Dienstag, 14. Januar 2020

1706 Mein lebensbegleitendes Schlafen


Mein katzenbehaartes Notizbuch liegt aufgeschlagen auf meinen angezogenen Oberschenkeln. Ich spiele mit Wahrnehmungsveränderungen durch schielen. Es erstaunt mich, wie zufrieden ich hier und auch an diesem Morgen im Bett in meinem Zimmer bin, wie sehr mir meine Zelle mit ihren Büchern und Bildern an den Wänden gefällt. Besonders das Mali-Lošinj-Bild, das anscheinend so hängt, daß mein Blick in dieser Lese- und Schreibposition ganz von selbst auf es fällt. Und das vielleicht besonders aufgeladen ist, da meine beiden Eltern unter diesem Bild gestorben sind. Doch jedes Bild, das ich länger als eine Sekunde anschaue, wird hier zum Fenster in eine andere Welt.

Während mein Blick langsam von einem Bild zum andern wandert, blitzt es kurz auf.
Es wundert mich immer wieder, was alles zum Vorschein kommt, wenn man seine Wahrnehmung verlangsamt, vergleichbar mit dem, was alles auf einer Tonbandaufnahme ist, das man bei normalem Abspielen gar nicht hört. Außerdem stelle ich erstaunt fest, daß mein Ich beim langsamen Abspielen meines Wahrnehmungs-Ton-und-Filmbandes weiblich ist – zumindest im Moment.

Kommt Wahrheit zum Vorschein oder werde ich genarrt? Oder stellt sich diese Frage „eigentlich“ gar nicht?
Übrigens hatte jetzt soeben meine wieder männliche Gestalt beim Dösen Flügel!

Gerade, wo ich so vor mich hin döse, während unten das Leben in Gestalt der lieben Tageskinder singt, redet, ruft, schreit, weint, spielt, hüpft, streitet, sich versöhnt, läuft, geht, klettert … - ich nenne das, was ich da mache, lebensbegleitendes Schlafen, denn ich höre alles und schlafe dabei immer wieder selig ein – gerade jetzt also ruft mich Amnesty International an und eine freundliche, eloquente und sehr redegewandte Tirolerin (es könnte natürlich auch eine Berliner Schauspielerin sein, die ihren Job benutzt, um Tirolerisch zu lernen, oder eine sonstige Amnestietelefoniererin, die eine Wette mit ihren Kolleginnen abgeschlossen hat, daß sie einem Wiener Tirolerisch vorreden kann, ohne daß er den Fake merkt – und wenn so, dann waren beide ausgezeichnet, denn ich habe nichts bemerkt und ich habe mit einer Tirolerin in einer WG gelebt!), also eine sehr schnell und dicht in breitem Strom redende Tirolerin redet auf mich ein, ich weiß schon, wo es lang geht (um einmal einen Gemanizismus zu verwenden), aber ich kann sie nicht bremsen. Selber schuld, denke ich mir, daß du deine Zeit und Energie an mir verschleudertst! Denn ich komme minutenlang nicht dazu, die Höhe meiner Pension zu nennen. Als ich endlich meine Aussage anbringen kann, stoppt das wie erwartet sofort den Versuch, mich um Geld anzugehen, aber überraschenderweise hat sie noch etwas in petto und redet munter weiter. Whow! (um einen Anglizismus zu verwenden).












(14.1.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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