Donnerstag, 2. Januar 2020

1688 Das Blau wird entmystifiziert


Von meinem Schreibtisch aus sehe ich über den Lichtschacht auch auf das oben gegenüber liegende Dachbodenfenster, in dem sich am heutigen sonnigen Wintervormittag ein Abschnitt des Daches über mir und der Hausmauern spiegelt, im Sonnenlicht, mit Rauchfang, Schattenpartien an der Mauer und dem Schatten des Taubengitters im sonnigen Teil und ein Stück des strahlend blauen Himmels. Ich nehme an, daß durch die Spiegelung die Farben verändert sind, dunkler – nehme ich an – den bloßen Himmel direkt kann ich von hier aus nicht sehen – und das scheint das Blau des Himmels zu intensivieren.

So schaue ich und schaue ich auf diese Spiegelung des Himmels, vom wunderschönen Anblick des wunderschönen Blau angezogen, durch all die Spinnweben an meinem Fenster und am Dachbodenfenster gegenüber mit ihren Staubablagerungen und Regenwasserrückständen und Dreck hindurch, und ich gerate in eine solche Sehnsucht nach den Himmeln, nach diesem Blau, dieser Intensität, daß es mir fast die Brust zerreißt.

Ich denke natürlich und frage mich – vom Höhlengleichnis ausgehend – das ja besagt, daß unsere Wahrnehmung immer nur indirekt ist – warum die doppelte Spiegelung - „Höhle“ und Dachbodenfenster – das Bild sehnsuchtsvoller macht. Es müßte ja vom Eigentlichen noch weiter entfernt sein. Oder erinnern mich diese Spiegelung und ihre Veränderungen daran, daß wir nur Uneigentliches sehen und dreht das die Sehnsucht (nach dem Eigentlichen) voll auf?

Ich wäre von diesem Anblick schwer losgekommen, aber langsam schiebt sich Sonnenlicht die Hauswand herunter und erhellt und vergilbt den Anblick im Fensterspiegel. Das Blau wird – sagen wir – entmystifiziert.

Das direkte gelbe Sonnenlicht will mich doch in die Welt hinaus locken, aus meiner Zelle hinaus. Aber mein Gang, den ich erledigen soll, führt mich nur zur Gebietskrankenkasse, was kann man da schon erwarten?!

Aber wer weiß! Vielleicht gibt es in dieser Bürokratenburg auch für mich Abenteuer zu erleben, auf die man ein wenig stolz sein kann. Vielleicht. Ohne diese minimale Chance wäre das Hinausgehen doch von vornherein sinnlos.






(2.1.2020)







©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


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