Freitag, 31. Januar 2020

1734 Ein Knoten


Ich entdecke den kleinen leuchtenden Balken aus reflektiertem Licht auf einem Photo, das ich vor Jahren einfach so auf die Stirnseite eines Brettes meines Bücherregals gestiftelt habe und das sich schon an den Rändern aufgebogen und ein wenig die Form eines Hohlspiegels angenommen hat.
Ich sehe diesen „Lichtbalken“ zum ersten Mal bewußt und deshalb starre ich ihn jetzt an. Wie alles Angestarrte beginnt er sich ein wenig zu bewegen, mehr so von innen heraus.

Meine Augenlider fangen an zu jucken und zu zucken und versuchen immer wieder, die Augen zu schließen.

Ich kämpfe tapfer gegen diesen Impuls. Wenn mir allerdings die Augen zufallen, bewirkt das einen elektrischen Impuls auf meine Gehirnströme – dieses Bild bietet sich an – der wie eine kleine Welle durch und über meinen Schädel läuft.

Ein lautes Knurren in meinem Bauch reißt mich aus meinem bereits wieder traumgesteuerten Gedanken- und Bilderfluß.

Ein Knoten bei meiner Nasenwurzel mit Ausstrahlung bis zum dritten Auge zieht sich wieder fester. Eindeutig: der kleine leuchtende Balken macht sofort die Augen und meine Aufmerksamkeit müde und transzendierend.











(31.1.2020)














©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1733 Beinah ins Fließen gebracht

Ich blicke absichtlich und aus bewußtem Entschluß – um meine sich verfestigende Gewohnheit und das aufkommende Ritual ein wenig zu unterlaufen – nicht auf das große Lošinj-Bild, sondern auf das kleine. Dieses kleine Bild ist nicht wie das große jahrzehntelang im Wohnzimmer meiner Eltern gehangen und hat nicht alles mitbekommen, miterlebt und aufgesaugt, was sich dort abgespielt hat, wie das größere, unter ihm ist niemand gestorben, sondern es war verpackt im Keller meiner Eltern auf einem alten Kasten mit anderen Bildern abgelegt und allzuoft wird keiner vorbeigegangen sein. Einmal gab es eine Überschwemmung, die die Bilder heil überstanden haben.

In diesem Bild ist etwas Schwebendes. Eine leuchtende Kraft ist dabei, die festen und soliden Elemente der abgebildeten Stadt aufzuheben und aufzulösen. Wie wenn bei einer Überschwemmung irgendetwas hochgehoben wird und dann im Strom versinkt. Nur daß hier dieser Strom Licht ist und in diesem Licht versinken die Dinge nicht nur – sie lösen sich auf. Von hinter dem Bild, aus dem Hintergrund der Realität drängt der Lichtstrom ins Bild und bald wird alles weg sein.

Im Tiroler Landschaftsbild spielen die Berge nicht ganz mit – sie ziehen ihre eigene Show ab und fügen sich nicht ganz ins Landschaftsgeschehen. Mir kommt vor, sie übertreiben ein bißchen, in die eine oder andere Richtung, stellen sich fester oder zarter dar, als sie sind.
Das tut dem Bild keinen Abbruch – finde ich – das macht es lebendig und bewegt.
Diese Kraft ist auch noch ein wenig im Talgrund zu spüren, der von dieser Kraft beinah ins Fließen gebracht wird. Beinah.










(30./31.1.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 29. Januar 2020

1732 Als Verweigerer in der Albertina


Als Verweigerer in der Albertina, trotz Kälte schwitzend, vom John Frusciante eingehüllt, sodaß ich nicht höre, was mir die Angestellten sagen. Nur gnadenhalber nehme ich manchmal die Stöpsel raus.

Ich sitze auch in einem Raum, der mich nicht so inspiriert – eben – Verweigerer (den Warhol mag ich nicht). Eine große Graphik von was-weiß-ich-wem beginnt mir zu gefallen. Jetzt steht ein drei-Katzen-Arsch davor, der mir auch zu gefallen beginnt. Drei Katzen vorne am Kleid und drei hinten (paßt gut zur Graphik von A. Katz – wie ich später herausgefunden habe). Und der schwarze Arsch daneben auch. Verdammt! Ich bin so aggressiv! Ich sitze und bin voller Wut. Aufstehen und hingehen tu ich nicht. Der John schweißt so schön mit seiner Gitarre und singt so zart, dann zupft er so sanft die Saiten (Dissolve).

Eine Orangeadenfrau steht vorm großen Bild, das ich anschauen will. Also schaue ich halt sie an. Fällt mir nichts ein.

Warum bin ich so wild? So aggressiv?

Eine Photographierende hält mir Sitzendem ihren Hintern in Augenhöhe hin (Natürlich hat das nichts mit mir zu tun! Ich werde doch nicht wahrgenommen. Ach was!).

Ich höre mir Dissolve nochmals an.

Richters trinkende Frau gefällt mir, wiewohl trickreich, jedoch ohne ein recht kräftiges Urteil fällen zu wollen.
Von Katharina (nicht die) Grosse lasse ich mich anpsychodelisieren, ohne meinen Titel hervorzuholen.
Auch die Lilianisch-Tomaskonischen Sounds gefallen mir noch, auch wenn es überhaupt nicht darum geht.
„I'm a working man“ singt John und ich Sitzender schließe mich dem an und lasse schöne Bilder in meine Seele.
Ich lenke meinen Blick von den BesucherInnen weg wieder auf die Sounds.

Im Nebenraum korrespondiert diese eigenartige immendorffsche Waldfigur mit einer dünnen, photographierenden Frau daneben; im rechten Winkel schaut sie auf die andere Wand. Jetzt korrespondiert ein Mann – ganz kurz, dann verschwindet er – aber ich glaub, der hat noch besser gepaßt.

Ich schreite den langen langen roten Teppich entlang, aber ganz am rechten Rand – mehr – so kommt mir vor – steht mir nicht zu – an den Sphinxen vorbei, die ich keines Blckes würdige, wie ich auch alle die Köpfe der Großen und Pseudogrößen keines Blickes würdigte, obwohl ich vorhatte, sie mir genau anzuschauen. Aber das Gehen am roten Teppich hat mich so aufgeregt und nervös gemacht, daß ich es sogleich vergessen habe. Denn sogleich müßte die Aufsicht kommen und mich Unwürdigen vom roten Teppich scheuchen – im besten Fall – wenn sie mich nicht hinausjagen.

Dauernd erwarte ich, daß mich die Aufsicht hinaus wirft. Ich habe mich doch in diese heiligen Hallen hereingeschmarotzt und nicht aus eigener Arbeit und Geschick den Eintritt verdient.

Ich komme mir vor als ein Verlorener, der sich manchmal die Frechheit anmaßt, Blicke ins Leben zu werfen, für die und für das er nicht würdig ist.







(29.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1731 Aufstehen!


Seit sechs Stunden spiele ich mit dem Gedanken, aufzustehen. Oder der Gedanke spielt mit mir. Nun habe ich es im Bett einmal in die Lese- und Schreibposition geschafft. Zwar fallen mir immer noch und immer wieder die Augen zu, aber einzuschlafen erlaube ich mir nicht mehr.

„Aufstehen!“ schreie ich mich still an, aber das bewirkt nichts. Vielleicht sollte ich es freundlicher versuchen: „lieber Peter, komm! Steh jetzt auf!“ Nichts. „Bitte!“ Nichts. „Du verschläfst dein junges Leben!“ Nichts. „Ist dir nicht leid um deine restliche Lebenszeit?“ Nichts. „Wie wärs mit frühstücken?“ Ah! Das löst jetzt eine Reaktion aus: der Angesprochene fühlt nach innen, wie es mit dem Bedürfnis nach Essen ausschaut.
Ja, es ist da, aber noch nicht so stark, daß ein Sprung aus dem Bett notwendig wäre. Aber das Frühstücksprinzip arbeitet, wächst, wird größer und fordernder.

Im Kopf breitet sich eine ungesunde Dumpfheit aus.

„Also! Auf!“ Der Widerstand ist zäh.
„Peter, ich befehle dir, steh auf!“ Amüsierte Gleichgültigkeit, die das schlechte Gewissen übertönen soll.
„Peter! Steh auf! Das ist ein kaiserlicher Befehl!“ Ach geh! Ich bin nicht der Joseph Roth und du, du willst mein Kaiser sein? Du bist kein Kaiser, nicht einmal ein König, du bist ein mieser kleiner Diktator! Ich kenne dich nicht! Du bist nur so ein aus meiner Kindheit dahergewehtes, elendiges Schuldgefühl. Du bist nicht aus Fleisch und Blut. Du schaust mir nicht in die Augen und zeigst mir nicht dein Gesicht. Du liebst mich nicht. Dir geht es nicht um mein Wohlbefinden und Fortkommen, sondern nur um deine kleinbürgerliche, beschissene Arschlochnorm. Du bist eine unglaubwürdige Gestalt, deine fanatische Aufsteherei in der Früh dient nur dazu, deine Erinnerung an deine Gräueltaten unten zu halten, die zwischen wachen und schlafen hochkommen würden.

So! Jetzt bin ich hungrig und gehe hinunter frühsücken.







(29.1.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1730 Päivis Bü


Ganz von alleine ganz früh aufgewacht aus einem Traum als Bassist in einer Band. Ein schöner Morgen! Die anhebende Heizung klopft und gluckert in ihren Röhren und ich blicke auf das neu installierte Kunstwerk am Fußende meines Bettes, das bei uns Päivis Bü heißt (Bü: hausinterne Kindersprache für Busen). Bitte, ein einzelnes Stück und aus Holz von Päivi Vähälä; den offiziellen Namen der kleinen Skulptur kenne ich nicht.

Ich glaube mich munter und ausgeschlafen, aber jetzt plötzlich werde ich extrem müde.









(29.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1729 Wind kommt auf


Ich starre voller Gedanken, innerer Monologe und Assoziationen dennoch gedankenlos und verloren auf meine Hauptbücherwand mit den Bildern darüber. Vom Bett aus. Hell erleuchtet ist sie vom Strahl meiner auf gedrehten Leselampe. Aber nun drehe ich den Lichtstrahl zum Boden, damit alles undeutlicher wird. Aber es wird nicht undeutlicher. Ich versuche, mit unkonzentriertem Blick ins Leere zu starren,

dann meinen Blick entspannt und unvoreingenommen über die Bilder und Bücher wandern zu lassen.

Wind kommt auf. Mit heulenden Böen drückt er die Außenwände und rüttelt … ja was denn? An den Fenstern? Die sind geschlossen. Woran rüttelt er?

Nun gut, meine gelbe Jalousie  - und gelb ist die Farbe der Eifersucht – das möchte ich in Erinnerung rufen – kann er in leichte und stärkere Schwingungen bringen.

Aber jetzt ist es still.

An meinem Lošinj-Bild fällt mir das Ende des Hafenkais auf, das ich so noch nie gesehen habe: was ich bis jetzt als auslaufenden Verlauf der Mauer wahrgenommen habe, erscheint mir nun als ein abruptes Ende.










(28./29.1.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1728 Ordentlich schlafen


Mein großes Lošinj-Bild strahlt, während mein Bewußtsein dumpf und dämmrig bleibt und immer wieder in Schlaf zerfällt. Mein Körper wird von einer äußeren Kraft, die sich jedoch mit meinem Atem koordiniert, in Schwingungen versetzt, die mich aber auch wieder aus dem Schlaf reißen können.

Über Land? Tand? Sand? Stand? Strand? Kand? Brand? Oder gar: über Freud (ich kann meine Handschrift nicht mehr entziffern!) zu lesen gilt als unerhört.

Im Haus rumort es und im Gebälk kracht es.

Äußere und innere Natur: beide geheimnisvoll.

Ich bearbeite nicht-geschiebene Textpassagen.

Kondom durch Sündenfall zerrissen – ich weiß aber, dass die Geschichte nicht ganz stimmt und von den Kräften nicht bestätigt ist.

Als ich mit dem Münchner Affen zu reden beginne, lege ich das Schreibzeug weg und beschließe, ordentlich zu schlafen.









(28.1.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1727 Die Passagen ohne Gesang


Ich rede gerade mit Mister Yalom, dessen Bücher ich gerade lese, und erkläre ihm gerade meine Welt, meine Entwicklung, meine Herkunft, unsere unüberbrückbaren Unterschiede in unseren (!) Biographien, und alles Mögliche über Gott und die Welt (inklusive Thomas von Aquin). Wir führen ein interessantes Gespräch auf Augenhöhe.

Überhaupt: wenn ich zum Beispiel Musik höre, dann spiele ich die E-Gitarre und singe. Dabei bin ich so großzügig, daß ich mich manchmal, nein: meistens beim Gitarrespielen auf die Passagen ohne Gesang oder den Ausklang beschränke, damit die anderen Gitarristen auch brillieren können. Aber mein Spiel ist besonders exzellent.

Und dann kommt zum Beispiel der John Frusciante, der zufällig und unbemerkt im Publikum gesessen ist, nach vor und gratuliert uns, wie toll wir seine Sachen spielen, besonders die letzten, sehr „technischen“ Stücke, die wir auf meine Anregung hin reinstrumentalisiert haben. Also statt Musikmaschinen nur Musikinstrumente. Soweit das halt möglich ist. Die Schlagzeugmaschine ist kaum einzuholen, aber wir versuchen es – meine Idee – mit zwei versetzt schlagenden Schlagzeugern – und ich weiß auch schon, wen ich fragen werde. Wenn das geht. Und dann spielt er auch noch mit uns, der John!

Aber jetzt geh ich schlafen und hoffe auch auf schöne, wunscherfüllende Nachtträume.










(27./28.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1726 Meister


Ich warte auf den Wecker. Ich bin wach, ich will schreiben, aber die Anspannung wegen des bald einsetzenden Weckrufs läßt mir keine Ruhe. Also warte ich. Da! Noch immer ein kleiner Schock.

Ich werde jetzt also aufstehen und dann auf den Installateur warten. Schon seit Tagen lege ich es mir im Kopf zurecht, wie ich es ihm erklären werde, damit er das Anliegen ernst nimmt.

In der Küche, beim Kaffee sitzend, wartend auf den Meister. Die Tagis sind gerade gekommen.

(Zur Erklärung: wenn die Tageskinder da sind, kann man das Läuten an der Tür leicht überhören, denn die Kinder sind manchmal laut. Also warte ich in der Nähe der Wohnungstür. Die Küche ist nahe genug, wenn ich die Tür zum Vorzimmer offen lasse. Der Meister oder sein Geselle sind dann nicht gekommen. Angeblich hat jemand um neun geläutet und ihm niemand aufgemacht. Das kann nicht stimmen, denn um neun waren die Tageskinder noch im Park und ich bin allein uns still in der Küche gesessen und nicht weggegangen und hätte die Türglocke gehört. Anmerkung 29.1.)










(27.1.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1725 Und die Kunstsammlung


Psychologisch geschulte Priester oder Pastoralassistenten bearbeiten die Schutzsuchenden. So habe ich es heute früh aus einem Traum aufgeschrieben. Und jetzt ist es zwischen ein und zwei Uhr nachts und der Satz gefällt mir immer noch. Wem es lieber ist: ich kann ihn säkularisieren: psychologisch geschulte Funktionäre (Sport, Erziehung, Medizin, Schule, Ämter …) bearbeiten die Schutzsuchenden und Anbefohlenen. Psychologisch geschult sind sie für und zur ideologischen Bearbeitung, nicht um ihnen zu helfen.

Wen meint mein Traum?

Wieder geht mein Blick auf die neu erstandenen und vor ein paar Tagen aufgestellten Kunstpostkarten; diesmal richte ich jedoch das Licht der Leselampe quer durchs Zimmer auf sie. Ich bringe die sechs Namen der sechs Künstler nicht mehr zusammen: ich weiß nur: Kokoschka, jetzt setzt auch mein Gedächtnis aus – ich weiß, wen ich meine, aber der Name fällt mir nicht ein: ah! Chagall, Nolde, Brandl; die restlichen zwei habe ich vergessen, und nicht nur die Namen. (Munch, und – ich muß auch jetzt beim Eintippen nachschauen gehen – Monet).

Übrigens: das da oben sind ja nur Postkarten; aber unsere echte Kunstsammlung umfaßt: 2 Priesch, 3 Neuvalis, 1 Jocher, 1 Mappe Cibulka, 2 Vizjak, 1-2 Herber, 1 Vähälä. Irgendwen vergessen?

Und unsere eigenen Arbeiten und die unserer Kinder. Davon Unmengen.











(26./27.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 25. Januar 2020

1724 Im offenen Vollzug


Ich lehne in der offenen Schlafkoje auf zwei Pölstern – im sogenannten offenen Vollzug – und blicke auf meinen vor Scham verhüllten, nicht funktionierenden Plattenspieler. Der Plattenspieler ...

Auch hier kommt mich die Katze besuchen und tatzelt mich mit bekrallten Pfoten an um meine Liebe einzufordern. Sie wartet auf die Kaffeezeremonie, bei der sie auch ein Gläschen Wasser bekommt und gemeinsam mit uns trinkt.

Nachdem ich die Katze eine zeitlang gestreichelt habe, schlage ich eine neue Seite auf – in meinem Notizbuch, vielleicht auch in meinem Leben. Jeden Morgen ist eine neue Chance und hoffentlich bringt sie mir mehr Einkommen. So weit bin ich schon!

Hey Boss! Ich brauch mehr Geld! (Anders als durch einen Deus ex machina wird es nicht gehen! - so wie es ausschaut.)

Falls jedoch die Zentralkraft da oben weiblich ist:

Hey! Lady Madonna! Ich brauch mehr Geld!

Und falls weder-noch, neutral und unpersönlich:

Hey! Universum! Ich brauch mehr Geld!

Ja, ja, ich weiß schon – Geld macht nicht glücklich. Aber ich will mein Nicht-Glück besser genießen können ohne mich anzustrengen, bei Kuchen und Kaffee, Theater und Juchee, Musik und Bücherschmäh. Ich will! Ich will! Ich will!

Der kleine „Dschungal“ beim Fenster hat über so viel Alterspubertät und infantiler Schicksalsunverschämtheit ein entsetzt dreinblickendes Auge in Form einen großen Blattes auf mich geworfen und starrt mich so und betroffen an. Ich nehm's gelassen. Ich denke immer, die Götter haben Humor und werden über uns Zappler lachen. Was vermutlich nicht stimmt, denn was gibt es für den ersten unbewegten Energieaufwirbler in seinem Energiereich über seine Energiewirbel und deren Folgen zu lachen oder zu weinen? Nichts! Aber wir, wir können lachen.











(25.1.2020)













©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1723 Der Spießer


Drei Uhr siebenunddreißig. Gerade erst bin ich mit meiner Arbeit fertig geworden und rechtschaffen müde  (nicht einmal der Verdacht jetzt spät in der Nacht, dass meine Schreiberei und was ich damit verbinde eine ungeheuerliche Selbsttäuschung und ein blinder Selbstbetrug sind, kann mich davon abhalten, mich rechtschaffen müde zu fühlen, weil es dem Spießer beim Arbeiten nur um die Anstrengung und deren Anerkennung geht – egal ob das Ergebnis sinnvoll ist oder nicht).

Heute schaue ich auf die sechs neu ins Regal an die Bücher gelehnten Kunstpostkarten hin, von meinem Bett aus, und erfreu mich daran, auch wenn ich sie im Schatten drüben kaum erkennen kann (der Spießer ist stolz, wenn er Kunst besitzt; sehen muß er sie gar nicht richtig. Besitzen muß er sie und sie präsentieren und mit ihr angeben können – und wenn es nur ein paar Kunstkarten sind).

Die Idee wäre, mich jetzt weiter richtig aufzuspielen, aber nun bin ich einfach zu müde. Rechtschaffen wohlgemerkt!











(24.1.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 24. Januar 2020

1722 Albert & Ina


Nach langem Zureden und vielen Ablenkungs- und Vermeidungsmanövern habe ich es endlich mit stundenlanger Verspätung in die Albertina geschafft. Auch meine Ohren protestieren und spucken die Musikohrenstöpsel raus und mein MP3 hört aus Saft- und Kraftlosigkeit auf zu spielen. Aber ich bin schlau und rechne immer mit meiner Selbstboykottierung (Boy-Gottieren) und deshalb trage ich immer einen zweiten MP3 bei mir.
Ich habe noch nichts, kein Bild angeschaut und sitze bei den Sphinxen, die mich heute gar nicht interessieren, und auch der geneigte Augustus kümmert mich nicht, sondern ich bringe all mein Zeug in Ordnung und baue mir das neue Musiksystem auf. Und ich mache – schwer zu erraten – meine ersten Notizen und höre die begnadete Andachtsmusik der Omar-Rodriguez-Lopez-Group. Nun gehe ich los ins späte neunzehnte, frühe zwanzigste Jahrhundert.

Einen Picasso so aus der Ferne, da im anderen Raum drüben ist auch nicht schlecht, aber ich habe anderes vor. Hier ist links von mir Sitzendem die Bretonin im Schatten, das Licht von hinten. Das feine und schüchterne, ein wenig ängstliche, kaum bemerkbare Lächeln. Ein Schauder geht mir über den Rücken, darum gehe ich weiter, obwohl mehr als sieben Schönheiten im Raum sind – körperlich und bildlich; in meinem Bewußtsein im Inneren macht das nicht so den Unterschied, von den Bildern wie von den Leibern trage ich bloß Bilder in mir.

(Viele Kunstwerke kommen hier nicht vor, weil ich mich vor ihnen nicht hinsetzen kann.) Nun wieder vorm geliebten viereckigen Klee. Neunzehntes-Jahrhundert-Technik und Clowns halte ich auf Bildern kaum noch aus; egal von wem und wann gemalt.

Ich drehe mich auf der Sitzbank im Sitzen „wie so ein Schwuler“ in eine andere Richtung: das Notizbuch in meiner dreifach beringten linken Hand, die Beine in der Luft – ich schaue haltungsmäßig aus wie der Kurze auf seinem Geilomobil – das sagen mir zumindest mein innerer Beobachter, Kommentierer und Kritiker – letzterer kritisiert mich auch wegen der verächtlich-homophoben Formulierung und Aussage. Darauf ich: Couche! Du fieser Kritiker! Erst sagt du das zu mir in diesen Worten (du bewegst dich wie …) und dann wirfst du mir vor, dass ich es so hinschreibe! Du blöder Aff! Ach!

Bei Feiningers Promenade muß ich lachen – die Blicke der vier sind so … so … hihihi.

Heute spricht mich der bunte Berg bei Oberstdorf von Jawlensky besonders an (meine Tiroler Landschaft bei Rettenschöß!)

Mit ungarischer Romamusik im Ohr traue ich mich auf die Stufen einer kleinen Treppe zu setzen um Munchs Winterlandschaft angaffen zu können, die mich an...spricht? … an...bildet? Die tote Jahreszeit, die so schwierig ist, nur mehr Schneeflecken, alles braun, aber hier das weite Meer, das in dem Dunst doch noch alles offen hält.

Mein Lieblingsplatz vor Kokoschkas Städtelandschaften ist frei. Wie immer lasse ich hier meine Augen ausruhen. Ich werde das Notizbuch weglegen und zur Andachtsmusik von Omar zurück tippseln.

Allein schon die Himmeln über Dresden und London (vorm Krieg), je ein ganzer Kosmos; und die Wässer von Themse und Elbe („bei Dresden, da geht ja die Elbe so still“ W. Biermann. Nach dem Krieg). Die Menschen sind gottseidank nur kleine, aber unverkennbare Farbflecken.

Langsam zieht auch die durch einen Betrachter halb verdeckte Obstschale in der Landschaft, genauer: mit Himmel und Berg (recte: Stilleben mit Früchten und Vogel) meine Aufmerksamkeit auf sich.

Den Vogel habe ich aus der Entfernung gar nicht gesehen und aus der Nähe bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob das dahinter eine Landschaft ist – jedenfalls jedoch großartig gemalt.
Ich habe mich wieder zu den Städten gesetzt und blicke wieder von dort auf das Obst – das ist mir viel lieber: da hat mein Wahrnehmungs- und Bildorganisationsapparat mehr Möglichkeiten, sein Zeug zusammen zu brauen.

Die Menschen im Saal nehme ich kaum wahr, nicht einmal die Frauen. Nur die Wächter. Da denke ich: die werden mich bald zur Rede stellen und arretieren: schon vorhin, als ich auf den Stufen gesessen bin. Und auch jetzt mit meinem Stoffsackerl mit meinem Zeugs (Brille, Notizbuch, Stifte, Ausweise, Empedreis) neben mir auf der Bank könnte ich mich schon verdächtig machen. Auch, weil ich so andächtig vor den Kokoschkas sitze: könnte ja ein Schizophrener sein knapp vor dem Bildanschlag mit Kugelschreiber. Ich könnte ja auch ein Messer im Beutel haben. Wie erklären, dass ich eher pyknisch denn leptosom und manisch-depressiv denn schizo bin? Oder ist der Empedrei zu laut eingestellt? Hören das die anderen Besucher? Störe ich diese? Ich bin immer im Alarm, wenn ein Aufseher vorbei kommt – irgendwas ist doch an mir immer falsch! Die Aufseher und Innen tun mir wirklich leid, dass sie sich mit mir befassen müssen, unsicher sind, wenn sie mich beobachten, ob der gleich was anstellt oder nicht, sich fragen, was das für eine Type ist. Ich gehe besser weiter.

Der liebe Boeckl rechts fällt mir erst beim Abschiedsrundgang auf. So setze ich mich nochmals hin und wende mich dieser Dame zu. Auch hier: jeder Strich, jeder Fleck am richtigen Platz, jede Farbe passt (mein innerer Kritiker sagt: daran kannst du sehen, was du für ein Pfuscher bist).

Ich habe mich auf eine Bank im dunklen Gang niedergelassen; links der lächerliche Kardinal (der Kardinal ist lächerlich, nicht die Skulptur), aber in größerem Abstand als letztens. Ich sitze nämlich am rechten Rand des Riesenspiegels. Ich luge geradenoch auf mein Spiegelbild, wenn ich den Kopf etwas nach links lege: der grobe Holzhacker mit den Holzhackerstiefeln und dem Holzhackerhemd und der vernudelten Holzhackerjeans: ein rustikaler Ddoddel inmitten der feinen Kunst, ein Gefühls- Empathie- und Kunstsinnsgrobian, ein Kunst-Banause ohne jedes handwerkliche Geschick; und überhaupt: wäre ich jetzt unter was weiß ich: Steierern („Leit grouß und stoark“) oder bodenständigen oder ständig bergsteigenden Tirolern: ich würde mich als elendes Zniachtl fühlen, als eine blasse, leere, aetherische Existenz, die von jedem Lüftl (-malerei – nana, irgendwann ist Schluß mit der Assoziiererei!) also die von jedem Lüftl und jedem „wos wüßt!“ verblasen wird.
Aber hier bin ich ein grober Knecht.

Die schönen Frauen, die plötzlich zu Hauf in diesen dunklen Gang strömen – weg weg! Ich bin nicht würdig euch auch nur anzuschauen! Schluß! Aus! Ich flüchte in den hellen Saal am Ende des Ganges.

Nun sitze ich wieder einmal vor dem Knöpfelweg in Hinterbrühl von Marie-Louise von Motesiczky, das mir als ein besonders magisches Bild vorkommt mit seinen Telegraphenmasten – wie wir früher gesagt haben und die ich noch aus meiner Kindheit kenne. Ein kurzes Stück einer leeren Straße im Sommer, kurvt nach links hinab, wahrscheinlich Schotter. Die Bäume sind Wesen, unglaublich geheimnisvolle Wesen mit magischem Eigenleben. Auch die Schatten wirken ungezähmt, wenn man genauer hinschaut; es fällt nicht gleich auf. Und die Holzmasten mit den vielen Porzellanhaltern für die Drähte der Stromleitungen: auch sie transportieren wichtige Botschaften (Oh! Der liebe John Frusciante singt und spielt sein wunderschönes All We Have!)
Und Motesickys Arbeiter rechts davon: lacht und lächelt so sanft, so freundlich, so geduldig in seinem sicherlich schweren Leben (glaube ich), daß ich ihn umarmen könnte. Anmutig auf seine Art. Mit seinen großen, langen Händen und den arbeitsgeprüften Schuhen.

Beim geliebten blauen Chagallbild (Papierdrachen) bleibe ich nur im Vorbeigehen kurz stehen, denn ich bin müde und will noch Energie für des Kabinett des Klee aufheben, das ich dann doch flott dreimal innen umkreise.
Die Bilder dort berühren mich sehr. Dieser feine und gekonnte Umgang mit Papier, Form und Farbe.

Dann will ich heim, aber bleibe bei Giacomettis Landschaftsbild hängen, das auch in mir Resonanz findet. Und seine kleine Skulptur Stehender Akt – fast zum Heulen, wenn man sie länger betrachtet. Und dann noch sein Käfig.
Ich setze mich sogar nochmals hin, notgedrungen in einiger Entfernung. Aber jetzt, jetzt ist es Zeit. Für seine vier Frauen habe ich keine Energie mehr und bin überfordert.

An Picasso werde ich einfach vorbei gehen.











(23.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1721 Ich rette die Welt


Zwei Uhr zwanzig in der Nacht. Nachdem ich 1.) nicht schlafen kann und 2.) aufs Klo muß – daran ist nichts mysteriöses, denn ich habe viel und spät Kaffee getrunken – habe ich das Licht wieder aufgedreht, die heiligen drei Pölster übereinander geschlichtet, nach Erledigung meines kleinen Geschäfts mich wieder ins Bett gelegt, die Brille aufgesetzt, Notizbuch und Stift genommen und begonnen, die Welt zu retten.

Schon beim Versuch einzuschlafen nämlich (mit h schreibt ist dämlich) habe ich alles im Kopf geklärt: zuerst all meine Traumata und Störungen ausgebügelt, dann die Fehlentwicklungen der kath Kirch im Blitztempo abgehandelt (so schnell, dass ich „kath Kirch“ statt katholische Kirche schreiben muß zur Zeitersparnis), bin übergewechselt zu Aufklärung, Rationalität und Freud und Freudianismus – aus dem linken Ärmel meines Pyjamas geschüttelt alle die grundlegenden Fehler korrigiert, so daß es wieder passt – alles ganz plausibel, rational, einleuchtend und aus sich heraus erhellend, meinen ZuhörerInnen ganz verständlich, klar; sie mußten keine Fragen stellen, ich konnte in meinem inspirierten Vortrag fortfahren ohne durch lästige Fragen oder Einwände in meiner Mission aufgehalten zu werden; und so konnte ich auch noch die Geschlechterrollen angehen (Ihr Frauen! Ihr würdet euch wundern, was ich da alles zu sagen und zu erklären habe!) mit einem kleinen Abstecher zur Wirtschaft – das genügt! Die soll sich nicht so wichtig nehmen - und so bin ich ständig redend – passagenweise kannte ich meine ZuhörerInnen, passagenweise weiß ich nicht, zu wem ich geredet habe, oft einfach nur so ins Universum hinein – flott in der Welt- und Geistesgeschichte herumgerast und dabei nicht müde geworden.

Ja, der Welt entgeht ein großer flotter Denker vor dem Herrn, weil sie mir nicht zuhört! Ich staune ja selbst, wie gekonnt ich das alles erledigt habe und damit die Grundlagen für die nachhaltige Rettung von Menschheit und Welt geschaffen. Und das in einer guten Stunde beim Versuch, einzuschlafen! (Diese Stunde muß wirklich gut gewesen sein!)

Nun aber spüre ich eine leichte Erschöpfung, wiewohl ich noch ganz aufgeregt bin vor lauter Begeisterung über mich selbst. Und ich gestehe, dass ich das nicht zum ersten Mal mache! Dieses Vortrags-Konglomerat-Konzentrat mit all seinen gezippten Informationen und erleuchtenden Ideen habe ich schon unzählige Stunden in meinem Kopf, immer die jeweilige Welt- und Geistessituation und die jeweilige Zuhörerschaft berücksichtigend – abgespult, vom immensen Pool meines Wissens und meiner blitzschnellen Bildung (?) gestützt immer aus dem Stegreif – Vorlagen, Zettel, Stichworte - alles nicht nötig (der Pool stützt mich: wie er das macht, kann ich jetzt auch nicht erklären, aber mit solchen Nebensächlichkeiten halte ich mich nicht auf).

Ich muß schon wieder aufs Klo. Brunzen kann ich bei diesem Getröpfel nicht sagen, denn „brunzen“ ist eine Intensivierungsform von „brunnen“, wie „flitzen“ zu „fliehen“ und „schnitzen“ zu „schneiden“.

Ja ja mein Geist ist jung frisch stark urschnell, mein Genitourinalsystem (wenn es dieses Wort nicht gibt, habe ich es gerade erfunden) ist alt und ausgeleiert.

Also aufs Klo und dann probiere ich wieder einzuschlafen. Wenn es nicht geht, dann rette ich die Welt halt nochmals. Diesmal vielleicht mit der Begrünung der Sahara.

Jetzt wird mir doch ein wenig übel und beim Aufstehen schwindelig.
Aber diese Klarheit im Alter! Diese Klarheit!








(23.1.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1720 Ich verabschiede mich bei allem


Etwas hat am untersten Glied meines linken Mittelfingers auf der Außenseite einen länglichen, ganz leicht geborgenen Abdruck hinterlassen. Da ich weder sehr aufmerksam noch aware bin, weiß ich nicht, was das war. Vielleicht das Buch, das ich gehalten habe. Der Abdruck ist dunkel, rot und es eignet ihm eine gewisse Tiefe an (ausgemessen habe ich sie nicht). Daneben, ganz parallel, befindet zieht sich ein zweiter, schmälerer, flacherer und längerer Strich als Relieflinie hin.

Ich wende meine Geschau meinem glücklichen Zimmer zu und lasse die Augen zunächst über meine vier Hauptbilder gleiten: die beiden Lošinjis, eine Gegend bei Rettenschöß und das Winterphoto von einer Riesneralmabfahrt. Da ist es die untergehende Sonne in der Schneiße im Wald, die das Bild wesentlich ausmacht.

Ich verabschiede mich bei allem, auch bei den nicht erwähnten stolzen Büchern für diese Nacht. Ein Uhr vorbei. Heute schaffe ich es etwas früher als sonst.









(22./23.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1719 Vorm Zahnarzt


Ich danke für das Verständnis, dass ich noch im Kinderwagen bin, eingepackt, sicher, geschützt und herausschaue. Reserviert für: und drei andere stehen auch noch auf dem Pickerl auf dem Sessel im Wartezimmer der Zahnambulanz (alt, schwanger, blind). Die Karten sollen eingeworfen werden; steht auch da. Mein Ausschlag links an der Hand nahe des Handgelenks hat sich wieder ausgebreitet – merke ich jetzt, da ich warte. Ansonsten habe ich keine Zeit, genau dort hin zu schauen – kommt mir vor.

Aber das ist kein Schreiben, wenn ich dauernd der Tatsache gewährtig sein muß, dass (ich weiß nicht, was das Theater soll, denn das ß ist auch nur ein ss übereinander platziert, aber ich gebe halt allmählich nach und schreibe allmählich dass statt daß) dass ich aufgerufen werde. Und das ist der Stress unter dem ich ständig lebe. Wenn ich in vier Stunden einen Termin habe, kann ich nicht mehr zwei Sekunden auf meine Hand schauen. Außer – so wie jetzt – zufällig und nebenbei. Aber es mir vorzunehmen: ich schaue auf meine Hand und überprüfe, ob das Dingsda größer geworden ist – nein, das geht nicht mehr („der Mann ohne Eigenschaften“).

Die Unruhe ist zu groß. Dabei habe ich keine Angst vorm Zahnarzt; schon gar nicht, wenn es eine Zahnärztin ist.









(22.1.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 22. Januar 2020

1718 Die Scharfkantigkeit der Gegenstände


Mein Tiroler Landschaftsbild zerfällt in Flächen. Die Scharfkantigkeit der Gegenstände hat die Nacht überstanden. Jetzt werden auch die Bilder an der Wand plastischer, besonders Lussinpiccolo (Klein-Lötzing), aber auch das Tiroler Bild hat sich reorganisiert. Lussino Grande (Groß-Lötzing)(und das ich, der ich so slawophil bin! Es geht nicht anders: Veli Lošinj) bekommt ein neues Aussehen. Und der Sonnenlichtballen im Winterphoto bekommt einen kreisrunden Kern als Sonnenscheibe.

Unten zischt die Kaffeemaschine und mein Haupt neigt sich nach links. In der Körpermitte (ich war in meinen Beschreibungen schon mutiger!) spüre ich noch die geträumte kleine Sexorgie, aber passiert ist eh nix.

Die Katze denkt nicht daran, die kleine Motte zu jagen,  die – so schaut es aus – ihren Pelz  für die Eierablage (?) erwählt hat.

Ich überprüfe nochmals die Scharfkantigkeit der Gegenstände in dieser Welt, weil ich schon das Umkippen in eine andere kommen spüre.

Der deutliche Gestank von Katzengacki (bald ist Tageskinderzeit) in der Nase erweist sich als Geruchshalluzination. Für den Reality-Check desselben bin ich sogar aufgestanden und habe am Rückweg im Vorbeigehen ein kleines Stück Birne gegessen.

Nun beginnt mein Zimmer, oder meine geo-/egozentrische Wahrnehmungskugel, oder meine Lebenshöhle zu schweben.

Von meinem starren Blick an die Wand bekommt bekommt mein Tiroler Landschaftsbild Löcher.

Das Gerumpel der Müllabfuhr löst nur mehr müde Gedanken und vage, flache Bilder aus, die die Augenlider von und innen runterziehen wollen.

Ja, das Alltagsbewußtsein aufrecht und gültig zu halten ist anstrengende Arbeit.







(22.1.2020)







©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1717 „Bis in den Himalaya“


Ich blicke mich um in meinem Zimmer, aber anscheinend habe ich es ausgeschrieben und leergeschaut. Dafür sind die Dinge hier heute so plastisch. Sie ragen so scharfkantig in Raum (und Zeit).
Die Bilder an den Wänden schweigen. Ich könnte höchstens „Dächerschlange“ sagen. Und dass der abstrakte Heuwagen links in den Abgrund rollt.

Und wenn ich jene Scharfkantigkeit der Gegenstände voll zulasse, wird sie mir fast ein wenig unheimlich und ich verstehe, warum es „Gegen-stand“ heißt.

Drückt etwas von außen auf meine Wahrnehmungs- und Lebenshöhle? Bricht die Höhle irgendwann ein?
Mir kommt vor, es geht ganz langsam, in Zeitlupe, wie die Verschiebungen der Kontinentalplatten.

Ist es nicht irre, dass es in Millionen Jahren ein einziges Riesengebirge von den Alpen bis in den Himalaya („...mechat i mit dir gehen!“ Grüße an Pete de Groove) geben wird? (Also nicht mit dem Pete! (Obwohl ich nichts gegen meinen Vornamen habe!) Ich mit meinen blöden „Gags, Gags, Gags!“ Grüße an … ach was!)

Aber was türmt und schiebt sich hier hinter den Kulissen auf?










(21./22.1.2020)













©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1716 Mindestens doppelt


Ich sehe mindestens doppelt. Ich wische mir den Schlafsand aus den Augen und richte die Lesebrille zurecht (und zu unrecht). Die Augen brennen und tränen an diesem Morgen. Die Katze schnurrt, mein Gehörsinn surrt.

Schalte die Maschine ein.
Welche? Ich weiß nicht.

Ver(?)    nocht … die langsam … tausende …......








(21.1.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 17. Januar 2020

1715 Mein zweiter Morgen


Mein zweiter Morgen beginnt seinen Tag mit schlechtem Gewissen, weil er sich entzweit und vom ersten abgespalten hat. Ich habe nämlich heute in der Früh nach Fertigstellung meines Morgentextes gelesen, bin dann aber müde geworden (Grüße an Joseph T. Jocher) und wieder eingeschlafen. Diesmal aber richtig: die Pölster weg, mich selber flachgelegt – nicht nur im Sitzen zwischen Erde und Himmel dahin gedöst.

Nun aber nehme ich all meine Entschlußkraft zusammen und entscheide mich: ich stehe jetzt auf. Das ist die Trennung von Traum und Bett.

Bevor ich den Entschluß vollziehe, kommt noch mein pelziges Geheuer, legt sich mir auf die Brust und ich streichle ihr weiches Fell.









(17.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1714 Zuckeln


Meine innere Gestalt rückt sich erst in der äußeren Zurecht, noch passt es nicht ganz. Sie zuckelt noch herum, aber bevor noch die innere ihre vorgesehene Position in der äußeren gefunden hat, beginnt die innere bereist von innen her die äußere Gestalt aufzulösen.








(17.1.2020)








©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1713 Logos spermatikos


Die Bücher stehen, lehnen oder liegen quer und flach in den Regalen. Und ich lese. Ich werde noch Mal einen bestsellerischen Krimi schreiben, so sehr s(ch)immelt es mir vor lauter Stoff, aus dem die Träume sind, im Gehirn. Wenn ich eine Krimi schriebe – also einen Krimi, eine ganzen Roman mit klarer Story, mit realistischen oder realistisch anmutenden Figuren, wirklichkeitsgetreuen Schilderungen und Beschreibungen, auch Tat- und sonstige Orte wären einigermaßen gut beschrieben, Dialoge lebensecht, die Struktur glaubwürdig, wenn ich also so einem Kriminalroman schriebe – das wäre für mich und meinen Charakter eine so massive Veränderung wie eine Geschlechtsumwandlung.

Und wenn auch das Weibliche älter, umfassender, genetisch besser ausgestattet ist als das männliche Prinzip, das als Y-Chromosom doch bloß aus einem Teil eines zerbrochenen X-Chromosom stammt und viel weniger Gene und Information hält, und obwohl ich ein miserabler Vertreter des männliche Geschlechts bin, und obwohl die Geschlechtsteile beim Mann gefährlich ungeschützt platziert sind: ich gebe mein Zipferl nicht her! Und sei es nur aus Gewohnheit. Also wird nichts aus dem Roman und ich bleibe bei meinen literarischen Kurzergüssen, ohne zu wissen, wieviel erfolgserzeugende Spermien darin enthalten sind. Logos spermatikos einmal etwas anders verstanden.

Vor Schreck über meine Derbheit zuckt meine rechte Schreibhand aus und der Kugelschreiber beschmiert meinen linken Daumenballen mit einem schwarzen Strich, der auf der Haut – ein wenig aufgesaugt? - ins Bläuliche changiert. Meine Linke ist sofort weggezuckt und so ist die rechte mit ihrer vielleicht von einem Geist gelenkter Zuckungsschreiberei – vielleicht so zum Orakel mutiert – nicht fertig geworden und die Botschaft am Daumenballen ist unvollständig? Was hätte dann dieser kurze Strich werden sollen?

Ein Ausrufungszeichen ! (ja! Tanz den Irrsinn, schreib den Krimi! Super!)?
Oder ein X (Njet! Halt! Kein Durchgang! Zutritt verboten!)?
Hat das X bei Jugendlichen nicht auch einmal Umarmen und Vögeln geheißen? (Umarme deine Umnachtung! Fuck your biederen Wahnsinn!)?
Oder einen Einser 1 (erster Platz auf der Bestsellerliste! 1 bißchen mußt noch warten)?
Oder ein Schrägstrich / (Krimi/Entwicklungsroman/Liebesroman/...)?
Oder ein El groß oder klein L l (Ella Fitzgerald (?), Lieschen Müller (?) …)?
Oder ein A (Ahoi! Ahornsirup, Altersweisheit, senile Bettflucht – bei mir  ins Bett)?












(16./17.1.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 16. Januar 2020

1712 Schön, Rein, Klar


Heute Morgen wirkt auf den ersten Blick im Zimmer alles klar, rein und hart konturiert und gezeichnet. Nichts Verschwommenes (Darum halte ich mich jetzt auch an die Schreibregeln und schreibe Verschwommenes mit großem Anfangsbuchstaben).

Nichts löst sich auf. Da ich gestern sehr spät schlafen gegangen bin und mich heute die Katze sehr früh aufgeweckt hat, rechne ich damit, daß ich bald wieder einschlafen werde und dabei alles sich auflösen sehen. Ich lauere schon auf den Übergang. Und es geht schon los: das schöne, reine, klare Bild der Wirklichkeit beginnt sich schon deutlich und heftig zu bewegen. Aber noch ohne zu verschwimmen!

Zack! Und die Augen sind zugefallen.

Höchl vor! – noch ein Tor!

Zentrum oder Peripherie – das ist mir doch alles völlig wurscht!









(16.1.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1711 Am kleinen Photo


Die Wintersonne am kleinen Photo, die zwischen den Bäumen schon im Untergehen noch hervorschaut, ist immer noch stark genug, der hellste Fleck der Wand zu sein. Was sagt der Tod dazu?









(15./16.1.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1710 Altbertina


Von Katharina (nicht die!) Grosse lasse ich mich psychodelisieren; von Liliane Tomasko antörnen. Beim Herwandern durch die Stadt habe ich in den Auslagen der Kunsthandlung Wienerroither & Kohlbacher Zeichnungen von Lyonel Feininger gesehen, die mich zum Teil mehr angesprochen haben, als seine „ausgemalten“ Bilder in der Albertina („ausgemalt“ - solche Frechheiten muß ich aufbringen, um mich überhaupt etwas zu diesen großen Künstlern und ihren Werken sagen zu getrauen; wer bin ich schon? - kommt mir dann immer vor. Und erst wenn ich frech geworden bin, komme ich über den Berg der Hindernisse der Annäherung und kann darauf zugehen).

Vom Sitz bei den zwei Damen bin ich jetzt herübergewechselt und habe mich schräg gegenüber Augustus niedergelassen, links von mir der Antonius, während sich der Antony in meinen Ohren niederknocken lassen will, wenn er zu mächtig und high wird, weil er nicht größer ist als das Leben.

Gegenüber sitzt ein glatzerter Alter in dunkelblauen Jeans und kürbisfarbenem Pullover. Viele Leute ziehen regelrecht vorbei – sie kommen mir wirklich wörtlich von irgendwem oder -was gezogen vor. Der Alte gegenüber schaut andauernd her – immer, wenn ich hinschaue, hat er seinen Blick auf mich gerichtet! Was will er?
Ich könnte die zwei Sphinxen rechts von mir – die eine auf meiner Seite des Ganges, die andere sozusagen am anderen Ufer gegenüber – fragen. Also, was will der Alte da, meine Damen?! (ich trau mich das jetzt nicht laut aussprechen: aber die beiden schauen ziemlich blöd drein! Ihre Köpfe scheinen mir im Verhältnis zum (überhaupt weiblichen?) Löwenkörper überdimensioniert; sind Löwinnen wirklich so feist, haben sie nicht kleinere Köpfe? Na gut! Mischwesen!)

Wieder lugt der Alte über seine Brillen her (aha! Altersweitsichtig!). Ausschauen tut er mit seinem aufgestellten Pulloverkragen und seinem Spitzbart fast wie der Schreiber und fiese Berater des Zaren Jeremei - Afonja in „Warwara-krasa“.

Die vorbei gehen prägen ihre Präsenz zu schwach in diesen querlaufenden Wahrnehmungskanal, auf den ich hin schaue – hebe ich mein Haupt vom Notizbuch auf – schon sind die Passanten vorbei und ich und der der Ort, wo sie gegangen, wir haben sie schon vergessen.

Ziemlich gekrümmt sitzt der Alte gegenüber da, zu weit weg, als daß ich ihm in die Augen schauen könnte; vielleicht wäre das des Rätsels Lösung, was er da tut.

Ich glaube, ich werde jetzt den Gang nach rechts gehen und die komischen Sphinxinnen passieren (wirklich Comicfiguren! Und warum zwei? Befragt man/wird man jetzt doppelt befragt? Doppelt hält besser? Und wenn jede eine andere Frage und eine andere Antwort hat? Oder gar auf dieselbe Frage zwei unterschiedliche Antworten und Wahrheiten erwartet?). Ich werde weitergehen, ein letzter Blick noch auf den Alten – wieder ertappe ich ihn, wie er herschaut! - Will er mich kontrollieren?

Bei den Zeichnungen. Im Moment packt mich keine so richtig.

Die Besucher und Betrachter (wenn überhaupt, sonst Fotografierer) heben sich wie dunkle Pflöcke von den hellen Wänden ab, als wären sie anorganische Lebewesen oder deren Scouts, die sich hier zwar materialisieren wollen, aber sie bleiben etwas im Pflockhaften (hahaha!) stecken (der Pflock – der Stecken – mein Gott, hab ich mit meinen Handschriften Spaß beim Eintippen!). Oder sind wir Menschen so? Steckengeblieben? Die Autokorrektur (eine Autoimmunkrankheit) verlangt: Stecken geblieben (da bin ich im Geiste wieder in der anderen Abteilung, in der mit den Guggingern. Der Name! Gleich fällt er mir ein! Oswald Tschirtner!) (Was guggst du!) (Gugu?-dada!).

Ich ruhe mich in den Stadtlandschaften Kokoschkas aus; nichts ist besser dafür geeignet, Augen und Seele erlösende Ruhe zu verschaffen. Und so blicke ich als Landflüchtling auf Dresden und London und freue mich über die Weite, die Freiheit und Schönheit der Städte.

Nun sitze ich einem stehenden Kardinal gegenüber (sicher ein Italiener, aber seine Visage erinnert mich an die des Bischof Fünf; nur daß der da besonders blöd dreinschaut). Schon wieder der alte Glatzkopf gegenüber, diesmal näher, und wieder starrt er mich an. Jetzt kann ich seine Augen über den dunklen Gang hinweg ein wenig ausnehmen: verschlossen und fragend. Erwartet er überhaupt eine Antwort? Sein weißes Spitzbärtchen leuchtet im Dunkeln. Sonst sehe ich sein Gesicht schlecht, anscheinend keine interessanten Konturen, keine markanten Gesichtszüge vom Leben eingeschrieben, unbestimmt und etwas verwaschen. Eher ein fader Zipf.

Der Kardinal mit seiner steifen Zipfeleini-Zipfelaussi-Mütze schaut so richtig dämlich aus.

Zwischen dem Alten und mir staut sich wirklich substanzielle Dunkelheit. Nicht Licht-, sondern Dunkelheitskorpuskel (meine Entdeckung! Copyright). Ich geh weiter.

Noch einmal lege ich eine Rast ein; bei Chagalls Papierdrachen, den und seine Farben ich so mag, erholen sich meine schon überforderten Sinne. Noch ein wenig ausruhen, dann breche ich auf und fahre nach Hause in meine Zelle.

Beim Hinausgehen komme ich in einen reinen Klee-Raum! Der ist entweder neu oder mir noch nie aufgefallen. Obwohl ich den Klee liebe, streife ich an seinen schönen Bildern nur vorbei, denn ich kann kaum noch etwas aufnehmen. Nur die "irrende Seele" findet in der meinen schnelle und nachhaltige Resonanz.









(15./16.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1709 Zu Recht!


Wenn die Flecken und Schrunden an den Wänden und Mauern wegen der immer perfekteren Wohnungsausstattungen und Baumaterialien aus den Häusern und Wohnungen und von den Mauern verschwinden, tauchen sie an den Wänden der Galerien und Museen als Kunstwerke auf. Zu Recht! (Und in diesem Perfektionismusbereich der Postmoderne leiste ich es mir nicht, „zu recht“ zu schreiben, wie es meine Gewohnheit ist und mir viel lieber, sondern halte mich streng an die Spielregeln. Vielleicht zu Unrecht.)











(15/16.1.2020)














©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1708 Jetzt kommen die Tageskinder


An meinen Schläfen tuckert es. Draußen ist großer Wirbel und Lärm, den ich aber erst richtig bemerke, wenn er verklungen ist. Die Katze schärft ihre Krallen unten im Holz, wie ich höre.

Rhythmische Zuckungen durchlaufen meinen Körper. Ich erkenne das Lied nicht und weiß nicht, ob diese Zuckungen noch physisch oder schon energetisch sind.

Der Ring um meinen Kopf gerät in ein leichtes, sanftes Pulsieren. Als ich die Augen wieder öffne, sitzt die Katze auf dem Teppich vorm Bett und putzt sich.

Schockartige Empfindungen an meinen Fingern wecken mich auf und wirklich, es klopft mein Herz ganz aufgeregt. Ich zähle sechs Tageskinder, obwohl es höchstens fünf sein können und obwohl sie noch im Park und noch gar nicht da sind.

Ein unsympathischer Mann vögelt eine Frau, der ich gerade einen Vortrag halte; erst nach längerer Rede kommt mir der Gedanke, daß das etwas unpassend ist – und schon bin ich wieder da in meinem Bett in meinem Zimmer.

Und der Fr.-St. P. hält jetzt mir und meiner Tochter im Zug (durch Tirol?) einen Vortrag über neomarxistische Philosophen.

Schritte, Türen, Küchenlärm.

Jetzt kommen die Tageskinder!









(15.1.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1707 Wer weiß?


Mit hellgrauer Schrift will der Kugelschreiber mein bunte Welt aufschreiben. Ich habe jedoch schon alles im Zimmer hier beschrieben (stimmt freilich nicht! Wirklich alles, das wäre mir viel zu mühsam!).
Und hellgrau! Ich werde die Handschrift beim Abtippen schwer lesen können. Aber ich habe mich ja beim Stiftekauf in einem Farbenrausch verloren und alle möglichen und unmöglichen Kugelschreiber – alle derselben Edition – in einem Anfall von Serien-Vollständigkeits-Perfektions-Konsumations-Wahn gekauft; jetzt muß ich sie alle benutzen, nicht wahr?

Wenn ich diese hellgraue Schrift lange anschaue – und ich habe dafür genug Zeit und Muße, weil mir nichts zu schreiben einfällt – schimmert sie mir grünlich, bräunlich, gelblich (beinah hätte ich göttlich geschrieben). Ja, auch ein klein wenig rötlich.

Ach, ich seufze, und hinter meinen Augen versammeln sich Tränen, die sich aber standhaft weigern, herauszukommen.

Ich bin nicht unglücklich, überhaupt nicht! Ich bin ganz zufrieden hier; zu und im Frieden.
Im Mali-Lošinj-Bild stellt sich allmählich mitten auf der Hafenstraße ein Fels auf, der sich soeben in eine Frau mit Kind verwandelt. Und in der Häuserfront taucht – soweit ich weiß – zum ersten Mal eine Skulptur auf, eine haushohe undeutliche Büste. Und die Frau mit Kind hat sich ein wenig gedreht.

Auch der Berg im Bild daneben ändert sich, als zögen wirkliche Nebelschwaden über ihn hinweg. Wer weiß?









(14./15./16.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Dienstag, 14. Januar 2020

1706 Mein lebensbegleitendes Schlafen


Mein katzenbehaartes Notizbuch liegt aufgeschlagen auf meinen angezogenen Oberschenkeln. Ich spiele mit Wahrnehmungsveränderungen durch schielen. Es erstaunt mich, wie zufrieden ich hier und auch an diesem Morgen im Bett in meinem Zimmer bin, wie sehr mir meine Zelle mit ihren Büchern und Bildern an den Wänden gefällt. Besonders das Mali-Lošinj-Bild, das anscheinend so hängt, daß mein Blick in dieser Lese- und Schreibposition ganz von selbst auf es fällt. Und das vielleicht besonders aufgeladen ist, da meine beiden Eltern unter diesem Bild gestorben sind. Doch jedes Bild, das ich länger als eine Sekunde anschaue, wird hier zum Fenster in eine andere Welt.

Während mein Blick langsam von einem Bild zum andern wandert, blitzt es kurz auf.
Es wundert mich immer wieder, was alles zum Vorschein kommt, wenn man seine Wahrnehmung verlangsamt, vergleichbar mit dem, was alles auf einer Tonbandaufnahme ist, das man bei normalem Abspielen gar nicht hört. Außerdem stelle ich erstaunt fest, daß mein Ich beim langsamen Abspielen meines Wahrnehmungs-Ton-und-Filmbandes weiblich ist – zumindest im Moment.

Kommt Wahrheit zum Vorschein oder werde ich genarrt? Oder stellt sich diese Frage „eigentlich“ gar nicht?
Übrigens hatte jetzt soeben meine wieder männliche Gestalt beim Dösen Flügel!

Gerade, wo ich so vor mich hin döse, während unten das Leben in Gestalt der lieben Tageskinder singt, redet, ruft, schreit, weint, spielt, hüpft, streitet, sich versöhnt, läuft, geht, klettert … - ich nenne das, was ich da mache, lebensbegleitendes Schlafen, denn ich höre alles und schlafe dabei immer wieder selig ein – gerade jetzt also ruft mich Amnesty International an und eine freundliche, eloquente und sehr redegewandte Tirolerin (es könnte natürlich auch eine Berliner Schauspielerin sein, die ihren Job benutzt, um Tirolerisch zu lernen, oder eine sonstige Amnestietelefoniererin, die eine Wette mit ihren Kolleginnen abgeschlossen hat, daß sie einem Wiener Tirolerisch vorreden kann, ohne daß er den Fake merkt – und wenn so, dann waren beide ausgezeichnet, denn ich habe nichts bemerkt und ich habe mit einer Tirolerin in einer WG gelebt!), also eine sehr schnell und dicht in breitem Strom redende Tirolerin redet auf mich ein, ich weiß schon, wo es lang geht (um einmal einen Gemanizismus zu verwenden), aber ich kann sie nicht bremsen. Selber schuld, denke ich mir, daß du deine Zeit und Energie an mir verschleudertst! Denn ich komme minutenlang nicht dazu, die Höhe meiner Pension zu nennen. Als ich endlich meine Aussage anbringen kann, stoppt das wie erwartet sofort den Versuch, mich um Geld anzugehen, aber überraschenderweise hat sie noch etwas in petto und redet munter weiter. Whow! (um einen Anglizismus zu verwenden).












(14.1.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1705 Die Taube am Ohr


Während ich auf Inspiration fürs Schreiben warte, predige, erkläre, diskutiere ich innen laut, aber außen lautlos, jedoch mit allem möglichen Gefuchtel und Gegeste dem leeren Zimmer meine Ansichten, Vermutungen und Überlegungen zu Maria und wie sie den Jesus empfangen hat; angeregt durch einen Facebookthread mit dem Foto einer Statue anscheinend doch der Heiligen Maria und der Heiligen-Geist-Taube an ihrem Ohr. Diesen Zusammenhang kannte ich nicht, aber ich wurde auf Facebook fachkundlich aufgeklärt.

Soweit sogut.

Aber es herrscht heute Nacht Funkstille. Kein Geist spricht zu mir. Oder ich warte auf der falschen Frequenz. Nichteinmal an kleiner Geist, der mir eine Schreibidee serviert, kommt durch.

He! Mein Surren! Nur ein Frequenzproblem? Die Inspiration wäre sogar sehr stark und dicht und ich schaff`s bloß nicht, die richtige Einstellung zu finden? Und bin deshalb taub für die Botschaft?
(wenn es das Wort „die Taube“ in gleicher Ableitung wie „die Schreibe“, besser noch wie „faul - die Fäule“ nicht gibt, erfinde ich es jetzt; wird sich natürlich wegen Überschneidung mit dem Vogel nicht durchsetzen.)









(13./14.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1704 Stiegensteigen



Die Bewegungen des Stiegensteigens verklingen noch in meinem Inneren, ansonsten zuckt und flirrt es in mir und um mich.








(13.1.2020)








©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1703 Plafond


Ich starre auf den Plafond und kann in der Luft moussierende Bewegungen erkennen. Mein Surren umschließt mich sowieso, aber neu ist der Druck in den Ohren, als hätten sie sich verschlagen. Meine Bilder an der Wand arbeiten wieder und verändern sich und bemühen sich, das Fenster zur anderen Welt zu öffnen.
In der rechten Ecke oben taucht manchmal ein hellerer Schimmer aus dem Nichts auf.

Was schreib ich da, wo ich jetzt gar nichts zu sagen habe!? Naja, ich schreib doch nur so vor mich hin, ohne offiziellen Anspruch.

Auch auf dem Photo da oben bei meinen Bildern, ein Geschenk meiner älteren Tochter, brennt die Wintersonne ein Loch in die Mauer. Das ist selten!

Und nun tanzen vertikale Luftbalken an der Wand rechts und hören gleich wieder auf.










(12./13./14.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 11. Januar 2020

1702 Aufgüsse statt Orgasmen


(Der Satz da oben stört mich. Er lenkt mich ab. Ich kann mich kaum konzentrieren. Ich habe diesen Satz, der mir heute früh eingefallen ist, als mir meine Frau von anlassigen und sexistischen Altmännergesprächen in der Sauna berichtet hat … nur notiert, weil ich ihn nicht vergessen wollte.)

Ich verlasse mein Zimmer, mein Kelion ungern. Und wenn meine Frau die Wohnung verläßt, rufe ich ihr immer hinterher: „und sperr mich ein!“

Ein leichtes schlechtes Gewissen plagt mich, wenn ich nicht raus will, denn ich höre noch das „raus, raus in die frische Luft! sei kein Stubenhocker! im Frühtau zu Berge! und die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit!“ und so weiter und so fort. Aber eigentlich ist nichts falsch daran! Jeder echte Mönch/Gelehrte/Literat darf/will/soll seine Zelle/Studierstube/seinen elfenbeinernen Turm nicht verlassen und will es auch nicht - denke ich. Sonst kommt er bei seiner Arbeit zu keinem Ergebnis. Und er liebt ja das Alleinsein.
Dem widerspricht auch nicht, daß er ab und zu einen Rappel bekommen kann und sich dann ins Leben oder ins sogenannte Leben stürzt oder stürzen will – finde ich.
Wie das für weibliche Vertreterinnen dieser Spezies aeternitatis ist, weiß ich nicht.

Heute habe ich mir stundenlang wie einem kranken Roß zugeredet, hinauszugehen. Nein, keine Chance! Ich habe es nicht geschafft.
Nochmals: das ist doch für Leute wie mich ganz normal!

Hier in meiner Zelle stelle ich mich meinen … Facebookfriends und Geistern. Kommuniziere mit für mich leiblosen Lebewesen - tu mir schwer mit der Unterscheidung in Engel und Dämonen – wenn dieser Unterschied überhaupt sinnvoll ist – und nutze oder verplempere so meine Lebenszeit.

Was feststeht: das mit der Heiligung/dem Jahrhundertwerk/dem literarischen oder sonstigen Durchbruch krieg ich nicht mehr hin. Dafür habe ich viel zu spät angefangen und viel zu oft das Genre gewechselt und abgebrochen. Das drückt sich als Verzweiflung und als Lachen aus. Groß anstrengen will ich mich jetzt auch nicht mehr. Die Sache ist gelaufen. Viel mehr als meine Textlein hier und meine FB-Kommentare kommt nicht mehr zu Tage.








(11.1.2020)








©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 10. Januar 2020

1701 Doppelhändiger Segen


Auf dem Weg zur Pensions-Versicherungs-Anstalt – für den dritten Versuch, das richtige Dokument abzugeben – und ich gebe zu: ich habe zweimal das falsche eingeworfen – das aber unabsichtlich und aus Unwissenheit – stehe ich in der U-Bahn nicht allzu weit von der Tür, als eine ziemlich verpickelte junge Frau einsteigt – etwas blaß und müde aussehend huscht sie herein, gefolgt von einem warm eingepackten Mann – klein, dünn, dem man die Drogensucht gleich ansieht. Ich schaue verwundert ein zweites Mal auf die junge Frau und jetzt sehe ich auch die eigentlich unübersehbaren Anzeichen der Drogensucht. Sie setzen sich schnell nebeneinander hin, lehnen aneinander und halten die Augen geschlossen. Im Schlaf? Im seligen Rausch? Ich hoffe es für sie, wiewohl ihre Gesichter angestrengt wirken.
Als sie eingestiegen sind ist mit ihnen schon etwas anderes hereingekommen, etwas nicht von dieser Welt und vielleicht ist das der Grund, warum ich auf Drogensüchtige mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination reagiere – je nach Stimmung das eine oder das andere betont. Es fasziniert mich, daß sie einerseits nicht in dieser Welt zu Hause sind, aber durch ihre Sucht doch mit ihr irgendwie zurecht kommen müssen und viel Geld auftreiben, auch wenn sie dabei ihre Anwesenheit hier vernachlässigen und zerstören. Das ist das Unangenehme. Aber was für einen Willen bringt die Sucht mit sich! Wenn man den ohne Sucht und Selbstzerstörung entfalten könnte, wäre alles möglich (und damit meine ich sicher nicht Marathonlaufen).
Faszination und Verachtung. Ich idealisiere die Sucht sicher nicht – ich habe als ich noch in der Nähe des Karlsplatzes gewohnt habe, genug Giftlergespräche und -verhandlungen – untereinander – mitbekommen. Nein. Aber auch meine Sehnsucht nach dem Anderen ist stark. Und auch ich halte mich in dieser Welt kaum aus. Als ich vor Jahrzehnten – zum erstenmal – ein Video eines Festes gesehen habe, auf dem ich auch war, war das ein echter Schock! Der da bin ich? Der da so verklemmt und verkrampft und verlegen herumsteigt, mit sich und den Menschen nichts anfangen kann, das saublöd und für alle, die Augen im Kopf haben und nicht nur eine Ideologie, deutlich erkennbar das zu verbergen versucht – dieses da bin ich? Kaum auszuhalten, den zu sehen und wie er da auf der Party agiert.
Und ich sehne mich nach dem Rauschzustand. Einem Rauschzustand der mich heraushebt, aber nicht so primitiv wie Alkohol es meistens bewirkt (sexistische Witze und übergriffig), sondern ein Rausch, der mich Richtung Unendlichkeit blicken läßt. Also: ich gehe mit den beiden in der U-Bahn in eine starke Resonanz.

Nächste Station steige ich aus. Ich lasse alle Aussteiger und Aussteigerinnen vor, drehe mich zu den beiden um und segne sie, dann husche ich raus. Zweihändiges Segnen, wie es die orthodoxen Priester machen: mit beiden Händen gleichzeitig je ein Kreuz ins Universum zeichnen. Wenn ich mich richtig erinnere, darf das nach Kirchenrecht jeder Katholik – halt aus! Ich bin ja ausgetreten! - einmal katholisch – immer katholisch – im Ernst: das ist mir scheißegal: ich segne wen, wie, wann und wo ich will. Ich bin schon aufgeregt dabei und die ordentlich aufgedrehten RedHotChiliPeppers im Ohr helfen mir. Gleichzeitig lache ich still vor mich hin – ich weiß ja selber nicht, wie ernst ich meine Segnerei nehme. Es kann ja auch reines Zaubererspielen sein. Das ist alles egal und nehme ich in Kauf und auf meine Kappe.

Das einzige, das ich mich frage: ist es ein Übergriff auf die beiden? Benutze ich sie? Sie könnten sich – wenn sie wach wären – ja auch daran stoßen, z.B. an der christlich konnotierten Geste – für mich ist das Kreuz älter und meiner Auffassung nach kann nichts falsch daran sein, die horizontale und vertikale Bestimmungen des Menschen ins Gleichgewicht zu bringen. Aber sie könnte es stören. War das also eine Frechheit? Eine Mutter-Teresa-Anmaßung, indem ich mir einbilde, ich könne ihnen Gutes tun? Indem ich mich und mein Ego über sie stelle – so nach dem Muster: du stirbst – ich überlebe? Das ist die entscheidende Frage! Sonst nichts!













(10.1.2020)














©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com