Donnerstag, 16. Januar 2020

1710 Altbertina


Von Katharina (nicht die!) Grosse lasse ich mich psychodelisieren; von Liliane Tomasko antörnen. Beim Herwandern durch die Stadt habe ich in den Auslagen der Kunsthandlung Wienerroither & Kohlbacher Zeichnungen von Lyonel Feininger gesehen, die mich zum Teil mehr angesprochen haben, als seine „ausgemalten“ Bilder in der Albertina („ausgemalt“ - solche Frechheiten muß ich aufbringen, um mich überhaupt etwas zu diesen großen Künstlern und ihren Werken sagen zu getrauen; wer bin ich schon? - kommt mir dann immer vor. Und erst wenn ich frech geworden bin, komme ich über den Berg der Hindernisse der Annäherung und kann darauf zugehen).

Vom Sitz bei den zwei Damen bin ich jetzt herübergewechselt und habe mich schräg gegenüber Augustus niedergelassen, links von mir der Antonius, während sich der Antony in meinen Ohren niederknocken lassen will, wenn er zu mächtig und high wird, weil er nicht größer ist als das Leben.

Gegenüber sitzt ein glatzerter Alter in dunkelblauen Jeans und kürbisfarbenem Pullover. Viele Leute ziehen regelrecht vorbei – sie kommen mir wirklich wörtlich von irgendwem oder -was gezogen vor. Der Alte gegenüber schaut andauernd her – immer, wenn ich hinschaue, hat er seinen Blick auf mich gerichtet! Was will er?
Ich könnte die zwei Sphinxen rechts von mir – die eine auf meiner Seite des Ganges, die andere sozusagen am anderen Ufer gegenüber – fragen. Also, was will der Alte da, meine Damen?! (ich trau mich das jetzt nicht laut aussprechen: aber die beiden schauen ziemlich blöd drein! Ihre Köpfe scheinen mir im Verhältnis zum (überhaupt weiblichen?) Löwenkörper überdimensioniert; sind Löwinnen wirklich so feist, haben sie nicht kleinere Köpfe? Na gut! Mischwesen!)

Wieder lugt der Alte über seine Brillen her (aha! Altersweitsichtig!). Ausschauen tut er mit seinem aufgestellten Pulloverkragen und seinem Spitzbart fast wie der Schreiber und fiese Berater des Zaren Jeremei - Afonja in „Warwara-krasa“.

Die vorbei gehen prägen ihre Präsenz zu schwach in diesen querlaufenden Wahrnehmungskanal, auf den ich hin schaue – hebe ich mein Haupt vom Notizbuch auf – schon sind die Passanten vorbei und ich und der der Ort, wo sie gegangen, wir haben sie schon vergessen.

Ziemlich gekrümmt sitzt der Alte gegenüber da, zu weit weg, als daß ich ihm in die Augen schauen könnte; vielleicht wäre das des Rätsels Lösung, was er da tut.

Ich glaube, ich werde jetzt den Gang nach rechts gehen und die komischen Sphinxinnen passieren (wirklich Comicfiguren! Und warum zwei? Befragt man/wird man jetzt doppelt befragt? Doppelt hält besser? Und wenn jede eine andere Frage und eine andere Antwort hat? Oder gar auf dieselbe Frage zwei unterschiedliche Antworten und Wahrheiten erwartet?). Ich werde weitergehen, ein letzter Blick noch auf den Alten – wieder ertappe ich ihn, wie er herschaut! - Will er mich kontrollieren?

Bei den Zeichnungen. Im Moment packt mich keine so richtig.

Die Besucher und Betrachter (wenn überhaupt, sonst Fotografierer) heben sich wie dunkle Pflöcke von den hellen Wänden ab, als wären sie anorganische Lebewesen oder deren Scouts, die sich hier zwar materialisieren wollen, aber sie bleiben etwas im Pflockhaften (hahaha!) stecken (der Pflock – der Stecken – mein Gott, hab ich mit meinen Handschriften Spaß beim Eintippen!). Oder sind wir Menschen so? Steckengeblieben? Die Autokorrektur (eine Autoimmunkrankheit) verlangt: Stecken geblieben (da bin ich im Geiste wieder in der anderen Abteilung, in der mit den Guggingern. Der Name! Gleich fällt er mir ein! Oswald Tschirtner!) (Was guggst du!) (Gugu?-dada!).

Ich ruhe mich in den Stadtlandschaften Kokoschkas aus; nichts ist besser dafür geeignet, Augen und Seele erlösende Ruhe zu verschaffen. Und so blicke ich als Landflüchtling auf Dresden und London und freue mich über die Weite, die Freiheit und Schönheit der Städte.

Nun sitze ich einem stehenden Kardinal gegenüber (sicher ein Italiener, aber seine Visage erinnert mich an die des Bischof Fünf; nur daß der da besonders blöd dreinschaut). Schon wieder der alte Glatzkopf gegenüber, diesmal näher, und wieder starrt er mich an. Jetzt kann ich seine Augen über den dunklen Gang hinweg ein wenig ausnehmen: verschlossen und fragend. Erwartet er überhaupt eine Antwort? Sein weißes Spitzbärtchen leuchtet im Dunkeln. Sonst sehe ich sein Gesicht schlecht, anscheinend keine interessanten Konturen, keine markanten Gesichtszüge vom Leben eingeschrieben, unbestimmt und etwas verwaschen. Eher ein fader Zipf.

Der Kardinal mit seiner steifen Zipfeleini-Zipfelaussi-Mütze schaut so richtig dämlich aus.

Zwischen dem Alten und mir staut sich wirklich substanzielle Dunkelheit. Nicht Licht-, sondern Dunkelheitskorpuskel (meine Entdeckung! Copyright). Ich geh weiter.

Noch einmal lege ich eine Rast ein; bei Chagalls Papierdrachen, den und seine Farben ich so mag, erholen sich meine schon überforderten Sinne. Noch ein wenig ausruhen, dann breche ich auf und fahre nach Hause in meine Zelle.

Beim Hinausgehen komme ich in einen reinen Klee-Raum! Der ist entweder neu oder mir noch nie aufgefallen. Obwohl ich den Klee liebe, streife ich an seinen schönen Bildern nur vorbei, denn ich kann kaum noch etwas aufnehmen. Nur die "irrende Seele" findet in der meinen schnelle und nachhaltige Resonanz.









(15./16.1.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


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