Montag, 28. Dezember 2009

48 Fasching

Wenn man sich im Fasching verkleidet, dann hat man die Chance, verborgenere Seiten von einem darzustellen. Insoferne hat Wolfgang Döbereiner schon recht, wenn er sagt, daß man im Fasching sein Verdrängtes darstellt. Die Lust am Verkleiden wird mit dem Verdrängen zu tun haben. Aber der Umkehrschluß – so behaupte ich – ist falsch: Daß der, der sich nicht verkleiden will, nichts verdrängt hat. Im Gegenteil: manche haben so sehr verdrängt, daß sie sich davor fürchten, sich zu verkleiden, aus Angst, was da alles sichtbar werden könnte. Und wenn es unbedingt sein muß, dann geht man als irgendetwas wie zum Beispiel Pirat, aber möglichst phantasielos und mit einem von der Stange gekauften Kostüm nach exaktem Vorbild des letzten erfolgreichen Piratenfilms – daß einem nur ja nichts auskommt! Es gibt nämlich eine sehr intellektuelle Arroganz gegenüber solchen Bräuchen, wo man sich sehr ab- und aufgeklärt gibt, aber nur Angst vorm Leben und seinen Kräften und vor dem Verlust des kalkuliert vor sich her getragenen Image hat.
Ich bekenne mich gern dazu, daß ich mich immer gerne verkleidet und dabei mit meinem Verdrängten gespielt habe (und umgekehrt), und ich bin meistens nicht als Dasundas gegangen, sodaß ich die Frage „als was geht’s du“ nie recht beantworten konnte. So hatte ich etwa ein narrenartiges Kostüm aus alten und zerrissenen Kleidungsstücken angezogen und mir Verschiedenstes draufgenäht oder an Schnürln oder Drähten befestigt: Stoff- oder Lederrestln, ein kleines Büchlein (Tagore, Leuchtkäfer), Tannenzweiglein in Plastiksackerl, Zünder, Kerzen, Kompott in durchsichtigem Plastikdöschen, Elektroschalter oder -stecker, bunte Fäden und Stoffstreifen, Federn, Metallteilchen und Werkzeugteile, Drahtgitter und vieles mehr, alles, was so greifbar war, habe ich draufmontiert. Ebenso am Kopf ein alter Helm oder Ähnliches, wieder mit allem Möglichen und Unmöglichem drauf. Einen großen Pinsel in der Hand, Stiefletten an den Füßen, Beinkleider eher Peter-Pan-mäßig mit draufgeschraubter Dachrinnenhalterung als (Reiter)Sporen. Eine durchsichtige Maske über dem Gesicht, darunter weiß geschminkt; Als Lendenschurz ein Pappendeckel mit aufgeklebtem unaufgeblasenen Luftballon... - das kann ich jetzt schlecht beschreiben – jedenfalls hat das an ein superkleines, schlaffes Pimperl erinnert. Und beim letztenmal vor vielen Jahren trug ich dazu ein kariertes Hemd – das ist für die folgende Geschichte wichtig.

Denn ich fuhr vor Jahren am Faschingsdienstag in voller Adjustierung mit der U-Bahn in die Wiener Innenstadt, wo traditionell nichts los ist und weit und breit keine Narren unterwegs waren (in Wien hat halt niemand verdrängt!) als mich – ich glaube es waren drei – junge unbekannte Damen ansprachen, oder besser gesagt, über mich zu stänkern begannen: so in dem Sinn „was habm wir denn da!“ etc. und untereinander zu spekulieren begannen, welches Sternzeichen ich sei - nämlich indem sie versuchten, von meinem Faschingskostüm ausgehend auf mein Sternzeichen draufzukommen. Und sie haben ausschließlich zwei Sternzeichen genannt: Fische und Schütze. Ich war so baff, daß ich kein Wort herausgebracht habe. Dann hat eine mein kariertes Hemd mit den Fingern geprüft und zu ihren Freundinnen gesagt: „das wissen wir ja, was wir von Männern in karierten Hemden zu halten haben!“ Jetzt muß ich eine Zwischenbemerkung machen: Der Münchner Astrologe Wolfgang Döbereiner lehrt, daß Männer dann karierte Hemden tragen, wenn sie sich fremden Mustern unterworfen haben; und das ist durchaus auch als Warnung für die Frauen gedacht.

Leider, leider, leider bin ich nicht schlagfertig, sonst hätte ich die drei auch ein wenig verblüffen können: sie sagt also: „das wissen wir ja, was wir von Männer in karierten Hemden zu halten haben!“ und ich hätte geantwortet: „Ah! Döbranitische Betschwestern!“ - denn diese präzise Deutungskunst und auch das mit den karierten Hemden geht garantiert direkt oder schlimmstenfalls indirekt auf Döbereiner zurück; also: „Aha! Döbranitische Betschwestern! Aber Hochachtung meine Damen! Gut geschlußfolgert: Schützeaszendent Sonne Fisch in Drei!“

©Peter Rumpf Dezember 09 peter_rumpf_at@yahoo.de

Donnerstag, 24. Dezember 2009

47 Lichter

Ich habe schon oft hergeschrieben, daß die Seher das, was sie beim Sehen wahrnehmen, meistens als eine leuchtende Welt beschreiben; zumindest dann, wenn sich ihr Sehen auf unsere Welt richtet. Sie beschreiben ein Universum leuchtender, vibrierender, durch eine Kraft zusammengehaltener Energiefäden und so werden auch alle Lebewesen als leuchtende Wesen wahrgenommen. Sie sagen auch, daß wir erst durch den Prozess der Sozialisation die Beschreibung der Welt im Sinne des Commonsense erlernen und dabei die angeborene Fähigkeit zum Sehen verlernen. Das heißt aber, wir tragen alle Erinnerungen an das Sehen, an die „leuchtende Welt“ in uns. Diese leuchtende Welt ist die Welt, wie sie eigentlich ist, und sehend zu leben wäre unsere eigentliche Daseinsform. Das spüren wir auch und deshalb versucht unser Unterbewußtsein mit allen möglichen Mitteln uns daran zu erinnern bzw. uns zum Sehen zu führen. Das kann man auch schön an Weihnachten sehen: wir schmücken den Weihnachtsbaum mit Kerzen und Sprühkerzen, verwenden glitzernde Dekorationen; wir schmücken die Häuser und Straßen mit Lichterketten etc. - alles soll uns an die leuchtende Welt erinnern. Vermutlich hat auch das Gold der Ikonen und Kirchen damit zu tun. Das kann aber bis ins Absurde gehen – wenn z.B. beim Öffnen des letzten Türls eines Adventkalenders plötzlich etwas aufblinkt. Freilich wird dadurch unsere Sehnsucht nach dem Sehen nicht befriedigt und so zeigt sich auch unsere ganze Ratlosigkeit bezüglich unserer angeborenen Möglichkeiten. Thematisch passt es schon zu Weihnachten, denn ein neugeborenes Kind kann noch sehen, es nimmt noch eine leuchtende Welt wahr.

©Peter Rumpf, 24.12.2009 peter_rumpf_at@yahoo.de