1689 Gebietskrankenkasse
Nun, dort in der Bürokratenburg beim Anstellen – dem
Briefkasten trau ich nicht mehr, nachdem ich fast vier Wochen auf mein Geld
gewartet habe – habe ich im „Fernsehen“ ein Video von einem Bären im Schnee
verfolgt. Auf der Lauer nach „Abenteuer“ oder auch nur irgendwas schönes ist
mein Blick daran hängen geblieben: wie der junge – natürlich junge! Weil sich
dort bei der Gebietskrankenkasse hauptsächlich Junge herumtreiben – Bär sich im
Schnee wälzt und spielt – ein gewisser Gegensatz zur hier im Amt
vorherrschenden Stimmung, oder? Spielen? Wälzen? Gesund-werden und dann
arbeiten gehen! Dalli! Dalli!
Ist ihnen das passiert oder machen die das absichtlich zur Beruhigung der strukturell erniedrigten und tendenziell aufgebrachten „Kunden“ (offiziell! Inoffiziell: Bittsteller)?
Ist ihnen das passiert oder machen die das absichtlich zur Beruhigung der strukturell erniedrigten und tendenziell aufgebrachten „Kunden“ (offiziell! Inoffiziell: Bittsteller)?
Immerhin: mein Anliegen war rasch erledigt und beim
Hinausgehen steuere ich gleich den Abgang zur U-Bahn an, wie ich es gewohnt
bin, da ist mir – schon auf der Treppe – eingefallen, daß ich auf Intensität
aus bin und drehe mich um, steige wieder rauf und gehe die Lassallestraße zum
Praterstern zu Fuß hinauf. Diese Lassallestraße – in ihrem Hang zu „moderner“
Geschmacklosigkeit nicht gerade meine Favoritin – gefällt mir heute in ihrem
östlichen Sonnenlicht und ihrer großen Breite. Ein richtiger Boulevard mit
großzügigen Gehsteigen, viel freier Fläche; und mein Blickwinkel kehrt sich um
und ich zum Optimismus des Fünfzigerjahre-Existenzialismus zurück. Ich weiß:
das Nichts, die Verzweiflung, … auch dieser großzügige Boulevard (denk an
Paris!), den ich jetzt sonnenbeschienen hinuntergehe, führt – auch wenn er
genau Richtung Stephansdom ausgerichtet ist – ins Nichts (denn auch in und bei
Sankt Stephan ist nichts zu holen), aber dieses Nichts damals war noch so voll;
voll von Hoffnung, Fortschritt, Zukunft – im Vergleich zu heute. Ein bißchen
davon holt es mir herbei – obwohl ich weiß, daß es unwiederbringlich verloren
ist und vorbei, wie mein Leben. Dieses volle Nichts erfüllt mich mit
glücklicher Trauer, daß ich fast weinen muß, aber ich weine nicht (ich wäre so
gern mit herablaufenden Tränen dahingegangen – das hätte schon Eindruck
gemacht!).
Ich rede mir gut zu, ins Cafe zu gehen; seit Wochen wieder
einmal, das Geld reicht. Ich empfinde so großen Widerstand dagegen, als stünde
mir soetwas nicht zu.
Am Praterstern fällt mir meine Fotoautomatenidee von gestern
ein; lange stehe ich unentschlossen da und zögere, aber dann gebe ich meinem
Herzen einen Stoß und suche am Bahnhof einen Automaten.
Lange muß ich dort anstehen, aber das geht jetzt schon
(warten war mir nie mein Problem! Warten ist mein Habitus). Die Photos
schließlich sind fürs Zeichnen eher unbrauchbar – aus Sparsamkeit habe ich ein
zu billiges Produkt gewählt – aber trotzdem: ich bin wieder mit der Welt in
Kontakt getreten, wenn auch nur über minimalen Automatenkonsum.
Ich fahre dann mit der U-Bahn weiter, freue mich, als ich
einer Frau mit Kinderwagen im Lift den Vortritt lasse und gehe Richtung Paim.
Beim Cafe Sperlhof, in dessen äußeren, straßenseitigen Fensternischen sich eine
Büchertauschbörse befindet, schaue ich die aufgereihten Bücher – wenn ich schon
vorbeikomme - durch und nehme schließlich drei. Dabei spricht mich ein junges
Mädchen an, das sich ebenfalls durch die Bücher stöbert, und fragt mich, ob
man/frau sich die einfach nehmen kann. Ich erkläre ihr den Hausbrauch und dann
plaudern wir noch ein wenig über Bücher und ich freue mich sehr, ihr geholfen
zu haben („helfen“: ein viel zu großes Wort!). (Und sofort bin ich
verunsichert, ob meine Auskunft überhaupt richtig war!).
(2.1.2020)
©Peter Alois Rumpf, Jänner 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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