1698 Albertina
Nun sitze ich vor einem tollen und verblüffenden Bild von
Scheibl, R (wo ich mich hinsetze hat auch mit den Sitzgelegenheiten zu
tun, aber nicht nur!). Mir fällt auf, wie viele Besucher sich vor, neben,
unter, über und hinter den Bildern fotografieren und fotografieren lassen.
R – wie Rot, oRange. Es stürzt und brennt von Jenseits der
Mauer in den Raum herein, breit und flächig, stark und mächtig, gerade noch ins
Bild gebannt. Daß es in Zeiten wie diesen als eine Vorwegnahme der Bilder der
Waldbrände der Gegenwart wirkt – ich weiß nicht, ob mich dieser Gedanke nicht
zu sehr ablenkt. (Daß ich Scheibl schreibe und nicht Hubert Scheibl und
überhaupt die Maler so flapsig anrede, hat damit zu tun, daß ich sonst nicht
den Mut und das Selbstbewußtsein hätte, etwas zu irgendwelchen Bildern zu
schreiben. Indem ich mir die Künstler so „herunterhole“ und ich mich in meine
Frechheit einübe, bin ich überhaupt in der Lage, etwas zu den Bildern zu
notieren. Freilich: es ist die Frechheit eines Hochstaplers, und die Feigheit
eines, der sich hinter Papiernotizen versteckt. Und der heimliche Größenwahn
eines abgeschossenen Malers.)
Links noch zwei Baselitze Baselblitze (das meinte ich
vorhin!), die mir trotz meines ständigen Mißtrauens gegen ihn auch gefallen;
Landschaften mit so schönem Blau (wenn ich mich jetzt beim Eintippen richtig
erinnere – das Gefühl meiner Kunst-Beschreibungs-und-Beurteilungs-Unwürdigkeit
kommt schon auch aus meinem schlampigen Wahrnehmen, ungenauen Schauen,
ständigen Verwechseln von jenem mit diesem, trägen Denken, Unbelehrbarkeit und
ähnlichem; will sagen: ich bin mir gar nicht sicher, ob ich jetzt die richtigen
Bilder vor meinem inneren Auge stehen habe) in so schönen farblichen und
malerischen Zusammenfügungen. (In meinen Ohren spielen die ganze Zeit übrigens
die RedHotChiliPeppers, die mich auch ordentlich antreiben um meinem – hier
vielleicht zu recht - schwachen Selbstbewußtsein ihre Energie leihen oder gar
schenken.)
Und in meinem Rücken – ich drehe mich um: Cecily Brown. Ja!
Ein tolles Bild: Kutteln mit Zitrone. (ich spüre meinen Hunger; Klachlsuppe mit
Heidensterz. [Dieser
Kommentar ist typisch! Wenn es fein und sensibel wird, wenn Einfühlungsvermögen
und Demut angesagt sind, muß ich immer den groben rustikalen Landtrottel und
mein Steirertum hervorholen! Das ist ein Zwang und eine Verkleidung!])
Innerlich winke ich ab – aber nicht diesen Bildern
gegenüber, sondern der Welt zwischen den Bildern und mir, die hauptsächlich
weiblich ist: die Luft, die Wärme, die Kühle, die Atmosphäre, die Leere, die
Fülle, die Besucher (hähähä) …
Ich schwitze wie ein kalter Truthahn in Kaffee. Ich fühle
mich etwas geschwächt.
Leider gibt’s vorm Richter (dem Maler, aber auch dem
höchsten, obersten etc.) keine Sitzgelegenheiten. Aber ich gehe weit weg von
Richters trinkender Frau – und da passt es so - bis ganz nach hinten in den
Nebensaal und schaue von dort durch den Durchgang auf das Bild und schreite
dann langsam darauf zu, bis es nur noch aus groben Farbflecken und dicken
Pinselstrichen besteht.
Das betörende Licht am spätnachmittaglichen Strand von Katz
nehme ich im langsamen Vorbeigehen.
Eine Entdeckung für mich ist Erhard Stöbes Café, weil sich ein Raum auftut,
wie im Traum, noch nicht ganz klar, ob er ein Albtraum wird.
Noch Entdeckungen für mich: zwei Zeichnungen vom Fleck
(K.A.), schwarz weiße Köpfe, Flächen aus Strichen, aber nicht nur – sie haben
für mich „etwas“ und ich bekomme wieder Lust zu zeichnen (so viele Anläufe!
Aber die Impulse verpuffen immer. Der Münchner Blattschuß hat gesessen!)
Ihr lieben Leserinnen! Ich schreibe über mich! Keine
Kunstkommentare. Am Heimweg zittere ich schon vor Hunger und Unterzuckerung.
Als ich im U-Bahnlift den Türöffnerknopf drücke, weil noch jemand mitfahren
will und er sich bedankt, kann ich vor Schwäche gar nicht mehr reden.
Und: ich bedanke mich bei meiner lieben Frau, daß sie mir zu
Weihnachten eine Jahreskarte für die Albertina geschenkt hat. Danke, herzlich
danke, meine Liebe!
(9./10.1.2020)
©Peter Alois Rumpf,
Jänner 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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