Freitag, 29. Juni 2018

1012 Verlässliche Daten und Fakten habe ich nicht


Die Morgendämmerung und ihre eigenartige Stimmung: die Stille und das beginnende Ziehen in meinem Körper, noch unentschieden zwischen Aktivitätsdrang und Sehnsucht.
Mein linkes Ohr ist am Weckerticken und am Surren anmontiert, obwohl es am Polster aufliegt. Das Rauschen des Flugzeugs zieht mich nicht weg, aber ich spüre den Sog. Ein bißchen leere Angst ist auch da. Das Körpergefühl konzentriert sich auf die Region im und um den Mund und geht dann stärker in die Backenknochen und in die Kieferscharniere.
Ein Vibrieren läuft über und durch meinen Schädel und endet als Kribbeln am Hinterkopf.

Verlässliche Daten und Fakten habe ich nicht; nur Eindrücke.

Beide Ohren greifen nach außen als wollten sie mehr Sinnesdaten einfangen, was einen Über- oder Unterdruck – das kann ich nicht unterscheiden – in den Nebenhöhlen erzeugt und beim zweiten und dritten Versuch wieder das Kribbeln am Hinterkopf.

Ein paar Wellen laufen wiederum auf den Hinterkopf zu und als es beim rechten Ohr still wird, merke ich erst, daß da vorher etwas sehr laut gewesen sein muß. Mein Kopf fängt an zu pulsieren – wenn ich mich nicht täusche, dann mit dem Herzschlag.

Jetzt ist es die Umgebung, die auf die Ohren und den Kopf zugreift. Ich mache mir Gedanken, warum sich alles im Kopfbereich abspielt und versuche, das Empfinden abzusenken: im Hals ist Schluß! Es geht nicht tiefer.

Dann bin ich eingeschlafen und als ich wieder aufwache, sind mein Empfinden und meine Aufmerksamkeit bis zur Körpermitte hinuntergesunken. Und dort sitzt die nackte Angst. Ich weiß nicht, ob ich übertreibe, aber es fühlt sich wie Todesangst an.

Gottseidank bin ich gleich darauf wieder eingeschlafen und Stunden später erholt und erfrischt aufgewacht.








(29.6.2018)









©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1011 Salzburg mit den zerbrochenen Krügen


Salzburg mit den zerbrochenen Krügen und in den Schweizer Alpen Gott (warum ausgerechnet die Schweiz? - aber gratuliere zum Weiterkommen bei der WM!)

Müde bin ich nicht. Ich werde nicht schlafen können. Vermutlich wird es auf eine lange Grüblerei hinauslaufen.





(28./29.6.2018)









©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1010 „Zu ebener Erde und im ersten Stock“


Aufgewacht aus tiefem Schlaf: ich habe noch zu viele Sorgen. Ich habe noch zu viel Stress und Druck. Die Kreuzschmerzen sind wieder zurückgekommen. Drei Monate war von ihnen kaum etwas zu spüren, höchstens, wenn ich meinen Rücken überanstrengt habe und das ganz selten. Seitdem ich weiß, daß der Krankenstand in absehbarer Zeit zu Ende gehen wird, sind die Kreuzschmerzen wieder sprunghaft angestiegen, so daß ich Mühe beim Aufstehen und Anziehen habe (especially die Socken) und den Wäschekorb kaum noch derschleppe. Und genau ab dem Zeitpunkt dieser Information! Ich bin noch überhaupt nicht bereit dazu. Meine Seele und mein Körper können nicht mehr. Mein System des Sich-Zusammenreißens funktioniert nicht mehr; es ist endgültig zusammengebrochen. Meine Knochen können das falsche System nicht mehr aufrecht (er)halten.



Lachen muß ich, nein darf ich über die Tageskinder einen Stock tiefer: sie arbeiten täglich fleißig mir ihren Bohrmaschinen, die sie sich täglich basteln, und machen dabei mit ihrem „Booaaaaaaaaa“ den Bohrlärm nach. Meine Frau bittet sie, die Bohrmaschinen auf „leiser“ zu stellen – sie haben das Spiel, daß es da einen Schalter bei ihren Bohrmaschinen gibt – und sie machen es auch. Aber dann hat der Älteste eine Idee und verkündet: „Daniela, bei meiner Bohrmaschine ist der Schalter zum Leisestellen heruntergebrochen; ich kann nicht leiser stellen!“ Und mit voller Lautstärke und voller Inbrunst arbeitet er wieder los: „BOOOOAAAAAAAAAAAAHHHHHH.......!“

Was?! Ist das Leben nicht schön?!









(28.6.2018)












©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1009 Mitten in der Nacht


Mir ist einfach nur mehr zum Heulen. Es steckt in Brust, Hals und hinter den Augen, aber rauskommen kann es nicht. Ich will nicht mehr nachdenken, warum; ich will nichts mehr erklären versuchen. Ich stelle lediglich fest: mir ist nur mehr zum Heulen.



Nachdem ich bißchen gelesen habe, ist mir jetzt leichter.









(27./28.6.2018)










©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1008 Tina Maze


Ich schwärme für die slowenische Schirennläuferin Tina Maze (Danke für den Tipp, Kollege M.G.), denn ich habe von ihr geträumt. In irgendeinem See oder Meer schwimmend hat sie mit mir geredet.

Aber jetzt ist es schon egal, denn unten an der Stiege ist schon die Sperre eingerichtet. Ich schau das Bild vom Hafen von … Mali lošinj oder Veli  lošinj (am Fuße des Berges Sv. Ivan) – das weiß ich nicht mehr - und die Augenlider fangen an zu zucken und wollen mich anscheinend am Hinschauen hindern. Ist was falsch am Bild? Der Himmel und der Hafenkai sind bewegter als das Meer. Oder ist es deswegen, weil zuerst mein Vater, und ein halbes Jahr später meine Mutter unter diesem Bild gestorben sind?

Es war nicht mehr zu verhindern – jetzt sind mir die Augen zugefallen.

Ich werde in einen Schlaf-Traumstrudel hineingezogen, aus dem ich für Stunden nicht mehr herauskomme. Ich weiß noch, daß ich wieder Tina Maze besucht habe und daß der Aufstieg aus dem Strudel mühsam war, weil ich irgendwo dort unten zwei Kühe geschenkt bekommen habe, die ich jedoch nur schwer die Treppen herauf gebracht habe. Jetzt aber sind sie verschwunden; keine Ahnung, wo ich sie verloren habe (Hans im Glück?).

Schlafwellen, die von unten heraufschwappen, erreichen mich immer noch, so daß mir die Augen zufallen, aber hinunterziehen können sie mich nicht mehr. Dort unten hatte ich ganze Arbeit geleistet, nur habe ich vergessen was.

Eine zeitlang hocke ich mit geöffnetem Notizbuch da und warte auf einen Schreibimpuls. Dann lege ich Buch, Stift, Brille weg und recke und strecke mich einfach ins Dasein.






(27.6.2018)










©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1007 Zwei glitzernde Äuglein


Der Lavastein dort schaut mich mit zwei glitzernden Äuglein an, zusammengekauert wie ein kleines scheues, rastendes Tier. Mein lustiges Zimmer! Zum ersten Mal fällt mir auf, wie lustig mein Zimmer ist. Ich wohne in einem lustigen Zimmer!








(26./27.6.2018)









©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 26. Juni 2018

1006 Die verlorenen Fäden


Bei angenehmem, barmusikalischen Jazz - ideal als Hintergrund fürs Kaffeesitzen – weil aus den dezenten Lautsprechern unaufdringlichen melancholischen Optimismus verbreitend – ein schwarzer Kaffee hätte besser dazu gepaßt als mein Cappuccino – im Lotto zu gewinnen habe ich vergessen – dabei (beim Kaffeesitzen) den Faden verloren – überraschenderweise zieht gerade jetzt hier beim Paim eine große Karawane pensionierter Touristen zu Fuß vorbei – was ich hier in der Gegend noch nie gesehen habe - was gibt es da zu sehen?  - der Kaffee hier ist sehr gut – am Nebentisch ebenfalls eine schreibende Frau – Tertium comparationis ist das Schreiben – ja gut – später – den Falter durchgeblättert – den Faden endgültig verloren – zahlen – gehen - die kaffeegestörten Spinnennetze fallen mir ein.







(26.6.2018)








©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1005 Heiliger San Pedro!


San Pedro? Ich weiß noch nicht. Vielleicht. Jedenfalls grüße ich dich ehrfurchtsvoll, heiliger San Pedro!

Dazu fällt mir „San Juan Preparación“ ein, das Sonnwendfest der Indios, als Vorbereitung auf das Johannisfest getarnt.

Zurück zu San Pedro. Mir fehlt der Mut. Ich werde ganz traurig. Aber gut, verschieben wir es und machen San Pedro Preparación. Aber meine Sehnsucht ist so groß.

Meine Angst auch. Da wird sich zeigen, was Sache ist, da wird sich zeigen, was wirklich Gewicht hat, da wird sich zeigen, was wirklich zählt. Die Gefahr besteht, daß ich unabsichtlich die Rettung meines Egos erwarte, während es um die Rettung des Selbst gehen wird. Und bin ich auf diese Konfrontación wirklich vorbereitet? Oder bläst es mich weg? (Der Mensch ist ein zerbrechliches Wesen.)


P.S.: So ist es richtig: ich wache auf, launel noch herum, schreibe, streichle die Katze, denke dies und das, auch, daß ich endlich aufstehen sollte – da!, die psychoaktiven Heckenschützen werden schon aktiv – stehe aber nicht auf. Kein äußerer Termin zwingt mich, meine Vorhaben zu einem festgesetzten Zeitpunkt zu erledigen und ich genieße das. Und dann kommt der Moment, wo das innere Gleichgewicht hergestellt ist – das heißt, auch die psychoaktiven Heckenschützen sind neutralisiert – und der richtige Zeitpunkt zum Aufstehen ist da. Ich sage zur Katze: „stehnma auf!“ und wir springen fröhlich aus dem Bett und ich starte mit meinen Vorhaben. Sogar rasiert habe ich mich – rasieren mag ich nicht gern – obwohl ich mir schon im bettlägrigen Vorfeld erlaubt habe, auch heute das Rasieren ausfallen zu lassen. (Jetzt wißt ihr, wieso mir dauernd Bärte wachsen.)


P.P.S.: Das will ich auch einmal herschreiben: als jemand, der schon lange im Krankenstand ist – und das zu recht! - trotzdem!: wenn ich bei der Gebietskrankenkasse anrufe, ob ich im psychiatrischen Krankenstand mit meiner Frau zur Geburt des ersten Kindes zu meiner Stieftochter reisen darf – ein neugeborenes Kind hier auf Erden zu begrüßen kann ja für einen Depressiven nicht so schlecht sein – ich komme mir dabei vor wie der letzte Dreck - man kann einwenden, daß mir in meinem Zustand halt die nötige Abgrenzungsfähigkeit fehlt. Ja. Aber dennoch – ich rufe dort an und komme mir dabei vor wie der letzte Dreck. Das System hat die Demütigung und Erniedrigung schon in sich. Auch, wenn sich der/die einzelne BeamteIn um Freundlichkeit bemüht – wenn er/sie sich denn um Freundlichkeit bemüht.








(26.6.2018)












©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 25. Juni 2018

1004 Stolz


Obwohl ich stolz bin, daß ich jetzt schon über tausend meiner Texte für die Nachwelt hier in der Schublade archiviert habe (ha, ha, ha, die Hoffn … die Illusion stirbt zu Letzt), dreht sich beim Aufwachen der Raum um mich. Aber so, daß alles am gleichen Ort bleibt. Mit unglaublicher Gelassenheit, auf die ich auch stolz bin – damit habe ich mein heutiges Thema gefunden! - habe ich die Übelkeit im Griff. Die Katze kommt und ich muß wieder mit links schreiben – worauf ich auch stolz bin – sowohl auf die Zuneigung der Katze, als auch auch darauf, daß ich mit der linken Hand – wenn auch sehr unbeholfen – schreiben kann, obwohl dies in meiner Kindheit noch die böse und schiache Hand war, die man weder zum Schreiben noch zum Zeichnen benutzen durfte. (Die Katze hat sich anders hingelegt und ich kann wieder mit rechts schreiben.)

Nun sind mir die Stolze ausgegangen. Ich wollte eine halbwegs vollständige Liste zusammenstellen von allem, worauf ich stolz bin. Gut, meine Bücher und meine Bilder, das wissen meine Leserinnen schon und daß ich neben meiner Belesenheit auch auf meinen guten, erlesenen musikalischen Geschmack stolz bin; aber jetzt fällt mir nichts mehr ein.

Daß ich auf meine schönen, kreativen, tüchtigen, wohlgeratenen, begabten, intelligenten, sensiblen Kinder stolz bin, das kann ich nicht wirklich auf mein Konto verbuchen, denn sie sind es trotz mir und meiner Depression geworden. Das ist ihr Verdienst und das ihrer Mutter. (Jetzt übertreibt er wieder in seiner falschen, verlogenen Bescheidenheit und bei den letzten zwei Punkten könnte er auch ein wenig seine Finger mit im Spiel gehabt haben. Und: nicht aufs Fishing hereinfallen!)

Mein mühsam abgeschlossenes Studium? Ja, doch auch. (Jetzt hat sich die Katze bei meiner Schreiberei zum ersten Mal auf die linke Seite gelegt – somit kann ich sie mit der linken streicheln, während ich mit der rechten schreibe. Ja, ich habe die Katze schon länger in Verdacht, eine heimliche Leserin meiner Texte oder meiner Gedanken zu sein.)

Meine Wahrnehmung hat sich gänzlich stabilisiert. Wenn ich meinen Blick jedoch weiter nach innen schiebe, daß also der Ausgangspunkt meines Blickes nicht mehr in den Augen, sondern irgendwo tiefer in meiner Innenhöhle liegt, dann könnte sich das Karussell wieder zu drehen beginnen.

Auf meine Texte? Das hatten wir ja schon, wenn auch zahlbetont. Ja schon, aber nichts ist leichter (und naheliegender) als dabei in die Irre zu gehen.




(25.6.2018)





©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1003 Jetzt weiß ich es


Jetzt weiß ich es: ich sehne mich nach der anderen Seite. In mir spüre ich, daß es etwas ganz, ganz, ganz anderes gibt. Und weil ich nicht hinüberkomme, weil ich die trennende Membran, durch die diese andere Welt durchschimmert, nicht durchtrennen kann, muß ich weinen (jetzt übertreibt er wieder). Vielleicht habe ich mich beim Herreisen umgedreht, und so ist mein Blick hängen geblieben und ich konnte die andere Welt nicht vergessen. Nur die Musik tröstet, oder besser: die Musik läßt einen den Abglanz der anderen Welt in sich finden und damit die schmerzhafte Trennung getrost empfinden.










(25.6.2018)












©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 24. Juni 2018

1002 Ich habe zu lange in eine Lampe geschaut


Über die Stiegen bin ich mit einer zirka dreißig Zentimeter vor mir schwebenden kleinen, roten Kugel hinaufgegangen. Sie wurde grün und transpatenter und verblasste dann, als ich oben war.
Nach einer kurzen Pause ist sie am Papier des Notizbuches wieder als grüne erschienen, flacher, eher wie ein großer Punkt.

Ein mystisches Erlebnis, das jedoch nicht mysteriös ist, denn ich habe vorher zu lange in eine Lampe geschaut.







(24.06.2018)










©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1001 Mit links


Ich halte die Katze im Arm und wiege sie wie ein Baby. Dann kraule ich ihr lange den pelzigen Bauch. Dann wische ich mir meine katzenhaarigen Hände einfach an der Bettdecke ab und nehme den Kugelschreiber in die rechte Hand und beginne zu schreiben. Gleichzeitig versuche ich meist vergeblich, die Katzenhaare von der Notizbuchseite zu bekommen. Zwischendurch lege ich meine rechte Schreibhand ohne Griffel auf die Katze, auf daß sie weiterschnurre.

Wiedereinmal lausche ich dem reichhaltigen, modulierenden Ticken des Weckers, mit geschlossenen Augen. Sofort wird dieses Geräusch zu einem Strom von schwingenden, sich verändernden Tönen, für die die Bezeichnung „Ticken“ falsch und armselig wäre.

Vage, undefinierbare Bilder fahren mit großem Tempo an mich heran. Die Katze fordert wieder streichelnde und kraulende Aufmerksamkeit oder zumindest eine Handauflegung. Ich gebe den Stift gar nicht aus der Hand und lege ihr kurz meine Hand auf, aber ohne einen Segen zu sprechen. In diese Stille hinein wird mir bewußt, daß ich für niemanden ein Gegenüber bin. Das macht mich traurig.

In meine Vorlesung – mit geschlossenen Augen - ist niemand gekommen; ich kann wieder umdrehen. Die Katze schnurrt nicht mehr, sondern schaut von Zeit zu Zeit still um sich. Nach ein paar Minuten kommt doch die Aufforderung zu Körperkontakt (sie schaut mich an und sagt: Miau!).

Die Katze liegt rechts von mir; läge sie links, könnte ich ihr, während ich schreibe, die linke Hand aufgelegt lassen. Ich versuche mit links zu schreiben. Nur mit innerem Auge sichtbare Bewegungen sind um mich. Sie wirken ein wenig unruhig, nicht ganz harmonisch. Es entsteht das Gefühl, dass meine rechte Hand in die Katze einsinkt, unsere Grenzen lösen sich auf und unsere Energiekörper gehen am Rand ein wenig ineinander.

Jetzt fährt eine starre Reihe verschwommener dunkler Steher – wie für Zäune etwa, aber weit nach oben ragend und nicht aus Holz, sondern aus dunkler Energie – an meinem inneren Auge von links nach rechts vorbei und wechselt dann die Richtung. Die Katze verläßt mein Bett und ich kann wieder mit der rechten Hand wie mit links schreiben.

Ich bin innerlich nach Admont gereist und stelle wieder einmal fest, der Marktflecken tut sich neben dem Stift schwer sich zu behaupten.

Mein Rucksack! Wo ist mein Rucksack! Gerade ist die Tür ins Schloss gefallen.

Mein letzter Versuch: könnte ich bitte die Lottozahlen für die Ziehung am kommenden Mittwoch haben?

Plötzlich steht ein riesiger blaugrüner Rucksack vor mir – ich habe den Verdacht, vor meinem inneren Auge – und verschwindet wieder.
Danke, aber ich habe umdisponiert; die Lottozahlen wären mir jetzt wichtiger! Aber bitte länger eingeblendet lassen, damit ich sie aufschreiben kann!

Ein russischer Bluessänger tritt kurz auf. Was soll der Hinweis? Statt Lotto soll ich lieber russisches Roulette spielen? Nö! Weder in Wien, noch in Niederösterreich, noch im Burgenland (Verkehrsverbund Ost).

Ich lege mir meinen Arbeitsplan für die nächsten Stunden zurecht, wie ich mit der Korrektur vorgehen werde etcetera, etcetera.

Ich höre innen Gitarrenmusik, bis von rechts ganz kurz so ein rustikaler Alpintrottel auftaucht und „juhuu!“ dreinschreit. Alles kaputt. Davon bin ich aufgewacht.

Ich kümmere mich um so viele Angelegenheiten, aber tauche so schnell in die verschiedenen Welten ein und aus, daß ich nicht weiß, ob was wie erledigt ist.

Ein herzliches Vergeltsgott.

Mehrsprachige Lieder: die Sängerin singt französisch, ich rappe dazu.

Das ist keine unendliche Geschichte! Keine Sorge. Ich bin sterblich.

Ein Baby, dem ich helfen will, sagt: „Alles gut!“ in Babysprache, aber erstaunlich früh für sein Alter.

Manchmal ziehen transmondiale Jogger an mir vorbei, obwohl sie eigentlich laufen.

Ich rücke im Bett ganz nach rechts, presse meinen Rücken an die Wand und schlafe wieder ein.









(24.6.2018)










©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1000 Ist okay


Ich hatte heute einen guten Tag, fröhlich begonnen, voller toller Musik – und jetzt in der Nacht wird mir das Herz so schwer. Eine solche Trauer legt sich auf mich, daß meine Brust fast erdrückt zu werden scheint. Hinter den Augen staut sich das Wasser. Warum jetzt? Was ist es?
Ich versuche es zu formulieren; es geht jetzt nicht.

Die Trauer preßt mich zusammen. Ich weiß, ich wiederhole mich, ich trauere um … ach was! Nicht, daß mir nichts einfällt – es paßt kein Wort, es paßt kein Bild, es paßt kein Vergleich; ich kriege es nicht auf die Reihe!

Ist okay! Ist okay!

Ich bereue es zum Beispiel, nie einen richtigen Trip genommen zu haben. Der kann schon einen ordentlichen Entwicklungsschub bringen und die sozialen Ängste und das ganze Kindheitspaket auflösen – oder so damit konfrontieren, daß kein Stein auf dem andern bleibt und man sich deswegen ändern muß. (Alkohol ist dagegen so primitiv.)

Die Trauer füllt mein kleines Zimmer mit schwarzem, unsichtbaren Rauch, nur an der leichten Verdunkelung meiner Wahrnehmung bemerkbar. Das Zimmer gerät in stille, schwere Schwingungen.









(23./24.6.2018)













©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

999 Rehlein


Das Cafemima ist voll. Markttag. Buddha meditiert seine innere Stille (hoffe und glaube ich) als Tonfigur verkleidet. Der Elefantengott ist stofflich auch da und ein plakatives, papierenes Hoppala von Gitti. Die Welt wird wirklich bunter. Meinen Halsschmuck mit dem bethlehemitischen Tau-Taube-Ölbaumholzkreuz, dem mexikanischen Psilocybe-Stein und der Marienblechmarke – ich glaube ungeweiht - habe ich umzuhängen vergessen, obwohl ich ihn mitnehmen wollte. Dafür habe ich heute meine chefarztpflichtigen Antidepressiva – einzunehmen nach dem Frühstück – dabei, die ich gestern vergessen hatte. (Es gibt eine Buntheit, die ich nicht mag; und es gibt eine Buntheit, die ich mag, wie diese hier.)

An Jugendliche wird kein Alkohol ausgeschenkt.

Ich glaube, ich komme jetzt allmählich wieder dort an, wo ich schon einmal war, bevor ich in die Fünfzigerjahre zurückgebombt worden bin. In solch einem Ambiente habe ich mich schon früher wohlgefühlt. Der Wiederaufbau ist sozusagen gelungen. Für mich leider zu spät.

Jetzt habe ich gerade zu den Tischnachbarn gesagt, „Geschmäcker sind verschieden, aber das Mimafrühstück schmeckt mir ganz besonders.“ (Beim Versuch, es näher zu beschreiben, sind mir natürlich einige Wörter nicht und nicht eingefallen – zum Beispiel wie das Brot heißt – und ich habe herumzappeln müssen. Aber das ist mir völlig egal. Das kann mich heute nicht erschüttern. Denn heute weiß ich, daß ich – trotz aller Blödheiten - ein Pionier des echten Fortschritts war, bevor ich in die Fünfzigerjahre zurückgebombt wurde – respektive mich habe zurückbomben lassen. Jetzt wirke ich auf alle so, als wäre ich hintennach, im besten Fall, daß ich so halbwegs gerade noch ein wenig aufgeschlossen habe. Aber schon am Abstellgleis.

An Jugendliche wird kein Alkohol ausgeschenkt.

Ich lasse mich von der Buntheit einhüllen und vielleicht „meditiere“ ich sie.

Dazu paßt es sehr gut, daß ich am Heimweg einer ehemaligen Kellnerin aus der Bluebox („Rehlein“ – scheu und unnahbar) über den Weg gelaufen bin und wir uns wieder erkannt und gegrüßt haben.
Damals in den Blueboxzeiten war ich auch depressiv, aber fröhlich! Ich habe herumgeredet, daß ich mit dreiunddreißig abtreten werde, wenn ich bis dahin den Durchbruch als Maler nicht geschafft habe. Wie zu erwarten war, habe ich das dann nicht getan und mit fünfunddreißig hat es schon ein wenig nach Durchbruch ausgeschaut, aber dann habe ich mich in die Fünfzigerjahre zurückbomben lassen oder noch weiter bis in den Krieg und die Nazizeit.

Ja und ich hatte vorher noch die überaus streng geheimen Kürzel für mich - die Bluebox-Kellnerinnen hüteten ihre Kürzel für ihre Stammkunden zum leichteren Aufschreiben der Konsumation ganz eifersüchtig – herausgefunden: zuerst „Mann mir Hut“ und nachher „Maler Krönchen“, auf ein M mit Krönchen reduziert. Ich bin heute wieder stolz darauf und muß lachen.







(23.6.2018)











©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


998 Papst Petrus II


Ich höre unten schleifen. Ich schaue durch die drei neuen und durch das eine, kleine, schon länger montierte Fenster nach draußen in jeweils eine andere Welt. Diese Welten sind sehr bewegt und verändern sich immer, obwohl sie sehr stabil bleiben. Bewegte Standbilder sozusagen. Das ist schön! So schön!

Es fällt mir gerade ein: wenn ich meine neunjährige Entscheidung, Priester zu werden, durchführen hätte können, dann wäre ich jetzt oder wäre demnächst, in ein paar Jahren, Papst geworden und hätte als Petrus II die katholische Kirche auflösen müssen. Denn die Reiche gehen oft unter einem König oder Kaiser zugrunde, der den Namen der Gründungsfigur – ob echt oder legendär - trägt. So wie Romulus Augustulus der letzte weströmische Kaiser war. Oder „unser“ Kaiser Karl (ist der nicht auch schon heilig gesprochen?) - gleicher Namen wie der erste. Oder der letzte byzantinische Kaiser: Konstantin. Oder der letzte Sultan des osmanischen Reiches: Mehmed, wie Mehmed der Eroberer (Konstantinopel).

Gut, das ist nicht so wichtig.

Wichtig ist: ich werde immer wacher und weil ich über das Geschriebene lachen muß, immer fröhlicher. Scheint ein guter Start in den heutigen Tag (23.6.2018; 8 Uhr SZ) zu sein.

Und kurz noch ein Elmsfeuer über „Welt im Wort 1“ - Lesebuch für die Unterstufe der allgemein-bildenden höheren Schulen in meinem Bücherregal.









(23.6.2018)











©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


997 Mein zirka Zehn-Quadratmeter-Reich


Wer bin ich schon, daß ich das weiß? Das Licht im Zimmer ist heute Nacht linkslastig. Eine Schicht ganz feiner Staub. Selbst auf dem Kugelschreiber. Mein Notizbuch ist leicht pelzig.

Ein ganz leiser, singend-surrender Ton kommt von unten, nicht aus mir. Die Sirenen der Polizei wollen mich rufen, aber sie singen nur einmal. Das ist zu kurz. Wo geht’s hier zum Kickl? Oder ist der schon im Konkurs? Oder hat ihn wer gerettet? Und auf wessen Kosten? Wer zahlt bestimmt.
Ich entpolitisiere den Text wieder. „Überläßt das Denken den Pferden, denn die haben größere Köpfe.“

Schade, daß nie wer in mein Zimmer kommen wird, es wäre so schön herzuzeigen. Ich werde es aushalten. Meine Sirenen höre ich auch – sie singen schöner und mit mehr Freude als die von der Polizei. Sie haben heute viel Musik getankt. Mein Reichtum ist so groß, daß ich ganz klein bin.

Die Haustür fällt immer mit einem lauten Ruuummms! zu, auch mitten in der Nacht (Echtzeit). Ein nichts zu sein bedarf es wenig und wer nichts ist ist ein König. Mein zirka Zehn-Quadratmeter-Reich, meine zirka Zehn-Quadratmeter-Zelle, mein zirka Zehn-Quadratmeter-Asyl. Wie schon gesagt: auch mein Reich gehört nicht mir – nur der Inhalt – sozusagen.










(22./23.6.2018)














©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 22. Juni 2018

996 Untergeschobene Anmerkungen über Frauen


Auf dem Weg ins Cafemima sehe ich in etwa hundert Meter Entfernung einen wunderschönen, großen, herrlichen Baum. Ich bin schon oft an diesem Baum vorbeigegangen, habe aber seine Herrlichkeit noch nie so voll entdeckt (hinter der Selbstverständlichkeit namens „Baum“).

Warum ich mein Leben literarisiere? Ich bin jemand, der keine Spuren im nassen Sand hinterläßt. Leider. Darum. Diese Erklärung muß genügen. Vielleicht noch: auch solche Menschen haben eine Geschichte, sei sie auch uninteressant. Die Geschichten von Himmelfahrern geben natürlich mehr her. Unbestritten. Mich interessieren am meisten die Geschichten von Himmelfahrern.

Unbestritten ist aber auch, daß das Mimafrühstück köstlich ist und einen auf Erden zufrieden und mit der Welt versöhnt macht. Übrigens ist die Verachtung für die alltägliche Welt kein guter Ausgangspunkt um ins Himmelreich zu trampen. Enttäuschung möglicherweise schon, wenn man daran nicht hängen bleibt. Man? Frauen haben von ihren angeborenen Möglichkeiten und Fähigkeiten her einen viel besseren Zugang zum Himmelreich als die Männer. Das Patriarchat hat nur alles getan, um diese energetische Tatsache vor den Frauen zu verbergen und sie nicht bloß zu verleugnen, sondern das Gegenteil zu behaupten. Was – ich betone es nocheinmal – auf Grund der energetischen Tatsachen falsch ist und nicht nur irgendeine unverbindliche, andere Auffassung. (Ich hinterlasse keine Spuren im Sand – so wenig Gewicht habe ich – aber ich kann vielleicht auf das eine oder andere hinweisen.) Und was die „Herrlichkeit“ betrifft: wenn ich „Dämlichkeit“ herschreibe wird das sicher mißverstanden – das wird vermutlich noch dauern, bis sich das umgedreht hat.

Tja, die Musik und die Lokalgeräusche ergänzen sich harmonisch; ich habe teilweise nicht gewußt, was Musik, was Küchengeräusch ist (ich habe ein nicht identifiziertes Küchenmaschinengeräusch für eine instrumentale, monotom-rhythmische Oberstimme gehalten).

Übrigens: auch eine Himmelfahrerin, ein Himmelfahrer kann keine Spuren im nassen Sand hinterlassen, aber nicht, weil sie oder er keine Bedeutung hat, sondern weil sie oder er sich dafür entschieden hat, sich so leicht zu machen und die Erde in Liebe nur zart zu berühren und sich in voller Lebenskraft und voller Bewußtheit - nachdem sie oder er sich ordentlich und dankend von  dieser Erde verabschiedet hat – diese Welt zu verlassen.

Ich liebe zurzeit ganz besonders die Red Hot Chilli Peppers (z.B. „Wet Sand“) und habe gerade die piepsende Mitteilung erhalten, daß meine bestellte CD eingetroffen ist. Sofort breche ich auf.

„Du! Ich freu mich!“ (Zitat Ernst Waldbrunn)









(22.6.2018)










©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

995 Chaotische Zitate


Heute starte ich den Tag mit Neid. Neid auf Handwerker zum Beispiel. Wie die wissen, was Sache ist, welche Entscheidungen zu treffen sind und wo es langgeht – beim Handwerk: ich meine: nur die fachliche Kompetenz. Bei mir ist genau das Gegenteil „der Fall“ (Zitat Ludwig Wittgenstein). Ich wundere mich sogar, daß ich früher Ausstellungen gemacht habe – wie habe ich da die Entscheidungen getroffen? - oder zum Beispiel eine Tür mit einer eingebauten Ecke getischlert habe oder in einer Galerie über zwei Räume Steher für einen Zaun für ein großes Gehege aufgebaut habe, das auch gehalten hat (und in dem ich zehn Tage lang eingesperrt gewohnt habe). Heute wäre das für mich undenkbar! Auch wenn ich von meinem kaputten Kreuz absehe und vom Fehlen des damals doch noch jugendlichen Übermutes und der künstlerischen Überdrehtheit – ich traue mir nicht mehr zu, solche Steher aufzustellen (Kein Zitat von Sigmund Freud!). Ich habe so ziemlich alle Kompetenzen verloren. „Traurig! Traurig! Traurig!“ (Zitat Theo Lingen als Lehrer in „der Musterknabe“).
Ja mich wundert es nicht, daß ich nirgends mehr hingehen will – was soll ich in der Welt? Unter einem bestimmten Kompetenzniveau – das mag für verschiedene Personen verschieden hoch sein – unter einem bestimmten Kompetenzniveau fällt das Kompetenzsystem zusammen.

„Die Leistung als physikalische Größe bezeichnet die in einer Zeitspanne umgesetzte Energie bezogen auf diese Zeitspanne.“ (Zitat Wikipedia – waren die Definitionen und Formeln zu unserer Zeit nicht viel einfacher?)

„Arbeit wird in der Mechanik definiert als das Skalarprodukt aus Kraft und Weg.“ (Zitat Wikipedia – die Definitionen und Formeln waren zu meiner Zeit viel einfacher!)

„Die Tüchtigkeit den Tüchtigen!“ (Parole aus dem … was weiß ich)

„Neid ist eine Todsünde“ „Mit Todsünde werden in der katholischen Kirche besonders schwerwiegende Arten der Sünde bezeichnet, durch welche der Mensch die Gemeinschaft mit Gott bewusst und willentlich verlässt.“ (Zitat Wikipedia)

Eine ziemlich frische Zugluft zieht über mich hinweg. Ich weiß noch nicht, ob mir das angenehm ist oder unangenehm. „Es weht ein frischer Wind.“ „Das kostet mich einen Lacher!“ „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ (Aurelius Augustinus); „Eigner Herd ist Goldes wert.“ „Übers Bacherl bin i g'sprungen, übers Wieserl bin i g'rennt...“ (Volkslied); „Åber z'Sittendorf, z'Sittendorf måg i's nit bleibm...“ (Volkslied aus Niederösterreich); „C – a – f – f – e – e“ (Kanon von Karl Gottlieb Hering (1766 – 1853)).





(22.6.2018)






©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

994 Augenweide


Meine Gekränktheit ist weg. Die Trauer ist da.
Die Trauer finde ich ganz in Ordnung. Gegen die habe ich überhaupt nichts. Die Trauer finde ich angemessen.

Elmsfeuer auf meinen Bildern an der Wand, Schatten auf meinen Fingernägeln.

Ich habe jetzt viel mehr zum Anschauen. Meine Augen weiden sich an der Fülle, an der Schönheit und an die Ausblicke nach anderen Welten draußen. Die Bilder sind nämlich wie Fenster.







(21./22.6.2018)









©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

993 Kleines, völlig unbedeutendes Erlebnis


Neue Bilder in meinem Zimmer und mein Herz jubelt. (Neu sind die Bilder nur in meinem Zimmer, ansonsten sind sie schon einige Jahre und Jahrzehnte alt und zum Teil auch schon so lange in meinem Besitz.) Offensichtlich will ich mein Reich zwar räumlich reduzieren, aber entfalten, den Besitz nicht verringern, sondern vermehren, mein Reich nicht leeren, sondern anfüllen. Dabei habe ich keinen Horror Vacui behaupte ich mal. Und wie zufällig alles an den richtigen Platz gekommen ist: zum Beispiel das Bild mit einem Baum, so gemalt – und das ist mir bis jetzt nicht aufgefallen – daß man ihn auch als eine Champagnerfontäne sehen kann, diesen Baum genau über der Fiuggi-Flasche, die – ob aus sentimentalen oder magischen Gründen - das sei dahingestellt – die ganz oben auf dem Bücherregal steht. Das gefällt mir.

Ich komme mir in meiner Kammer so reich vor; kein Wunder, daß ich sie so ungern verlasse. Außerhalb meiner Kammer habe ich immer weniger zu melden und immer weniger Präsenz, aber hier herinnen bin ich stolz, so stolz! Was ich in meinem Leben alles erreicht und erwirtschaftet und geschenkt bekommen habe! (Das gilt nur innerhalb meiner Mauern – die auch nicht mir gehören, sondern bloß geborgt sind - draußen aber bin ich sowieso nicht mehr vorhanden.

So stolz bin ich, daß ich jetzt – von der Arbeit des Bildaufhängens verschwitzt – sogar duschen gehe.








(21./22.6.2016)











©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 21. Juni 2018

992 Wecker


Es hat einmal Zeiten gegeben, da brauchte ich keinen Wecker. Wenn ich mir beim Einschlafen sagte: „aufwachen um sechs“, dann bin ich um sechs Uhr aufgewacht. Immer genau zur angepeilten Uhrzeit. Das hat absolut sicher funktioniert.
Irgendwann habe ich diese Sicherheit wieder verloren. Interessanter ist die Frage, wie ich diese Sicherheit gewonnen habe, schließlich bin ich in meinem Aufwachsen zu einem passiv-autoritären Charakter zugerichtet worden, dessen größte Angst es war, der Autorität nicht zu genügen. Und versäumte Termine gingen deswegen gar nicht. Bin ich wegen dieser Angst so pünktlich aufgewacht?

Wenn ich mich an diese Zeit als junger Erwachsener zurückerinnere, war es für mich jedoch eher ein Gefühl der Selbstsicherheit, der Selbstmächtigkeit, also ein positives Gefühl; ich wußte, das kann ich. Wichtig dafür ist vermutlich die Tatsache, daß ich damals einigermaßen getrunken habe; wahrscheinlich hatte ich von da her den Mut, versäumte Termine zu riskieren.

Damals war ich überhaupt gut drauf und locker unterwegs: so bin ich einmal zu einer Prüfung in Hausschlapfen gekommen, weil das Uniinstitut im gleichen Haus war wie mein Studentenzimmer. Oder bei einer anderen Prüfung, bei der ich nicht viel konnte, aber der Professor wußte, daß ich nie in dieser seiner Vorlesung war und somit merkte, daß ich bloß nach dem Skriptum gelernt hatte und er deswegen äußerte, daß das Skriptum nicht gut sei, da habe ich ihm geantwortet, daß sich das Skriptum sehr genau an seinen Vortrag halte – was ich von anderen Vorlesung dieses Professors sehr wohl beurteilen konnte. Ja, lustig war das Studentenleben! Übrigens hatte das mit dem Aufwachen auch funktioniert, wenn ich am Abend vorher betrunken war – und das war ich so gut wie jeden Tag.

Heute muß ich schon längst wieder mit Wecker arbeiten. Das Selbstvertrauen ist weg. Ich verwende eh schon den sanfteren und melodiöseren Weckton vom Handy, aber ich hasse es dennoch. Ich finde, es ist ein Menschenrecht, im Normalfall einfach von selber aufzuwachen, besonders in der Kindheit und am Lebensabend. Aus dem heilenden Schlaf gerissen war mir heute gleich schlecht und die Ängste haben ihre Chance genützt, in die durch den Wecker gerissene Lücke einzudringen.

Und so fängt auch mein Tag heute an: müde, weinerlich, verzweifelt, mit einer inneren Tirade an Selbstbeschimpfungen, grantig nach außen, verbittert, unversöhnlich, hoffnungslos, mit Phantasien von einem „unheimlich starken Abgang“ (Harald Sommer).

Meistens kann ich über so einen Cocktail wie da oben lachen, heute nicht. Nur ein müdes „ach!“ mit ein paar wegwerfenden Handbewegungen.

Vielleicht kann ich meinen Frust kanalisieren und abbauen, indem ich ein Bild von mir zerstöre; ich muß sie heute sowieso alle abhängen. Eines springt mir schon ins Auge. Jaaa, das mache ich! Darauf freue ich mich schon!
Sehe ich da nicht vor meinem inneren Auge ein teuflisch grinsendes und teuflisch ausschauendes Gesicht auftauchen? Keine Hörner, aber etwas stark verzerrtes? Freut sich da wer über meine geplante Selbstzerstörung?









(21.6.2018)











©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 20. Juni 2018

991 Zack!


Zack und schon war ich direkt aus einer anderen Welt hier gelandet. 'Gelandet' ist nicht ganz richtig, eher aufgetaucht; von unten heraufgeschossen gekommen, begleitet von heftigem Surren, das mich noch stark einhüllt. In weniger als einer Sekunde. Zuerst war ich überhaupt nicht da und plötzlich war ich voll da. Ohne Übergang.

Jetzt geht es mir ein wenig wie dem Reiter über den Bodensee: zuerst war ich voll da, aber nun wird mir ein wenig flau und schlecht im nachträglichen Schrecken über meine ungewöhnliche Reise, obwohl ich ja gut angekommen bin.

Wo war ich denn überhaupt? Das ist perdu. Diese Erinnerung fehlt komplett. Aus dem lauten Surren schließe ich, daß es sehr weit weg war.

Ach ja, und die Katze hat mich gar nicht aufgeweckt. Vielleicht war tatsächlich nicht nur meine Seele, sondern ich mit meinem gesamten in Energie verwandelten Körper und der Sturm-Graz-Uhr verreist und mein Bett war leer! Sonst tatzelt mich die Katze ja immer zwischen vier und fünf Uhr früh wach. Jetzt geht es auf sieben zu. Wie immer in solchen Situationen: ein tiefer Atemzug. Und noch einer.

Mit den Atemzügen kommt aber die Müdigkeit. Gerade noch hellwach und plötzlich hundemüde. Wehrt sich mein Alltagsbewußtsein gegen die Erkenntnis über die Art meiner Reise und will in den Schlaf flüchten? Das klägliche Alltagsbewußtsein ist ja schnell beleidigt, wenn es in seinen Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt wird oder sich erweitern müßte.

Die kurzen Stimmen aus dem Lichtschacht lösen ein Krabbeln auf meiner Schädeldecke aus, das nach unten rieselt und dabei immer schwächer wird. Hm! Das könnte ein Symptom sein, das meine Theorie bestätigt: mein physischer Körper ist noch nicht ganz fest.
Ich kontrolliere meine Wahrnehmung, ob daran sonst noch etwas auffällig ist: hören, sehen, fühlen (außen: Fühler). Sind nicht die Geräusche viel näher als sonst, als wäre mein Hören noch nicht richtig in meinen physischen Körper eingerastet?
Beim Sehen fällt mir zunächst nichts auf, aber als ich meine Augen bewege, bleibt das Bild stecken und in mir macht sich ein angstmachender Abgrund auf. Wenn ich mit den Augenbewegungen aufhöre, bleibt noch ein Nachschwall dieser Angstaufwallung, der aber langsam wieder verrinnt. Ich probiere es aus: der Vorgang ist wiederholbar – ein echtes naturwissenschaftliches Experiment!
Im Taktilen und Haptischen bemerke ich meine noch verschwommenen Körpergrenzen.

Langsam wird mir meine Untersuchung fad und deren Ergebnis egal. Aha! Das brave, feige Alltagsbewußtsein hat sich durchgesetzt. Da schau her! Genau in diesem Moment kommt die Katze herein. Ich aber werde zu dieser ungewöhnlich frühen Zeit hinunter frühstücken gehen. Der Kaffeeduft, der von unten heraufsteigt, ist mir jedoch noch zu stark. Diese Empfindlichkeit deutet auch in Richtung … einer sehr weiten Reise.

Vorm eigentlichen Frühstück, aber schon unten in der Küche habe ich noch ein Stücklein meiner Haut gegessen, das ich mir, weil es vom Rand des Nagelbettes meines linken Ringfingers abgestanden ist, abgebissen habe. Wie nennt man das wissenschaftlich?

Und während ich mir meinen Frühstückskaffee – drei Viertel Getreidekaffee und höchstens ein Viertel echten – zubereitet habe und beim Durchrinnen des kochenden Wassers durch den Filter gewartet habe, habe ich mir auf meine Brust gegriffen - linke Hand linke Brust, rechte rechte – und zwar so, als hätte ich einen kleinen, weiblichen Busen und habe ihn gestreichelt. Wie nennt man das wissenschaftlich? Antworten bitte an untere Emailadresse.








(20.6.2016)












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990 Ich kann nicht schlafen


Zwei Uhr nachts. Ich kann nicht schlafen. Es ist nichts dabei, schließlich kann ich ja schlafen wann und wie lang ich will. Jedoch unendliche, sinnlose, mühsame innere Dialoge zur endlosen Rechtfertigung. Jetzt hat sich eine kurze Panikwelle über mich gelegt und meine Wahrnehmung hat sich kurz verdunkelt. Es war ein Gefühl, als würde mein ganzer Körper schwebend durch einen Panikring geschoben (vergleiche eine Magnetresonanzuntersuchung) und im Durchgang durch den Ring ist mein Blick verdunkelt.

Irgendetwas Inneres presst sich zusammen; ich kann nicht erkennen, was es ist.
Ein tiefer Atemzug läßt mich einen Druck auf die Mitte meiner Brust bemerken und hinter meinen Augen versammelt sich das Heulen vergeblich.

Die Zähne arbeiten und arbeiten wie Mühlsteine. Wenn ich mir das verbiete, beginnen meine Lippen und die Muskeln meines Mundes leicht zu vibrieren und zu kribbeln. Ich kann dem Drang, die Zähne zusammenzubeißen, nur schwer widerstehen. Bald sind sie wieder zusammengebissen. So viel Arbeit zur Erholungszeit!

Irgendwann werden mein erschöpftungsgespannter Körper und mein aufgeputschter Geist nachgeben und einschlafen. Irgendwann.






(20.6.2018)









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989 Ich schüttle den Kopf


Wieder die falsche Geisterstunde. Ich spiele, daß ich in die Runde lache, dabei ist gar niemand da und ich bewege den Kopf nicht und öffne nicht den Mund. Es genügt mir, wenn ich mir etwas ausdenke; leben muß ich es nicht. 'Ausdenken' ist zuviel gesagt; ich denke dabei nicht; ich lache einfach mit imaginären Personen, die schattenhaft bleiben, unausgearbeitet, wie fast alles, was ich mache.

Ein Gefühl hat sich zwischen meinen Unterkieferknochen und die Gesichtshaut geschoben und bildet dort einen kleinen Knödel, bevor der Zauber langsam vergeht.

Ich schüttle ganz wirklich den Kopf, wenn auch ganz leicht, weil mir alles zwischen meinen Fingern, zwischen meinen Gedanken, zwischen meinen Vorstellungen, Phantasien, Gefühlen zerbröselt. Schon weiß ich nichts mehr. Schon spüre ich nichts mehr. Wenn ich mich anstrenge und mich konzentriere, kann ich den Druck der Matratze gegen meinen Hintern wahrnehmen. Das ist alles.

Ich bin nicht ungehalten, ich bin nur fremd.

Wir nähern uns der richtigen Geisterstunde.

Ich weiß nicht, der wievielte Seufzer.

Wieder einmal wundere ich mich, wie man sich so verrennen konnte und schüttle dazu ganz leicht den Kopf.









(19./20.6.2018)












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988 Blech und das ist schön


Blech, Blech, Blech. Das sind nicht die Symbole meiner Niederlagen (Blechmedaillen), denn die  landeten fast immer so um den letzten Platz herum, sondern das, was ich sehe, wenn ich aus dem Fenster des Cafés schaue: Autos, Autos, Autos. Nur ich habe kein Selbst. (Findest du den Fehler? Ein Selbst hat man nicht, ein Selbst ist man!) (Oder habe ich etwas verpasst und die Autos sind heute aus Plastik?)

Meine Karosserie ist aus Fleisch und Blut und allem, was dazugehört (Haut und Knochen zum Beispiel und die Sturm-Graz-Armbanduhr am linken Handgelenk), dann noch etwas wie eine verquälte Psyche (Seele: bleibt fraglich) – vielleicht bin ich ein Replikant, von irgendwelchen verblendeten und sich selbst überschätzenden Idioten installiert. (Oh, schimpfen könnte ich, so viel schimpfen!) ίδιος heißt 'eigen' (die Karosserie will angeben) (Wenn sie sonst nichts hat).

Draußen also lauter unnütz herumstehende Autos, Blechselbste, verstellen alles, verstellen Raum und Blick, eine „unverschämte“ (Zitat Döb.) Anmaßung (wahrscheinlich auch Zitat Döb.).

Aber ruhig ist es jetzt im kleinen Café; sogar die Kellnerin hat sich ein wenig hinsetzen können, und das ist schön.

Es gehen viele Leute vorbei und das ist auch schön. Ich schaue gerne Passanten zu, wenn sie sich alltäglich bewegen; mehr als dem Leben zuschauen will ich gar nicht mehr. Der Bettler hat einen beinah seligen Blick.

Ich fange an, die Passanten zu lieben. Sie sind alle mitleiderregend, wenn sie sich unbeobachtet glauben – und die Selbstkontrolle in der Öffentlichkeit hat seit der späteren Mitte des vorigen Jahrhunderts deutlich abgenommen, weil auch der gesellschaftliche Zusammenhalt abgenommen und seine  symbolische Darstellung in der Öffentlichkeit als Raum der Bezogenheit der Mitglieder der Gesellschaft aufeinander und ihre gegenseitige Wahrnehmung stark nachgelassen haben – also viele fühlen sich in der Straßen-Öffentlichkeit fast schon unbeobachtet – im Gegensatz zur medialen – darum nehmen seit der späten Mitte des vorigen Jahrhundert die Selbstgespräche auf der Straße immer mehr zu und das öffentliche, weitgehend bloß halbbewußte Grimassieren, weil sich der Einzelne eher wie in einem Dschungel oder wie in einem Abseits fühlt und nicht mehr in einer mit den anderen geteilten Welt – wenn sie sich unbeobachtet glauben, kommen ihre Verletztheit, ihre Armut, ihre Angst, ihre Erschöpfung, ihre Enttäuschung zum Vorschein. Dieses Zuschauen fällt mit leichter, wenn sie nicht herschauen und das tun sie nicht. Und das ist schön. Ich brauche nur meinen toten Winkel, um mich zu fühlen. (Fühl dich!)

Weil ich im Moment der einzige Gast bin, haben die zwei Kellnerinnen Zeit, miteinander zu reden. Das muslimische Kopftuchmädchen fragt ihre Kollegin, ob sie auch Köpfe und Landschaften malt. Und Tiger. Ob sie Tiger liebt. … Was für ein schöner Dialog! So unschuldig, so …

Ich habe genug gehört und gesehen. Ich will jetzt in diesem schönen Augenblick meinen Ausflug beenden. (Das muslimische Mädchen sagt im selben Moment, wo ich das Wort 'Ausflug' hinschreibe, in einem Satz: „Ausflug“ und dann „Griechenland ist sicher auch schön“.)

Ich gehe.








(19./20.6.2018)











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Dienstag, 19. Juni 2018

987 Die Dämmerung glänzt


Die früheste Morgendämmerung. Eine Amsel hat ein einziges Mal gerufen und dann wieder aufgehört. Geht die Zeit ab jetzt zurück? Und es wird wieder finster? War dieser Amselruf das Signal für eine kosmische Zeitenwende? Zieht sich das Universum wieder zusammen? Einatmen? Ausatmen?

Absolute Stille. Oder ist die Zeit stehengeblieben? Kein Verkehrslärm ist zu hören, absolut nichts. Nur der Wecker tickt, aber vielleicht gehört das zu mir wie das Surren. Vielleicht ist das sinnlose Ticken schon in mein Seelenleben eingewachsen und kommt nunmehr aus mir und wird von mir gesteuert?

Oh! Ein ferner Krähenruf! Und heller ist es auch geworden. Es scheint doch alles normal abzulaufen. Oder existieren im ganzen Universum nur noch ich, eine Amsel und eine Krähe? Alle anderen sind in den Himmel aufgefahren? Gibt es noch Pflanzen? Oder sind die auch alle mit hinauf?

Eine Tür hat angeschlagen. Luftzug? Ist mir bis jetzt keiner aufgefallen. Auch die Winde weg? Nur noch die Luft, die in den Häusern noch verfangen ist?

Ah! Irgendwer hantiert! Es könnte doch alles normal sein! Obwohl: es hat sich wie ein einziger Handgriff angehört. Dann war es wieder absolut still – keine weiteren Handgriffe, keine Schritte, nichts.

Passiert jetzt im Universum alles nur mehr ein einziges Mal? Oder ist das Intervall zwischen den einzelnen Geschehnissen deutlich größer geworden und die Schritte kommen erst in einer Viertelstunde?

Ein einzelnes Knacksen.

Ich drehe den Kopf. Das wirkt wiederum ganz normal. Jetzt ist es eindeutig: in dieser guten halben Stunde ist es deutlich heller geworden. Irgendwo im Universum geht die Sonne auf (ha, ha, ha); hier noch nicht.

Der Typ am Photo schaut so schwindlig und schwach aus, der Hals so dünn, daß der Kopf herunterzufallen droht, und sein Aufrechtsitzen ist vorgetäuscht. Der Photograph hat ihm statt des fehlenden Rückgrats einen Stecken verpasst.

Die Dämmerung draußen fängt an der grauen Mauer bereits zu glänzen an.




(19.6.2018)





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986 Schlechtes Gewissen


Schlechtes Gewissen, weil ich so lange geschlafen habe. Dabei merke ich, wie gut ich mich dabei von meinem Lebensstress erhole. Aber die Autoritäten stechen immer noch auf mich ein: Genießen verboten! Nein, subtiler: Genießen fragwürdig! Und: Du mußt tüchtig sein!

Liebe Leute, das mit dem Tüchtig-Sein könnt ihr euch abschminken. Dafür ist es viel zu spät. (Außerdem war ich tüchtig, wenn ich zum Beispiel meine Ausstellungen vorbereitet und aufgebaut, oder in geordneten Arbeitsverhältnissen gejobbt habe.) Nein, dafür ist es zu spät. Nein, ihr müßt akzeptieren, daß ich jetzt bei meinem Lebensabend angelangt bin. Für mehr reicht die Kraft nicht mehr. Ich habe sie vorzeitig im Kampf gegen die Dämonen meiner Kindheit aufgebraucht. Neunzig Prozent meiner Energien waren und sind darin gebunden. Die Dämonen sind: … ich bringe es nicht über das Herz, die aufzuzählen, denn ich müßte mit meinen Eltern beginnen. … Dann lassen wir es.

Ich bin am Lebensabend angelangt; ich will nicht mehr. Nur mehr ein wenig herumgrabbeln. Lesen, Schreiben, Familie inklusive Opa, Musik, Kunst, ein bißchen Fußballschauen. Aus!

Wenn die mir blöd kommen, klage ich an: die katholische Kindergartennonne mit ihrem Terror; die schimpfenden, spottenden, gehässigen, bloßstellenden, zum Teil noch schlagenden Lehrer; die brüllenden Schulärzte, einfach feiste Rüpel; die ganzen unbehandelten, aggressiven Kriegsgeschädigten und Kriegsschädlinge, oft noch ganz im Nazidreck verstrickt; die mobbenden Jugendlichen (von Eltern und Lehrern animiert) mit ihrem Feuer unterm Baum; den katholischen Hausarzt, der das von den Schlägen der liebenden Mutter am Auge leicht verletzte Kind nicht geschützt und zur Rettung der heiligen Familienlüge nicht nachgefragt hat; die Nachbarin, die den Vater, der seinem Kind vorm Haus einen Faustschlag versetzt hat, daß es mehrere Meter durch die Luft geflogen ist, nicht angezeigt hat; die Erwachsenen am Putterersee, die dem von einem schwulen Pädophilen bedrängten Buben nicht geholfen haben, sondern weggeschaut, auch, als der dem Buben ins Klo nachgerannt ist; diesen ganzen Affenzirkus aus einschüchternden Angebern, die sich immer als feig und Versager herausstellen, wenn es darauf ankommt; und alle die staatlichen und sonstigen Behörden, die sich so unglaublich wichtig machen und mit was-weiß-ich für einem Nimbus auftreten, aber zu träge, zu gleichgültig, zu desinteressiert sind, einzugreifen, wenn das ihre Aufgabe ist und einfach nicht ordentlich ihren Job machen. Dieser ganze Ruß und Mist! Schluß! Aus! ICH strenge mich nicht mehr an! Ich will nur mehr meinen Lebensabend genießen. Mich von allen meinen unerfüllten Lebensträumen und Lebenshoffnungen zu verabschieden, ist Arbeit genug für den Rest meines Lebens.

Das einzige, was mich noch interessieren könnte, wäre mit Drogen anzufangen. Damit ich wenigstens ein paar Stunden der Entlastung erleben kann und ein wenig hinter die Kulissen blicken. Vor allem aber, um mich allmählich auf meine letzte, endgültige Reise vorzubereiten.




(18.6.2018)







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985 Ich bin fröhlich


Ich bin fröhlich. Obwohl ich schwermütig bin, ist mir jetzt das Leben so leicht. Ich verrate das Geheimnis: mir ist heute ein genialer Text gelungen: 984 „Große Veränderungen an Stipfeln“. Ich lache über alles, ich lächle in mich hinein, aber mit offenem Blick nach außen. Ja, so leicht kann es gehen, so wenig brauche ich. Dabei hat ihn wahrscheinlich noch niemand gelesen; oder ganz wenige. Trotzdem.

Nur, daß ich nun sehr müde bin.







(17./18./19.6.2018)










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Sonntag, 17. Juni 2018

984 Große Veränderungen an Stipfeln


Große Veränderungen kündigen sich an; die Welt wird umgebaut. Die neue Welt ist sozusagen von unten schon hereingekrochen und dehnt sich immer mehr aus. Es ist nicht so, daß – zack! - das neue Zeitalter da ist und das alte weg, sondern daß das Neue zuerst unauffällig hereinsickert, sich immer mehr verbreitet und ansteigt, bis das Ganze gekippt ist. Man kann manche Anzeichen schon sehen.

Zum Beispiel können jetzt Pölster (Kissen) schon knarren. Jeder, jede kann das selbst ausprobieren: Lege dich seitlich hin und bette deinen Kopf auf einen normalen Polster, wie man ihn zum Schlafen hat (keinen Zierpolster; die kommen erst später dran) und zwar so, daß du mit deiner linken Wange aufliegst. Dann errichte über dein Gesicht als Hypotenuse – na, rechteckig wird’s nicht – über dein Gesicht als Basis ein gleichschenkeliges Dreieck, indem du deinen linken Arm mit der Handfläche auf deine linke Schläfe unter deinen Kopf schiebst. Dein Ohr liegt weich am Polster auf.
Jetzt zupfe mit dem Zeigefinger deiner rechten Hand an einer Falte des Polsters innerhalb des Dreieckes. Ganz sanft; zupfen ist fast schon zu viel gesagt, du reibst leicht darüber und du wirst ein knarrendes Geräusch hören, dem Knarren von gefrorenem Schnee, durch den man geht, nicht unähnlich. Vielleicht mußt du ein bißerl probieren, bevor es funktioniert.

Oder: die Schranke zwischen Mensch und Tier wird abgesenkt, wenn auch nicht aufgehoben. Der Veganismus nimmt zu. Und es ist zum Beispiel Katzen schon erlaubt, Menschen in den Achsenhöhlen, aber auch am Kopf und im Gesicht abzuschlecken.

Die Markerl in den Kleidungsstücken werden an anderen Stellen platziert sein. So habe ich zum Beispiel schon eine Hose, wo das Markerl – ich meine diese eingenähten Stoffstückerl, wo alles draufsteht: Herkunft, Material, Waschanleitung – vorne ist. Das ist mir noch ganz ungewohnt. Fast unheimlich ist es mir, daß sich dieses stoffliche Schriftstück genau dort befindet, wo auch mein sogenanntes bestes Stück hängt. Wer weiß, was die miteinander reden? Und wenn das Markerl dem Dings Vorschriften macht? Nicht schleudern? Vierzig Grad? Nur Handwäsche? Nicht bügeln? Aber vielleicht ist das eh schon wurscht, denn: siehe den nächsten Punkt.

Nächster Punkt: Erektionen wird es nur mehr im Schlaf geben. Im Wachzustand werden sie immer mehr nachlassen, bis die Menschheit nur mehr in Schlaf und Traum vögeln kann. Wie sich das auswirken wird ist nicht abzusehen. Was das für Nachkommen und die Entwicklung der Gene bedeutet, kann noch nichteinmal geahnt werden.

Die Schwerkraft wird etwas verschoben werden. Ob nach links oder rechts ist noch nicht entschieden. Möglicherweise ist es schon entschieden, aber ich als Beobachter kann es noch nicht abschätzen. Momentan nämlich versucht sich die Schwerkraft locker zu machen, indem sie hin- und herwackelt. Wie man an einem Zaunstipfel hin- und herreißt, um ihn aus der Erde zu bringen (zum Beispiel einen „lärcherenen Stipfl“ - schöne Grüße in die Steiermark!). Ob dann im Endeffekt links oder rechts – wie gesagt – das weiß ich noch nicht.








(17.6.2018)











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983 An ein Weiterschreiben ist nicht zu denken


Nach vier Stunden Schlaf aufgewacht. Die Katze hat es gemerkt und ist gekommen, mir das Gesicht abzulecken. Von der Katze abgesehen ein untypischer Morgen. (Ihr Schnurren, das abstirbt, wenn ich schreibe und wieder stotternd anspringt, wenn ich meine Hand auf sie lege.)

Ich erschrecke ein wenig, was ich da alles in meinen Texten preisgebe. Gehe ich damit zu weit? Das frage ich mich nicht zum ersten Mal.

Meine Schreiberei entstand ja aus dem Eindruck, mit dem Rücken zur Wand zu stehen und keine Chance zu haben, je gehört zu werden. Zunächst, damit meine Überlegungen wenigstens irgendwo in der Welt sind, und dann, um meine persönliche Geschichte zu erzählen. Und um mir selbst Klarheit zu verschaffen und mich zu vergewissern.

Jetzt werde ich plötzlich so müde, daß mir die Buchstaben vor den Augen verschwimmen. An ein Weiterschreiben ist nicht zu denken.






(15.6.2018)








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982 Ich fühle nichts


Ich spüre in mich hinein und mir wird zum Weinen, aber ich weine nicht. Wenn der Impuls auftaucht – sofort schiebt sich etwas dazwischen. Es ist nicht das Denken. Zumindest nicht so, daß ich vom Weinen schlecht dächte. Ich denke nicht schlecht übers Weinen. Es ist eher ein Gefühl, daß es lächerlich ist, daß ich übertreibe, mich unnötig wichtig mache, kein Grund besteht. Es schiebt sich sofort dazwischen, bevor ich nachdenken kann, was es ist.

Jetzt bin ich verwirrt. Ich weiß nicht mehr, was Gefühl, was Gedanke ist, was innen, was von außen kommt - beziehungsweise was von außen in mir abgelegt wurde und jetzt von innen kommt, wenn auch nicht aus meinem Innersten

 Ich fühle nichts mehr und ich empfinde nichts mehr.










(14./15.6.2018)












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Donnerstag, 14. Juni 2018

981 Aida


Aida. Schön! Ich trete ein und bewege mich auf einen Fensterplatz zu. Eine gehbehinderte Frau mit Stöcken – zumindest Mittelstand - drängt von hinten an mich heran, berührt meinen Arm und sagt: „Entschuldigung“. Ich drehe mich um und will wissen, was sie von mir will. Bevor ich das weiß – denn sie sagt nichts – hat sie sich schon auf meinen angepeilten Fensterplatz gesetzt. Ihre Begleiterin – ihre Tochter? - sagt zu ihr irgendetwas von „vorgedrängt“. Ich höre es und sage zu ihrer Begleiterin: „Immerhin hat sie sich dafür entschuldigt, daß sie sich vorgedrängt hat. Immerhin!“

Solche Geschichten gefallen mir. Immer schon. Und es gefällt mir auch, daß mir eine solche Antwort eingefallen ist. Man spricht ihr gar nicht das Recht ab, sich vorzudrängen – wer weiß schon, warum und nach welchem himmlischen, göttlichen, kosmischen, karmischen oder sonstigem Gesetz dies geschehen darf – aber ich nehme mir das Recht, den Vorgang beim Namen zu nennen: „Vordrängen“. Solche Antworten – das muß ich sagen – habe ich vom Döbereiner gelernt. Obwohl ich schon lang vor Döbereiner manchmal sehr gute und spontane Antworten hatte.

Zum Beispiel: Das war vor Jahrzehnten bei einer meiner ewigen Nachtschichten in der Abteilung fünf des Umleitungspostamtes 1150. Der Dienst dauerte elf oder zwölf Stunden, mit einer eineinhalbstündigen Mitternachtspause. Viele Studenten und Studentinnen im Ferialjob arbeiteten dort, zum fixen Personal gehörten viele Weinbauern aus dem Umland von Wien und einige echte Wiener. Cultural Clash kann man sagen. Damals schon – vor 1989 – vor allem beim Thema Ausländer am deutlichsten ablesbar. Einer hat besonders viel geschimpft und überhaupt so einen aggressiven Ton drauf gehabt. Ein richtiger Wiener, und so wie er geredet hat, hat er auch ein, zwei „Pferdchen“ laufen gehabt, wie er das genannt hat, und nicht auf der Trabrennbahn. Ob er wirklich nebenberuflich Zuhälter war oder nur damit angeben wollte, kann ich als realitätsfremder und dualitätsgesperrter Mensch nicht wirklich beurteilen; jedenfalls hatte er einmal – an einem anderen Tag als dem, von dem ich jetzt erzählen werde - unten in der Ausweich – wo es keinen Revidenten (Kontrollbeamten) gab und er das Kommando führte – eine Dame hereingeholt, die in Aufmachung, Verhalten etc. schon hinpassen würde, noch dazu, wo er sie möglicherweise Kollegen angeboten hat – aber das kann ich nicht sicher bezeugen – könnte ja auch eine Projektion von mir sein. Dem Kerl hat es also auch viel Spaß gemacht, die über seine ausländerfeindlichen und frauenverachtenden Sprüche entsetzten Studentinnen erst recht zu provozieren. Ich hatte schon längst keine Lust mehr, mit ihm zu diskutieren – er war im Leben viel erfolgreicher, als ich. Das ist ja unter Umständen auch ein Kriterium dafür, welche Haltung wie viel wert ist – und habe schweigend und kommentarlos zugehört.
Einmal zieht er wieder ordentlich über „die Neger“ her, den anwesenden Studentinnen bleibt der Mund offen vor Entsetzen, wie er daherredet und sie haben sehr vergeblich versucht, dagegen zu halten. Wie gesagt: ich war still. Ich muß dazwischen noch einfügen, daß ich dort auf der Post bei den meisten wohl als homosexuell galt. Es gibt genug Anzeichen dafür und für schlichtere Gemüter ist ein Mann, der bei der Tür hereinkommt und nicht gleich die anderen Männer zurechtputzt und die Weiber anbaggert, nicht ganz richtig. Das gibt dem Ganzen noch einen speziellen Spin. Unser Freund redet mich also an und sagt: „Na, Beda!, g'foit da des, wenn a Bimbo unsere Weiber pudert?“ Und ich – ich schwöre, ich wußte selber nicht, was da als Antwort aus mir herauskommen wird – ich antworte schlagfertig und spontan und für mich selber überraschend: „Keine Ahnung! Ich habe dabei noch nie zugeschaut!“

Immerhin haben alle gelacht, sogar die entsetzten Studentinnen haben gelächelt, und die Situation war entschärft. Immerhin.

Aida. Auf weitere Beschreibungen von Kellnerinnen, Gästen und Passanten verzichte ich heute.






(14.6.2018)









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980 Datum


Das Datum habe ich hergeschrieben. Ich kann nicht sagen, dann war Sendepause, denn die Bilder (und Szenen) sind nur so durch meinen Kopf gerast, aber ich konnte/wollte/sollte/mußte keines ergreifen. Zum Beispiel das Bild meiner Eltern, die sich einen wertvollen barocken Bilderrahmen (wo auch die Fachleute nicht wußten, wie die damals solche Holzrahmen mit ihren Mitteln hergestellt hatten. Ich weiß es aber: ein Kunsttischler hat es mir erklärt, denn er hat es ausprobiert) eines ererbten Bildes von einem Antiquitätenhändler abluchsen haben lassen, gegen eine kleine Restauration des Bildes, wofür sie noch gezahlt haben (und ich kann nicht beurteilen, ob die gut oder schlecht war) und stolz waren, daß er ihnen den neuen, billigen Rahmen umsonst gegeben hat. (Ich habe Mitleid mit ihnen und verstehe, daß auch sie weltfremd und dualitätsschwach waren und voller Angst. Wie ich. Leider hatte ich Mitleid, denn mit mir hatten sie keines.)
Oder daß ich die Hochzeit meiner Schwester schon einen Tag nach ihrer Ankündigung vergessen hatte und nichteinmal angerufen habe. Aber meine Speicher und mein Herz sind voll, ich kann nichts mehr aufnehmen. Wenn nicht bald wirklich meine Sachen, meine Anliegen, meine Traumata - und damit meine ich nicht das IchIchIch, das in meinen Texten so oft vorkommt - behandelt werden, dann … dann … ich weiß auch nicht … dann komme ich an die Grenze. Ich kann nicht mehr.
Oder darüber, daß jeder für seine Gefühle und überhaupt für sein Leben selber verantwortlich ist. Ich hocke jedoch da und glaube es intellektuell und bin mir doch nicht sicher; ich empfinde es nicht; horche ich in mich hinein, finde ich es nicht.
Oder „hart gegen sich selbst, brutal gegen die anderen“. Diesen Leitspruch hatte mir in meiner Jugend ein langhaariger Jugendlicher gesagt. Da habe ich zu begreifen begonnen, daß es auch rechtsradikale langhaarige Popfans gibt und ich mußte mein Weltbild korrigieren. Und Angst hatte ich auch. Wie heute noch.

Wie gesagt, die Bilder, Szenen und Gedanken, Assoziationen sind nur so durch mein Gehirn geschossen, aber mein Geist war viel zu langsam.







(14.6.2018)











©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com