, ob sich irgendetwas zeigt, denn Offenbarung ist immer und überall. Und wieder kippe ich heraus, weil mir zu „Offenbarung“ „Ofenbahrung“ und „Ofenpaarung“ einfällt.

 

(1.1.2022)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 1. Januar 2022

2532 Über mir schaukelt der Himmel

 

Über mir schaukelt der Himmel, neben mir schnurrt die Katze, unter mir drückt mich der unter der Decke abgelegte Pyjama im Kreuz. Und die Explosionen ereignen sich mehr im Unsichtbaren. Gezeichnetes erscheint mir als Geschriebenes. Ich erhole meinen Blick bei den Holzwurmbohrgängen des Noël. Ab und zu krachte es. Der Himmel meint es wirklich gut mit mir: er wirft mir das Schloß Belevedere in den Schoß und vorher schon das MAK und die vielen Pianist:Innen! Jetzt ist es ganz still. Ungewöhnlich für knappe zwei Stunden vor Mitternacht.

Stille knapp eine Stunde vor Mitternacht. Wie gut ich jetzt geschlafen habe! So ein erquickender Mittagsschlaf vor Mitternacht. Wie klein das Große sein kann! Ich meine schon das wirklich Große. Und bin ich froh, dass es mich nicht einfach fortreißt, sondern „nur“ die Schwingungen deutlicher werden!

Bei aller Anstrengung und allem Bahöö: es verrinnt die Zeit, genauso wie sie es eine Sekunde vorher getan hat und eine Sekunde später tun wird.

 

(31.12.2021/1.1.2022)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021/Jänner 2022   peteraloisrumpf@gmail.com