1680 Gott segne die Lesenden
Gott segne die Breiesserinnen! Nachdem ich ihnen meinen
Doppelsegen (mit beiden Händen gleichzeitig) verpaßt und anderes im Bad
erledigt habe, gehe ich wieder zu Bett.
Während die Katze schnurrt beziehungsweise raunzt, wenn ich
aufhöre, sie zu streicheln, blicke ich auf den in einem mönchsbuddhistischen
gelben dramatische Falten werfenden Tuch gehüllten funktionsuntüchtigen
Plattenspieler: zur Zeit ist er für nichts. Das stört mich jedoch nicht; ich
wüßte nicht, wann ich hier Musik hören könnte.
Das Wetter draußen vor der Tür ist schön – wie man so sagt –
laß ich mir berichten. Das heißt wahrscheinlich Aufstehen und Ausflug, keuchend
unter Schmerzen kraulend das Bett verlassen. Im Traum hat mir ein reicher
Schnösel durch ein kleines Fenster hereingesagt, daß ich schiach wohne! Gut,
ich bin auch mit dem Aufbauen einer Holzwand um meinen Computerplatz herum
nicht weitergekommen. Sonst hätte er mir das gar nicht sagen können.
Gott segne die Lesenden, vor allem die lesenden Frauen. Eine
von denen beobachte ich eindringlich (eindringlich!): die Neigungen und
Drehungen des Kopfes, die Augenbrauen über den lesenden Augen, die für mich
hier wie zu ausschauen. Den Ausdruck des geschlossenen Mundes, die Gesten und
Bewegungen der linken Hand im Gesicht; die durch die Verrückungen des Kopfes
verursachten Veränderungen der Haarpracht. Das kurze Nasenbohren der
Protagonistin, das Niedersinkenlassen der Zeitung, den Griff zum Tee, zum
Handy, das Wischen mit edel gespreizten Fingern, ihr wartender Blick (leicht
fragend; so gut kennt sie sich mit ihrem Gerät auch wieder nicht aus), ihr
leises Lachen, als sie sich nach rechts beugt und ihrer für mich aus meiner
Alkoven-Perspektive nicht sichtbaren Tochter am Handy ein Bild zeigt, deren
leises Lachen wiederum ich so nicht sehen, aber hören kann.
Das breite Grinsen während dem sie in
renaissance-kunsthafter Hand- und Fingerhaltung ihr Handytippen vollzieht. Ihre
Blick- und Konzentrationsstabilität. Ihr Schweigen. Ihr Teenehmen und trinken.
Jetzt ihr Flüstern mit ihrer (und meiner) Tochter (obwohl ich im Bett gar nicht
schlafe, aber es ist mir recht!). Ihr im Gegensatz zu meinem entschiedeneres
Profil, als sie sich dreht und jetzt auf der Couch liegend Zeitung liest. Und
wieder diese adelige Handhaltung der die Zeitung haltenden Hand.
Oder sind diese manierierten Handhaltungsdarstellungen der
Renaissancekunst in Wirklichkeit alltäglicher als ich bis jetzt angenommen
habe?
(26.12.2019)
©Peter Alois Rumpf,
Dezember 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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