Donnerstag, 30. April 2020

1821 Heraus zum 1.Mai!


Oder: den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.

Also: im Schlaf sprach der Herr zu mir und hat mir gesagt: „Schreibe am 1.Mai auf Facebook: „Heraus zum 1.Mai!“ - gleich um Mitternacht und grinse dabei – aber nicht zu hämisch!“
Ich antworte: „Herr! Allwissender! Du weißt doch, daß ich nur über Sachen lache, die mich irgendwie selbst betreffen! Jeder Spott von mir auch eine Selbstverarschung!“
Der Herr antwortet und sprach: „Na! Wollen wir das jetzt nicht genauer untersuchen …“

Und in der selben Nacht sprach der Herr nochmals zu mir und sagte: „Du begrüßt die Tageskinder!“ Weil sie jetzt nach dem Lockdown zum ersten Mal wieder zu uns kommen. Interessanterweise benutzte der Herr für diese Botschaft die Stimme meiner Frau – die ich im Schlaf jedoch nicht gesehen habe! - aber es ist eindeutig die Stimme meiner Frau! Was mich wundert, denn sie passt sonst immer sehr darauf auf, daß ich ja nicht zu viel mit den Tagis rede und mit meiner Anbandelei ihre pädagogische Arbeit unterlaufe („Du bist wie eine Wand!“ ruft sie mir immer wieder in Erinnerung). Hebt der Herr als Oberster Gerichtshof das Gesetz der doch – Verzeihung, liebes Weib! - untergeordneten Instanz als verfassungswidrig auf? Wie auch immer: mit der Stimme meiner/unserer Lieben Frau! (oder war das gar eine patriarchalische Verschwörung und Intrige? Hey Mann! Paß auf, daß du da nicht hineingezogen wirst!)

Was war die dritte Botschaft dieser Nacht?! Verdammt! Die dritte ist immer die wichtigste und mir fällt sie nicht ein! „Dein Ichgehäuse ist auf Durchzug geschaltet“? Nein, nein, das war ein normaler Traum, wo meine Souterrainwohnung – meine bevorzugte Traumwohnung – teilweise ohne Türen zu einem Durchgang geworden ist, wo alle ungehindert und unbehelligt durchgehen können und das auch als Abkürzung durch die Häuser und als Schleichweg benutzen. Jetzt gerade stöckelt eine, eine sexy junge Frau durch, ich rufe sie an: „Hey!“ - schon mit empörten Unterton – ich will zeigen, wer hier der Herr ist – aber sie zuckt lächelnd die Schultern mit dem Kommentar: „wenn alles offen ist … ?“ Nein, nein, das war nur ein Traum!

Was war die dritte Botschaft! Das dritte Geheimnis! Himmel, Arsch und Zwirn! Warum verliere ich immer den Faden und vergesse so viel! Kann mir das der verspielte Große Tyrann da oben nicht einfach und direkt sagen!?

Na gut! Ich schlafe eh gern! Ich habe das Schlafen ja sooo gern!


Gottseidank! Ich habe es in meinen Notizen gefunden! Ich habe die dritte Botschaft aufgeschrieben!

„Es ist nicht meine Aufgabe hier in der Welt, das Mißtrauen zu vermehren!“











(30.4.2020)











©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com



1820 Die Tür des Flugzeugs


Das Fenster ist offen. Luftzüge und Stadtesrauschen strömen herein. Holz im Nacken (Bettgestell). Ist es ein Schmarren.

Und wieder steht auf meinem Traumblatt viel mehr als auf meinem Realblatt.

Immer, wenn ich die Tür des Flugzeugs von innen und vor meinem inneren Auge zuwerfen will, fällt mir der Kuli aus der Hand.

Die Frau vor mir im dezentroten, langen Kleid ist vollbusig und schwanger. Sie setzt an, das Kleid auszuziehen und ich verliere sie aus meinem (inneren) Auge.

Während der Hubschrauber uns akustisch überfliegt (mehr kann ich empirisch nicht bezeugen), sehe ich durch ein Glasfenster in der Tür in den Raum mit den Frauen; möglicherweise ein Umkleideraum. Ich weiß es nicht, da mich der Hubschrauber aufgeweckt hat.

Irgendetwas war noch.










(27.4.2020)











©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1819 Bayreuth


Ich schnaufe noch von der wohnungsinternen Treppe. Mein Herz ist von einer unsichtbaren, substanzlosen Substanz fest eingehüllt. An meinem linken Ohr zieht das schrille Surren. Der Puls befindet sich im Nacken an der Hinterkopfauflagestelle. Der innere Kopfdruck nimmt zu. Die Augen werden unsäglich müde (ich behaupte: ich schnarche nicht!)
Eine Unterbrechung für die Katz (streicheln).

Im rechten Auge auf der Innenseite des Lides sehe ich – aber ganz rechts, wie an der Wand – in schwarzer deutscher Schrift das Wort „Bayreuth“.
Tja, „die Seele ist ein weites Land“!

Die Videokonferenz tönt lautsprecherisch bis zu mir durch mein geschlossenes Innenfenster herauf.

Die Katze schnurrt in einem abgehackten Dreivierteltakt.

„ … waren im Raum“ höre ich noch – ob von außen oder von innen – das weiß ich nicht.












(25.4.2020)











©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Donnerstag, 23. April 2020

1818 Resonanz


In einer akustischen Blase aus Surren und Montagepunktverschiebung; jetzt kommen die bis ins Tieffrequentische reichenden Baugeräusche dazu. Wie in einem Rausch. Jetzt setzen die hohen nervenzerrenden Töne des Pürierstabes aus der Küche ein. Rechts von mir beruhigendes Schnurren der Katze.

In coronasicherem Abstand der schwebende Helligkeitsball vor mir an meiner Erbauungswand.
Ein leichtes Sticheln an der linken Schläfe.

Aber die gesamte aufgeregte Szenerie beruhigt sich ein wenig. Selbst das liebe Schnurren hat sich zuerst von meiner Brust entfernt, sich mir zu Füßen gelegt und dann aufgehört.

Mein linkes Ohr strengt sich sehr an aufmerksam zu lauschen und fängt wirklich ein paar Schallwellen auf, die üblicherweise zwischen den anderen verborgen bleiben oder verloren gehen.
Meine Nasennebenhöhlen bieten sich auch als Resonanzraum an. Ich fühle das und überhaupt bringt sich die Nase als Organ stärker ins Spiel.

Ein – wie ich glaube – imaginärer Tunnel direkt und direttissima zwischen meinen beiden Ohren entsteht; ich kann ihn fühlen und sehe in als dunkleres Rohr vor meinem inneren Auge.

Kurz ein Auf- und Absausen entlang des Hinterkopfes als gefühlte Verlängerung der Wirbelsäule.

Die Ohren beginnen ganz real und handfest zu zucken.

Die Geräusche im Hohlraum des Schädels fangen kleine Kunststücke an: springen, drehen sich, machen Saltos. Ich ahne mein Gehirn (die Unterseite von unten).

Der linke Ringfinger wird von einer elektro-thermalen inneren Bewegung heimgesucht.

Das Stiegensteigen, das garantiert links von mir stattfindet, höre ich nur rechts.








(22.4.2020)







©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1817 Silhouette, Stilleben


Die Silhouette der Aufbauten am alten und seiner Füße beraubten Schreibtisch dort an der Wand wie … wie … ich wollte schreiben: wie die einer fremden modernen Stadt von einem Hügel am Stadtrand aus gesehen, wie Tel Aviv zum Beispiel – aber ich verwerfe diesen Vergleich, weil ich weder die Silhouette von Tel Aviv kenne, noch so dick und daneben auftragen will – nur „vom Rand aus“ stimmt.

Ein Stilleben dieser Anblick.

Das hat mir an der alten Schreibweise gefallen: erstens die Verweigerung, sich die Mühe zu machen, den gleichen Buchstaben dreimal hintereinander zu schreiben (hat das jemand ausgerechnet, um wie viel damit der Verbrauch und die Verschwendung an Papier, Bleistift, Tinte, Kugelschreiber, Druckerfarben, Arbeits- und sonstige Zeit und Computertastaturenmaterial und Speicherkapazität und sonstige Ressourcen zugenommen hat? Alles im deutschen Sprachraum zusammengezählt?).

Und zweitens – und das gefällt mir am meisten: daß man die Leserinnen für intelligent genug gehalten hat, diese Einsparung zu durchschauen und im Kopf imaginär ergänzen zu können.

Und drittens: daß somit der Perfektionismus eingebremst und eine logische Ungenauigkeit problemlos zu ertragen (tolerare) zugemutet wurde. (Problemlos? Und wer hat das ändern wollen? Doch nur eine Minderheit von Kopfschüßlern!)











(21./23.4.2020)











©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 12. April 2020

1816 Aufstehen


Ich schaff's nicht. Ich schaff es nicht aufzustehen und den versprochenen Beitrag zum Osterfestmahl zu leisten. Ich scheiß auf Ostern und die Auferstehung kann mir gestohlen bleiben. Die Auferstehung bleibt mir sowieso gestohlen, die Voladores haben ganze Arbeit geleistet. Ich hänge zwischen den Welten und bin nirgends daheim. Ich habe keine Lust, Ostern als blindes Familienfest und/oder als nicht minder blindes, unverstandenes Kirchenritual zu feiern (die Himmelfahrt wäre eigentlich das Entscheidendere), aber darüber hinaus in den wirklichen Be-Reich komme ich ich auch nicht. Der Zugang zum Eigentlichen, das Himmeltor ist gesperrt, kann es aber nicht aufgeben, dort herumzuhocken, also bin ich unreif in beiden Reichen.

Herunten bin ich einsam dort wie da, dort wie da fühle ich mich unverstanden, da wie dort störe ich die Übereinkunft allein durch meine Anwesenheit und bin deplatziert, denn in mir brennt ein Feuer, von dem niemand etwas wissen will.

Nein, ich stehe heute nicht auf.

Der Entschluß, im Bett liegen zu bleiben, befreit mich von großer Last und tiefe Seufzer der Erleichterung können meine wehe Brust ein wenig weiten.

Ich vergrabe mich in meinen Heuhaufen und mein Selbstmitleid und warte auf das oder ein Ende.

Vergeßt mich!

Aber da wie dort bin ich inkonsequent.


Eine Stunde später: mein Anfall von Schwermut ist vorbei und ich bin aufgestanden, bereit, in meinem gescheiterten Leben weiterzutaumeln und die Krennsoße und die Erdäpfel zu kochen.
Halleluja ist nicht angebracht.







(12.4.2020)








©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 8. April 2020

1815 Tablett


Ich könnte mich nach Nikolaus von der Flühe auch Petrolaus von der Fliehe nennen: während meine Coronafamilie am Esstisch sitzt und frühstückt, frühstücke ich als wohnungsinterner Gast in der Schlafnische meiner Frau im Bett, das in früheren Zeiten Papabett geheißen hat, aber von mir nur mehr sozusagen besucherisch benutzt wird, aufrecht sitzend wie ein König bei der Morgenvisite, meine Frau, die mich - ihrerseits schon längst aufgestanden und bereits meditiert und yogisiert habend - bedient, von ihrem Bett aus betrachtend, genüßlich ihren yogafesten Hintern begaffend, in züchtigem zwei, drei Meter Abstand, mit Genugtuung mitansehend, wie sie mir meine reichlich mit Müsli gefüllte und liebevoll mit Obststückchen dekorierte Essensschale über die sich ungefähr in Bauchhöhe befindliche Matratze weit und demütig nach vorn gebeugt - leider hat sie ein hochgeschlossenes Leiberl an – aber anders als nach vorn gebeugt geht es nicht – zu mir herschiebt, während ich wie ein Oil- und Asyl-Götze stolz und gestelzt aufrecht an der polsterverstärkten Rückwand gelehnt mit ausgestreckten Beinen sitzend in sakraler Pose – ohne ihr mit irgendeinem Vorbeugen meinerseits geographisch und würdetechnisch entgegen zu kommen – das Tablett mit dem Müsli, dem heißen Kurkumalatte, dem Glas Wasser und dem Teelicht im gelben Glas sowie auch ihre Huldigung entgegennehme.
Andächtig und schweigend führe ich löffelweise in heiliger Mission mein Frühstück zum Mund und ein; sehe, wie sich im Wohnzimmer draußen am Eßtisch die gelben Tulpen aufrecht halten, während die roten beginnen, sterbend nach rechts zur brennenden Kerze zu kippen und meine coronarische Rumpffamilie ihr Frühstück verzehrt.

Auf den verschämt verhüllten Plattenspieler fällt mir noch das strahlend dunkelblaue Nähkästchen aus Plastik auf – von meinen Mundschutz-produzierenden Damen zurückgelassen – also auch das machen die tüchtigen Damen.

Nach meinem Mahl frage ich mich – meine Frau schlägt soeben am Fußende die Bettdecke auf und küsst meine Füße – ob ich hier in der Gastzelle bleiben soll, oder doch nach oben in meine kleine Stammeinsiedelei übersiedeln, ob man meiner hier noch familientechnisch, spirituell, ästhetisch, olfaktorisch – Fakten bleiben Fakten und sind keine Fakenews -, dozierend oder hierarchisch-Struktur-stabilisierend bedarf.

Diesbezüglich unentschlossen, aber von einem wilden Schneiden im Gedärm angetrieben, erhebe ich mich nicht ohne Vernachlässigung meiner Würde schnell und eile ins königliche Riesenbadezimmer … um am Rückweg – Gottlob habe ich nicht vergessen – meine psychiatrisch verordnete, tägliche Kapsel Antidepression und Gegenpanik einzunehmen.

Erschöpft von der anstrengenden repräsentativen Arbeit und der mühevollen Schreibßerei entschließe ich mich, den Aufstieg in mein finsteres, hervorragend ausgestattetes Kelion, von dem ich mitten in der Nacht mit Taschenlampe in der Hand und dem Notiz- wie auch dem Traumbuch unterm Arm ins warme, kuschelige Bett meines Weibes herabgestiegen war, dennoch zu wagen.  „Tu es!“, sage ich mir.










(6.4.2020)












©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1814 Vom Tellerwäscher bis zum Millionär


Also bei uns zuhause hat es sich so eingebürgert, daß die Damen kochen und ich das Geschirr abwasche. Ich bin der Küchenjunge – sozusagen (ach! Klingt -junge gut!). Auch für die Wäsche bin hauptsächlich ich zuständig.

Das war nicht immer so. Zu Beginn unserer Ehe, als noch amerikanische Studentinnen bei uns gewohnt haben, denen wir laut Vertrag einmal in der Woche ein Mahlzeit vorsetzen mußten, da habe ich auch noch gekocht und die Studentinnen haben mich gefragt – wohl auch in Unkenntnis der österreichischen Behördenauflagen – warum ich kein Restaurant aufmache. Gut! … amerikanische Studenten … aber schon höhere Mittelklasse! Musikerinnen! Also: trotzdem!

Inzwischen bin ich der Küchenjunge und beim inzwischen verlangten veganistischen Kochen weit abgehängt und abgeschlagen. Und heute beim Mittagstisch spreche ich es nach dem Essen laut aus: „ich bin der Küchenjunge!“  Worauf meine Tochter, die jüngste, schlagfertig einwirft: „Tja! Vom Tellerwäscher bis zum Millionär!“ (Ja, ja, meine Töchter kennen mich in- und auswendig.)

„Das ist es!“, denke ich mir. Aber dann falle ich in Gedanken und frage mich, ob Geschirrwaschen mit Geschirrspüler karmamäßig ausreicht, um zum Millionär aufzusteigen.

Während ich mir das überlege setze ich mich, um es besser klären zu können, auf die Fensterbank und schaue aus dem zweiten Stock auf die Straße und den kleinen Platz hinunter, wo zwei junge Frauen im Coronaabstand am Boden sitzen und sich leicht bekleidet sonnen und plaudern, wo manchmal jemand vorbeiwandert und die ohnehin nicht stark befahrene Gasse noch weniger befahren wird.

Im Fenster gegenüber sehe ich eine junge Frau sich ebenfalls sonnen und lesen – genau genommen sehe ich von ihr nur den Kopf, ihre Fußsohlen am Fensterbrett und ein Taschenbuch in ihren Händen ab und zu aus der Dunkelheit hinter dem Fenster ins Sonnenlicht auftauchen und wieder in den Schatten niedersinken.

Undeutliche Gesprächsfetzen kommen zwar bis zu mir herauf, aber Gottlob verstehe ich nichts.

Eigentlich bin ich mehr der Gottseidank-Typ, wie jede Leserin in meinen Texten empirisch überprüfen kann, aber seit ich die Schriftstellerin Regine Koth Afzelius bei einer ihrer Oneline-Lesungen den Versprecher „Gottlog“ statt „Gottlob“ sagen hörte – was sie – wie sich im anschließenden Chat herausstellte – gar nicht bewußt wahrgenommen hatte, obwohl sie sich beim Vorlesen sofort korrigiert hat – bin ich davon so begeistert und gerührt, daß ich nun des Versprechers eingedenk auf „Gottlob“ umgestiegen bin – immer ein wenig lachend – und mit diesem Umstieg eindeutig sprachlich emporgestiegen – eigentlich emporgehoben wurde – denn in meinem Aufwachsen hörte ich fast nur „Gottseidank“, vielleicht, weil die Landbevölkerung – spräche sie „Gottlob“ - wie sie es tun täte – dialektal aus, es fast wie „Gott loub“ klänge, was Gott abhüten möge, denn „loub“ heißt in unserem (in Wirklichkeit nicht meinem) Ennstaler Dialekt „schlimm“.

Ja, wie ist das wirklich? Reicht meine Geschirrspülerei aus, es bis zum Millionär zu bringen? Eine Radfahrerin, zwei Fußgängerinnen passieren den Platz (das hat jetzt nichts mit Kochen zu tun!) - Männer sind keine unterwegs – wie auch bei uns in der Familie die Damen nicht nur kochen, sondern auch einkaufen, Geld verdienen und alle Erledigungen schaukeln.
Ah! Dort geht ein bärtiges Exemplar! Schon verschwunden. Mir soll's recht sein! Ich betrachte wiederum die schönen, sonnenden Frauen, die immer mehr werden.

Die drei Bäume da unten, deren Namen ich schon gegoogelt, aber wieder vergessen habe, haben schon ihre Knospen aufgesetzt.

Das Schicksal läßt sich nicht betrügen, heißt es – wohl zu Recht - beim bajuwarischen Affenarsch – und auch meine gelegentliche, wahrscheinlichkeitswahnsinnige Lottospielerei hat nichts nennenswertes eingebracht.

Könnte es sein, daß es beim Tellerwäscher-bis-zum-Millionär gar nicht ums Tellerwaschen, sondern um duale Schlauheit und um eine gewisse robuste und rücksichtslose Konstitution geht? Hm?









(5.4.2020)










©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1813 Ich finde es toll


Die Klarheit des Blickes wegen einer geputzten Nase. Jetzt wieder getrübt durch die schmutzige Lesebrille auf derselben. Ich finde es toll, wenn das Tageslicht seitlich von links vorne aufs Bücherregal fällt und Konturen und Schatten macht. Ohne Scheu versenke ich meinen Blick auch in die drei Bilder.

Jetzt schlaf ich schon wieder ein, in meinem Bett hockend, in der linken Hand das auf meinen Oberschenkeln abgelegte Notizbuch und den Schreibstift festhaltend, mit der Rechten streichle und kraule ich der schnurrenden Katze den pelzigen Bauch.

Hat auch etwas vollendetes, die Szene.

Wieviel Tage sind's noch bis zum Tag der Fahne?









(4.4.2020)









©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1812 Kurz gesagt


Meine Bilder an der Wand leben wieder, die sparsamen Farben und die Pinselstriche wölben sich, ballen sich, bewegen sich, fließen, fliehen, flitzen dahin, stauen sich, bilden Konglomerate, quellen auf, versickern, wirbeln, reißen auf, verdichten sich …

Am Rande meiner Seele und meines Gesichtsfeldes lauert und flimmert es noch ein wenig. Die Luftlichtschachtgeräusche wie Klospülungen, eine schnarrende Lüftung (Lüftung, wie ich vermute) durchs offene Fenster …

Schnurren rechts neben mir.

Ich streife bloß die Bilder mit meinen Blicken und auch über alles andere lasse ich meinen Blick nur schnell darübergleiten – wegen dem randständigen Flimmern bin ich noch vorsichtig und will mich nicht in Anblicke vertiefen und versenken.

Mit dem Schließen der Fenster warte ich, bis mir die kühle Luft zu kalt wird.

Ganz still ist es nun, nur in meinem Kopf surrt es und rechts das Schnurren, wie schon erwähnt.

Auch auf das Surren höre ich nicht wirklich hin, damit es nicht aufreißt und ich in die Leere zwischen den Tönen gerate.

Kurz gesagt: die Angst ist noch nicht ganz weg.










(2./3.4.2020)










©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 2. April 2020

1811 Es beginnt wieder


Gestern glaubte ich, es beginnt wieder.

Und es hatte auch begonnen: zuerst ist meine Wahrnehmung verdunkelt und an den Rändern schwarz geworden; ich geriet in einen Alarmzustand und in eine Entfremdung wie unter Drogen. Mein Sehen hat zu laufen begonnen: wie die Bilder bei so mancher Störung von Fernsehübertragungen zu laufen und zu zucken beginnen. So war das live bei mir, das, was ich sehe, der Raum vor mir springt weg und kommt wieder und springt wieder weg, immer wieder, unaufhörlich, again and again.
Panik und Todesangst hatten sich herangeschlichen und griffen nach mir, wollten mich packen, aber ich habe ihnen sanft widerstanden: ich habe mir nicht erlaubt, in Panik zu verfallen, habe bewußt tief geatmet und der aufkommenden Übelkeit verboten, von mir total Besitz zu ergreifen. Ich habe mich vorsichtig und bedachtsam bewegt, konzentriert darauf achtend, das Gleichgewicht nicht völlig zu verlieren, denn jede Bewegung, vor allem des Kopfes, hat Schwindel ausgelöst. Da habe ich mich ein wenig in mein Zimmer zurückgezogen – meine Bücher- und meine Bilderwände – alle sind sie ständig nach links gezuckt – und habe versucht, mich auszuruhen. Als ich wieder stabiler war, habe ich mich wieder erhoben und mich wiederum behutsam bewegt, bin wieder in die Küche runter, meine unterbrochene Arbeit fortzusetzen zu probieren, habe also wachsam den Geschirrspüler eingeräumt – das Hinunterbeugen war eine Herausforderung – aber ich wollte mich keinesfalls der herankommenden Panik ausliefern und preisgeben, sondern sie durch sehr bewußtes und konzentriertes, aber normales Tun vertreiben. So ähnlich, wie ich früher als Betrunkener gekämpft habe, zum Beispiel den Weg nach Hause zu schaffen und der Dunkelheit mit dem letzten Rest normaler Wachheit und Bewußtheit, mit dem letzten zusammengekratzten Willen eisern zu widerstehen.

Dann, als ich noch stabiler war, habe ich mich bewußt mit Kabarett abgelenkt, sodaß ich nach einiger Zeit fast unmerklich, aber doch deutlich eine durchsichtige, magische Membran durchstoße und durchschritten habe und ich wieder voll da und normal war und mein Sehen wieder ruhig und fest und ohne jedes Flimmern am Rand.

Heute bin ich dann, nachdem ich vorher einen Ausflug zu einer Kundenservicestelle – wie sich die euphemistisch nennt - der Gesundheitskasse – wie sich die euphemistisch nennt – gemacht habe und dabei ein Stück gefahren und dann den im Sonnenlicht und mit den austreibenden Roßkastanien und Platanen wahrhaft prächtigen Boulevard der Lassallestraße hinuntergewandert bin (obwohl ich es als hinaufgehen empfinde – aber ich gehe der Donau zu) um meinen Bettelantrag zur Teilrefundierung meiner Psychotherapiekosten für März abzugeben, obwohl ich jetzt im April noch nicht einmal die für Februar erhalten habe – bei so Unternehmern wie den Kitzlöchler Liftbetreibern, den Pierers und Benkos und wie sie alle heißen, geht es bei der Staats- und staatsnahen Bürokratie vermutlich viel zacker, zacker – kurz, nachdem ich diese Wanderung mit toller Mundschutzmaske aus selbstbedrucktem Stoff erledigt habe und wieder zu Hause war, bin ich dann den Escalator over the Hill hinaufgefahren und beim Anhören von Zeit zu Zeit in einen angenehmen, köstlichen, erholsamen, erquickenden und kontemplativen Schlaf gefallen.

Und jetzt werde ich an den Mittagstisch gerufen zu einem guten, von Frau und Tochter liebevoll zubereiteten Mahl und ich werde essen und hoffe, daß dies Leib und Seele beieinander halten wird.












(2.4.2020)












©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 1. April 2020

1810 ... ist ein Menschenrecht!


Ich liege da in meiner kleinen Republick (ja, weil ich schaue!), den Kopf schief, meine Republik der Zufälligkeiten.

Die Augen fallen mir zu, müde vom Schauen, Lesen und von den Blicken auf die Straße bei offenem Fenster, das mich hustend gemacht hat.

Dort unten im Erdgeschoß des gegenüber liegenden Hauses ist ein Fenster innen mit einem Spruchband behängt, das sich faltet und durchhängt und wölbt und die Schrift verzerrt. Ich kann nur „... ist ein Menschenrecht“ lesen; vom ersten, entscheidenden Wort erkenne ich nur drei versehrte Buchstaben. Also: was ist ein Menschenrecht? DIE? DIL? OIL? Ich weiß es nicht. Ich entscheide mich – um zu einen halbwegs sinnvollen Abschluß zu kommen – für: „DILL ist ein Menschenrecht!“







(1.4.2020)









©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1809 Ich werde das Licht aufdrehen


In die langsam niedersinkende Dämmerung, die doch in Wahrheit von unten herauf steigt, blüht der Kirschbaum her, die Robinia Pseudaccacia und die Essigbäume warten noch, wie immer. Der Weidenbaum schlägt auch schon aus und der im Herbst niedergestutzte Holunder, wie ich immer dazusage: der Baum der Frau Holle, vor dem man den Hut ziehen sollte, der Holler also hat den ganzen Winter über seine nach der Attacke frisch ausgetriebenen Blätter behalten.

Wind geht keiner, im Moment hält er sich an die Ausgangssperre.

Die grauen weißen Wolken zeigen noch gelbe Flecken und rosa Flächen.

Der Abend, die schwierigste Zeit für alle Süchtigen, die Flaute zwischen Tag und Nacht, die ja besser definiert sind, als die Grenzen und Übergänge, dieses Niemandsland, wo die Trauer kommt oder die Angst und niemand weiß, was er tun kann, wenn er sich nicht ablenkt und nicht gleich das Licht aufdreht.

Das schöne Gewirr der weißen und grauen Äste und Zweige wird immer dunkler und grauer.

Ein Amslerich setzt sich nieder und verschwindet wieder – ich nehme an, er ist davongeflogen, während ich meine Augen auf das Papier gerichtet hatte.

Auch ich stehe jetzt vom Stuhl auf und erhebe mich und werde das Licht aufdrehen.










(31.3.2020)










©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com