Mittwoch, 27. April 2022

2676 Die melancholische Feuchtigkeit

 

12:08. Ich kann am Licht in meiner geliebten Abstellkammer (wo ich hingehöre) erkennen, dass es in der Welt draußen regnerisch ist, wenn es auch nicht regnet. Die melancholische Feuchtigkeit wird weder vom Geschrei der Tagis, noch vom Gebell eines Hundes im Stiegenhaus, noch vom heiseren Geröchel der Katze vertrieben. Übrigens: ich hatte soeben in einem Offenbarungstraum unfreiwillig ein Gespräch einer Lehrerin mit ihren Schülerinnen belauscht, wo sie der Aussage zustimmend erzählt, dass eine professionelle Literaturkommission festgestellt hat, dass meine (meine!) Texte so richtig schlechte Texte sind, also wirklich ganz ganz schlechte, die allerschlechtesten überhaupt. Bilder, Vergleiche und Metaphern: sowas von daneben! Ich dachte mir, ich sollte euch davon informieren. Zurück zur melancholischen Feuchtigkeit. Ja das noch: einen Krieg mit Gasangriff und einem Idioten, die die Tür nicht schließt (mein Vater!) und einen Mord, den ich begangen habe und deswegen die ständige, furchtbare Angst, aufzufliegen – das alles hatte ich schon vorm Offenbarungstraum überstanden. Also: die melancholische Feuchtigkeit hilft mir beim tiefen Atmen. Die Tagis laufen alle im Kreis und lachen, jauchzen und quietschen dabei vor Vergnügen (das denken sie sich alles selbst aus; bei uns gibt es keine Dressur!). Habe ich mich nun aus meinem Schlaf schon frühstückstauglich geschrieben? Sicherheitshalber hänge ich noch ein wenig Zeit an. Aber nicht zu viel, sonst schlafe ich wieder ein.

 

(27.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2675 The Orchestra of the Age of Enlightenment

 

Im Zwielicht der frühen Morgendämmerung beginnt mein Zimmer wie das Orchestra of the Age of Enlightenment sich zu erhellen. Es kann einem doch die Traumwelt der dunklen Ahnungen und der vergessenen Leidenschaften und Ängsten etwas zu viel werden und man ist froh, dass fast alles noch auf seinem vertrauten Platz ist, obwohl alles fließt. Und die morgenblauen Schatten der realen Welt (Leselampe!) sind so schön! Hinter den wieder zugefallenen Augen tauchen dann wieder neue alte Träume auf und das Blau der Schatten hat sich Richtung Schwarz bewegt. Diese Eisenbahnbrücke aus dem vorvorigen Jahrhundert ist doch … die heranschleichenden Träume scheinen mehr von der kränkenden Sorte zu sein.

 

(27.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2674 Hörspiel

 

Manchmal fährt mich eine unendliche Traurigkeit an. Ob sie aus meinem Inneren und von welcher seiner Abteilungen kommt, von außen, vom Luftdruck, der soebenen Mondphase, den Gestirnen, von anorganischen Lebewesen, vom mehr oder weniger lieben Gott, einer Göttin, der Natur, dem Universalbewußtsein, oder von psychotropen Substanzen wie Kaffee oder Zucker (ich habe heute ausnahmsweise ein Stückerl von einem Stück Torte gegessen) – ganz egal: mein Leben scheint dann jeden Sinn zu verlieren. So, als hätt ich Esel die betrügerische Funktionsweise der vorgehaltenen Hoffnungskarotte begriffen und durchschaut. Dabei fühle ich mich hier im Bett, nach zirka einer Stunde Lektüre, gar nicht so unwohl; ich kann als leere Hülle schon irgendwie weitertun, aber es ist so traurig.

Ich habe mir vom Leben mehr erwartet und erhofft. Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich als Kind im Wohnzimmer beim Radio gestanden bin, um ja nichts vom Hörspiel, dem ich gelauscht habe, zu überhören, und wie mir in der Anwesenheit der Eltern dann mit Schrecken gedämmert ist, dass ich im Leben scheitern werde. Ich habe nichts gesagt und diese Erkenntnis für mich behalten. Ich war als Kind sehr, sehr einsam. Und wie ich dann tapfer, tapfer versucht habe, mir Hoffnung und Zuversicht einzureden und es mir gerade noch so ein wenig wackelig einzureden gelungen ist: wenn ich größer werde, wird mein ungenügendes Ich schon noch mitwachsen! Mit dieser Hoffnung und Erwartung habe ich mich zu retten versucht.

Ich kann mich noch an das Hörspiel und die ganze Wohnzimmerszene genau genug erinnern. Ich könnte auch heute mir Kind von damals nichts Gescheites sagen; ich weiß ja immer noch nicht, warum ich nicht die Kraft hatte, mich zu befreien.

 

(26./27.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2673 Piranhas

 

Auf einer Insel sind wir und im Gewässer rundherum tauchen immer mehr Piranhas. Wir können nicht mehr von der Insel, denn unsere Boote aus Stroh werden von den Piranhas sofort zerrissen. Ich habe gewarnt und gleich gesagt, wir müssen sofort von der Insel, als die Gefahr näher gekommen ist, aber niemand wollte auf mich hören. Auch die kleinere Halbinsel im Norden, nur über eine schmale und flache Landbrücke von der großen Insel erreichbar, ist nicht wirklich stabil. Ich biete sogar an, dass ich versuche, aufs Festland zu schwimmen, um Hilfe mit ordentlichen Booten zu holen. Aber alle sind so aufgedreht, abgelenkt, unkonzentriert, kommunizieren nicht mit mir, hören mir nicht zu, antworten mir nicht, sodaß ich keine Vereinbarung treffen kann. Sie müssten nämlich, während ich rüberschwimme, die Piranhas ablenken, sonst habe ich überhaupt keine Chance. Also kommt das auch nicht zustande.

In dieser unrettbaren Situation bin ich aufgewacht und blieb noch länger irritiert, durcheinander, enttäuscht und in großer Angst. Hockend erhole ich mich jetzt von Traum und Schlaf (!), lasse mein Bewußtsein sich wieder ins Alltägliche und vermeintlich Normale umgruppieren und Schlaf und Traum abrinnen. Meine angezogenen nackten Füße pressen fest in die Matratze, die Katze will mir etwas sagen: „ich will fressen“ kann es nicht sein, denn die Tagis sind unten noch wach und da geht sie nie hinunter. Zum Streicheln kommt sie auch nicht herauf aufs Bett. Könnte es die Mitteilung sein, dass am Vorzimmerboden etwas für mich hinterlegt wurde? Extra nicht ins Kisterl, damit ich ich es dort nicht mühsam ausgraben und bergen muß? Sehr rücksichtsvoll, Madame Mi-Tsi!

Der Vertrag von Budapest zwischen der Ukraine und der Sowjetunion wird nirgends erwähnt und scheint vergessen. Warum bleibt dieser unglaublich hinterfotzige Vertragsbruch Putins in den meisten Medien unerwähnt?

 

(26.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 25. April 2022

2672 Zeit, sich zu erheben

 

11:00 a.m. Die Tageskinder halten Mittag, wie ich am Besteckgeklapper auf Geschirr erkennen kann und ich bin traumversoffen aufgeweckt. Der Tag scheint von der helleren Seite zu sein. Bei geschlossenen Augen ist ihm Bücherregal auf einem Brett ein Bahnsteig; nicht überlaufen, vor allem junge Leute warten dort auf Ihren Zug. Die Stimmung am Bahnsteig ist aufgeräumt und besonnen. Ob früher besser gewirtschaftet wurde, weiß ich nicht: aber ich glaube wieder an den Fortschritt (den anderen). Bei der Sexszene mit der schönen Frau: war ich es oder habe ich nur zugeschaut? Zeit, sich zu erheben!

 

(25.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Samstag, 23. April 2022

2671 Plus

 

8:07 a.m. Diese Dreifaltigkeit der Bilder (plus die eine Photographie) über dem Bücherregal: die liebe ich. Auch wenn es nur durch den Gebrauch sein sollte. Meine Augen haben sich angewöhnt, sich an ihnen zu weiden und meine Seele, an ihnen sich zu spiegeln und zu genesen. Heute haben sie etwas Erhabenes, Feierliches an sich. Die quergelegten Bücher ganz oben, schon knapp unter den Bildern: wie eine lebendige, sich schlängelnde Aussage. Morsezeichen, die ich nicht zu lesen vermag.

Was die Biber betrifft: wir sind darauf nicht stolz, aber wir sollten sie an den Ufern freundlich begrüßen. Auch im Ennstal, wo – wie ich heute via Traumreise erfahren habe – alles umgebaut wurde und aus Stainach und Irdning quer über das Moos eine Stadt gewachsen ist. Das Wiederauffinden der alten Straßen und Wege ist mir nicht gelungen, und mein Vater, der dort wohnt, redet nicht mit mir und strengt sich beim Nachdenken und Antworten nicht an. Und der Grimming erscheint verdammt nahe und groß. Ich schüttle den Kopf; warum, das ist mir zu kompliziert zu erklären und zu mühsam zu formulieren.

 

(23.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 22. April 2022

2670 Die 39. Minute

 

10:15 a.m. Mir träumte, ich hätte eine Kuh befreit und in den Wald geführt; ein wenig unsicher war ich, ob das gut ist und der richtige Ort. Dann erschien meine Frau und deutete mir, sie wolle unbemerkt und unerkannt bleiben. Also nicht ansprechen. Jedenfalls war das ihr Geist; für den „realen“ Körper war sie zu durchscheinend. Mali Lošinj und Rettenschoess zeigen ihre volle Dramatik, Veli Lošinj und Riesneralm ihre volle Strahlkraft. Also links ist die Welt aufgewirbelt, rechts ruhig und meditativ (vom Betrachter aus gesehen). Manchmal rückt die Wand ein wenig auf mich zu, aber bedrohlich ist das nicht. „Leben“ scheint meine neue Lieblingsstelle im Bücherregal zu werden. Rechts oben über dem Auge wandert ein sanfter Lichtpunkt bergab und verglüht wie eine Sternschnuppe. Ich öffne meine leicht verkrampfte linke Hand, die das Notizbuch gehalten hat. Meine traumverklebten Augen tränen, aber alles in allem ist alles friedlich. Selbst eine Klospülung aus dem Lichtschacht kann elegisch klingen: sie scheint zu singen: „c'est la vie!“ Ich atme ein, ich atme aus: die 39. Minute nach zehn.

 

(22.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2669 Der vierte Tag

 

2:00 a.m. Boah! Bin ich müde! Dauernd reißt es mir das Maul auf. Ich muß warten, bis die Wachmaschine fertig ist; 20 Minuten noch. Hoffentlich schlafe ich vorher nicht ein. Ich höre die Waschmaschine unten schon schleudern. Mir fällt gerade auf, dass ich etwas Exaltiertes in meinem Wesen habe. Vor lauter Müdigkeit weiß ich gar nicht ganz genau, was das ist. Und den Laptop habe ich schon heruntergefahren. Ich ahne, dass es passt. Bei extremer Müdigkeit arbeitet der Grenzschutz schlampig: es kommt mehr rein, es kommt mehr raus. Also exaltiert. Boah! Was für ein Tag! Danke, Universum. Ich atme ein, ich atme aus; der vierte Tag.

 

(21./22.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 21. April 2022

2668 Dramaqueen

 

Ich bin schon eine Dramaqueen. Was nicht heißt, dass sich kein Drama abspielt – aber die Queen tritt immer an der falschen Stelle auf. Vermutlich hänge ich noch bei meinen Fünfziger-Jahre-Ängsten fest. Resumee: momentan schaut es gut aus. Der Katze scheint es nicht so gut zu gehen. Sie sitzt mir zu Füßen, schaut mich fragend an, brummt, atmet etwas schwer, aber kommt nicht zu mir heraufgehüpft, um gestreichelt zu werden. Sie zieht es dann vor, auf ihre zentralbeheizte Ofenbank hinter meinem Schreibtisch zu springen. Daraus schließe ich nun: es geht ihr doch nicht so schlecht, wie ich gedacht habe. Ich atme ein, ich atme aus, die vierte Stunde (römisch).

 

(21.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Mittwoch, 20. April 2022

2667 Schwerarbeit

 

Die Angst ist groß. Die meiste Energie geht drauf, die Panik in Schach zu halten. Ich kann mich ablenken. Tu ich das nicht, habe ich Schwerarbeit. Konzentrieren ist nicht drin. Morgen ist der Tag der Entscheidung. Ich sehe nicht, was ich tun könnte. In einem Marktlokal drehen sie Stampfmusik extrem laut auf. Ja, damit kann man auch alles Mögliche unten halten. Aber das ist nicht meins. Ich will Erkenntnis, aber ohne Selbstzerstörung.

 

(20.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2666 Friedvoll

 

Die Angst ist groß. Mein Blick aufs Bücherregal ist nur so ungefähr und nimmt irgendwie den Wald, aber nicht die Bäume wahr. Schreibt mein Pilotschreiber dunkelrot – wie es seine äußere Farbe suggeriert – oder doch dunkelblau oder schwarz? Mein aufgeregter Geist kann es nicht entscheiden. Aufkommende Sonne, die hier unsichtbar bleibt, erhellt auch mein Versteck. Gibt es noch das Kirchenasyl? Die Bücherwand steht sprachlos und bunt. Ah! Jetzt derles‘ ich dort „Leben“. Mein trüber Blick öffnet sich für die heiligen Drei: Mali Lošinj, Rettenschoess, Veli Lošinj, die nun erstaunlich intensiv ausstrahlen. Auch die in diese Dreifaltigkeit aufgenommene Riesneralm leuchtet, mit Bescheidenheit. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich für nach meinem Tod meine gemalte Rettenschoess-Landschaft als Aufenthaltsort für meine dann noch existierende, aber letztlich doch sterbliche Seele wählen. Dort in der menschenleeren, von mir ganz schlampig gemalten Landschaft als Geist herumzuschweben, stelle ich mir schön und friedvoll vor.

 

(20.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 19. April 2022

2665 LSD

 

Wann immer ich mein Leben betrachtet habe, so hatte ich stets das Gefühl, dass etwas Grundlegendes nicht stimmt, dass in meiner Persönlichkeit ein Sprung verläuft, sodass mir nie gelungen ist, vor allem beruflich Boden unter den Füßen zu bekommen, dass ich nie meinen mir vielleicht doch zustehenden Platz in Welt und Gesellschaft einnehmen und behaupten konnte; wie wenn eine in die Tiefen des Unterbewußtseins versenkte, aber ständig wirksam abstrahlene Blockade und ein Selbstverhinderungsprogramm aus dem Hintergrund heraus alle meine Bemühungen torpediert hätten und Erkämpftes und Erreichtes durch den Sprung wieder versickert wären. Dabei habe ich vieles versucht: so über den Daumen gepeilt zähle ich 10 Therapien und Therapieversuche verschiedener therapeutischer Ansätze, dann noch einige nicht wenige Aufstellungen und Ähnliches. Die haben größtenteils viel an Fortschritt und Weiterentwicklung gebracht, aber der Sprung ist immer geblieben.

So hat sich bei mir jetzt im Alter, wo es für vieles zu spät ist und mir die Zeit davonläuft, die Idee verfestigt, mich noch vor dem Sterben unbedingt mit diesem Sprung zu konfrontieren. Ich will nicht dumm und unvorbereitet sterben, sondern vorher schon ein wenig hinter die Kulissen und in meine seelischen Tiefen geschaut haben, damit mich diese im Sterben unvermeidliche Konfrontation nicht völlig ahnungslos trifft. Weil mir in meinen Zwanzigern ein Freund von seinem LSD-Horrortrip erzählt hat, wo ihm in einer furchtbaren Vision Brutalos mit ihren Nazistiefeln in das getreten haben, was er als seinen innersten Kern, als sein innerstes, gutes Wesen gesehen hat, dachte ich, ich könnte mit einem LSD-Trip diese Konfrontation herbeiführen, wenn bis knapp vor meinem Tod die Heilung mit legalen Mitteln nicht gelingen sollte. Dieser Freund erzählte noch von seinen dann monatelang anhaltenden Angstzuständen, vorallem bei Sonnenuntergang; was mir jedoch auffiel: er war von sozialen Ängsten und Zwängen frei. So konnte er etwa blöde oder unverschämte Fragen oder Bitten, die ihm gestellt wurden, einfach ignorieren und nicht beantworten und hielt die soziale Spannung, die dadurch entsteht – alle gaffen ihn irritiert bis feindselig an – gut aushalten.

Freilich kannte ich auch ganz andere Erzählungen von Trips: Erzählungen von tief erlebtem Glück, von unglaublich erweiterter und intensiver Wahrnehmung, vom Erleben der innigen Verbundenheit mit allem; Zustände, die den überlieferten Erzählungen der Mystiker und Mystikerinnen mutatis mutandis nicht unähnlich sind.

Ein anderer Aspekt war für mich, was mir jemand über den früheren Inhaber der Buchhandlung 777 erzählt hat: dieser soll behauptet haben, bei jedem Kunden, der sein Geschäft betritt, erkennen zu können, ob der jemals LSD genommen habe. Das schien und scheint mir glaubwürdig, denn so eine transzendentale Erfahrung kann einem die Nabelschnur zum in der Gesellschaft herrschenden Common Sense durchschneiden und den Geist von dessen zwanghafter Anbetung befreien – was immer der Proponent mit dieser Freiheit dann anfangen kann oder nicht. Das kann einer Persönlichkeit bei allen Gemeinsamkeiten mit dem Normalbürger doch einen anderen Spin geben – nochmals: egal, ob dieser für Konstruktives und Sinnvolles eingesetzt wird oder für noch größere Verwirrung in der Welt. (Das scheint mir überhaupt der wirkliche Grund für die gesellschaftliche und staatliche Verfolgung der Benutzer bestimmter Drogen zu sein: dass damit die Chance besteht, den Common Sense zu überschreiten und über die übliche „Erster-Zweiter-Dritter-“ und „Zipfl-eini–Zipfl-aussi-“ und „Geld-Geld-Geld“- Ideologie hinauszuwachsen.)

Aus all diesen aufgeschnappten Erzählungen habe ich mir die Idee zusammengebraut, ich könnte mir vor meinem Tod mittels LSD einen Schub verpassen, der mich in der seelischen Entwicklung wirklich weiterbringt, wenn es mir bis dahin auf dem auch von mir bevorzugten reinen Weg ohne psychotrope Hilfsmittel nicht gelungen ist. Ein ungelöstes Problem bei dieser Idee war für mich, wie ich zu LSD kommen würde. Ich bin ein äußerst weltfremder Mensch, habe nie illegale Drogen oder anderes auf klandestinen Märkten gekauft, wüßte nicht, wen ich ansprechen könnte, wie der Fachjargon geht, und die paar Joints, die ich als junger Erwachsener geraucht hatte, bekam ich als schnorrender Mitraucher bei Sessions im damaligen Bekanntenkreis. Außerdem vermeide ich illegales Handeln, weil das bei mir nie funktioniert. Man braucht dafür ein gewisses Selbstbewußtsein, das ich nicht habe. Ob es mir dann fürs letzte große Gefecht gelingen würde, die richtigen Dealer zu finden und nicht hineingelegt zu werden? Nun, ich hatte ja noch Zeit. Ich stellte mir die Aktion so in etwa zehn Jahren vor.

Eines Tages lud mich meine Frau zum Essen in ein Restaurant ein und sie holte – wie es bei ihr, aber nicht bei mir üblich ist – ein paar Zeitschriften zur Überbrückung der Wartezeit. Sie nahm sich das Profil, ich den Spiegel, in dem ich eher lustlos herumblätterte. Doch dann stieß ich auf einen Artikel über die Firma Hilaritas und ihren Gründer Herrn C. P. Trump in Berlin, die ganz offen ein legales LSD-Derivat verkauft. Als Grund dafür, dass diese Substanz legal sei – ausdrücklich auch in Österreich – wurde angegeben, dass es nicht dieselbe chemische Substanz wie LSD sei, sondern nur ähnlich und nicht unter die gesetzliche Definition verbotener Substanzen falle. Ich glaubte dies auch und neige dazu, es immer noch zu glauben, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass eine eingetragene Firma mit Firmensitz in Deutschland, mit konkretem Standort und bekanntem Eigentümer und Geschäftsführer, illegalen Handel als Geschäftsmodell haben kann.

Ich freute mich sehr über diesen Fund, denn mein Problem der Beschaffung war somit gelöst und ich werde nicht illegale Schleichwege suchen müssen, was ich überhaupt nicht mag. Ich notierte mir die Kontaktdaten und nahm diesen Zufall als Wink der Götter, dass es Zeit wäre, mit dem Experiment zu beginnen, bestellte eine kleine Lieferung, die nach Wochen eintraf.

Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass ich dieses LSD-Derivat nicht bestellt hätte, wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, dass dieses Geschäft legal ist. Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil ich illegalen Handlungen möglichst aus dem Weg gehe. Meines ängstlichen und skrupulösen Charakters wegen vermeide ich ungute Konfrontationen mit staatlichen und sonstigen Autoritäten, gegen die zu behaupten mir trotz meiner früheren 68iger Attitüden nie gelungen ist und was ich kaum aushalte. Meine Haut ist dünn und meine Seele ungeschützt und verletzlich.

Ich bekam also die Lieferung und beschloß, bei guter Gelegenheit mit der Erforschung zu beginnen. Ich wartete einen ruhigen Zeitpunkt ab, wo ich allein und ungestört war, denn meine Erwartungen waren sehr groß und mir war die Möglichkeit eines Horrortrips, wo einem das eigene Verdrängte in teuflischen Fratzen gegenüber tritt, durchaus bewußt. Aber um Wahrheit und Erkenntnis willen (Gnothi seauton) wollte ich dieses Risiko eingehen. Ich bereitete mich sorgfältig vor: ruhige, ungestörte Umgebung, Alleinsein, die seelische Ausgeglichenheit überprüfen und die wirkliche Bereitschaft auch zu unangenehmer Konfrontation ausloten, Meditation, Gebet …

Meine Erwartungen und Befürchtungen erfüllten sich bei weitem nicht – zumindest nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte: keine direkte, grausame Konfrontation mit meinen Dämonen und Schattenseiten, keine Visionen über das Wer-bin-ich-woher-komm-ich-wohin-geh-ich, keine grandiosen Erfahrungen der Verbundenheit mit Universum, Gott, Göttin, Götter, Göttinnen, All, Kosmos, Leben, Transzendenz etc. Zunächst also: die war Wirkung schwach. Ich habe zwar keinen direkten Vergleich mit echtem LSD, da ich dieses nie konsumiert habe, aber kein Wegreißen in andere Welten und ähnliches. Ein bißchen Farbspiele und Bewegungen in der Optik – sehr schön und interessant – vorallem aber sehr intensives Hören von Musik. Das waren durchaus schöne und beglückende Erfahrungen, aber nicht so weit von meditativen Alltagserfahrungen entfernt und darin irgendwie eingebettet. Ich habe sofort meine Erwartungen losgelassen und das nun Erlebte genießen können, bis ich bald beruhigt eingeschlafen bin.

Beim Aufwachen am nächsten Tag ist dann doch etwas ganz Wichtiges passiert: ich wache auf, alles ist normal, nur irgendetwas ist anders. Zunächst weiß ich nicht, was anders ist, bis mir plötzlich auffällt: meine innerer Kritiker schweigt. Zum ersten Mal in meinem Leben schweigt diese innere Stimme, die mich ständig runtermacht, kritisiert, beschimpft, verspottet, alles, was ich bin und mache, schlecht redet, immer auch im Vorhinein und Nachhinein. Eigentlich sagt diese Stimme: „So einer wie du sollte nicht leben.“ Das ist kein Kritiker mehr, sondern der, der mich hasst. Und genau der ist jetzt still. Es ist ein Friede da, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Das war Heilung!

Ich möchte diese Erfahrung – auch wenn sie nicht anhalten kann - nicht missen. Ich weiß jetzt, in meiner Seele kann es auch Frieden geben, nicht nur Krieg. Und nun bekomme ich vor ein paar Tagen eine Vorladung zur Einvernahme als Beschuldigter wegen Verstoßes gegen des Suchtmittelgesetz. In in ein paar Tagen darf ich antanzen. Und ich, ich habe Schiss! Ich habe solche Angst. Ich sage das nicht, um mich zu beklagen, sondern um zu erzählen. Ich habe solche Angst, dass sich in mir alles krümmt, wenn ich daran denke. Nächtens liege ich lange Stunden wach; wenn mir der verdrängte Termin wieder einfällt, wird mir heiß und zittig. Genau das glaubte ich vermeiden zu können, indem ich legales LSD-Derivat (1v-LSD) in einem legalen Geschäft kaufte. Ich weiß auch, dass das normale, viel stärkere LSD in den USA in Therapien eingesetzt wird, gerade bei Klienten, deren Therapie stecken zu bleiben scheint. Und ich habe erst vor kurzem gelesen, dass beim Sterbeprozess im Gehirn dieselben Regionen aktiviert werden, wie unter LSD. Also war meine Idee, mich so auf das Sterben vorzubereiten, gar nicht absurd.

Was kann ich noch sagen? Dass ich klarerweise kein Thomas Schmid bin, der die Chuzpe hat, bei illegalem Drogenkonsum (Kokain! Etwas, das mich überhaupt nicht interessiert! Aber Egoaufblasen bis zum Größenwahn: das versteht die Gesellschaft) sinngemäß zu sagen: „das ist meine Privatsache und geht euch nichts an“ und die Behörden dann: „Ach so! Achja! Na dann! Verfahren eingestellt!“ und wie die anderen alle so heißen, möchte ich nicht aufzählen.

 

(18.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com


Sonntag, 17. April 2022

2664 Verdunkelung

 

Mit Beistrichen kenn ich mich nicht so gut aus, mein Kind, weil ich die neuen Regeln nicht kenne. Für mich heißt es noch: erweiterte Nennformgruppe: Beistrich. Zurück in meine Kemenate: ich beginne, meine gehängten, gelehnten, getackerten Bilder zu betrachten. Ich bin jedoch nicht entspannt genug; ich kann die innere Alarmierung nicht abstellen. Panik kommt auf. Atmen. Atmen. Tief atmen. Aber trotzdem nimmt mein Blick kaum etwas wahr. Und die Sonne verfinstert sich: plötzlich ist es in meinem Zimmer am hellichten Tag, zur Mittagszeit, zu dunkel, um ohne Lampe schreiben zu können.

 

(17.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 16. April 2022

2663 In der Fremde

 

Die Möwe neben mir schaukelt, zappelt, flattert und pendelt aufgeregt und beginnt sich dann zu beruhigen. Das Surren hat heute einen elektrisch inspirierten Grundton und schrille Obertöne. Das füllt den gesamten Hörraum. Ein bißchen wie Fieber, aber ohne Fieber. Die Äuglein wollen zufallen. Zweiäuglein schläfst du? Das dritte Auge pulsiert an meiner Nasenwurzel. Jetzt ist es die Nasenwurzel selbst, die wie eine schlecht gehend Uhr tickt. Die Alphaposition ist schon umgefärbt und der Verlierer grinst. Ein Druck weht heran und bläst durch die offenen Laboroberlichten. Die fünfzehn Söhne sollen jetzt nicht ihre Mitarbeit anbieten, sie sind ganz falsch gewickelt. Ich schwebe zur Parkgaragenauffahrt vom vorletzten Stock zum letzten. Mich dürstet. Ich bin zu müde, um das Bett physikalisch zu verlassen. Ich brauche so viel Erholung. Der Schock sitzt tief. Mein ganzes Leben war bloß ein Überlebenskampf in der Fremde.

 

(15.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 13. April 2022

2662 Heerführer in China

 

Ach ja! Als Heerführer im fernen China und gleich einige Jahrhunderte vor unserer Zeit. Oh und in der Spezialeinheit zur Bewachung seiner Göttlichkeit! Also sicher im Berg im ausgeklügelten Felsenversteck des Großen Tyrannen, bei den zarten Vorhängen und Stofftüren, hinter denen der Göttliche bei jeder seiner Bewegungen abgeschirmt wird, damit ihn ja niemand sehe; wirklich schöne, kunstvolle, köstlichste, bezaubernde und filigrane Textilien. Eigentlich ist deine Aufgabe nur, vor jedem Ruckeln und Zuckeln seiner Unsterblichkeit das Licht abzudrehen, damit ihn auch jetzt – wie wäre es möglich, dass jemand in solche Nähe käme! - niemand durch die Gazevorhänge sehen kann. Also weit weg vom Gemetzel tief im vor äußeren Feinden praktisch sicheren Felsversteck und noch dazu mit Electricity. Kurz gesagt: die haben elektrisches Licht und die üblichen Lichtschalter. Keine schwere Aufgabe. Einfach: klick – klack – Licht aus – Licht an.

Trotzdem sind meine Nerven angespannt bis zum Zerreißen. Denn: keine Ahnung, wie die Schlacht da draußen steht und was da abgeht. Keine Informationen. Klick, klack. Und wenn doch? Wenn die anderen doch die zweitausendzweiundzwanzig Verteidigungswälle überrennen und die achtundsechzig Verteidigungsheere besiegt sind? Dann bist auch du dran, Peter Alois Rumpft! (Sic!) Noch im allerinnersten Verteidigungsring als an der Götterdämmerung schuldiger Licht-ein-und-aus-Dreher. Und jetzt blähst du dich zu menschheitsschicksäligen Größe auf: dein Leben schon verwirkt brichst du gleich das größte Tabu: du plauderst den Großen Tyrannen an. Entschuldigst dich – natürlich völlig sinnlos – für deine Frechheit, aber als um-einen-Kopf-Kürzerer-in-spe behauptest du – und die Enthauptung wäre eine große Gnade im Hinblick auf die üblichen Foltermethoden – ent“schuld“igst dich (ha! Ha! Ha! Ha!) und sagst „Groß Stalin, wie lohoben dich“ und „Mao tse tung, wan wan sung!“ - nein, das kennt er eh zur Genüge, nein: du plauderst ihn an und weil ihm an der Spitze des Universums ur-fad ist, hört er dir zu (vgl. auch Adolf Holl, „Wo Gott wohnt“). Ja, es scheint, er freut sich darüber, angeplaudert zu werden. Denn bis die ganzen Verteidigungslinien überrannt sind, dauert es noch. Ich erkläre ihm also, was aus meiner bescheidenen Lebenserfahrung gesehen die Gründe für diese Niederlage – wir brauchen keine beschönigende Flosklen mehr – sein könnten. Klassisch: zu viel Ressourcen und Energie für Beweihräucherung und Hofschranzen, keine faktenbasierte Dossiers der Spione Inland und Ausland, weil sie Angst vor dem Tyrannen haben, daher falsche Information über Stimmung in Bevölkerung und Heer. Hat es Verräter gegeben? - der Große Zampano will gewohnheitsmäßig gleich aufbrausen und die ganze Welt vernichten – ich sage: „Moment! Moment! Sachte! Sachte! Mein Herr! Das könnt ihr immer noch machen, aber schaut hin, warum Verrat passiert ist, damit Sie, Majestadat, Majestätt, Majestät, in sechshundert Jahren mit der neuen Schöpfung nicht beim gleichen Problem landen werden. Also: warum? Wer hat so viel Enttäuschung und Wut gegen Sie aufgebaut? Wessen Fähigkeiten und Talente wurden verkannt, lächerlich gemacht und durften sich nicht entfalten? Lernen Sie, wie fruchtbar Kooperation und Freundschaft sein können. Ich weiß, das klingt jetzt … „Gleichwürdigkeit“ wird das in ein paar Jahrtausenden Jesper Juul nennen. „Wer? Jesper wie? Was heißt Juul?“ „Ach, das erkläre ich Ihnen später! Und vergessen sie nicht bei der Suche nach sogenannten Verrätern weder ihre Leibwache, diese langen Burschen und auch nicht ihren von Kastraten streng bewachten Harem!“ sage ich. Gleich wollte er gleich alle niedermetzeln lassen, ich jedoch sage: „Gemach! Gemach! Denken sie an die vielen Freuden, die sie in den Haremsgemächern genießen durften, oder haben sie das gar nicht genießen können? Egal: Gab es in ihrem Harem vielleicht eine, die Ihnen und der sie gerne zugehört haben? Die sie zum Beispiel auf Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung aufmerksam machen wollte? Die Ihnen interessante Vorschläge zur Menschheitsentwicklung gemacht hat? Die sie aber nur in ihrer All-Animal-triste-Trägheit und in der Gleichmut bei der Zigarette danach nicht gleich mit dem Tode bestraft haben? Bleiben wir dabei: was ist, wenn diese Frau von einer Sklavin zur Freundin werden könnte? Versuchen Sie es nur, sich das einmal vorzustellen! Hm?!? Oida! Ich sag dir was: von Transzendenz verstehen die Frauen viel mehr als wir beide zusammen! Wie fühlt sich das an? Ich sage jetzt nichts. Nur das eine: bevor sie in ihrem Harem ein Massaker anrichten lassen, vergessen Sie bei Ihrer Rekapitulation ihrer sexuellen Beziehungen auch nicht ihre Jungs, die langen Lulatschs in ihrer Leibgarde! Leib-Garde! Der Name sagt eh schon alles! Ich rate Ihnen nur, zuerst das gründlich zu bedenken, bevor sie dreinschalgen. Dann schaut die Welt anders aus und wir schauen weiter. Ich helf Ihnen. Freundchen! Wenn wir das nicht hinkriegen, gibt’s wieder Krieg und du bist gleich einen Kopf kürzer.

Und ich bin aus dem Schneider? Will sagen: der Große Tyrann hat mich nicht foltern und hinrichten lassen? Und du schwebst an seinen Adlern vorbei? Oder? Echt jetzt? Freundchen! Träum weiter!

 

(13.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2661 James Blood Ulmer

 

3:57 a.m. Ich hab's doch gleich gesagt, wie ich nach einer Stunde so unterm Nachklang von James Blood Ulmers wunderschönem, musikalischem Geschwurbel – so schön! So schön! (gibt es ein schöneres, traurigeres, schmerzhaftenderes Lied auf Gottes weiter Hochebene, als James Blood Ulmers This Land/ Peace And Happiness in der Livefassung mit Grant Calvin Weston und Mark Peterson/ Black Rock Reunion? Nein, gibt es nicht.) - geruht, aber nicht geschlafen habe – aufgewacht bin, dass ich mich gleich wieder hinlegen soll. Und wenn ich doch glaube, Kraft in mir zu verspüren, erst recht neue Kraft, dann soll ich aufstehen und mich an den Computer setzen und zu tipseln anfangen: denn das sind einige Tage Text, dazu noch ein paar beschleunigte, die ich da aufzuarbeiten habe. Das wird wieder eine tagelange Berserkerei! Da habe ich es gleich vorgezogen, mich wieder hinzulegen und es mit dem Einschlafen zu versuchen.

4:48 a.m. Es muß ja nicht gleich zu einer allgemeinen, verordneten und umfassenden Entpolsterung kommen! „ … vom Gipfel des Hauses den Spruch tun: 'wir - so gut es gelang – haben das Entpolstern getan!!' … “

5:18 a.m. „der Herr seich mit euch!“ „Und mit deinem ...“ „Enttöpfert euch!“

Was ist da los in Tripsdrill? Schlaf, mein Junge, schlaf!

 

(13.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2660 Noch

 

2:54 a.m. Schreib, schreib, schreib schnell, solange noch die Glut des niedergebrannten Feuers da ist, sonst leg dich hin – das ist auch gut. Nein, ich schreibe, es geht noch; noch ist alles in Bewegung, noch blitzt es auf, noch kann mein Blick ganze Büchertürme ins Rutschen und zum Einsturz bringen; noch höre ich Surren und Rauschen, noch spüre ich die Kälte auf der Haut unter meinem zerrissenem Pyjama, noch könnte ich jetzt aufstehen und ganz einfach das Fenster, dessen Flügel bald auseinander fallen wird, schließen. Noch. Noch blicke ich altersmilde lächelnd – ich weiß nicht: bin ich altersmilde zu mir? Wer wäre sonst da? Oder doch: ich lasse mich altersmilde herab, gütig über die Welt zu lächeln, wofür sie dankbar sein sollte? Oder wie? Oida! Aber es ist so, dass noch etwas vom weltverschiebendem Fluidum da ist. Noch ruckt und zuckt, noch ruckelt und zuckelt es unter der befriedeten Oberfläche – ich habe nichts gegen Frieden! Noch rauschen so Schatten und Wellen herum, verlieren sich, aber noch kann ich sie wahrnehmen. Ich brauch nur etwas länger wo hinshauen, dann kommen die Geister immer in – Gottlob! - oder wem was auch immer – Bewegung und beginnen zu tanzen. Aber müde sind sie auch schon. Noch warte ich eine kleine Weile, bis ich aufstehen und das Fenster schließen werde.

 

(13.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2659 Hinter meiner, vorder meiner

 

Ich flüchte schnell … hinter meiner, vorder meiner, links – rechts güüüt's nit; ich koooommmme … nicht. Alles wird weich. Und die reden so stakkatisch und undeutlich, dann wölbt sich alles wieder. So dringliche Schritte. Und jetzt? Jetzt fangen alle zu tanzen an: die Linien, die Kabeln und Leinen. Mein Gott! Ich warte auf die Offenbarung! Gleich wird sie geschehen, dass dir hören und sehen vergeht. Schon hebt's an. Soll ich's bremsen? Eine Melodie aus dem Hintergrund übernimmt die Führung. Jetzt zeigt sich endlich die Munch-Madonna in ihrer ganzen Ölschicht. Gell, nix aus der Asche! Töne und Farben kreisen so zwischen den Strukturen in Raum und Zeit. Ich öffne meine Gurte, den Gürtel. Mir zittert der Mund. Alles sinkt und schwebt. Alles dreht sich auf mich zu und von mir weg. Ich wechsle die Farben. Alles sinkt hernieder und steigt wieder auf. Ist doch völlig egal. Jetzt sehe ich überall diese unsägliche Lust. Und schon bin ich eingeschlafen. Und wieder aufgeweckt. Und wieder anders. Wer kennt sich aus? Die Munch-Madonna ist völlig irr! Völlig! Die leuchtet in verschiedenen Spektral-Farben, als würde sich eine Weltmaschine drehen, die mittels Rotation Abstrahlung suggerieren will. Zeigt her euer Brüste, zeigt her eure … Aus! Ich spreche das Machtwort: Aus! (ich spreche, das macht was aus.) Ich kann nicht mehr so. Jetzt rinnen wieder alle Bücher zusammen, zunächst in Farbgruppen, aber dann: alles, alles rinnt ineinander, wölbt sich auf und wölbt sich nieder. Und wie der Himmelsteiger da so arrogant nach oben steigelt, während ich Depp da herunten auf seine Fußsohlen gaffe. Ja, weil's wahr ist! Weil's war ist. Second Wold War. Sekunde! Wöht! Woa!

Sie geistern und flattern alle noch herum, aber fliegen nicht mehr. Ich schreibe in der ekelhaft falschen Farbe. Ich bin so falsch. Ich brauche schnell eine andere Farbe! Wo nehm ich eine andere Farbe her? Das ist normal jetzt, oder?

 

(12.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2658 Vernissage Hainzl und Co

 

Viele, viele Augen, einige Wörter – Schalom und Aretz konnte ich derlesen – ein Gesträuch. Viele Gesichter, die Augen schauen mich so intensiv an, so eindringlich, so fordernd: wenigstens etwas Mut und Stellungnahme. Oh ist mir das schwer!  Im Nacken kriselt und grießelt es schon. Alte Bekannte; wie kann ich sie anreden? Also schreibe ich halt. Ich sehe, es gibt viel mehr Gesträuch als auf den ersten Blick. Bei den ersten Anzeichen bin ich auf das Drei-Bäumchen-Plätzchen geflüchtet; jetzt sitze ich dort und blicke auf unsere unerleuchteten Fenster. Außerdem habe ich mich schon vorher verrechnet. Sieben ist richtig; neun war falsch. Über mir der dunkelnde Himmel, mit einem Haufen fast schwarzer Knospen. Ich bin nicht der Einzige, der seufzt. Ein fremder Mensch sieht mir lächelnd zu und etwas krabbelt über die am Baum gehängten Fahrräder. Das Tempo erhöht sich, ich werde weder zum Zeichnen noch Malen kommen. Und was sich alles spiegelt! So hin und her und absichtlich und unabsichtlich. Beruhige dich, du hast genug Zeit zum Schreiben und dem Lachen zuzuhören. Fürchten sich die Leute vor mir? Oder ich mich vor ihren Schatten? Es wird schon wieder alles so bedeutungsvoll. Ausklinken und weggehen war auf jedem Fall gut. Versickernde Lichtimpulse und Wellen. Mir fällt auf, dass die Kommissarinnen immer, aber immer viel zu laute, gestöckelte Absätze haben; die klacken bei jedem Anschleichen wie eine Pferdeherde. Bei uns ist es immer noch finster, während mich die Schauder beuteln. Gut, ich kehre ein daheim.

 

(12.8.2022)

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2657 Fromm

 

12:12. Sonnenlichtflecken an der Wand. Selbst an meinem Pilotstift glitzert eine Stelle auf – wer weiß, wie oft das Licht hin und her springen mußte, um diese Stelle zu erreichen. Am weißen Rand bei meinem verwoatackelten Liebenden-Bild im Regal spiegelt sich auch ein schwaches, trübes, gelbes Licht – ich vermute: der Schnabel des hölzernen Raben. Unten ist es still geworden: die Tagis schlafen. Mein Blick fällt auf das Wandlungsbild, das heute so transparent, leicht und rein und räumlich wirkt. Wirklich eine tolle Welt, wirklich ein magisches Geschehen, die Farben hinreißend. Ein unglaubliches Bild! Ich kann den Blick nicht mehr abwenden, den Blick, der ganz tief in diese priesterliche Szene hineingeht. Verdammt und Himmelherrgottnochmal! Bin ich jetzt wieder fromm! Nur durch den Blick auf die Kopie eines kleinen Bildchens. Vielleicht ist mir ja vor Jahren eine echte Ikone gelungen; ein Bildchen also, von dem irgendwelche Kräfte ausgehen (vielleicht auch nicht). Wo ist eigentlich das Original? Ich ahne es. Es wäre mir nun lieber, ich hätte es nicht verschenkt. Mein ewiges, beschissenes Minderwertigkeitsgefühl verleitet mich immer wieder zu unangebrachter Großzügigkeit bei möglicherweise den falschen Leuten. Sei's drum! Ich hoffe, wenigstens die Götter wissen, was sie tun.

 

(12.4.2022)

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2656 Funkstille

 

3:57. Funkstille. Selbst das Surren scheint leiser, ruhiger und weniger aufgeregt. Dumpfes, fernes, fast unhörbares Stampfen, Pumpen. Mein Herz? Ich versuche seinen Rhythmus mit dem Gestampfe zu vergleichen, aber ich kann meinen Herzschlag nirgends finden. Atmen tue ich noch, das sehe ich am Heben und Senken der Brust. Auch scheint die Welt, in der ich bin, keine andere als die übliche zu sein. Mir fällt an meinem Zimmer nichts Ungewöhnliches auf, nichts verschwimmt, alles ist an seinem Platz.

 

(11./12.4.2022)

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2655 Vorbei?

 

Ist's mit meiner Schreiberei vorbei? Und ist dies ein besserer oder schlechterer Zustand? Oder kann das gar nicht beurteilt werden? Was wird aus mir?

 

(10./11.4.2022)

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Freitag, 8. April 2022

2654 Baby Peter

 

12:45. In Bangen und Zittern bin ich aufgewacht. Wieso denn? Weil du diesen Tag, der dich deinem Todestag näher bringt, schon wieder zur Hälfte verschlafen hast? Na, na, na, du tapferer Krieger, du tust doch sonst immer so besonnen, vernünftig und gefasst! Der Heizkörper gurgelt laut und zustimmend; ich weiß nur nicht, zu was er stimmt („Deine schwindlichen Witzchen werden dir dann auch nicht helfen!“ „Na und?!?“) Tatsächlich sitzt mir ein großes Unbehagen in der Leibesmitte, drückt mir eine leichte Übelkeit bis in den Hals. Noch reckt es mich nicht. Minutenlang versuche ich, mich zu derfangen. Ganz im Zentrum sitzt eine große Aufregung. Ich bin nicht nur von der Außenwelt überfordert, sondern auch von meinem Innenleben. Nennen wir es Lebensangst. Die Benennung beruhigt mich etwas. Ich muß fast lachen, dass dieser ausgelutschte Schnuller noch immer funktioniert. Als wäre der Name wesentlich. Ich suche beim letztens wieder entdeckten Kunstkärtchen, das von hier aus schön, aber bloß wie aus abstrakten Farbflächen komponiert aussieht, die schöne Frau, die im Garten liegt, zu finden, was so ein bißchen gelingt. Jetzt schau ich mir die näher gehängten Kärtchen mit den nackerteren Weibern an – Munch und Modigliani – mm – ja, die nackerten Brüste helfen meiner Beruhigung und Überwindung der Angst. So! Komm, Baby Peter! Probier doch aufzustehen! Das kannst du schon! Gestern hast es auch schon können! Die Decke zurückschlagen! Ja, brav! Ein Fußi zum Boden! Das andere Fußi zum Boden …

 

(8.4.2022)

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Mittwoch, 6. April 2022

2653 Viel schöner

 

Der gelbschnabelige Rabenvogel (ich weiß nicht, welcher Unterart er ist) ist der Optimistischste und Stolzeste hier: er schwebt erhobenen Hauptes gen Himmel (am Adler vorbei?). Eine Sekunde lang gleißt nun ein Sonnenlichtfleck auf der Lichtschachtmauer auf. An den Bücherrücken im Regal kann ich nur „Leben“, „Spielen“, „Kämpfen“ lesen. Eine bisher nie beachtete Kunstkarte zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, dramatischer und bunter als Mali Lošinj und wohl auch viel schöner. Erkennen kann ich von hier aus nichts; ich weiß nicht was es ist und von wem. Ich entdecke hinter diesen bunten Farbflecken einen im Augenblick interessanten weißen Turm. Das Sonnenlicht taucht wieder auf. 13:26. Der Gedanke aufzustehen drängt sich auf. Aber so schnell will ich meine zweite Morgenbetrachtung nicht aufgeben, auch wenn meine Augen schon etwas ratlos und lustlos kreisen. Wenn es denn wirklich Kreise wären.

Oh! Eine schöne, im Garten schlafende Frau von Manguin!

 

(6.4.2022)

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2652 Raumgefühl

 

7:26 a.m. Grau und kalt ist dieser Morgen, danke für den neuen Tag, danke, dass ich all mein Sorgen weiterhin beschreiben darf. Oder mein Zimmer, das in Gräue dämmrig strahlt. So geht es weiter, bis mir was Bess'res eingefahlt. Trotzdem seufze ich zur Erleichterung tief durch. Auf der nahen Baustelle wird laut angeklopft und aufgebohrt. Obwohl ich nicht weine, habe ich Spuren vertrockneter Tränen hinter den Augenwinkeln Richtung Schläfen. Bescheidenes Leben rührt sich, verschiebt Sessel, wie ich höre. Das Licht hier wird ein wenig klarer. Die Moleküle meiner Bücher-Bilder-Wand fangen großflächig zu hupfen an. Ich verstärke mit Absicht mein Raumgefühl; was für eine tolle Kuhle. Der Rabe schaukelt sich ohne Berg bergan, die gemalten lassen wir nicht gelten. Mein Rücken und mein Hinterkopf liegen nicht optimal auf. So! So ist es besser. Ist das jetzt Angst? Ich seufze tief. Plötzlich werden alle Gegenstände gegen-ständlicher - wie soll ich sagen? -  kompakter; es ist nicht zu leugnen, dass sie aggressiv Raum einnehmen. Mir wird leicht übel. Was soll das! Ich werde mich doch nicht vor meinem lieben Zimmer fürchten!

 

(6.4.2022)

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2651 Trauer raus

 

3:24 a.m. Ich habe mich ins Bett gelegt und noch wirbelt der Abriebstaub des aufgeschüttelten Bettzeugs im Lichtkegel der Leselampe. Jetzt hat er sich beruhigt und tanzt und schwebt. Ich bin unsicher geworden. Ich versuche dennoch, meine Lebensentscheidungen und ihre Folgen zu akzeptieren, mich nicht zu zerquälen. Das leichte, aber lästige Kopfweh ist verschwunden, als ich mich hingelegt habe. Ich passe einfach nicht in diese Welt. Kann ich das Ganze da nicht ins Lustigere und Groteskere umleiten? Mir fällt dazu nichts ein. Ich reiß mich jetzt zusammen. Jetzt schwebt nichts mehr. Am Rande des Lampenschirms entdecke ich ein paar Staubflankerl, die sich dort niedergelassen haben. Meine tiefen Atemzüge, die mich immer wieder überkommen, lindern zwar den inneren Druck, aber nur für kurze Zeit. Mein Universum der Vergeblichkeit! Dort gelandet zu sein wird nicht vergeben. Sagen wir einmal so: schlafen wäre nicht schlecht. Schlafen wir die Trauer raus.

 

(5./6.4.2022)

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Dienstag, 5. April 2022

2650 Es stimmt nicht mehr

 

Es stimmt nicht mehr mit mir. Vorgestern ruft mich ein Freund an und sagt mir, dass er mir etwas schicken wird. Nicht nur habe ich heute alles das vergessen, sodaß ich erstaunt bin, als ich die Postsendung im Postkästchen vorfinde, sondern ich weiß auch nicht mehr, worum es geht. Als ich das Päckchen öffne und ein Kunstbuch des Freundes vorfinde, weiß ich nicht, warum er es mir geschickt hat und was wir dazu ausgemacht haben. Ich bekomme nicht mehr alles mit. Ich verstehe vieles nicht mehr, erfasse nicht, was mir gesagt wird und erinnere mich nicht. Das macht mir Angst (Ich sitze auch nicht am Bett, wo ich mich sicher fühle, als ich das jetzt herschreibe). Ich fühle mich von der Welt da draußen einfach überfordert. Ein Teil von mir will nicht mehr. Er will einfach aufgeben, die Ohren anlegen und gegebenenfalls die Augen schließen. Mich interessiert nur mehr mein Innenleben, das Internet mit Facebook, manchmal ein paar Museen, und vor allem meine Kemenate. Da fühle ich mich wohl. Dabei werde ich jetzt unsäglich traurig. Nebenbei versuche ich, zwei schiefsitzende CDs im vergitterten CD-Turm richtig einzuschlichten, was nicht gelingt. Nun, ich werde schon wieder runterkommen. Meine Fähigkeit zu ertragen ist noch lange nicht ausgereizt.

 

(5.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2649 Raxgedicht

 

12:06. Gleich nach dem Aufwachen der schwankende Blick auf meine Bücher-Bilder-Wand, der mir die Realität festigen hilft. Im Bild der Wirklichkeit ist noch das träumatische Pulsieren und Zittern wahrnehmbar, wie auch mein Herz noch heftig anklopft. Der Anblick ist so schön! So schön! Die vor Reichtum überquellenden Regalfächer, die bebilderten Wände, die neben dem Rouleau hereingestrahlte Lichtsäule, die wunderschöne, nackte Deckenlampe und ihre zwei Schatten. Die Berge von Rettenschoess sind heute anders: glaubwürdiger und realistischer. Veli Lošinj verglüht wieder und Mali Lošinj verwölbt sich, wird sich bald im Meeresstrudel auflösen, nur die ferne Bergkette hat eine Chance aufs Überleben. Seufzen. Mit den zugefallenen Augen sehe ich ein leuchtend rotes, lächerlich und kindisch aussehendes, gefährliches Monster vorbeireiten, auf der Jagd nach meinem vorherigen Traum, der schon ausgelöscht ist, und nach meiner kindlichen Unschuld. Eine Tür klescht und ich will die gestrigen Krimis rekonstruieren, zumindest will ich mich an Täter und Ausgang erinnern. Aktuell bahnt sich drüben eine Erpressung an. Tapfer frage ich mich, ob ich gut ausgeschlafen bin. Nein, lautet die Antwort; ich verbleibe noch.

Wie ein Schutzwall steht meine Bücherwand. Drüben habe ich auf der Rax gerade ein Gedicht gedichtet, unrettbar verloren auf dem Weg hierher. In Mali Lošinj sehe ich jetzt ganz klar in die Ferne und habe die Landschaft dahinter noch nie so gut gesehen. Könnte es sein, dass sich da gerade die aufgehende Sonne ankündigt? Kann das der Osten sein? In Rettenschoess benimmt sich nun der zentrale Berg, als wäre er das Schneckengehäuse eines Einsiedlerkrebses; ich vermeine auch die krabbelnden Beinchen des Tieres zu erkennen (meine Handschrift scheint den Tippfehler meines Laptops übernommen zu haben und läßt das v aus). Veli Lošinj hat sich auch verändert, aber was und wie? Die Linde steht sprachlos und kalt; im Winde klirren … die Äste und Zweige der Pappel. Komisch, wenn ich mir's recht überlege, kann ich dort gar keinen Wind auffinden. Inzwischen ist die Bücherwand wieder 5 Grad realistischer. Bald haben wir es geschafft.

Die Lichtsäule beim Fenster folgt mir bis hinter die zugefallenen Augenlider. Ja, es hat gekocht zwischen unserer arroganten Abteilung und Ihnen.

Frühstück!

 

(5.4.2022)

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2648 Etwas Tiefsinniges

 

3:40 a.m. Meine Stimmung ist elegisch, ein wenig traurig, fast weltschmerzig, darum möchte ich unbedingt etwas schreiben, denn unter diesen Voraussetzungen kann nur etwas Tiefes herauskommen; also ich meine natürlich etwas Tiefsinniges. Der Wind schmeißt die Regentropfen an die Fensterscheibe, das Rouleau verdeckt die Sicht darauf. Irgendetwas scheppert leise und sanft, und das Geschau der Munch-Madonna kommt mir wieder blöde vor. Der Wind heult und ich schlucke die Spucke hinunter. Mein Surren führt heute einen wischenden Unterton mit und übt leichten Druck auf mein linkes Ohr aus. Ich schiele auf mein Notizbuch, sodass es sich verdoppelt. Ich muß in mich hineinlachen und weiß nicht wieso. Altersmilde erfüllt, erhebt und karikiert mich. „Tarockzeit“ fällt mir noch ein.

 

(4./5.4.2022)

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Montag, 4. April 2022

2647 Da schau her!

 

Da schau her! Schon um 7:02 a.m. aufgewacht! An diesem grauen, trüben, kalten Morgen. Erholt. Ausgeschlafen. Verwundert. Meine bunte Bilderwelt mit den Buchrücken ist gedämpft. Ich empfinde eine Art Ehrfurcht ohne Adressat.

 

(3.4.2022)

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2646 Mit Ohne

 

Heute bin ich so erschöpft – aber auf eine befriedigende Art – wie nach einem Workout – dass ich schon um 2:01 a.m. zu Bett gegangen bin. Frau Katz genannt Mietzi leistet mir Gesellschaft. Ich lasse meinen Blick über meine Schätze gleiten. Im Lichtkegel der Leselampe und meiner Aufmerksamkeit befinden sich vor allem meine lieben Frauenbilder. Mir kommt vor, dass meine Augen heute schlechter sehen. Ich lach innerlich vor mich hin, als hätte ich lustige Einfälle – anscheinend nur aus Gewohnheit, denn mir ist gar nichts eingefallen. Mir soll's recht sein, wenn ich mein Leben lustig finde, ohne zu wissen warum und ohne zu wissen, dass ich eh lebe. Kleiner Scherz: natürlich kann ich mich an meine lustvollen Phantasien erinnern, wenn ich will. Nachdem ich aber mit dem heutigen Tagewerk recht zufrieden bin, brauch ich die ausgedachten Abenteuer nicht. Es geht auch mit ohne.

 

(2./3.4.2022)

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2645 Tüchtiges Tagewerk

 

Nach einem tüchtigen Tagewerk – von einem mir tagelang im Magen liegenden Auftragstext, zu dem ich wider Erwarten keinen Zugang fand, habe ich eine erste Fassung geschrieben – bin ich jetzt um 4:14 a.m. rechtschaffen müde und zufrieden. Weil ich für diese Arbeit alte Texte von mir gesucht (und nicht gefunden) habe, habe ich die gesamte Schublade zweimal überflogen. Und ich muß sagen: ich bin von mir begeistert! Alleine schon die 2643 Überschriften haben es in sich und sind zum Großteil meisterlich poetische Miniaturen. Und die Texte selbst! Ich war baff, hingerissen und überrascht von dem, was ich da alles geschrieben habe. Dabei bin ich beherrscht geblieben und habe das Meiste nur quergelesen. Nur ab und zu konnte ich nicht widerstehen und habe einen Text zur Gänze gelesen. Also wie gesagt: rechtschaffen müde liege ich nun im Bett, kraule der Madame Mi-Tsi den Pelz und blicke zuversichtlich in die Zukunft. Eine kleine Rundschau in meiner Kemenate, mehr aus Gewohnheit als um etwas zu betrachten, bringt auch angenehme Resultate. Jetzt darf ich schlafen.

 

(1./2.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 2. April 2022

2644 Zwei Vorläufer

 

(Den folgenden Text habe ich als Auftragsarbeit für ein Buch über die Wiener Künstlergruppe REM, das gerade in Arbeit ist, geschrieben.)

 

Vor der Gründung der Wiener Künstlergruppe REM hat es schon Kooperationen gegeben, an denen spätere Remisten maßgeblich beteiligt waren. Ich werde zwei solche Rem-Vorläufer-Aktivitäten schildern, die in den frühen Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts stattgefunden haben. Ich muß mich aber gleich entschuldigen, dass ich mich besonders an all die Personen, die mitgewirkt haben, nicht mehr genau erinnern kann. Das betrifft auch spätere Remisten. Ich bitte um Entschuldigung! Es waren bei beiden Aktionen jeweils zirka 30 Personen (ohne Gewähr) beteiligt, Leute aus den Freundes- und Künstlerkreisen der Protagonisten, von der Angewandten, vom Schillerplatz und aus der legendären, tirolerisch dominierten KünstlerWeGe am Fleischmarkt. Ich selbst war bei beiden Aktionen dabei. Ich bezeichne diese als „Vorläufer“, und möglicherweise haben sie die Lust, öfters gemeinsame Sache zu machen, gefördert.

 

Die erste Aktion haben sich – so wurde es mir erzählt – Hannes Priesch und ManfreDu Schu ausgedacht, als sie mit Notburga-Corona Bless und einer Freundin in vorösterlicher Zeit am Lande in Oberösterreich auf einem Bauernhof privat zu Gast waren und erstaunt registrierten, wie die gesamte Familie superfleißig bis fanatisch dem Osterputz frönte. Sie selbst frönten mehr dem Reden, Diskutieren, Zeichnen, Kritzeln und Konzipieren und nach einer gewissen Zeit meinten sie, es wäre angebracht, der Gastgeberfamilie die Mithilfe anzubieten. Das Angebot wurde angenommen und die beiden Herren wurden eingeteilt, den Gehsteig vorm Haus aufzuwaschen, ja richtig mit Kübel und Fetzen aufzuwaschen. Die beiden fanden dies – wie ich es auch fände – leicht absurd und zum Lachen. Während sie also den Gehsteig wuschen entstand die Idee, so etwas in Wien in größerem Maßstab als absurde Aktion zu veranstalten.

An den Vorbereitungen für diese Aktion waren dann Hannes Priesch, Brigitte Pokornik und ich maßgeblich beteiligt. Unser Konzept war: eine große Gruppe von Personen wäscht und reinigt einen Platz in Wien. Ganz wichtig: wir erklären nichts, reden nichts, es gibt dazu weder Plakate noch Begleitschriften, Programme oder irgendetwas der Art, auf Reaktionen von Passanten reagieren wir nicht – die sollen ins Leere laufen. Es sollte mit unserer Tätigkeit etwas Unerklärtes und Unerklärliches ablaufen, das nicht gleich eingeordnet werden kann. Damit uns die Verweigerung der Kommunikation leichter fällt, beschlossen wir, als Verfremdungseffekt bei der Aktion Masken zu tragen. Im Tiefziehverfahren stellten wir auf einem selbst hergestellten Tonmodell (war Brigittes Kopf das Modell?) aus durchsichtiger Plastikfolie Masken her, die wir leicht mit hellen Farben besprühten, um das Gesicht schon ein wenig, aber nicht völlig zu verdecken und unkenntlich zu machen.

Ich – tendenziell überkorrekt und überbürokratisch – habe darauf bestanden, diese Aktion ordnungsgemäß bei den Behörden anzumelden, mit dem an sich richtigen Argument, dass sonst die Aktion - unangemeldet - gleich wieder abgebrochen werden könnte. Diese Aufgabe haben Hannes Priesch und ich übernommen und diese Anmeldung hat sich als eine Aktion für sich herausgestellt: wenn ich mich richtig erinnere, haben wir bei 16 verschiedenen Behörden, Ämtern und Abteilungen vorgesprochen. Die Aktion war ja nicht wirklich einzuordnen: keine politische Demonstration, kein Straßentheater usw. Zuerst bei der Polizei an einem Freitagnachmittag, wo die Wichtigen schon alle im Wochenende waren, der uniformierte, die Stellung haltende Beamte („des is jo amoi a saubere Aktion!“) verwies uns zur Genehmigung auf den Montag. Am Montag – wie vorhergesehen – waren wir bei der Staatspolizei gelandet, der Beamte in Zivil vermutete eine versteckte politische Demo und wollte uns die hintergründigen Absichten nicht ungeschickt herauskitzeln. Wir versichertem ihm wahrheitsgemäß: keine Plakate, keine Texte, keine Reden – nur waschen und putzen. Die Reihenfolge der weiteren Behördengänge – wir wurden zum Teil wörtlich im Kreis geschickt – kann ich nicht mehr exakt rekonstruieren: Bundesbehörden, Stadt Wien (Theater, MA xy …), Bezirk, und - weil wir uns für die Aktion den Platz vor der Mariahilferkirche ausgesucht hatten – hatten auch Kirche und Pfarre ein Wort mitzureden. Erschwerend kam hinzu, dass wir mit unserem Timing in die Wahlkampfzeit einer Gemeinderatswahl geraten sind, was wir nicht angepeilt hatten und lieber vermieden hätten, weil es uns nur um eine absurde Aktion ging. Aber die Vorbereitungen liefen schon auf Hochtouren und irgendwann bekamen wir das behördliche Placet (bei der Aktion selbst waren dann Vertreter der Staatspolizei, der Gemeinde, des Bezirkes und der Kirche als Beobachter anwesend).

Als nächsten Schritt nach dem Placet haben wir dann über Schillerplatz, Angewandte, FleischmarktWeGe und Freundeskreise so zirka 30 Leute zusammengetrommelt, die mit Besen, Staubsauger, Kübeln, Putzfetzen und Putzschwämmchen, Bürsten (von groß bis Zahn-) angekommen sind. Eine Bassena für das Wasser in einem unversperrten Hauseingang hatten wir schon vorher ausgekundschaftet und ebenso einen Stromanschluss für den Staubsauger. Alle Teilnehmer haben eine Maske bekommen, und zum vereinbarten Zeitpunkt starteten wir mit der Reinigung. Wir kehrten, putzten, wuschen den Platz, großflächig und detailverliebt auch die Fugen zwischen den einzelnen Randsteinen. Wir hatten uns ausgemacht, ruhig und konzentriert und wie ganz ernsthaft unsere Arbeit zu machen, und möglichst nicht auf Anfragen, Reaktionen der Passanten zu achten, Fragen zu ignorieren und nicht zu beantworten. Aber zwei Reaktionen sind mir dennoch in Erinnerung geblieben: Ein vorbei-fahrender Taxifahrer hielt an, sprang wutentbrannt aus seinem Auto – aus welchen Motiven auch immer -  und schrie uns an: „Was macht ihr da für einen Blödsinn! Wer bezahlt euch! Wer hat euch das angeschafft!“

Eine zweite Reaktion war mir auch unangenehm: eine Frau meinte – es war ja Wahlkampfzeit: „Ah, das ist eine Aktion der FPÖ!“ - auch hier weiß ich nicht recht, ob in Zustimmung oder Ablehnung. Dass diese Assoziation zu den von den Nazis zum Straßenwaschen gezwungenen jüdischen Mitbürgern aufgekommen ist, war wohl unvermeidlich und ist verständlich, aber von uns nicht intendiert. Uns ging es nur darum, die von uns als absurd empfundene österliche nasse Gehsteigreinigung in Oberösterreich zu übertreiben und ins Groteske zu überhöhen. Und wir hatten durchaus unseren Spaß dabei.

 

Die zweite Aktion hatte ich mir ausgedacht. Damals beschäftigte mich sehr die Frage, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen und wie sehr wir über unsere Erwartungen und Vor-und Nach-Interpretationen unsere Wahrnehmung beeinflussen. Was passiert, wenn unsere Sinne etwas wahrnehmen, das wir nicht einordnen können und für das wir keinen Namen, keine Erklärung, keine vorbereitete Kategorie, keine Raison haben? Nehmen wir es dann überhaupt wahr oder verleugnen wir es? Die Ausarbeitung der grundlegenden Idee zu einer Aktion und deren Vorbereitung haben wieder vornehmlich Hannes Priesch und ich gemacht. Der Plan war: eine möglichst große Gruppe von Menschen geht auf den Stephansplatz; nicht als geschlossene Gruppe, sondern einzeln, als Paare, in kleinen Gruppen. Sie verhalten sich ganz normal wie die Passanten und Touristen dort: sie schauen herum, reden, …  ganz unauffällig über den ganzen Platz verstreut und ohne den gemeinsamen Zusammenhang zu zeigen. Zu einem genau vereinbarten Zeitpunkt legen sich alle Beteiligten am Boden auf den Bauch, zählen langsam 21, 22, 23, stehen wieder auf und machen genau dort weiter, wo sie unterbrochen haben, als wäre nichts gewesen: sie plaudern, gehen herum, schauen den Dom an etc. Da es Sommer war, waren viele Passanten unterwegs und in den Straßencafés viele Gäste. Die Vorstellung war, bei den zufälligen BeobachterInnen der Szene etwas auszulösen, das sie nicht einordnen können.

Wieder haben wir unsere Kontakte zur Angewandten, zum Schillerplatz, im Freundeskreis und zur  KünstlerWeGe am Fleischmarkt (wo sich jetzt das buddhistische Zentrum befindet) spielen lassen und wieder so um die 30 Personen mobilisiert. Treffpunkt war die WeGe, wir haben dort nochmals allen unseren Plan erläutert, den genauen Zeitpunkt festgelegt, den wir alle von einer bestimmten Uhr am Stephansdom ablesen sollten, wenn nämlich – klack! - die Ziffer x auf y umspringt. Andy Chicken von der WeGe hat sich bereit erklärt, die Aktion zu filmen und wir haben es gemacht, wie besprochen: klack! Hinlegen, zählen, aufstehen, weitermachen. Und dann?

Und dann haben wir selbst nicht gewußt, ob da etwas war. Hat irgendjemand am Platz die Aktion bemerkt? War irgendwer, wenn auch nur kurz, irritiert? Unsere Anzahl dürfte für den riesigen Platz zu klein gewesen sein, um aufzufallen. Auch der Film zeigte das und so wissen wir bis heute nicht, ob unsere Aktion irgendetwas ausgelöst hat, eine kleine Verwunderung zum Beispiel. Irritation und Ratlosigkeit sind auf uns selbst gekommen. Auch kein schlechtes Ergebnis! Oder?

 

(2.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 1. April 2022

2643 Die Stille

 

Die Ruhe und die Stille hier sind so herrlich, so erquickend, so erfrischend, so selig … dass ich mit einem wie beim Weinen stoßenden Seufzer aufatmen kann. Ein Empfinden, als wäre ich am Höhepunkt meines Lebens, an meinem Zenith; mehr ist nicht möglich, mehr braucht es auch gar nicht, ich bin in meiner Fülle: hier in meinem Zimmer, im Bett, um 13 Uhr, vor einer halben Stunde aus wilden Träumen aufgewacht, die Katze am Schoß, mit ein paar Gedanken und Einfällen zu einem bestellten Text über Religion und Gewalt, der mir schon länger im Magen gelegen ist, immer wieder tief seufzend, den Druck und den Stress zur Gänze abgelegt, einfach so, den Druck meiner Fußsohlen auf der leintüchtigen Matratze fühlend, und seufzend, immer wieder kommen diese befreienden Seufzer (auch jetzt beim Eintippen des handgeschriebenen Textes). Die fernen Geräusche der Stadt genieße ich, weil die Stille so köstlich ist. Wohltuend für meine Seele ist auch die an-ständige Dämmerung im Zimmer (gerade noch kann ich ohne Leselampe schreiben). Auch sämtliche Gegenstände im Raum verweilen in friedlichem Schweigen, sie stehen nicht gegen mich oder sonstwen, der einzige, der redet und damit die Stille vielleicht gefährdet, bin ich, mein Ich, und selbst damit verdränge ich diese Stille nicht wirklich.

Allmählich, aber ganz friedvoll, tauchen am Horizont meiner Seele die ersten Handlungsimpulse auf.

 

(1.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2642 Stecker aussi – Stecka eini

 

Wir haben kein Internet. Meine üblichen Maßnahmen (runterfahren, Stecker aussi – Stecka eini, oba heit geht’s guat! etc) helfen nicht. Servicehotline will auf einer Handymailbox angesprochen werden. Oje! Was sind das für neue Bräuch'! Jetzt muß ich auf einen Rückruf warten?

Ich habe auch nicht mitgezählt, wie oft sich der Firmenname hinter Hotline und Betreiber geändert hat, wie oft sich die zuständige Hotlinenummer geändert hat im Laufe der Jahre. Gottseikrank bin ich auf wundersame Weise an die aktuelle Nummer geraten! Aber diese Angelegenheiten gehen mir völlig an meiner Aufmerksamkeit und meinem Arsch vorbei. Das sind alles Sachen, die ich überhaupt nicht durchschaue, von denen ich gar nichts verstehe: weder wieso das so ist, noch zu welchem Zweck, noch zu wessen Vorteil. Die Geschäftswelt mit ihrer Logik ist mir völlig, aber völlig fremd.

Sollte ich schon Internet-Entzugs-Erscheinungen haben?

 

(31.3.2022)

©Peter Alois Rumpf  März 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

2641 Meine Texte

 

3:15 a.m. Mit vollem Lichte schreibt man nicht! Zumindest nicht Nachttexte, die des Dämmerlichtes und der schlechten Sicht bedürfen. So überprüfe ich nochmals Veli Lošinj und kann schnell den neuen Blick herstellen. Der Nebel in Rettenschoess ist wieder stärker. Mali Lošinj wölbt sich und die Wintersonne der Riesneralm durchleuchtet die Wand. Was machen meine Frauen? Ganz normal machen sie das, was sie immer tun. So auch die zwei Visionäre, wenn auch etwas lustlos heute. Der lehrende Lehrer erklärt immer noch wie immer seinen Hohlköpfen die Welt, aber schaut dabei blöder denn je drein. Ich glaub, ich will gar nicht mehr meine Texte „ordentlich“ veröffentlichen, ich wollte (Konjunktiv) mir das gar nicht antun. Ich bin resigniert-zufrieden, sie in und auf meine Schublade zu stellen, mehr will ich nicht mehr. Höchstens eine eigene Schubladen-Homepage mit einem System, mit dem man und frau und kind und ich die einzelnen Texte leichter auffinden kann (ich suche seit drei Tagen vergeblich zwei meiner Texte), und zwar nach Nummern UND alphabethisch. Und Lesungen? Wenn ich nichts organisieren und nirgends dafür betteln oder mich als PiPaPo präsentieren muß: vielleicht. Eher ja. Obwohl mir der Cartoon mit dem Schriftsteller, der bei seiner öffentlichen Lesung vor versammeltem Publikum nur still liest, sehr, sehr gut gefällt. Aber ich muß mir darüber keinen Kopf zerbrechen, es gibt gar keine Angebote und ich sehe auch sonst keine Möglichkeiten. Es ist besser, ich versuche jetzt zu schlafen. Gelesen werden kann ich nach meinem Tod immer noch genug.

 

(30./31.3.2022)

©Peter Alois Rumpf  März 2022   peteraloisrumpf@gmail.com