Donnerstag, 28. September 2017

775 Deine Hoffnungen haben sich nicht erfüllt

Während ich einen Traum aufzuschreiben versuche und dabei mit dem ständig wachsenden Vergessen um die Erinnerung kämpfe, während ich also, was ich noch weiß, hinschreibe, rutsche ich für einen Moment in die Volksschulzeit zurück, in die Zeit, als ich das Lesen und Schreiben lernte. Nicht in Form einer Erinnerung an ein besonderes Ereignis, sondern an ein Gefühl. Ich sitze da und schaue auf die Schrift und die Schrift eröffnet sich mir langsam. Das Sitzen und Schauen ist zum Teil auch Gegenwart, das Sich-Öffnen, das anfangende Verstehen und die Empfindungen des Staunens dabei sind Erinnerung. Irgendein Moment, wo ich etwas verstanden habe, oder ein Konglomerat aus mehreren solchen Momenten. Ich sehe keine Lehrer oder Mitschüler, nur mich und die Schrift, die sich mir mehr und mehr erschließt. Der Moment hat etwas Erhabenes, wie das Erleben eines kleinen Wunders. Direkt Angst ist nicht dabei; die lauert bloß am Rand.

Ich bin erstaunt, mit welch starken, heftigen Gefühlen diese Erinnerung – oder was es auch ist – verbunden ist, so, daß mir beinahe die Tränen kommen. Also spielt doch die Angst – vor der Schule, vorm Versagen, vor den Lehrern, vor den Mitschülern oder was auch immer – eine zentrale Rolle?
Einsamkeit kann ich herausspüren, absolutes Alleingelassen-Werden. Aber dennoch: der entscheidende Kern der Erinnerung ist, daß sich im Moment etwas öffnet, daß ich die Schrift verstehen lerne und was man damit machen kann, so, als böte sich da meiner gequälten und verzweifelten Kinderseele ein Ausweg, möglicherweise ein Fluchtweg, der mit Lesen und Schreiben zu tun hat. Und Lesen, Denken und Schreiben eröffnen einem ja wirklich neue Welten und helfen, seinen Horizont zu erweitern und die erlernten Beschränktheiten zu überschreiten. Und: die Liebe zum Wissen ist ein Wert in sich.

Ich kann jetzt auch noch spekulieren damit, daß da möglicherweise eine unbestimmte Ahnung aufgetaucht ist, daß mein Tätigkeitsfeld, meine Erfüllung nicht im dualen Leben des Hauens und Stechens, der großen Taten und der großen Siege, der Produktion von handfesten materiellen Dingen und finanziellen Erfolgen zu suchen sein wird, sondern im Bereich von Sprache und Denken, von Reflexion und im Abstrakten liegen würde.

Und noch etwas: Optimismus ist da. Daß es einmal besser wird, daß alles besser wird. (Ich habe ja noch viele Illusionen und das ganze Leben vor mir und schaue mit so einer Art frommen Gläubigkeit in die Zukunft, mit für dieses Alter erstaunlich starkem religiösen Glauben und mit einer zeittypischen Fortschrittsgläubigkeit.)

Vielleicht kommt der Schmerz gar nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der Gegenwart. Zwar mag ich noch ein paar wenige Illusionen und Hoffnungen haben, aber da ganze Leben habe ich nicht vor mir. Vielleicht schmerzt es mich, dieses trotz allem hoffnungsvolle Kind zu sehen und ihm mitteilen zu müssen: deine Hoffnungen haben sich nicht erfüllt.







(28.9.2017)










©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 27. September 2017

774 Schrill, schrill, schrill

Schrill, schrill, schrill surrt's in meinen Ohren. Mein Hörraum scheint noch ein wenig beweglich zu sein. Mein Herzklopfen spüre ich hinter meinem Nacken als eine leicht verrutschte Geräuschsäule ungefähr mein Rückgrat entlang. Auch das Surren pulsiert. Vor meinem inneren Auge ist ganz rasch und ohne irgendeinen Laut irgendetwas von links nach rechts geflogen; zwei Zentimeter über meiner Augenhöhe. Jetzt schwebt das gesamte Gesichtsfeld nach unten und kommt dann den halben Weg wieder zurück herauf. Unglaublicher Lärm im Stiegenhaus, klirrend und scheppernd. Das Surren wird volumensmäßig kleiner. Nun zappelt etwas kaum Wahrnehmbares zwei Zentimeter unter meiner Herzhöhe, zwei Zentimeter vor meinem Körper, herum. Kurz und schnell.

Von meiner rechten Augenhöhle geht eine kleine Energieeruption aus und verteilt sich rasch im verschwommenen, schwach definierten Körper nach links unten.

Hinter meiner Nasenwurzel bis zu den Augenhöhlen entsteht ein leicht ziehender – wie kann ich das nennen? - Unterdruck? Als würde dort die Umgebung angesaugt werden.

Die Augenhöhlen spüre ich jetzt zwei Zentimeter vor meinen Augen – äußere Form und meine – amorphe – Substanz verrutschen ständig voneinander, aneinander, gegeneinander.

Das penetrante Geheule einer Kettensäge stößt und zieht meine Aufmerksamkeit nach außen. Ich stehe erschrocken auf um nachzuschauen, ob sie im Hof die Bäume schneiden. Das winselnde Geheule wird hochtouriger.

Ja, Männer rufen und einen sehe ich hoch in einem Essigbaum Äste abschneiden. Gegen diese zweifelhafte Logik komme ich nicht an und bin ich nie angekommen. Ich habe keine Macht. Hoffentlich töten sie nicht den Weidenbaum, den ich am meisten liebe. Ich bete für die Bäume, daß sie – wenn es denn schon sein muß – nur gestutzt (nur gestutzt! nur gestutzt! Was für eine Resignation!) und nicht gefällt werden. Ich bin äußerst beunruhigt und kann mich nicht mehr aufs Schreiben konzentrieren. Ich gehe nochmals ans Fenster. Vom Weidenbaum, den ich jetzt jahrelang hinter dem Nachbarhaus hervorwachsen gesehen habe, zuerst nur ein paar Ästchen, und dann schon die ganze Spitze der Krone, von diesem Weidenbaum ist vom Fenster aus nichts mehr zu sehen. Geschockt gehe ich hinunter in den Hof und schaue hinter das Nachbarhaus. Vom Weidenbaum steht nur noch der nackte Stamm und ein paar kahle Äste und nur mehr vereinzelt ein paar belaubte Zweige. Einen anderen Baum hatten sie vor Jahren mit ihrer radikalen, unsachgemäßen Schnittechnik fast umgebracht, nur ein Ast hat überlebt. Auch der Holunder ist komplett zurück gestutzt! Frau Holle wird sich rächen. Wen stören die Bäume? Die Weide steht zwischen zwei Feuermauern, wem nimmt sie Licht weg?







(27.9.2017)











©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

773 Selbstbefragung

Wie mache ich das?

Nun, ich habe den Roman, in dem ich gelesen hatte, weggelegt und mein Notizbuch genommen. Die Lesebrille habe ich noch auf der Nase, ich greife nach dem Kugelschreiber (vielleicht heißen die Dinger jetzt anders; irgendwas mit -liner) und warte auf einen Start-Einfall. Einen Schreibfluß-Auslöser. Manchmal warte ich lange, manchmal geht es schnell.

Gibt es ein Konzept?

Nein, höchstens eine kleine Idee, oft nur ganz vage, oder auch gar nichts. Oder aber den Vorsatz, eine bestimmte Begebenheit aus meinem Leben zu erzählen. Wohin die Reise geht, weiß ich nicht. Sicher, bei den Lebensschilderungen weiß ich, was ich erzählen will, aber wie und wie ausführlich, und was mir alles erst beim Schreiben einfällt, das weiß ich vorher nicht. Das ergibt sich erst im Lauf – ja Lauf! Das stimmt! Ich komme mit dem Aufschreiben meistens nicht nach – also ergibt sich erst im Laufe des Schreibens.

Bei den Einschlaf- und Aufwachtexten kann es auch lange dauern und stockend vorangehen. Wie bei „Zimmer, Küche, Kabinett“ - zwei, drei Schritte, stopp! Aber langsamer, weniger ruckartig. Diese Spiele kennts ihr ja gar nicht mehr! (Als ob ich lauter junge Leser hätte!) (Wenn ich auf der Schublade nachschaue: so zwei, drei Klicks pro Text; wenn's hochkommt vier, fünf. Nur wenige Texte werden öfters angeklickt.)

Das macht nichts! Das macht nichts! Jetzt macht es mir nichts aus. Im Gegenteil. Im Falle großen Erfolges wäre ich überfordert. Nur, wenn ein Text null Leser hat, das fällt mir schwerer. Aber ich akzeptiere es nach drei Sekunden. Wenn's hochkommt sieben Sekunden.

Mein Vorteil ist doch, daß ich niemandem und nichts Rechenschaft schuldig bin. Momentan will ich auch gar nicht professionell werden. Ich fürchte um das Vergnügen beim Schreiben, um die Muse. Außerdem und vor allem fehlt mir dafür das sogenannte Selbstbewußtsein. So etwas nenne ich nicht mein eigen. (Achtung Floskeln! Geht in Richtung Amtssprache!) Wenn, dann müßte der Übergang plötzlich passieren, von Null beziehungsweise zwei, drei auf Tausende. So schnell, daß ich nicht zum Nachdenken komme. Aber gut ...


Na ja, so mach ich das. Und wenn ich müde bin, höre ich meistens auf.






(26./27.9.2017)










©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 26. September 2017

772 Ich sehe mich selber von innen

Ich sehe mich selber von innen, wie ich so daliege wie ein hingeworfener Sack Kartoffel. Durch Schritte werde ich aus dieser Vision aufgeschreckt (Die Schreckhaftigkeit kommt noch aus einem Traum). Zwischen den Augen zieht und pulsiert etwas. Schon vorbei, bevor ich genauer bestimmen kann, wo. Möglicherweise etwas höher. Ich glaube, ich habe dieses Gewurl auch einen Zentimeter vor meinem Gesicht gespürt.

Mit geschlossenen Augen sehe ich auch die aufgeschlagene Seite meines Notizbuches; ich kann nicht lesen, was da steht, aber – das kann ich vom Schriftbild her feststellen – es steht etwas anderes da drinnen als in meinem irdischen Buch. Ist das der geheime, untergründige Text? Die eigentliche Botschaft? Wie lautet sie? „Fürchtet euch nicht!“? Oder „Das Ende ist nahe!“? „Mene mene tekel u-parsin!“? Wie gesagt, ich konnte es nicht lesen; die Schrift war zu verschwommen.

Wieder zurücksinkend fallen mir Heintje und mein unsäglicher Perfektionismus, mein unverbesserlicher Belehrungszwang ein. (Im Deutschen heiß es nicht „anbellen“, sondern „anrufen“. „Anbellen“ tun einen die Hunde). Ich wäre ein furchtbarer Lehrer geworden! Oder auch nicht; vielleicht wäre das meine Entfaltung gewesen und deswegen nie zwanghaft. (Das Verdrehte, das Zwanghafte ist immer ein Mangel an Entfaltung, an Sein.)

Auch hier im Text brauchst du nicht belehren!

Es läutet an der Tür; die Katze geht nachschauen.








(16.9.2017)













©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 25. September 2017

771 Ein Dirndl gegenüber

Ich schaue beim Fenster hinaus auf ein Dirndl gegenüber; da, beim Tostmann. Ich trachte danach, daraus wenigstens einen Gag zu machen, aber komme damit nicht weit. Auch gut.

Menschen driften vorbei, Autos schieben sich vorüber. Ja, endlich ein Platz am Fenster!

Auf dem Weg zurück von der Zeitungsablage sehe ich im Spiegel einen alten Mann. Auf den ersten, vagen Blick passabel, durchschnittlich; auf den zweiten fallen Ungereimtheiten auf, in Kleidung, Stil, Farbkombination, Haltung und Bewegung. Aber der hatte immer schon ein Faible für solche schrägen Kombinationen von Schäbigkeit und heruntergekommener Eleganz. Heute versucht er normal auszusehen, aber das gelingt ihm nicht ganz. Damals schon bloß ein schwächlicher Sturm im Wasserglas, eine hatscherte Revolution im Saale, oder besser am Körper.
Heute trägt er am Körper die Aussage, daß er sterblich ist – gut versteckt natürlich, wie es seinem  ängstlichen Charakter entspricht – so versucht er ernst und witzig zu sein.

Ein kleiner Schluck aus dem Wasserglas; das Wasser darin schwankt nur ganz leicht. Noch ein Schluck.

Eine vollbusige Frau gegenüber am Gehsteig setzt sich in Bewegung, als ich hinüber schaue; ihr Gang wirkt versehrt. Ansonsten fällt mir zu den vorbeitreibenden Menschen nichts ein, nur, daß einige auf ihr Smartphone starren. Eine Frau reißt den Mund auf wie im Schmerz; es war jedoch bloß ein aufsteigender Niesreflex.

Meistens geht – im wahrsten Sinne des Wortes – alles so schnell, daß ich mit dem Formulieren nicht nachkomme.
Manche Frauen tragen Trachten – ich vermute Dirndln – dezent verpackt – über ihren linken Unterarm gelegt.
Einer raucht vornübergebeugt am Altpapierkübel gelehnt hoffentlich genüßlich eine Zigarette.
Radfahrer gibt es auch. Alles zu schnell. So langsam ist Wien gar nicht.
Da, ein paar Schlenderer gibt es doch!
Hinter der schräg gegenüberliegenden Fensterscheibe ißt jemand.
Die Smartphoniker und Innen lächeln öfters. Öfters als die anderen.
Manche telefonieren auch, also halten ihr Gerät ans Ohr.
Jetzt habe ich auch eine Frau gesehen, die auch so, ohne Internetverbindung, gelächelt hat. Ihr Blick zeigt aber, daß auch sie abwesend ist. Oder nur zur Hälfte anwesend.

Nach einiger Zeit in einem Kaffeehaus beginnt mich irgendetwas hinauszutreiben. Eine Unruhe, die mir sagt, jetzt ist es Zeit zu gehen.




(25.9.2017)







©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

770 Ach, der geile Traum!

Ich habe mich gerade aus Schlaf und Traum herausgeschält – einem geilen Traum übrigens – und versuche, hier jetzt anzukommen. Verwirrt, weil es ganz unerwartet ein freier Tag ist. Wandern gehen? Kaffeehaussitzen? Was spielen sie in Kino, Theater etcetera? Der Gedanke, diese Chance nützen zu müssen; irgendetwas daraus zu machen, sonst sitze ich nur am Computer.
Ich bleibe noch im Bett und sammle mich; will warten, bis meine Unentschlossenheit sich auflöst.
Schreiben würde ich auch gerne, aber wo kann ich das ungestört? Ich meine Schreiben bei Tageslicht, nicht nur an der Grenze von Schlaf und Alltagswelt und Alltagswelt und Schlaf.
Langsam verfestigt sich eine Idee. Der werde ich nachgehen. Vermutlich wird sie in der Realität ganz anders ausschauen.

Ach, der geile Traum! Meine Geilheit hat sich auf meine Frau bezogen. Nicht schlecht, gell!?






(25.9.2017)











©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

769 Was für eine herrliche Welt

Ich atme tief durch. Große, innere Freude erfüllt mich; wie immer, wenn ich Castaneda lese. Die Freude ist innerlich, still, aufrecht, neidlos. Sie speist sich aus der Tatsache, daß es immer wieder Menschen gibt, denen der „Salto ins Unvorstellbare“ gelingt. Das beruhigt meine Seele. Wenn ich bedenke, daß mir dieser Salto nicht gelingt, kommt auch Trauer auf, aber eine „edle“ Trauer, die die Freude nicht zerstört. Sie vertieft sie. Diese innere Freude bringt mich dazu, nicht zu hadern; weder mit meinem Leben, noch mit sonst etwas. Was für eine herrliche Welt!






(24./25.9.2017)












©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 22. September 2017

768 Die erträgliche Leichtigkeit des Seins

Von nichts kommt nichts. Ich niese.
Wovon kommt das? Von der kalten Luft? Katzenhaarallergie?
Mehr Möglichkeiten fallen mir nicht ein. Stand 22.9.2017 0Uhr29.

Ich bin zufrieden. Egal ob rechtschaffen oder unrechtschaffen müde, ich bin zufrieden.


Stand 22.9.2017 7Uhr:

„Darf ich mir das braune Trägertop von dir ausborgen?“ Diesen Satz höre ich als Unbeteiligter, aber plötzlich öffnet sich vor meinem Inneren ein Abgrund. Meine destruktiven Handlungen und Unterlassungen meinen Kindern gegenüber sehe ich klar vor mir. Ein Schock.
Und schwer auszuhalten. Beim Hinschreiben des Satzes habe ich „meinen Kindern gegenüber“ vergessen, obwohl ich es schon im Geist formuliert hatte. Der träge, verlogene Teil meiner Seele wehrt sich dagegen, das anzuschauen. Ich versuche, vor diesem Anblick zu flüchten. Das ist ein Kampf mit den Ablenkungen. Etwas in mir will sich weigern, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Nicht, daß ich das alles nicht schon längst wüßte, aber jetzt steht es mir klar, deutlich und unangenehm vor Augen.

Es ist mir kaum möglich, die Erkenntnis zuzulassen, wie unreif ich dabei war. Und das, obwohl ich sonst die dümmsten, peinlichsten (geschrieben habe ich „reinlichsten“ - schon wieder!) Geschichten aus meinem Leben erzähle. Aber das hier scheint ernst zu sein. Hier geht es wirklich um etwas. Die „unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ (M. Kundera) – hier gibt es sie nicht.

Wundern braucht es mich nicht. „Wer keine Empathie bekommen hat, kann keine geben“, sagt M. Rosenberg sinngemäß. Wer von seinen Empfindungen abgeschnitten ist, dessen Tun kommt nicht von innen heraus; bleibt schwach, auch wenn es gewalttätig werden sollte. Das gilt für mich, meine Eltern, meine Großeltern, meine Urgroßeltern … .

Aber zurück zu meiner Verantwortung.

Was ich noch festhalten will: wenn man seine Kinder genießen kann, dann entsteht die „erträgliche Leichtigkeit des Seins“. Das muß ich noch anbringen. (Siehe Jesper Juul und das familylab)

Komm, schau noch einmal hin, jetzt bist du gefaßter. (Aber vielleicht schon zu „fromm“.)






(21./22.9.2017)













©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 21. September 2017

767 Zornig

Oh, bin ich zornig! Ich bin so zornig! Wahnsinnig zornig! Ich könnte … ach was!
Ich kann mich nicht beruhigen! Der Zorn reißt mich herum; ich könnte einen Prügel nehmen und …und ... ach, was!

Hat das etwas mit der Realität zu tun? Mit meiner schon. Sonst weniger.
Stimmt auch nicht. Es hat sehr wohl mit der Realität zu tun. … Aber das ist alles irrelevant.

Ich darf über mein Leben nicht nachdenken. Aber nicht, weil ich dann … ach, was! Erklärungen sind sinnlos.

Ich fühle mich betrogen. Am Leben betrogen. Oder vom Leben … … ach was!

Diese unsägliche Ohnmacht.

Langsam beruhige ich mich. Durch Atmen. Eher ist es noch Resignation, die mich ein wenig herunterkommen läßt. Ich gebe auf. Deshalb bäume ich mich nicht mehr im Zorn auf. Ich fuchtel und zappel nicht mehr vor Zorn herum, aber dafür knirsche ich mit den Zähnen.

Ich atme, damit ich allmählich wirklich ruhig werde.

Wie das Meer bei Ebbe weicht der Zorn zurück.

Trauer erfüllt mich jetzt, große, schmerzhafte Trauer.







(20./21.9.2017)













©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 20. September 2017

766 Ich bin schon wirklich vertrottelt!

Ich bin schon wirklich vertrottelt! Ich mache vorm Zu-Bett-Gehen das Fenster auf, um zu lüften und weil es draußen regnet, so richtig schön regnet, und ich dieses Rauschen so gerne höre, beschließe ich, das Fenster noch ein wenig offen zu lassen, um dann im Bett beim offenen Fenster dem Regen zu lauschen und noch ein wenig zu schreiben. Ich ziehe die Tagesdecke ab, schlage die Bettdecke zurück, nehme meinen Pyjama, ziehe die Tageskleidung aus und das Nachtgewand an und dann, und dann, weiß der Teufel! … als ich mich ins Bett lege, merke ich, ich habe das Fenster schon zugemacht und die Rollo (ich weiß! Ich weiß!) heruntergelassen.

Jetzt mache ich das Fenster nicht mehr auf. Aber das gefällt mir nicht, daß ich – öfters kommt das schon vor – nicht mehr weiß, was ich tue und daß gefaßte Entschlüsse schon zwei Sekunden später wieder vergessen sind!

Heute ärgere ich mich überhaupt, weil ich die Mahnung für eine Rechnung zugeschickt bekommen habe, ohne die bestellte Ware und damit die beigelegte Rechnung je erhalten zu haben. Weil die Firma gleich mit Rechtsanwälten und Inkassobüros – also kann man ruhig sagen: mit finanziellen  Inkassoschlägern - gedroht hat, habe ich mich einschüchtern lassen und den offenen Betrag gleich bezahlt. Ich ärgere mich auch, weil ich die gesetzliche Lage nicht kenne und mir nie einen Anwalt leisten könnte, schon gar nicht für einen längeren Prozeß.
Wenn diese Firma seriös wäre, könnte sie doch auch so schreiben: „Bei Durchsicht der … etcetera ...daß die Rechnung vom … etcetera … noch offen ist. Wir fragen nach, ob sie die Lieferung erhalten haben, oder ob es Probleme mit der Zustellung gegeben hat. Im Anhang finden Sie die Kontaktdaten der Firma Sowieso, der wir die Sendung anvertraut haben. Auch wir von unserer Seite aus werden nachfragen, wenn Sie die Lieferung nicht erhalten haben. Sollten Sie einfach vergessen haben, zu zahlen, bitten wir Sie, das bis Datum zu erledigen.“

Mich ärgert die A-priori-Unterstellung, daß ich nicht zahlen will oder sonst etwas Böses vorhabe. Ich pflege meine Rechnungen pünktlich, eigentlich sofort nach Erhalt zu bezahlen. Da machen die „ihre eigene Verdorbenheit zum Maßstab für andere“ (Formulierung nach einem Döbereinerzitat)

Dann will ich schreiben und sehe, mein Notizbuch ist schon voll. Ich wundere mich, daß mir das noch nicht aufgefallen ist. Ich nehme ein neues, reiße die Plastikfolie herunter und will sie im Atelier in den Mistsack werfen. Weil ich bereits beim Zu-Bett-Gehen war, hatte ich nach dem Besuch im Bad schon alle Lampen gelöscht. Weil es keinen Sinn hat, jetzt diese saublöden Energiesparlampen aufzudrehen, weil die eine halbe Stunde brauchen, bis sie leuchten und eigentlich erst nach zwanzig Minuten wieder abgedreht werden sollten – was für eine Idiotie! was für eine Idiotie! - da wäre es gescheiter, wir verwendeten Kienspäne! Die hätten wenigstens ein schönes Licht (siehe Peter Rosegger) - tappe ich im Dunkeln zum Mistsack, der im Atelier an der Badezimmertür hängt. Irgendwo da unten bei meinen Füßen hockt oder schleicht die Katze herum. Ich muß es ihr erklären: „Merk dir, wir Menschen sehen im Finstern nicht so gut wie ihr Katzen! Merk dir das! Unser Sehorgan ist einfach nicht so gut. Und ich, ich bin überhaupt schon recht nachtblind. Also mein nächtliches Sehvermögen ist noch unter dem durchschnittlichen Menschensehniveau. Weiche bitte aus, sonst steige ich dir unabsichtlich irgendwo drauf!“

Dann komme ich zurück und nehme das neue Notizbuch, merke aber, daß das volle nicht mein aktuelles war, sondern sein Vorgänger. (Tja, wenn man ohne Brillen …) In meinem aktuellen, das ich auf den falschen Stapel (auf den der Traumtagebücher) abgelegt hatte, ist noch genügend Platz.

Ich glaube, es ist für heute besser, ich bereite mich zum Schlafen. Es geht eh schon auf eins zu.






(19./20.9.2017)
















©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 19. September 2017

765 Ich bin in Australien

Ich bin in Australien. Nein, nicht in Neuseeland; in Australien! Ich treffe dort zufällig auf der Straße … Nein! Stop! Ganz falsch. Die Geschichte fängt ganz anders an: ich bin in Irdning, dem Markt, in dem ich aufgewachsen bin. Meine Frau und ich sind in einem Haus, wahrscheinlich meinem Elternhaus, als ich einen Anruf einer Ex-Geliebten bekomme. Ich bin erleichtert, endlich ruft sie an! Weil meine Frau daneben steht, gehe ich vor's Haus. Sie muß nicht unbedingt mitbekommen, mit wem ich telefoniere. Ich gehe so die Straße entlang und denke: endlich ruft sie an! Das wird unser dritter Durchgang! (Aller guten Dinge sind drei.) Super!
Dann gibt es Störungen in unserer Verbindung und ich verstehe nichts mehr. Aber sie ist hier im Ort!
Ich gehe die Lindenallee Richtung Grabenwirt, da sehe ich – noch während ich zu telefonieren versuche und nichts verstehe – ihren Mann daherkommen. Ich schlendere, er geht schnell und überholt mich. Er grüßt mich kurz, aber ich bin so auf das Gespräch konzentriert, beim Versuch, trotz aller Störungen etwas zu verstehen, daß ich nur kurz in seine Richtung nicke und mich auf kein Geplauder mit ihm einlasse. Weiß er, daß ich mit seiner Frau telefoniere? Anscheinend schon, den er ruft mir, als er schon fast unten beim Grabenwirt ist, während ich noch oben am Hügel bin, etwas zu, daß mit diesem Gespräch mit seiner Frau zu tun hat. Ich soll irgendetwas abholen oder hinbringen.
Es freut mich, daß sie hier im Ort ist und ich bin mir sicher, daß diese Bringerei oder Holerei nur ein Vorwand von ihr ist, um uns treffen zu können. Das habe ich ganz deutlich am Tonfall ihrer Stimme gemerkt. Ich bin schon voller Erwartung. Aber dann geht es aus unerfindlichen Gründen nicht recht weiter. Ich muß mich mit meinen Eltern herumschlagen, und dann, also jetzt, ich bin jetzt in Australien. Was passiert da! Verdammt! Ich telefoniere immer noch mit meiner Ex-Geliebten. Während dieses stundenlangen Telefonats wurde ich offensichtlich transloziert. Ich kann mich aber nicht erinnern, worüber wir gesprochen haben oder ob ich wegen der Störungen überhaupt etwas verstanden habe.

Jedenfalls bin ich nach diesem Telefonat völlig erschöpft. Ich stehe spät nachts in einer kleinen australischen Stadt. Alles hat geschlossen. Aber gottseidank geht da auf der Straße ein älteres Paar und ich frage sie, wo ich hier jetzt noch eine Übernachtungsmöglichkeit finden kann, Hotel oder so. (Sehr glaubwürdig ist das nicht bei meinen überaus schlechten Englischkenntnissen!) Sie antworten: nirgends! Aber sie laden mich zu sich in ihr Haus ein, führen mich zu einem kleinen Häuschen im Garten, mit allem Drum und Dran, Klo, Badezimmer und so, und dort kann ich schlafen.

Perfekt!, denke ich, ich hätte es nicht besser erwischen können.









(19.9.2017)










©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

764 Piep!

Piep!

Dann kommt lange nichts.

Dann kommt die Katze mit ihren Katzenhaaren. Sie bekommt auch schon weiße Haare.

Dieses Piepen kommt nicht mehr in den hörbaren Bereich.

Das Schnurren der Katze hört sich an, als würde sie – etwas undeutlich – ständig „Konstantin“ sagen. Oder „Komm Tatin!“ Doch eher „Konstantin!“
„Konstantin! Konstantin! Konstantin!“

Ah! Jetzt sagt sie etwas anderes: „Donnerstag! Donnerstag! Donnerstag!“

Ich meine an manchen Stellen eine regelrechte Inbrunst herauszuhören.

„Araber, Araber, Araber!“ - Was soll das!? Ein politischer Kommentar der Katze? Nein, nein! Wenn ich Zeit im Bild schaue, ist sie nie dabei. Außerdem bin ich nicht für die Ansichten anderer verantwortlich, nur für meine eigenen.

„Ah höö! Ah höö! Ah höö!“ - Es wird immer kryptischer.

„Hmm ah! Hmm ah! Hmm ah!“ - Jetzt komme ich gar nicht mehr mit.

„Ah hmm! Ah hmm! Ah hmm!“ - Anscheinend hat sich ihre Meinung um hundertachtzig Grad gedreht. (Oder meine Takteinteilung).

Sie redet immer undeutlicher und unverständlicher.

Ein Motorrad braust in der Ferne ab. (Kann man das überhaupt so sagen?)

Ah! „Kommt noch! Kommt noch! Kommt noch!“ - Was kommt noch?! Der Wohlstand? Der Seelenfrieden? Die Himmelfahrt?

„Brumm brumm brumm!“ - Was? Machst du jetzt auf Bär? „Ich bin der Bär, der Bär bin ich. Mein Fell ist braun und fusselich. Und ich kann putzig sein! Blblblblblblblblblblblblbl!“ Mit diesem unterschobenen Zitat aus einer Teletubbiesfolge habe ich sie nun beleidigt. Sie ist gegangen, aus dem Zimmer hinaus. So etwas ist unter ihrer Würde!
Also ich habe die Teletubbies gern geschaut. Die Geschmäcker sind halt verschieden.

„Dipsy! Dipsy! Diiiiipsyyyy!“ - Nein, nein, so heißt die Katze nicht. Ich habe das nicht gerufen, sondern mir in meinem Inneren angehört. Alles abgespeichert.








(18./19.9.2017)









©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 18. September 2017

763 Eine profane Erklärung

Rülpsen mag ich nicht hören. Natürlich rülpse auch ich manchmal, sehr selten zwar, aber es kommt vor. Hören jedoch mag ich es nicht. Ich weiß nicht, wie wichtig das ist; es sei nur einmal klar festgestellt.

So, ein anderes Thema. Ich höre draußen im Stiegenhaus Schritte; nur drei, vier. Ich frage mich, wo ist diese Person hingegangen? Mit drei, vier Schritten kommt man, oder frau – ich hätte vom Klang und Rhythmus der Schritte auf eine Frau getippt – nicht weit. Wie weit ist sie gegangen? Und dann? Stehen geblieben und zur Salzsäule erstarrt? In die Lüfte abgehoben? (Frauen haben einen direkteren Zugang zur Magie als Männer)
Lift gibt es keinem im Haus, den man oder frau in ein paar Schritten von der Wohnungstür aus erreichen könnte. Nach den drei, vier Schritten die Schuhe ausgezogen und weitergeschlichen? Wozu?

Drei, vier Schritte im Stiegenhaus ergeben keinen Sinn. Aber es muß einen geben! Weil es ja stattgefunden hat. Alles, was auf Erden stattfindet, hat einen Sinn! Ist erklärbar. Nicht immer ganz leicht, aber letztlich doch! Oder?

Also: drei, vier schnelle Schritte im Stiegenhaus und dann Funkstille.

Ich habe auch nicht gehört, daß sich jemand hingesetzt hätte – wegen Übelkeit zum Beispiel – oder umgefallen wäre. Drei, vier feste, schnelle Schritte und dann aus. Verschwunden. In Luft aufgelöst? In den Himmel aufgefahren? Vom Teufel geholt? Teppiche gibt es auch nicht im Stiegenhaus, die weitere Schritte gedämpft haben könnten.

Und der Weg vom Gangklo in die Wohnung? Das könnte sich ausgehen! Vielleicht habe ich nicht gut aufgepaßt und es waren vier, fünf Schritte, oder fünf, sechs – das würde sich bei der Nachbarwohnung ausgehen. Ja, das wird die Lösung sein!



Profane Erklärungen haben immer etwas Unbefriedigendes.








(18.9.2017)









©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

762 Komuskra Tengri

Die Katze schaut auf mich. Und auf sich. Gut, das ist jetzt nur der Einstieg.

Mein Kopf schwirrt mir von Eindrücken und dem mich wieder einhüllenden Surren, das heute Abend ein wenig höher zu schweben scheint, wie eine Haube am Kopf, aber jedenfalls bis zu den Ohren herunter.  ...  Das war jetzt das Vorwort.

Im Hauptteil geht es um … um Komuskra Tengri (anscheinend ist der falsche Namen dieser mongolischen Gottheit eine Erfindung von Brigitte Pokornik, ich finde keine Belege dafür. In meinem Sinnhorizont existiert er schon seit Jahrzehnten unter diesem Namen.) (Gerade habe ich herausgefunden, daß komu skra auf Polnisch „wem zu verbergen“ heißt. Aha! So kann man also in die Irre gehen!), dem Gott des strahlend blauen Himmels. Ich stelle mir darunter immer einen weiten, klaren Herbsthimmel vor, das Blau schon dunkler, die Luft schon frisch. Ich freue mich auf diese sonnigen Herbsttage.

In letzter Zeit freue ich mich öfters. Letztens war ich sogar richtig glücklich. Und ich habe festgestellt, daß ich es mit mir eigentlich recht lustig habe.

Ich freue mich auch auf die Nebeltage. Ich meine nicht den Hochnebel, sondern den Nebel herunten auf den Straßen, der die Häuser einhüllt und das Licht der Straßenlaternen dämpft und sichtbarer macht, und die Bäume wie magische Gestalten erscheinen läßt, und die Akustik verändert.

Schnee verändert die Akustik noch stärker. Wenn er frisch und ausgiebig fällt, macht er die Stadt still. Zumindest so lange, bis die Schneepflüge daherdonnern und die Schneeräumkommandos lärmend herumkratzen. Ich kann mich erinnern, Schneien macht auch das Land ruhig. Wir alle wissen, daß dort der Schnee besonders schön ist. Gut, das waren jetzt Banalitäten. Ich freue mich  jedoch auch auf die Schneetage.

Ich mag auch die herbstlichen Regentage, vor allem, wenn ich viel Zeit und Muse habe, die Melancholie auszukosten. Ja, auch auf solche Tage freue ich mich. Was gibt es Schöneres, als an einem solchen Tag durch einen Wald oder einen Park zu wandern und dann ins warme Zuhause kommen und einen heißen Tee trinken? Oder in einem stillen Kaffeehaus zu sitzen und durchs Fenster den Leuten auf der Straße zuzuschauen und auf die Melodie der Regentropfen zu horchen? Ich muß nur noch ein stilles Café finden

Das Leben ist schön.

Zurück zu Komuskra Tengri, dem – angeblich - strahlend blauen Herbsthimmel.









(17./18.9.2017)














©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 16. September 2017

761 Mein Schreiben beginnt mit einem tiefen Atemzug

Ich atme die kühle Nachtluft ein; mein Schreiben beginnt mit einem tiefen Atemzug, das Ausatmen wie Seufzen, wenn ich denn auch die Luft so gierig reinsaufe.

Jetzt ruhiger – noch einmal ein tiefer Atemzug, der mir beim Ausatmen wieder zum Seufzer gerät.

Diese tiefen Atemzüge, die Regionen meines Leibes erreichen, wo ich sonst nicht hinatme, lösen dort Moleküle meines abgelagerten Schmerzes und meiner eingefrorenen Trauer heraus, die in mir aufsteigen und beginnen, meine Augen mit Tränen zu füllen. Sie kommen nicht weit damit, denn mehr als drei, vier der tieferen Atemzüge lasse ich nicht zu, und die in gehörigen Abständen. Aber ich spüre diese Moleküle hinter meinen Augen. Ich flüstere vom Bett aus, in dem ich zu dieser nachtschlafenen Zeit wach hocke, zum offenen Fenster ein „Danke!“ hinaus; einfach so, einfach hinaus, ohne genaue AdressatInnen, einfach so über die Grenzen meiner Endlichkeit hinaus gesprochen, trauernd, aber nicht verzweifelt, fest, gefaßt, ohne Vorwürfe an irgendjemanden (wenn schon, dann eher an irgendetwas).

Der nächste tiefere Atemzug bringt ein Lächeln, auch das da verschenkt, großzügig beim Fenster hinausge … „geworfen“ wäre zu hart und zu schnell … ich lasse es hinausschweben, hinaussegeln und sehe nicht, wie weit es kommt, denn für mich selbst ist es doch unsichtbar.

Ich werde jetzt schlafen. Ich muß morgen früh hinaus.







(15./16.9.2017)













©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 13. September 2017

760 Mit von Kraft strotzendem Zittern

Mit einem von Kraft strotzenden Zittern strecke ich meine Glieder im Bett. Dann merke ich: eigentlich bin ich noch zu müde. Kein Wunder: ich habe ja gestern bis fast zwei Uhr früh gearbeitet. Zuerst am Computer herumgetan und dann gelesen. Jetzt ist es noch nicht einmal acht Uhr und ich liege schon längere Zeit halbwach im Bett. Am Computer gestern habe ich gar nicht viel gespielt, aber auch das war Arbeit, denn ich mußte mich ja aus der nervlichen Anspannung, die ich im Job aufgebaut hatte, Millimeter für Millimeter herauslösen.

Also, jetzt hänge ich hockend zwischen den Welten – nur bildhaft gesprochen natürlich, nicht in echt – und versuche, ein paar auch für mich überraschende Sätze zu formulieren, die irgendetwas enthalten – und sei es in homöopathischer Verdünnung – das ich vorher noch nicht wußte.

Weil ich nicht weiterkomme, nütze ich die Zeit und streichle inzwischen die Katze. Die produziert im Moment ein brüchig knarrendes Schnurren, das sich erst allmählich in ein zusammenhängenderes und melodiöseres steigert.

Ihr gnostischen Sätze, wo seit ihr?! Daß mir jetzt die Kreuzigung Christi einfällt, erstaunt mich, wäre jedoch religionsgeschichtlich erklärbar. Aber daß das so weit in meine Seele reicht, daß es mir im Halbschlaf als Bild aufsteigt? Wahrscheinlich geht es dabei nicht um bloße Theorien, sondern - wie meistens - um Lebenkonzepte, die schicksalhafte Auswirkungen auf das Verhältnis von Leib und Energiekörper haben.

Ich gehe dem nicht weiter nach, denn mir fallen schon wieder die Augen zu.

Das Schnurren der Katze ist inzwischen wieder zu einem brüchigen Knarren herabgesunken, ein paar Streicheleinheiten fachen es wieder an. Übrigens: im Notizbuch schreibe ich Varianten oft einfach neben- oder übereinander. Hier zum Beispiel herabgestuft, herabgesunken – übereinander, versetzt.

Seit Monaten fällt mir erstmals wieder das Heulen einer Klimaanlage im Lichtschacht auf. Wie gibt es das, es monatelang nicht registriert zu haben? (sie (die Klimaanlage), es (das Heulen): übereinander) oder ist es nur ein Dunstabzug? Keine Ahnung! Wirklich keine Ahnung!

Habe ich noch irgendwas zu sagen? Nein. Tauchen noch irgendwelche ansprechbaren Bilder auf? Nicht wirklich.
Gut. Das war's für heute.

Ich strecke wieder genußvoll meinen müden, kraftstrotzenden Körper und werde mich dann aus dem Bett herausschälen. Früher oder später.










(13.9.2017)











©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 12. September 2017

759 Jetzt verfolgt mich der Job schon bis in den Schlaf

Bewußt lasse ich meinen müden Kopf nach rechts fallen. Einmal etwas anderes. Variatio delectat. Wenn's wahr ist. So: das Surren über mir. Die Katze lenkt mich mit ihrem lauten Schnurren und ihren pfotenfesten Aufforderungen, sie zu streicheln, völlig ab. (Wie sollte ich da einen Roman schreiben, wenn ich mich nicht einmal hier behaupten kann?!)

Ich will doch jetzt nicht die Website der Mediaanalyse (www.media-analyse.at) durchgehen! Jetzt verfolgt mich der Job schon bis in den Schlaf! Oder Halbschlaf. Wie soll ich mich da aufs Schreiben konzentrieren!

Ja, meine schutzlose Seele tut sich schwer in dieser Welt. Nein, ein Roman ist nicht drinnen. So nicht! (Ein gelungenes Leben auch nicht.)

Kaffeehausliterat ohne Kaffeehaus. Wobei „Literat“ viel zu anmaßend ist. (Ich mußte mich auch länger überreden, „Literat“ herzuschreiben. Einige Sekunden hat es schon gedauert. Sonst gehen solche Entscheidungen schneller.) Macht nix! Das macht alles nichts. Das Surren über mir und Wehrlosigkeit in mir. So schaut's aus! (Kant hatte noch keinen Lichtsmog.)

Ich löse das Ticket für eine längere Reise. Wohin, weiß ich nicht. Ich glaube mit dem Bus. Ausgangsort: irgendwo in Spanien? Sicher bin ich mir nicht.









(12.9.2017)















©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

758 Beleidigt gehe ich weg

„Nein, das interessiert mich jetzt nicht mehr!“ Beleidigt gehe ich weg.

Das könnte der mickrige Anfang eines Romanes sein. Eines Romanes, den ich nie schreiben werde. Romane liegen mir nicht. Viel zu viele Not... äh! … Wörter, Buchstaben, Figuren, Handlungsstränge. Wird viel zu schnell unübersichtlich. Viel zu mühsam! Nein danke.

Lesen tu ich sie gerne, die Romane; schreiben nicht. Zugegeben – unter uns gesagt – ich könnte auch gar keinen Roman schreiben; da fehlen mir das schriftstellerische Handwerk, das Selbstbewußtsein, die Ausdauer, die Kraft, mich zeitlich, räumlich und innerlich abzugrenzen und mich nicht ablenken zu lassen; anders gesagt: die nötige Selbstbehauptung.

„Beleidigt gehe ich weg.“ Eben! Das ist meine typische Reaktion. Nicht standhalten und Ort (Raum), Zeit und Ressourcen erobern und behaupten. So bin ich!

„Nein, das interessiert mich jetzt nicht mehr!“ Die Trauben, die zu hoch hängen, sind sauer.

Ja, also, dann kein Roman!

Und was jetzt? Weiterhin Einschlaf- und Aufwachgeschichten? Ja, warum nicht?!









(11./12.9.2017)















©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 11. September 2017

757 Das Knopfnasenmädchen

Wieder ist sie weg und ich weiß nicht, was tun. Das Knopfnasenmädchen. Wie das im Traum halt so ist. Nur langsam werde ich die verwirrenden Traumgefühle los, nur langsam sinkt der Wasserpegel der Traumüberschwemmung. Mir soll's recht sein; vielleicht bleiben ein paar verwertbare Trümmer zurück. Der kleine Bahnhof unten am Steilhang. Die fragwürdige Bushaltestelle unten am Talboden. Der eigenartige Weg über die Stufen hinauf zum Ort, der, wenn ich wieder zum Bahnhof hinuntergehe, viel länger ist und ganz anders verläuft; im Zickzack führen dann die Straßen hinunter.

Nicht, daß ich daran etwas verstehe oder auch nur einigermaßen deuten könnte. Nur die Gefühle sind stark, aber auch die könnte ich nicht beschreiben. Höchstens, daß ich schlecht in der Orientierung und verwirrt bin. Wann fährt der Bus? Haben wir den ersten nicht schon versäumt? Ist das wirklich die richtige Bushaltestelle? Liegt sie nicht schon verdächtig zu weit vom Bahnhof? Was ist mit dem kleinen, zerbrechlichen Mädchen? Wo ist sie? Sie wollte sich doch nur erkundigen. Warum kommt sie nicht daher? Sie ist doch aus der Gegend! Ist sie nicht viel zu jung für mich? Und eigentlich überhaupt nicht schön? Aber etwas Liebes hat sie! Aber meine Freundin? …

Mir fallen vor Müdigkeit immer wieder die Augen zu und mein Kopf kippt – wie immer – nach links. Die Alltagsgeräusche erreichen mein Bewußtsein nur peripher und bleiben verschwommen. Ich ärgere mich, wenn – nachdem ich etwas eingenickt bin und dadurch meine rechte Hand mit dem Kugelschreiber länger auf der gleichen Stelle am Papier der Notizbuchseite zu liegen gekommen ist – wenn dann an dieser Stelle beim Weiterschreiben der Kugelschreiber nicht mehr greift. Vermutlich, weil inzwischen Fett von meiner Haut auf das Blatt Papier übertragen wurde.
Der Mensch ist sich selten bewußt, daß er permanent Fett abgibt. Schauen Sie sich eine Stelle an, die Menschen immer wieder und häufig berühren, seien es die Füße einer Statue eines verehrten Heiligen oder eine bestimmte Stelle an einem Holzgeländer oder die Gegend um die Türschnalle einer oft benutzten Holztür – sie ist nicht nur glatt geschmirgelt, sondern auch eingefettet.

Ja, das war's. Mit dieser kleinen Belehrung schließe ich den Text ab.








(11.9.2017)












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756 Das Unbehagen, das ich schon lange kenne

Den späten Sonntagnachmittag über habe ich mit Essen und Fußballschauen, am Abend mit Zeit im Bild und Tatort das aufsteigende Unbehagen über den kommenden Montag übertüncht und anschließend noch mit Internetsurfen. (Mein Gott! Dieses Unbehagen kenne ich schon seit dem Kindergarten! Wenn es denn nicht schon richtige Angst war.) Als ich dann alles abgedreht habe, ist das gesamte aufgestaute Unbehagen auf einmal über mich hereingebrochen.

Plötzlich setzt draußen starker Regen ein und wie fast immer: der Regenschauer kann soetwas auflösen. Ein wenig zumindest. Zumindest bei seinem Beginn, wenn er alles einzuhüllen und zu übertönen scheint.

Jetzt ist er wieder vorbei, der Regen. Ein kurzes Intermezzo, dann … dann fällt mir etwas ganz anderes ein. Mein Geist ist nun – ausgelöst durch eine wilde Assoziationskette – weit in die Vergangenheit gesprungen, bis zu einer Silvesterparty in unserer Wohngemeinschaft damals, wo eine entschiedene, betrunkene und rücksichtslose Minderheit, der auch ich angehörte, bestehend aus Bewohnern und Gästen, das Fest gesprengt hatte. Wir hatten unseren kolossalen Badeofen eingeheizt, dabei erforscht, ob und festgestellt, daß Scheiße brennt, und in der riesigen Badewanne zu fünft oder sechst gebadet und sind dann anschließen nackt herumgelaufen und haben uns auch so derart aufgeführt, daß wir die seriöseren Gäste und Wohnungsgenossen vertrieben haben; sie haben nach einer kurzen Zeit des Widerstandes schlußendlich  die Flucht ergriffen. Bei dieser ganzen Aktion waren wir wie Kinder. Oder ich zumindest.

Ich erinnere mich noch, daß am nächsten Tag der verkaterte Neujahrsspaziergang mit der ganzen Partie sehr schön war. Winterlich und sonnig, der schlechte körperliche Zustand machte das Gehen bedächtig und sanft und dadurch auf eine unspektakuläre Art feierlich und intensiv. Ich hörte – wie fast immer in diesem Zustand – innen in mir Musik; und untereinander hatten wir viel zu lachen.

Das ist mir eingefallen. Wann war das? 1977? 1976?

Der Regen hatte inzwischen wieder eingesetzt und wieder aufgehört. Ich muß schmunzeln. Ja, wir waren wirklich wie die Kinder! (Wie sagte mein Arbeitskollege immer? „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit!“)









(10./11.9.2017)












©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 8. September 2017

755 Mein Kleiderberg da drüben am Sessel

Mein Kleiderberg da drüben am Sessel – eher in Grautönen, aber mit ein paar bunten Tupfern – schaut mich fast elegisch an. Vielleicht weil er abzurutschen droht. Und meine Walkingstöcke lehnen in übertriebener Weise an der Wandkonsole mit dem Räucherwerkzeug. Wie ich länger hinschaue konsolidieren sich die Walkingstecken wieder und lehnen nun normal, nicht mehr gar so schräg.

Vorhin aus dem Atelierfenster blickend habe ich in der Morgendämmerung einen wunderschönen, verdunstenden Mond gesehen.

Das Surren in den Ohren habe ich schon gestern beschrieben; ich konzentriere mich jetzt nicht darauf; ich will mich nicht wiederholen, aber was ich so im oberflächlichen Hinhören mitbekomme, konzentriert sich wieder alles links.

Dieses linkslastige Surren suggeriert oder erzeugt ein räumliches Bild, als hätte ich rechts eine Wand und meine linke Flanke wäre offen. Tatsächlich habe ich rechts die Zimmerwand und links den kleinen Raum und dann die angelehnte Zimmertür. Vor Müdigkeit lasse ich meinen Kopf nach links fallen, so, daß mein linkes Ohr fast senkrecht zum Boden „schaut“ - „fast senkrecht“ ist übertrieben, steil nach unten ist richtiger – und der Hörraum dreht sich einigermaßen mit. Das Surren befindet sich dadurch so halb links unten und die dunkle Stille rechts klafft rechts schräg nach oben.
Langsam scheint der Hörraum in Bewegung zu kommen und ich kann die Geräusche geographisch nicht mehr eindeutig zuordnen. Was bleibt, ist, daß der Schwerpunkt des Surrens vorm oder am linken Ohr liegt. Nun verlagert es sich ein wenig Richtung Hinterkopf. Ich versuche, ob es mir gelingt, das Surren nach rechts zu manövrieren; durch meinen Kopf hindurch, beim linken Ohr rein und beim rechten Ohr wieder raus. Ein paar Prozent vom Surren scheinen jetzt tatsächlich nach rechts gewandert zu sein, aber eher um den Hinterkopf herum. Mein Empfinden dafür, wo das sich rechte Ohr befindet, scheint jedoch auch weiter nach rechts gezogen worden zu sein, sodaß ich mein Ohr einen Dezimeter weiter rechts fühle, als es in Wirklichkeit ist.

Jetzt fliege ich aus dem Spiel raus und es heißt: zurück an den Anfang. Das Epizentrum des Surrens schwebt wieder eindeutig beim linken Ohr (an dem der Hals-Nasen-Ohrenarzt eindeutige Gehörschäden aus Lärmbelastung (Callcenter!) festgestellt hat). Am rechten Ohr schwebt lediglich ein dumpfes, tiefes, fast unhörbares, mehr gefühltes als gehörtes, aber nicht unsympathisches Summen. Das schrille Surren kulminiert eindeutig links. Wieder verschiebt sich der Hörraum etwas, aber ich will dem jetzt nicht nachgehen; ich bin noch zu müde, ich werde noch ein wenig zu schlafen versuchen.










(8.9.2017)













©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

754 Wie heißt das?

Weit und breit keine … wie heißt das? … Depression. In den letzten Tagen. Seitdem ich wieder täglich Knoblauch esse. Oder weil ich zurzeit in der Arbeit für meine Verhältnisse relativ viele Interviews mache? So billig bin ich? Nur wegen ein paar Interviews geht es mir gleich besser? Da ist mir der Knoblauch als Ursache lieber! Könnte es auch nicht der volle Mond sein? Oder etwas anderes? Hängt alles miteinander zusammen?

Wirklich nur wegen ein bisserl soziale … Anerkennung? Und auf welchem Niveau! Als Telefonierer im Callcenter! Au weh! Nein, nix au weh! Es tut mir nicht weh. Es ist mir scheißegal. Ich kann auch Mikroerfolge brauchen, Erfolge im Nanobereich. Ich denke lieber nicht darüber nach, sonst komme ich noch auf die Idee, daß ich daran verzweifeln muß!






(7./8.9.2017)

















©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 6. September 2017

753 Jetzt ist es schön (oder: ich zitiere Herbert Prohaska)

Jetzt ist es schön. Ich hocke schon im Bett, warm zugedeckt, während ich schreibe. Am Vormittag ist mir ein guter Text gelungen (wie ich meine. Keine Sorge, meine Auffassung kann sich schnell ändern). Ein paar Übungen konnte ich unterbringen; dann habe ich gut gefrühstückt. Nicht zu viel am Computer. Ab in die Arbeit – das bin ich wie immer zu Fuß gegangen. Dort bin ich mit einem Interview in den ersten Minuten gut gestartet, habe dadurch Sicherheit gewonnen, habe mich zu einer guten Stimmung aufgeschwungen und viele Interviews zustandegebracht. Zuhause habe ich dann Fußball geschaut (da habe ich mich geärgert, aber nicht „in echt“, weil ich es sehr genießen kann, zu schimpfen), Internet gesurft, gespielt, gelesen. Jetzt bin ich rechtschaffen müde (also ich habe kein schlechtes Gewissen) und freue mich aufs Schlafen. „Gute ... Nacht!“ (zitiert nach Herbert Prohaska.)


Nach einem verwirrenden Traum in der Morgendämmerung aufgewacht hocke ich wieder im Bett. In den Ohren surren grillenkonzertartige Melodien. Die schwingen deutlich auf und ab und lieben sanfte Wechsel in Tonhöhe und Lautstärke, aber schrill, laut, zeitweise mit panischem Unterton, dann wieder ruhiger. Das linke Ohr ist sozusagen weit aufgerissen, während das rechte verschlossener wirkt. Das meiste spielt sich am linken Ohr ab, beim rechten ist es finsterer. Ich falle in lähmende Müdigkeit zurück und lege deswegen Notizbuch, Kugelschreiber und Brille wieder weg.









(5./6.9.2017)
















©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com


Dienstag, 5. September 2017

752 Ich mache dies und ich mache das

Was ist mein letzter Gedanke, wenn mein Geist vorm Einschlafen noch ein paar Pirouetten dreht? Ich bin gescheitert! Sicher, es kann dann auch noch kommen: wie angenehm und warm es im Bett ist! Oder ähnliches.

Was ist mein erster bewußter Gedanke, wenn ich in der Früh aufwache? Ich habe versagt! Meistens. Es kann dann auch noch kommen: Ah! Heute spielt Sturm gegen XY und das Spiel wird übertragen. und ich freu mich dann.
Das wiegt jedoch das vorige nicht auf.

Und im Laufe des Tages, wenn ich bei der Arbeit sitze, darauf warte, daß jemand abhebt, mein Geist herumschweift und zu dem Thema meines Lebens kommt? Ich bin ein Versager!

Inzwischen sage ich mir das meistens ohne Vorwurf. Das habe ich im Laufe der Jahre gelernt. Manchmal lache ich darüber, manchmal lächle ich dabei, aber das ändert nichts: ich finde nichts, was wirklich gegen diese Schlußfolgerung spricht. Und es ist immer eine große Trauer dabei.

Versagen: das kann sich an den äußeren Dingen festmachen: keinen richtigen Beruf, wenig Geld, kein Vermögen, keinen Besitz, keinen Führerschein, kann nicht Englisch, keine gesellschaftliche Gewandtheit. Aber da bin ich schnell durch, dann kommt: keine wirkliche Bildung, keine Kompetenz, keine Disziplin, keine Fähigkeit zu Selbstbehauptung, Würde und Selbständigkeit.
Noch tiefer: ich bin den Menschen kein wirkliches Gegenüber, ich bin ohne Rückgrat, ich bin nichts. Nichts kommt aus eigener Erfahrung. Da sind wir schon ziemlich nahe am Kern: ich habe mich nie getraut, mein eigenes Leben zu entfalten, das, was in mir angelegt ist, zur Blüte zu bringen. So kenne ich es gar nicht. Ich kenne mich selber nicht. Und jetzt ist es zu spät.

Es steht geschrieben, daß die, die ihre Talente aus Angst vergraben haben, hinausgeworfen werden, wo Heulen und Zähneknirschen herrscht. Wie wahr!
Jetzt bleibt mir nichts anderes über, als meine Irrwege zu Ende zu gehen.


Ich mache dies und ich mache das. Rufe zum vereinbarten Termin an (in Sachen Therapie), trage die Wäsche hinunter, sortiere sie, stopfe sie in die Waschmaschine, schalte dieselbe ein, wünsche meiner Tochter, die in die Schule geht, einen schönen Tag, nehme das Ladekabel und stecke mein Handy an … und ich bin nicht schlecht drauf! … aber im Hintergrund läuft ständig dieses Tonband: mein Leben ist gescheitert – ich bin ein Versager. Horche ich in mich hinein – ist das immer da. Immer.

Als junger Erwachsener ist es mir eine Zeitlang gelungen, solche Gedanken aus meinem Geist zu verbannen. Es war eine einsame, aber sehr interessante Zeit. Dennoch hatte ich keinen Boden unter die Füße bekommen, so unmittelbar nach dem Studienabbruch.
Vielleicht hatte ich es auch schon in der Kindheit eine Zeitlang geschafft, diesen Zwang zumindest einzudämmen – angeregt von irgendwelchen katholischen Schriften hatte ich tapfer an mir gearbeitet – aber so genau kann ich mich daran nicht mehr erinnern.

Doch dann bin ich immer wieder dieser Sucht, mich zu verurteilen und abzuwerten, verfallen.
Es hat auch Phasen von Selbstüberschätzung gegeben, in stillen Momenten jedoch war es nicht zu überhören - das Tonband läuft immer noch.

Dabei kommt es mir jetzt gar nicht als Sucht oder krank vor, sondern als eine nüchterne, rationale Bilanz meines Lebens. Man kann herumrechnen wie man will – es kommt nichts anderes heraus: gescheitert!
Wenn ich mir andere Aspekte vor Augen halte, oder versuche, andere Dinge in die Waagschale zu werfen, komme ich mir vor, als belüge ich mich und versuchte, mich zu betrügen. Und das will ich nicht. Ich will der Wahrheit ins Auge sehen.

Aber was bewirkt dieses Endlostonband? Jeder Cent, den ich verdiene, kommt mir unverdient vor. Wenn ich auf der Straße gehe, wundere ich mich, daß ich nicht zusammengeschlagen oder verjagt werde. Gehe in an einer Polizeistation oder Polizisten vorbei, fürchte ich, verhaftet und in der Haft verprügelt, vergewaltigt oder gar getötet zu werden. Natürlich denke ich das nicht „im Ernst“ - ich weiß schon, daß das nicht so schnell passiert, aber mein Körper und meine Seele reagieren so, als bestünde diese Gefahr unmittelbar. (Und es gibt schon wirklich solche Fälle und es gab schon wirklich solche Zeiten.) Ich kann Achtung, Respekt, Liebe nicht annehmen, denn das kann nur auf einer Täuschung beruhen, denn würden sie mich sehen, wie ich wirklich bin, dann könnten sie mich nicht achten, nicht respektieren, nicht lieben.

Jeder Kellner, der mich normal gehandelt, jede Verkäuferin, jeder Schaffner, jeder Passant, Kollege etcetera etcetera irrt sich eigentlich, oder ist ein besonders nachsichtiger und gütiger Mensch, denn so behandelt zu werden steht mir nicht zu. (Betreten für Versager verboten!)

Und alles was ich mache und gelingt – zum Beispiel, daß die Wäsche nach dem Waschen sauber ist und die Maschine nicht kaputt – geschieht auf brüchigem Untergrund, ohne Fundament, kann jederzeit einstürzen, denn eigentlich sollte ich nicht existieren. Es ist rätselhaft, aber die Karmapolice hat mich irgendwie übersehen, die Götter sollten mich schon längst weggeräumt haben!

Dabei bräuchte ich nur denken: Sei's drum! Ich bin schon erledigt! Aber bevor sie mich abgeschossen haben, kann ich ja noch ruhig den Hang hinunter gehen und die Schönheit der Welt und das Leben genießen. Und lachen. Lachen! Lachen! Niemand kann mir das nehmen.

Meistens jedoch bin ich dann doch zu aufgeregt und zu sehr in Angst, sodaß ich die Schönheit nicht sehen und das Leben nicht spüren kann.







(4./5.9.2017)













©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 4. September 2017

751 Um für den heutigen Arbeitstag gerüstet zu sein

Heute habe ich mich gezwungen, ganz lange zu schlafen beziehungsweise im Bett liegen zu bleiben und zu dösen. Um für den heutigen Arbeitstag gerüstet zu sein. Keine Tätigkeitsvorsätze für den Vormittag. Das Schreiben nur kurz eingeschoben. Ich dachte, das geht schon. Es geht ja wirklich, solange es nicht ausartet. Habe ich eigentlich etwas zu sagen? Nicht so recht. Meine Gedanken schweifen herum, suchen herum, aber gleiten immer wieder ab. Gut, man muß ja nicht denken! Sehe ich etwas? Nehme ich wahr? Ja natürlich, jedoch ganz undifferenziert. Mein äußerer wie mein innerer Blick schweifen auch bloß herum, bleiben nirgends hängen, rutschen von allen Gegenständen ab. Überhaupt: das, was entgegensteht, macht nicht den Eindruck, daß es steht, es wirkt eher amorph, wie irgendetwas Vages, Breiiges, das mich einhüllt. Sicher, wenn ich genauer und länger hinschaue, wird es fester, aber trotzdem noch nicht ganz überzeugend.

Jetzt geht unten das volle Kinderleben los und die akustischen Ergebnisse daraus fordern meine Aufmerksamkeit ein. Ich höre das alles, ob ich will oder nicht.

Ich seufze und beschließe, jetzt aufzustehen. Hinunterzugehen und zu frühstücken ist im Moment – glaube ich – nicht so gut. Ich denke, ich würde stören.

Wozu dann aufstehen? Ja eh! Schmerzfrei wird es auch nicht sein. Trotzdem!








(4.9.2017)













©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com