Montag, 30. Dezember 2019

1680 Gott segne die Lesenden


Gott segne die Breiesserinnen! Nachdem ich ihnen meinen Doppelsegen (mit beiden Händen gleichzeitig) verpaßt und anderes im Bad erledigt habe, gehe ich wieder zu Bett.

Während die Katze schnurrt beziehungsweise raunzt, wenn ich aufhöre, sie zu streicheln, blicke ich auf den in einem mönchsbuddhistischen gelben dramatische Falten werfenden Tuch gehüllten funktionsuntüchtigen Plattenspieler: zur Zeit ist er für nichts. Das stört mich jedoch nicht; ich wüßte nicht, wann ich hier Musik hören könnte.

Das Wetter draußen vor der Tür ist schön – wie man so sagt – laß ich mir berichten. Das heißt wahrscheinlich Aufstehen und Ausflug, keuchend unter Schmerzen kraulend das Bett verlassen. Im Traum hat mir ein reicher Schnösel durch ein kleines Fenster hereingesagt, daß ich schiach wohne! Gut, ich bin auch mit dem Aufbauen einer Holzwand um meinen Computerplatz herum nicht weitergekommen. Sonst hätte er mir das gar nicht sagen können.

Gott segne die Lesenden, vor allem die lesenden Frauen. Eine von denen beobachte ich eindringlich (eindringlich!): die Neigungen und Drehungen des Kopfes, die Augenbrauen über den lesenden Augen, die für mich hier wie zu ausschauen. Den Ausdruck des geschlossenen Mundes, die Gesten und Bewegungen der linken Hand im Gesicht; die durch die Verrückungen des Kopfes verursachten Veränderungen der Haarpracht. Das kurze Nasenbohren der Protagonistin, das Niedersinkenlassen der Zeitung, den Griff zum Tee, zum Handy, das Wischen mit edel gespreizten Fingern, ihr wartender Blick (leicht fragend; so gut kennt sie sich mit ihrem Gerät auch wieder nicht aus), ihr leises Lachen, als sie sich nach rechts beugt und ihrer für mich aus meiner Alkoven-Perspektive nicht sichtbaren Tochter am Handy ein Bild zeigt, deren leises Lachen wiederum ich so nicht sehen, aber hören kann.
Das breite Grinsen während dem sie in renaissance-kunsthafter Hand- und Fingerhaltung ihr Handytippen vollzieht. Ihre Blick- und Konzentrationsstabilität. Ihr Schweigen. Ihr Teenehmen und trinken. Jetzt ihr Flüstern mit ihrer (und meiner) Tochter (obwohl ich im Bett gar nicht schlafe, aber es ist mir recht!). Ihr im Gegensatz zu meinem entschiedeneres Profil, als sie sich dreht und jetzt auf der Couch liegend Zeitung liest. Und wieder diese adelige Handhaltung der die Zeitung haltenden Hand.
Oder sind diese manierierten Handhaltungsdarstellungen der Renaissancekunst in Wirklichkeit alltäglicher als ich bis jetzt angenommen habe?











(26.12.2019)










©Peter Alois Rumpf,  Dezember 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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