987 Die Dämmerung glänzt
Die früheste Morgendämmerung. Eine Amsel hat ein einziges
Mal gerufen und dann wieder aufgehört. Geht die Zeit ab jetzt zurück? Und es
wird wieder finster? War dieser Amselruf das Signal für eine kosmische
Zeitenwende? Zieht sich das Universum wieder zusammen? Einatmen? Ausatmen?
Absolute Stille. Oder ist die Zeit stehengeblieben? Kein
Verkehrslärm ist zu hören, absolut nichts. Nur der Wecker tickt, aber vielleicht
gehört das zu mir wie das Surren. Vielleicht ist das sinnlose Ticken schon in
mein Seelenleben eingewachsen und kommt nunmehr aus mir und wird von mir
gesteuert?
Oh! Ein ferner Krähenruf! Und heller ist es auch geworden.
Es scheint doch alles normal abzulaufen. Oder existieren im ganzen Universum
nur noch ich, eine Amsel und eine Krähe? Alle anderen sind in den Himmel
aufgefahren? Gibt es noch Pflanzen? Oder sind die auch alle mit hinauf?
Eine Tür hat angeschlagen. Luftzug? Ist mir bis jetzt keiner
aufgefallen. Auch die Winde weg? Nur noch die Luft, die in den Häusern noch
verfangen ist?
Ah! Irgendwer hantiert! Es könnte doch alles normal sein!
Obwohl: es hat sich wie ein einziger Handgriff angehört. Dann war es wieder
absolut still – keine weiteren Handgriffe, keine Schritte, nichts.
Passiert jetzt im Universum alles nur mehr ein einziges Mal?
Oder ist das Intervall zwischen den einzelnen Geschehnissen deutlich größer
geworden und die Schritte kommen erst in einer Viertelstunde?
Ein einzelnes Knacksen.
Ich drehe den Kopf. Das wirkt wiederum ganz normal. Jetzt
ist es eindeutig: in dieser guten halben Stunde ist es deutlich heller
geworden. Irgendwo im Universum geht die Sonne auf (ha, ha, ha); hier noch
nicht.
Der Typ am Photo schaut so schwindlig und schwach aus, der
Hals so dünn, daß der Kopf herunterzufallen droht, und sein Aufrechtsitzen ist
vorgetäuscht. Der Photograph hat ihm statt des fehlenden Rückgrats einen
Stecken verpasst.
Die Dämmerung draußen fängt an der grauen Mauer bereits zu glänzen
an.
(19.6.2018)
©Peter Alois Rumpf Juni
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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