Freitag, 28. Juni 2019

1403 Die Frau am Nebentisch schreibt


Ich stelle keine Schriften, ich lege sie aufs flache Papier; dabei lege ich sie nicht auf, sondern hin; das zur Klärung.

Die Frau am Nebentisch schreibt händisch wie ich, jedoch DinA4-Seiten voll, eine nach der anderen. Meine halb so große Notizbuchseite ist inklusive meinem heutigen Morgentext und den mehrzeiligen, durchgestrichenen Textversuchen von vorhin immer noch nicht voll. Aber es wird schon. Nur einholen werde ich sie nimmer können (sie schreibt und schreibt und schreibt …)

Ich weiß nichts mehr zu schreiben, darum schreibe ich jetzt: ich gehe heim! (Seite voll!) Nur so, damit die Seite voll ist und ich das vermelden kann. Kann sein, daß es im Universum aufregendere Texte gibt. Aber ich geh jetzt wirklich (ja, auch Gedanken und Worte, nicht nur Werke beinhalten Energie. Hier: zuerst der Gedanke, ich schreibe "ich gehe heim" hin, dann die Worte hingeschrieben, dann der Gedanke, ich könnte wirklich heimgehen, und jetzt die Tat: ich breche auf).









(28.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1402 Zweiäuglein


In der Morgendämmerung fällt mir nichts ein. Ich bin frisch und munter, gleich nach dem Aufwachen aufgestanden, aber nachdem ich eine Riesenportion Sechziggrädige in die Waschmaschine gestopft und dann gestartet habe, weiß ich nichts mehr zu tun. Ich warte so lange auf eine Eingebung, bis ich müde und schläfrig werde und mir die Äuglein (ich bin ein Zweiäuglein) zufallen.









(28.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 27. Juni 2019

1401 Kein Superweiser in der Hitze


Heimlich dirigiere ich unten beim Tageskinderoratorium mit. Von heroben. Im Bett Polster unterstützt einigermaßen aufgerichtet liegend verfolge ich das Geschehen – selber schwankend zwischen Traum und Wirklichkeit – und greife gedanklich und geistig ein: ich gebe da mehr Tempo, nun verlangsame ich, ich deute einer Gruppe an, sich deutlicher herauszuarbeiten und dann beruhige ich wieder das gesamte Orchester und fordere sie mit geistigen Gesten zur Zurückhaltung auf  (es ist ein Klangkörper, der eher zu ordentlicher Lautstärke neigt). Und nicht vergessen! - auch Gedanken sind Energie.

So vergeht der Vormittag. Die sichtbare Dirigentin in der Wirklichkeit unten ist natürlich meine Frau, aber ich bin der Überblicker, der Supervisor, der Episkopos. Ich bearbeite die und von der anderen Seite, die verborgene, die jenseits der Grenze der Vernunft (es ist ja auch verdammt heiß!) und die Gesamtschau von oben. Durchaus wirklich und eine anstrengende Arbeit!

Obwohl „Überblicker“ falsch ist, denn ich sehe nichts, ich höre nur. Überhörer, Superauditor, Epiakroates wäre richtiger, wiewohl des Hörens Ergebnis eine Art Bild ist (der Sehsinn ist so dominant!) Trotzdem: nicht „Bischof“, sondern „Pfiakraut“.

Nun will ich von oben die Dirigentin dirigieren (dabei falle ich immer seltener in Traumphasen): mach schneller! Hörst du nicht …! Aber sie ge-horcht nicht! Jetzt bin ich so munter, daß ich hungrig werde. Wahrscheinlich hatte ich meine überblickende oder überhörende Funktion weitgehend schon verloren, als ich hinuntergehe; auch das versuchte Antreiben der Dirigentin unten riecht mehr nach meinem eigenen Käse als nach Losgelöstheit (Ab-solutum). Unten grüßen mich die Kinder mit „Kaki Peter“ - Petrus: auf diesen Felsen will er seine Kirche bauen (na dann viel Glück!) - also übersetzt: sie scheißen auf den Epiakroates, den „Pfiakraut“ (auch wenn er sie jetzt sehen kann)! Ich bereite mein Frühstück und so vergeht die Mittagszeit.










(27.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 26. Juni 2019

1400 Eigenartige Frisur


Die Gipsbüste hält den Kopf nach vorne geneigt und das Gesicht beschämt zu Boden gerichtet und trägt auf dem Kopf eine eigenartige Frisur. Dabei weiß ich ganz genau, daß das, was ich für eine eigenartige Frisur halte, das nach oben gerichtete Gesicht ist, keck gen Himmel gereckt, von beschämt weit und breit keine Spur.

Das sind halt so Wahrnehmungstäuschungen, wie sie meinem propagierten Selbstbild entgegenkommen – oder hintennach folgen.

Ich kann das jederzeit abstellen.












(26.6.2019)












©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1399 Die große Trommel


Die große Trommel prackt ihren akurat-diszipliniert regelmäßigen Tonschlag trotz der übergroßen Hitze in den Raum. Kein erschöpftes Sich-Gehen-Lassen der elektromagnetischen (?) Tonträger.

Schwitzen ist angesagt und findet auch statt. Mein körperkühlungsbedingt unterversorgtes Gehirn schafft keinen Assoziationsstorm mehr; kann mein Wollen nicht begleitend unterstützen, somit bleibt meine Schreiberei hängen und findet nach Start und Einleitung nicht ins Offene, Freund.



(So bleiben nur ein paar matte, müde und halberte Anspielungen.)













(26.6.2019)












©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1398 Geschichtenerzähler


Aufgewacht vom frischen Duft aus dem Katzenkisterl – ich wohne gleich hinter dem Katzenklo – stehe ich auf, messe brav meinen Blutdruck – obwohl ich nicht weiß, ab welcher Größe die Werte wirklich bedenklich sind – und steige vom Klang des Morgenjournals geführt die Stiege hinunter, um meiner lieben Frau meinen Morgengruß zu entbieten.

Ich entschließe mich zur Neuerung, gleich jetzt eine Tasse Droge aus dem Kaffeeautomaten einzunehmen. Als ich dann wie zu erwarten zu reden beginne, merke ich: meine Liebe ist schon zu sehr im Arbeitsvorbereitungsstress (Vorkochen, Spielgeräte aufstellen usw.) und kann mir jetzt nicht – wie sie es an ihren freien Tagen tut – hingebungsvoll zuhören.
Ich bin ja eigentlich ein Geschichtenerzähler; in den alten Zeiten war das ein eigener Beruf, und in den ganz alten Zeiten, als das Wünschen (also Intendieren) noch geholfen hat, war das eine eigene Sparte der Zauberei.
Mir gehen halt meine mir bestimmten Auftritte als Zauberer-Geschichtenerzähler ab! Meine arme Familie mußte als Ersatzpublikum herhalten (und hat dafür so manche erstklassige Kabarettaufführung bekommen).

Was wollte ich eigentlich sagen? Wehe der Gesellschaft, wenn das Fehlen meiner Auftritte nicht meine Schuld ist! Denn ich bin ein genetischer Rückmelder!
Wenn ich mich bloß aus Eigendünkel so wichtig mache – dann keine Sorge! Dann fällt alles nur auf mich zurück.










(26.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1397 Besser nicht?


Meine Trauer scheint mich jetzt lieber abends zu besuchen (Abend des Tages - Abend des Lebens?), wiewohl „abends“ euphemistisch ist, wenn es zwei Uhr nachts ist.

Aber, liebe Trauer, du bist mir willkommen, dich mag ich.
Vielleicht schaffst du es einmal, mich zum Weinen zu bringen. Ich würde so gerne weinen, den ganzen Schmerz hinausheulen, einfach so, oder wie ein Wolf heult, oder als Gesang, als Tanz, oder mit Tränen alles hinausfließen lassen.




Oder besser nicht?









(25./26.6.2019)












©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 25. Juni 2019

1396 Nicht harmlos


Ist das harmlosere Landschaftsbild dort an meiner Wand gar nicht so harmlos? Von rechts treten oben ein lichtdurchfluteter Nebel ein und unten eine geballte Dunkelheit. Eine unidentifizierte Kraft bearbeitet die Landschaft, das ist deutlich zu sehen, und auch, wie sich die Landschaft aufbäumt – ob im Schmerz oder doch vor Lust kann ich nicht erkennen.

Die Amseln singen ihr sogenanntes Gotteslob, oder muß man es einen Kampfgesang nennen?

Das Morgenjournal dröhnt laut und unverständlich durch die Wohnung, eine geschickte Komposition aus Stimmen und Rhythmus, in die sich ein Pürierstab einmixt.












(25.6.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1395 Plötzlich aufgewacht


Plötzlich aufgewacht. Aufgestanden, Wasser gelassen und getrunken … – so genau wollten Sie es nicht wissen – aber das ist die Wirklichkeit.









(25.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1394 Keine Gegenübers


Ein klein wenig Trauer schleicht sich ein. Diese Abschiede. Hauptsächlich von falschen Hoffnungen.
Die Trauer wird immer stärker. Sie beginnt schon leicht zu schmerzen (sie fühlt sich wie Liebeskummer an. Das paßt auch, weil ich meine Schätze nicht anbringen konnte: keine Gegenübers, keine Abnehmer, keine Kunden). (Ich muß mich nicht wiederholen: „Heulen und Zähneknirschen“.)












(24./25.6.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 24. Juni 2019

1393 Unbekannte Sonne


Mit einem stummen, lautlosen Klick schaltet sich mein geliebtes Hafenbild auf doppelte Leuchtkraft – immerhin durch die wegschwebende Energie zweier Sterbender aufgeladen – wie gut, daß das Bild jetzt in meiner Kammer hängt – immerhin bin ich der Sohn der beiden – und wer, wenn nicht ich, ist für diese Energie zuständig? Bevor sie andere beeinflußt oder gar manipuliert.

(Oder ist überhaupt alles ganz anders?)

Jetzt seh ich zum ersten Mal eine Lichtexplosion im Bild – vielleicht hat die etwas mit einer zweiten, unbekannten, ganz weit entfernten Sonne zu tun, (denn die erste, die bekannte, scheint aus ganz anderer Richtung).












(24.6.2019)












©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 23. Juni 2019

1392 Ich will keinen Erfolg!


Die Musik ist zu laut, und das mir, der ich geübt bin, weil ich meine Ohren regelunmäßig mit MP3 trainiere; aber das hier ist Musik-Sado-Maso.
Einer bringt einer eine neue Abklatsche bei, da vorne an der Bar; ich schaue herum, ob mein liebes Weiblein schon daherkommt (oh! Wie würde sich mein Töchterchen empören, wenn sie gehört hätte, wie ich ihre Mutter anspreche! Aber sie liest das eh nicht). (Übrigens: einer - einer: auch nicht schlecht, gell?)

Ich komme immer mehr drauf, welch tolles Leben ich führe: meine Frau verdient das Geld und ist mit mir glücklich; sie macht das meiste im Haushalt und kümmert sich um jede Art von Bewegung – während ich nur wie eine fette Drohne herumliege, die wirklich große, weitläufige Wohnung voll meckere und alles und vor allem alle Restln fresse (die Flöte schrillt regelrecht in meinen Gehörgängen!).

Ja, eine große und so schön verwohnte Wohnung, daher mit Charakter, exzellente Lage. Gestern in der Früh beim Kaffee im Bett sind wir – mein Weiblein und ich, ihr Männlein - alles durchgegangen: was ich bei einem außerordentlichen Lottogewinn ändern würde, und ich bin draufgekommen, fast gar nichts. Ein paar kleine Reparaturen, eine gute Musikanlage, die in der Wohnung gelagerten Bilder alle in ein trockenes Lager, .. das wärs schon! Alles andere darf bleiben, wie es ist.

Eigentlich will ich auch keinen Erfolg – viel zu anstrengend, meine Ruhe wäre dahin. Nein! Genau so wie es ist, ist es gut.

Die Trommelfelle draußen im Lautsprecher gehen auf meine Trommelfelle innen los - alles kein Grund, irgendetwas zu bereuen!








(22.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1391 Ein wundertätiges Bild


Wie ein genesender Rekonvaleszent (hihi) liege ich in meinem lichtgedämpften, heute am Mitsommertag aber dennoch hellen Zimmer im Bett, betrachte staunend mein Hafenbild, das sich wieder anders zeigt, jedenfalls immer lichtdurchflutet, so sehr, als könnte es auch die größere Helligkeit im Raum verursacht haben. Ich entdecke neue, bisher verborgene Objekte im Bild: Nebel- oder Lichtenergieschwaden, und eine Pyramide, die sich jederzeit auflösen und verschwinden kann.










(21.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 18. Juni 2019

1390 Professor Sorbinak


Wie soll ich ihn nennen? Professor Serbiak oder Sorbinak? Zwar sind in seinem Namen weder das Volk der Serben, noch das der Sorben anwesend gewesen, aber doch ein anderes slawisches Volk.
Er war am Gymnasium einer meiner liebsten Lehrer – was immer die mitunter recht widersprüchlichen und leicht verrückten Gründe für Sympathien eines pubertierenden Schülers für seine Lehrer oder Lehrerinnen sein können – apropos Lehrerin: eine Professorin hat mir so  gut gefallen – und das hier ist einfacher und verständlicher – daß ich sie genau angeschaut habe, so gut es halbwegs unauffällig ging, ihre Kleidung, ihre Bewegungen, Gesten usw., ob sich irgendetwas abzeichnete etcetera etcetera … etcetera. Und dann ging ich soweit, daß ich in meinem Schulheft, in das wir ihren Vortrag mitschreiben oder in Stichworten notieren mußten – auf einer Seite einzelne Buchstaben zu Hause dann so verstärkt und damit dicker und dunkler hervorgehoben habe, daß alle die so markierten Buchstaben zusammengefügt und zusammengelesen „ich liebe Sie“ ergaben. Dieses Spiel betrieb ich auf mehreren Seiten – also jede so markierte Seite ein eigener „Liebesbrief“ mit derselben Botschaft, bis dann eine Schulheftkontrolle drohte, denn dann bekam ich es mit der Angst zu tun und habe schnell noch weitere Buchstaben nach der gleichen Methode, aber wahllos „markiert“, um das „ich liebe Sie“ unkenntlich zu machen und in einer sinnlosen Buchstabenreihe aufzulösen. Der Erfolg war, daß dann mein Heft der ganzen Klasse als Beispiel eines scheußlichen – wie sage ich? - Layouts präsentiert wurde, mit dem geschimpften Kommentar: „ So eine Schmiererei muß nicht sein!“ - „Hast du eine Ahnung“ würde ich heute als Damaliger sagen, aber zurück zu Professor Sorbinak – ich muß ja auch meine Ablenkungsmanöver nicht übertreiben.

Professor Sorbinak war ein Gymnasiallehrer fast der alten Schule: streng, korrekt – auch in seiner Kleidung – nie ohne Sakko, und als einmal eine besonders große Hitze herrschte, frage er zuerst die anwesenden Schülerinnen, ob es sie störe, wenn er sein Sakko ausziehe – er wirkte unbestechlich, sehr diszipliniert, beherrscht, rational, ein leidenschaftlicher Lateiner und Anhänger der klassischen humanistischen Schule und Bildung, ich vermutete immer, sehr kulturkonservativ etcetera. „Fast“, weil ich doch immer wieder den Eindruck hatte, er spielt das bloß, zumindest wie einer, der weiß, daß seine Anliegen und seine Welt schon aus der Zeit gefallen sind oder zu fallen drohen und deswegen seinen „Glauben“ hinsichtlich dessen Wirkung nach außen und auf die Gesellschaft schon ein wenig fallen gelassen hat und eher nur mehr „privat“ beibehielt.
Und er war ein grandioser Schauspieler: als wir als Klasse ihn einmal mit vielen schlechten Noten auf eine Schularbeit (oder war es war anderes?) schwer „beleidigt“ hatten, spielte er auf ganz streng und unerbittlich. Wenn er die Tür zur Klasse öffnete, um zum Unterricht hereinzukommen, aber noch mit einem Kollegen, einer Kollegin draußen am Gang redete, konnten wir sehen, wie er noch lachte, aber in dem Moment, in dem er sich der Klasse zuwandte um einzutreten, verfinsterte sich seine Miene plötzlich, sein Gesicht wurde unbewegt und starr, er selbst streng, keine Scherze mehr, kein Smalltalk, kein Lehrer-Schüler-vorallem-Innen-Geplänkel (die Mädchen in den ersten Reihen waren Spezialistinnen, vor allem die männlichen Lehrer abzulenken, über Fragen in Gespräche und abschweifende Erklärungen zu verwickeln und somit Zeit zu schinden), nur der strenge, pure Unterricht, die Hefte, die zurückgegeben wurden, wurden den ÜbeltäterInnen aus mehreren Metern Entfernung auf die Schulbank geschleudert, gespickt mit vernichtenden, akustischen Kommentaren („blühender Blödsinn“, eine seiner Lieblingsredewendungen war noch das Zärtlichste) – alles ohne mit der Wimper zu zucken.
Aber wie gesagt, man spürte, er spielt das mit Genuß, nimmt es jedoch nicht ganz ernst: er spielte eine Rolle.

Ich liebte ihn, immerhin verdankte ich ihm den Hinweis auf die Etymologie, eine meiner Leidenschaften bis heute. Vor Professor Sorbinak war mir die Tatsache, daß Wörter eine Geschichte haben und daß diese sehr interessant sein kann noch nicht voll aufgegangen – das kann auch mit meinem Alter und meine geistige Entwicklung zusammenhängen.
Das kam so: Professor Sorbinak leitete so nebenbei und über den eigentlichen Lehrgegenstand hinausschießend irgendein Wort ab – für mich eröffnete sich damit eine ganz neue Welt: die Sprache nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern als Darstellung unserer Wirklichkeit – und ich begann regelrecht zu staunen, denn dies wäre mein Zugang zu Sprache gewesen – da machte Professor Sorbinak jedoch eine wegwerfende Handbewegung und sagt: „aber das interessiert euch eh nicht!“ und brach seinen etymologischen Vortrag ab (und mir klappte – im übertragenen Sinn – der zuerst vor Erstaunen offene Mund wieder zu und ich ließ mich – wieder im übertragenen Sinn – von seiner wegwerfenden Geste mit-wegwerfen. Schade! Für mich als extrem schüchternen Menschen war die Sprache als Kommunikation eher schwerst angstbesetzt – ich erinnere mich an einen Dialog im Englischbuch: Pat spricht was weiß ich wo ein Mädchen an – das nachsprechen zu müssen oder mich da nur hineinzudenken: vor lauter Verlegenheit ein Gräuel für mich! - aber Sprache als Darstellung und wie ich viel später lernte: als (Mit-)Konstrukteur der Wirklichkeit (Berger/Luckmann) – das war ein Forschungsbereich wie für mich geschaffen! Den konnte ich jedoch nur mehr als Dilettant in laienhafter Manier beackern, nicht als Studierter.)
(Nebenbei gesagt: weil ich beim Aufstehen und Herumgehen unabsichtlich immer an die schräg gestellten Füße der Kaffeetischchen hier in der Espressobar Paim stoße: könnte man nicht auch Schuhe mit Sensoren erfinden, so wie die Einparkhilfen bei Autos? Oder – weil die Kaffeetischbeine aus jeweils vier dünnen Metallstäben bestehen: vielleicht könnte man diese so bauen und stimmen, daß sie beim Anstoßen einen schönen, saitenartigen Klang erzeugen? Das nur so nebenbei.)

Professor Sorbinak – wir hatten ihn auch als Sublierer in Deutsch, als unsere Deutschprofessorin länger krank war – vertrat also ein eher konservatives Weltbild – soweit ich es mitbekommen hatte. Einmal hatte ich auch den Verdacht, er könnte national und antisemitisch (das wäre etwas anderes als einfach konservativ, besonders bei uns in Österreich) sein, weil er kritisierte, daß Heine, der sich als Deutscher gebe, die Idee eines deutschen Nationalstaates kritisiere, beziehungsweise diese Idee für ihn nicht sakrosankt sei, während Kishon die eines jüdischen Nationalstaates nicht kritisiere und sich nie darüber lustig mache. Mir kam damals schon diese „Kritik“ als ziemlich an den Haaren herbeigezogen und willkürlich vor, also nicht rational, also von Ressentiments getragen.
Ich weiß bis heute nicht, ob ich damals alles richtig mitbekommen oder überinterpretiert habe – jedenfalls wäre er damit nicht der einzige unter den Professoren unseres Gymnasiums mit solchen Anwandlungen gewesen, aber ich möchte niemandem Falsches unterstellen. Jedenfalls mir kamen solche Gedanken und Assoziationen und die machten mich – obwohl selber noch unausgegoren und voller innerer Widersprüche, geistig ungefestigt und schwankend – mißtrauisch.

Ein andermal lasen wir im Lateinunterricht ein Liebesgedicht von Catull an einen Mann. Und Professor Sorbinak sprach dazu über die Dekadenz der damaligen Zeit und daß sie jetzt wieder aufkomme – es gab damals die ersten Anläufe, das bestehende Verbot der Homosexualität und deren Kriminalisierung aufzuheben, was er auch ansprach als Beispiel für die jetzt bei uns umsichgreifende Dekadenz.
Und doch kam mir in der ganzen Szene etwas komisch vor: irgendetwas am Sound, am Tempo, an Ausdruck und Klang seiner Stimme ließ mit alle Sensoren und Antennen ausfahren. Und er hört mit dem Thema nicht auf; er verbleibt auffällig lange dabei und so kam mir der Verdacht, er habe selbst etwas mit Homosexualität am Hut (was damals noch strafrechtlich verfolgt werden konnte). Er war zwar verheiratet und der Widerspruch zwischen offizieller Stellungnahme und heimliche Anziehung wäre für die damalige Zeit (und für viele Fundamentalisten bis heute) nicht gerade untypisch.
Für mich damals reichte dieser mein Verdacht – warum tut er mit dem Thema so lange herum? Sonst ist er mit seinen Nebenthemen schneller fertig – zu einem ordentlichen Schock. Der Professor, den ich gern habe, könnte schwul sein? Da ich mir jedoch nicht sicher war, beließ ich es damit und allmählich vergaß ich die Szene.

Dann waren wir einmal als Klasse in der Stadt – ich weiß nicht mehr ob Theater oder Oper – eine Reise mit Übernachtung. In der Klasse gab es auch Schüler mit Ehrenrunden und einer war zwei Jahre älter als die meisten von uns. Der war körperlich schon männlich, mit starkem Bartwuchs. Nach der Morgentoilette mit rasieren für uns Burschen (Mädchen rasierten sich damals noch nicht) plauderte Professor Sorbinak mit diesem Schüler – so weit ich es richtig mitbekommen habe und mich richtig erinnere: darüber, daß dieser schlecht rasiert sei – aber nicht als kritisierender Lehrer, sondern mehr als Geplauder – jedenfalls antwortete der Schüler, er könne sich nicht besser rasieren, es werde einfach nicht besser, die Bartstoppel unterm Kinn bekomme er einfach nicht weg. Professor Sorbinak fragte den Schüler, ob er es probieren dürfe und versuchte, ihm die Bartstoppel wegzurasieren, was  - glaube ich – nicht gelang. Ich schaue zu und mir wird ganz mulmig, wie ich sie so beieinander stehen sehe und wie der Professor den Schüler im Gesicht berührt, die Haut glatt spannt – alles, was ein Friseur beim Rasieren auch täte, aber ich bekomme ein komisches Gefühl und mir bleibt fast das Herz stehen: mein Verdacht aus der Catull-Szene fällt mir wieder ein und ich sehe mich bestätigt: Professor Sorbinak ist heimlich schwul. Ein voller Schock für mich damals! Ich hatte in diesem Moment keinen Zweifel mehr und war völlig irritiert: Also doch!

Lange hatte ich dann mit mir gerungen. Ich denke nicht, daß diese innere Auseinandersetzung  mehrere Tage gedauert hat, möglicherweise nicht einmal Stunden. Dann habe ich eine Entscheidung getroffen: ich stehe trotzdem dazu, daß ich Professor Sorbinak mag. Das war für mich damals regelrecht eine mir und meinem damaligen Weltbild mühsam abgerungene Richtungsentscheidung.

Diese Richtungsentscheidung habe ich beibehalten, als ich in Graz studiert habe und immer mehr psychologische, politische, emanzipatorische Literatur gelesen habe, war es für mich klar, daß ich Homosexualität moralisch nicht verurteilen brauche, ich habe mich auch tapfer gefragt, ob auch ich homosexuelle Anteile in mir trage und so weiter. Erst in der Zeit der döbranitischen Gefangenschaft und des daraus angestoßenen Versuchs, zur katholischen Kirche zurückzukommen, meinte ich, die Homosexualität wieder – wie ich es in meiner Fünfzigerjahrewelt mitbekommen hatte – verurteilen zu müssen.

Viele Jahre später, beim letzten Klassentreffen vor ein paar Jahren, habe ich einer Schulkollegin diese Geschichte erzählt – überzeugt davon, mit meiner Wahrnehmung recht zu haben – und sie hat ganz erschrocken erwidert: „zerstör mir nicht mein Bild von Professor Sorbinak!“ Ich war sogleich selber erschrocken – ich will ja niemandem seine/ihre Bilder zerstören – immer noch in der Meinung, mich nicht getäuscht zu haben – und habe gleich alles auf mich genommen: „Entschuldige! Vielleicht ist das eine Projektion meinerseits; schließlich wurde ich ja als Kind mißbraucht – vielleicht sehe deswegen überall Homosexualität.“

Und heute? Heute bin ich mir gar nicht mehr sicher! Alles ist möglich! Ich weiß nicht, was Wahrnehmung, was Projektion ist.

Nachzutragen wäre noch, daß ich beim vorletzten Klassentreffen ein paar Jahre früher meine bemerkt zu haben, daß mich einige der KlassenkollegInnen für schwul gehalten hatten. Das wäre nichts Neues, das haben auch meine Eltern, Kollegen in Jobs und so weiter, einem schüchternen Mann passieren solche Zuordnungen recht leicht. (Vor der döbranitischen Gefangenschaft haben mich solche Verdächtigungen bloß amüsiert.) Aber auch da gilt die Frage: wenn ich so einen „Verdacht“ wahrzunehmen glaube – was daran ist Wahrnehmung, was Projektion?









(18.6.2019)










 ©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Montag, 17. Juni 2019

1389 Verdammte Scheiße!


Wellen laufen durch meine Wahrnehmung, Zuckungen des Gesichtsfeldes und kleine, punktuelle Explosionen darin; das Surren in hoch-Stimmung.

Ich stehe auf und steige vorsichtig die Stufen hinunter – in meinem zögerlichen, ängstlichen, körperlichkeitsblöden Gang kann ich meine Mutter hören und erkennen – offensichtlich hat sie die falsche Ewigkeit gewählt – hinunter, um meiner Frau den Morgengruß zu entbieten.
Dann steige ich wieder die Treppen hinauf um mich völlig Morgen- und Heuteuntauglichen wieder ins Bett zu legen. Mein Bett: mein Boot für die Reise durchs Universum: hier fühle ich mich einigermaßen sicher, jedenfalls wohl.

Warum rührt sich nichts von meinen Vorfahren her? Ich kämpfe darum, den ganzen Mist ihrer Verlassenschaft aufzuräumen – für irgendwas anderes habe ich gar keine Energie übrig – und von ihnen kommt keine Unterstützung! Zumindest keine nennenswerte, so genau weiß ich das freilich nicht; leicht möglich, daß ich sie nicht mitbekomme. Aber es kann doch nicht so schwer sein für diese Existenzen, mir zu erscheinen – und wenn es im Traum ist – und mir zu sagen: „ja, lieber Peter, wir nehmen deinen Kampf wahr und werden ihn unterstützen und begleiten. Schließlich erlöst du ja, wenn dein Kampf siegreich ist, auch uns mit. Danke, daß du auch für uns diese deine schwere Aufgabe übernommen hast. Wir nehmen dich wahr und stehen unterstützend hinter dir.“ Das kann doch wirklich nicht so schwer sein! Oder seid ihr dort, wo ihr jetzt seid, in eurer Bewegungsfreiheit so stark eingeschränkt? Auweh, da denk ich mir meinen Teil! Dann seits ihr aber ins schwarze Loch geraten, habt euch lieber dort hineinziehen lassen, als euch der Wahrheit eures Lebens zu stellen? Aber alle? Irgendwen muß es doch geben, der mich wohlwollend unterstützen kann. Und eure Schutzengel? die können doch nicht in der Hölle braten – schickt die zu mir und erklärt euch! Bitte vor den Vorhang und deutlich artikulieren! – ich habe genug von den verborgenen und indirekten und unverständlichen Hinweisen. Oder seid ihr Schutzengel jetzt auch gefallene Engel und kommt nur um mich zu sekkieren?

Und der bajuwarische Affenarsch!: von dir will ich alle meine finanziellen Opfer zurück!: nicht nur das Geld, das ich für deine beschissene Beratung ausgegeben habe, sondern auch das für die Zugkarte Wien – München und retour (!), für die Seminare plus Reisekosten und Übernachtung, das für die unzähligen Laufzettel, und auch das für die Homöopathie, auch wenn das die Kaiserkrone erhalten hat – ich will es von dir zurück! - und ein ordentliches, kräftiges, reichliches, angemessenes Schmerzensgeld inklusive Verdienstentgang durch drei Jahrzehnte energetische Gefangenschaft und Blockade.

Dann kämen dazu: meine Mißbraucher, die Lehrer und ähnliche, die mich eingeschüchtert und meine Entfaltung vor meinem Aufblühen schon zerstört haben und und und und … .

Von diesem meinem Reichtum ziehen wir dann die Kosten für die Entschädigungszahlungen ab, die ich leisten werde müssen und leisten will, und dann bleibt noch genug übrig, daß ich bis zu meinem Lebensende ohne Not und angenehm auskommen kann.

(Gut! Wenn ich jetzt aber auch die sogenannte dritte Welt miteinrechne, wegen deren Elend wir hier im Wohlstand leben, dann … verdammte Scheiße!)










(17.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



Sonntag, 16. Juni 2019

1388 Zuerst auf der Haut


Zuerst landet sie auf der Haut. Wenn ich nicht zufällig hingeschaut hätte, hätte ich sie gar nicht bemerkt, die Gelse. Ich habe sie machen lassen und zugeschaut, wie ihr Körper größer und dunkler wurde. Erst eine Minute, nachdem sie still abgerauscht ist (ein Widerspruch in sich. … Ach was!), beginnt die Einstichstelle anzuschwellen und zu jucken. Also, die Theorie, daß sie ihr Gift wieder einsaugt, wenn man sie bei ihrem Überlebenswerk nicht stört und ihr Tun zu Ende führen läßt, stimmt mindestens nicht ganz. Dient das Gift ausschließlich der lokalen Betäubung?

Ein überraschender und völlig unangebrachter Hustenanfall bringt mich auf die Idee, gleich früh zu stücken. Aufgestanden bin ich, um nach zwei Kaffees zur Stabilisierung des Kreislaufs meine Tochter für die Mündliche zu segnen, was sie eher abgelehnt denn angenommen hat – soweit ich es als befangener Teil des Systems überhaupt richtig wahrnehmen konnte.

So sitze ich gegen meine Gewohnheiten um acht Uhr am Küchentisch und überlege, ob ich mir denn mit dem großartigen Kaffeeautomaten meiner Frau eine dritte Tasse runterlassen soll (ich wollte schon „runterholen“ schreiben!), oder ob ich doch lieber meinen sorgsam verbitterten Frühstückstee zubereiten will.










(14.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1387 Was ich keinesfalls schreiben wollte


Was ich keinesfalls schreiben wollte und schon gar nicht veröffentlichen: früher hat mich Hitze geil gemacht; jetzt macht sie mich nur mehr fertig!









(13./14./16.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1386 Voulez vous


Nebenan am Tisch wird richtige Kultur und Kulturpolitik gemacht – ich versuche nur zu texten.
Der Kapitän, der mit seinem sinkenden Schiff untergeht, ist eindeutig ein männliches Konzept.
Für eine Vertiefung des Themas ist mir eindeutig zu heiß, noch dazu, wo aus dem Lautsprecher eine weibliche Stimme singt. „Voulez vous …“ - was dann folgt, habe ich verpasst. Jetzt klimpert das Klavier endlos und anscheinend unaufhörlich und die Dame singt nicht mehr.
Nun übernimmt der Trompeter und bläst sich durchs Stück.
Jetzt klopfen Schlagzeug und Percussion herum – das „voulez vous“ ist längst verweht.
Dann das Saxophon.

Ich denke, ich geh lieber; leg mich daheim aufs Bett und lese.








(13.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1385 In der Hitze der Nacht


In der Hitze der Nacht denke ich an so einen Kakerlakenfilm, den ich – sagen wir – mit zwanzig gesehen habe, wo irgendwelche deutsche Männer (Soldaten?) in Griechenland in der Hitze warten und zunehmend zermürbt werden. Alles andere habe ich vergessen. Und es kommen Kakerlaken vor. (Ich habe nachgeforscht: es muß Werner Herzogs „Lebenszeichen“, 1968, sein.) (Ich weiß, ich weiß, auch den Titel habe ich von einem Film mit Sidney Poitier gestohlen!)









12./13./16.6.2019













©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 12. Juni 2019

1384 Einunddreißig Grad


Ich entferne wieder ein Preis- respektive Identifizierungscodepickerl vom Pilotschreiber -  offensichtlich meine neue Leidenschaft – während Blues aus den Lautsprechern schön jault und schön jammert.

Heiß ist es, ich ziehe meine ärmellose Jacke aus, die für meinen Reisepass, mein Vermögen und meine eingenähten Perlen (hihihi), den Kugelschreibern, MPdreis, Brillen, die ganze Kartei (Bankomat- Sozialversicherungs- etc etc).

Die ins Schwüle und Föhnige kippende Hitze macht mir Herz und Hirn dumm: beim Einkaufen konnt ich nicht mit der Karte bezahlen, weil mir der Code entfallen war, um dann vorm Geschäft wieder aufzutauchen; Herz: weil mir nichts mehr ein- und kein Gefühl auffällt.









(12.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1383 Es kleschen die Türen


Eine Erdbeere ist mir aus dem Mund gefallen; und als ich sie blitzschnell auffangen will, stelle ich fest: ich bin erwacht.
Lange schon brüte ich über einen neuen Text, genauer: über seinen Anfang.
Ich kann mich nicht erpressen lassen, ich habe doch kein Geld.
Was der Geträumte noch hat: Zierpölster.
Es kleschen die Türen (London Calling und Riders on the Storm).
Der Geträumte hat auch Toilettenpapier: zwei Rollen, weiß und rosa, obwohl der Träumer kein rosa mag.
Ach egal! Ich lege den Griffel weg, ob ich dann aufstehe oder einschlafe.

Vom eigenen Schnarchen wache ich auf.
Die Katze putzt meine linke Hand; hoffentlich schmirgelt sie mir nicht meine Tätowierung herunter!
Es erstaunt mich … vergessen!
Ich versuche, den Stift in meiner linken Hand festzuhalten, weil er mir entgleitet, bis ich merke: in der linken halte ich gar nichts, der Stift ist nur geträumt (mir ist auch nicht aufgefallen, daß ich ja immer rechts schreibe) (obwohl ich eigentlich Linkshänder bin).
Ich schieße mit einem Gewehr aus meinem geträumten Haus bei Großenzersdorf – es steht nahe am Großenzersdorfer Wasser – beim Fenster hinaus. Auf wen oder was weiß ich nicht mehr (wenn ich es jemals gewußt habe).

Ein Geräusch an meiner Tür schreckt mich auf.

Indem ich meine Zehen bewege, bewege ich Berge von Wäsche!










(12.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1382 Schübe


Große Hitze, auch in der Nacht. Im Surren und an der Oberfläche meines Kopfes – mit ein wenig Abstand zur Haut – passieren schon den ganzen Tag so ruckartige Schübe; irgendwie höre ich sie, aber ich fühle sie auch. Ein schlichtes, einmaliges Zucken im körpernahen Wahrnehmungsfeld, das sich aber von Zeit zu Zeit wiederholt.
Solche Sachen schrecken mich nicht; ich finde sie interessant.










(11./12.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1381 Photoshoppen


Mein - ich weiß nicht ob alzheimer- oder demenz- oder was-auch-immer-vernebeltes Gehirn sucht seit Stunden den Namen eines österreichischen Schriftstellers und er will mir nicht und nicht einfallen. Ich weiß genau, wen ich meine; ich kann mir sein Gesicht vergegenwärtigen und seine Gestalt; einmal vor ein paar Jahren hat er mich bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße angesprochen, daß ich mir mit meinem MP3-Ohrenstöpseln mein Gehör verderbe. Ich weiß nicht, ob er mich damals erkannt hat und noch gewußt hat, wer ich bin – jedenfalls ist mir nichts rechtes zu kontern eingefallen und auch sein Name war mir damals wie jetzt nicht zugänglich – was auch meinen Kampfgeist geschwächt hat (man geniert sich ja, wenn einem der Name des Gegenüber nicht einfällt). Aber wie auch immer: Jahre später kann ich noch damit beschäftigt sein und versuchen, diese Szene in meiner Phantasie zu bearbeiten und sozusagen photo zu shoppen.

Ich hätte ihm sagen können: Geh, du hessistischer Almöhi, was hast du mir zu sagen; auf der Alm oben brauch ich auch keinen MP3-Player, aber, du geschorener Bergkrauderer, rennst herum als anerkannter Schriftsteller, ich als nichts – also kannst du mir nichts sagen. Ich weiß, wer du bist: du hast mit dem F.B. eine Berghütte gestaltet und ihr habt damit Aufsehen erregt; also Tschüss! (Das „Tschüss“ wird ihn als renommierten Schriftsteller auch provozieren.) Lieber lausche ich meiner Musik als deinen intellektuellen Almdodelweisheiten – kopflastig, und nicht am Boden der Erde, finster, nicht erhellt, überheblich und weder demütig noch inspiriert hast du dich in der modernen Langeweile mit antirustikal-rustikalem Touch als soziales Nischenprodukt eingerichtet.

Alles okay und schön und gut, aber mich braucht es nicht interessieren. Ich schöpfe aus größerer Tiefe und bleibe ungeschützt und verletzlich dabei. Allein schon dein Gang!: „hoch vom Berge, da komme ich her, ich muß euch sagen, ich bin schon wer!“ (Während ich immer noch mein Auto suche!)

(„Neidig?“ „Neidig? I? Na!“ „Waßt, wie und von wos der lebt?“ „Hhhmm-na!“ „Oba du host vo eam scho wos glesn!?“ „Glesn? … Nnnnnaaa....“ „Kummt da des nit a wengerl so vor wia bei de blaunen Wähler? Feindbüd finden und dann drauflosprojeziean?“ „Manst? … oba i bin nix, oiso dearf i ois! … najo … kennt schon was draun sein ...“ „Jo und wia kummst do jetzan wieda aussa?“ „Nojo, i schreib hoid no wos dazua … so an dialog hoid … solaung i wos schreibm kan, kum i aus oim aussa!“)











(11./12.6.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1380 Schlafsand


Aus dem Nordseefelsdorfbauernhoffamilienurlaubtraum heraus versuche ich das aufzuschreiben, die Augen verklebt, und wie ich sie auswischen will, habe ich den Schlafsand tiefer in die Augen geschoben. Unter Tränen (endlich!) notiere ich den Vorgang, unterbrochen von meinen vergeblichen  Bemühungen, die Augen frei zu bekommen, in denen der Schlafsand kratzt.

Dann reißt mich ein döbranitischer Traum mit unglaublicher Macht in die Tiefe, chancenlos dagegen wach zu bleiben, meine Seele ist offensichtlich mit diesem Kerl noch nicht fertig. Aber: wir schaffen das!

Aus diesem Traum kämpfe ich mich stundenlang heraus in eine wenigstens halbwegs stabile Wachheit. Die Stärke meiner seelisch-körperlichen Lähmung steigt und fällt wie der Wasserspiegel eines Teiches in Zeitraffer.
Ich stelle meine heutigen Vorhaben vor mein inneres Auge um meinen Willen zum Aufstehen zu stärken. Die Tageskinder unten helfen mir mit ihren lauten, enthusiastischen, lebensvollen Spielen auch dabei; unabsichtlich, sozusagen eine Kollateralhilfe.

Ich muß mir nur einen Ruck geben um aufzukommen; bin jedesmal knapp dran, bevor der Impuls doch wieder erlischt.

Der Wasserspiegel des Traumteichs steigt wieder, sobald ich zögere. Ich probiere, mich in die Wachheit zu schreiben. Andauernd fallen mir die Augen zu.









(11.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 10. Juni 2019

1379 Heute Nacht hat ein Hund gebellt


Traurig ist die Fensterbank ohne Blumenkistl, das ich weggeben mußte. Aber heute Nacht hat ein Hund gebellt, als wäre er ein Mensch, der wie ein Hund bellen will – er hat wirklich „wau, wau“ gerufen.
Vielleicht ein junger Zauberer, der sich in einen Hund verwandelt hat? Noch ein wenig ungeübt, seine Energiestruktur total von Mensch auf Hund umzumodeln (sobald man oder frau akzepiert hat, daß alles beformte Energie ist, auch man oder frau selbst, ist alles möglich).

Eine Trompete bläst in diesem Irrsinn beherrscht, unabgelenkt, solide, fest ihren kurzen Part. Ähnlich beherrscht, solide, unabgelenkt aber zarter singt die kurz in den Vordergrund gestellte Backstagesängerin ihr „Aaaaaaaaaaaah!“.

Ich gebe jetzt kalten Tee in die Blumentöpfe, um die Blattläuse zu vertreiben.

Momentan nervt mich sogar meine Lieblingsmusik – das ist ganz ungewöhnlich – aber ich drehe nicht ab: da muß man durch! („Jenseits von gut und böse, da gibt es einen Ort, da treffen wir uns“ Rumi; aus dem Gedächtnis zitiert)

In einer kleinen Ecke der Oberlichte des verwachsenen Fensters sehe ich den Wind die Bäume wiegen und kaum die Wolken treiben. Die scheinen sich mehr von innen heraus und ganz langsam zu verändern, obwohl sie dann sehr schnell ganz anders ausschauen. Blicke ich jedoch genau und starr hin, erkenne ich fast keine Veränderung oder Bewegung.
Nun habe ich die Lieblingsmusik leiser gedreht.

Jetzt erst, wo der Kugelschreiber fast leer geschrieben ist, entferne ich das lästige Preispickerl; es ist optisch und haptisch lästig.

Die unbewegten Wolken sind wieder ganz anders; ist da draußen etwas föhnartiges? Das Preisschildchen habe ich nun eingerollt auf meinem Zeigefinger kleben.
Ich drehe die Lieblingsmusik noch leiser und gebe das lästige Klebepapierchen in den Mist, indem ich es an der Innenseite des Restmüllmistsackes anpicke.

Ich unterbreche und räume den Geschirrspüler mit dem Frühstücksgeschirr ein und setze ihn in Gang. Die leise Lieblingsmusik hat jetzt die genau richtige Raumergreifung und die Drehungen der Spülvorrichtung im Geschirrspüler hat den genau richtigen Rhythmus dazu.








(10.6.2019)



©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 9. Juni 2019

1378 Als voller Angeber


Als voller Angeber nehme ich die Tablette aus der soeben aus der Apotheke geholten neuen Packung mitten in der Espressobar Paim ein. „Mitten“ ist geographisch nicht korrekt, denn ich sitze mit dem Rücken zur Wand und mit meiner rechten Seite am Fenster und alle anderen Gäste sitzen draußen im Schanigarten (wäre da nicht ein neues Wort möglich – diese mindestens leicht abwertend anklingenden Begriffe des goldenen Wienerherzens – a hetz muaß sei – habe ich über: wie wäre es mit „Johannesgarten“? Klingt doch gleich besser!) … alle anderen Gäste sitzen draußen im Johannesgarten – trotzdem: womit gebe ich an? - wenn auch nur vor mir, der Luft, den Pflanzen im Lokal und dem Universum – denn die Chefin des Paim war im Johannesgarten, als ich die Tablette eingeworfen habe. Also: womit gebe ich an, wenn ich in der Öffentlichkeit – das ist sie auch ohne Publikum, behaupte ich einmal – eine Tablette einnehme? Mit „Krankheit“? (nur wegen dem bißerl Prostata?) Oder: sehet her! Mein --------zensuriert-zensuriert-zensuriert-zensuriert-zensuriert-zensuriert-zen-su-riert-------- - ich bin so arm! Universum, mach was!?

Die dort werden mir was pfeifen! Wenn ich nur denke, wieviel Ameisen gerade zertreten werden (von Mensch, Tier, Auto, an- und aus- oder überhaupt rollenden Flugzeugen und und und), wieviele Viren – auch sie sind Geschöpfe Gottes und haben Bewußtsein und Empfinden – gerade vernichtet werden oder um ihr Überleben kämpfen, oder wie viele Sterne gerade ex- in- ur- oder überhaupt plodieren!
Nein, es gibt da oben kein Erbarmen mit meiner Prostata! Eher kann ich mir noch weithin schallendes Gelächter vorstellen – was mir gar nicht so unsympathisch wäre und ich mir sogar als Erfolg abzubuchen trauen täte, wenn, ja wenn nur keine Menschen mitlachen!
Who knows!










(7./9.6.2019)














 ©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 7. Juni 2019

1377 Das Bild hinter der Kamera


Während sich unten im Lichtschacht eine Frau die Seele aus ihrem vermutlich schönen Leib kotzt vel hustet, schwelge ich in schönen Halbschlafgedanken. Erstens einmal freut es mich, daß ich schon in den Träumen Sätze formuliere - und ich hatte wunderbare solche geformt. Es gab auch zwei Varianten mit Zeichnungen, und zwar eine mit puren Zeichnungen und eine mit Zeichnungen plus Text.

Ich habe alles gesehen – die waren recht gut ausgearbeitet. Glauben Sie mir!

Geblieben ist nur: „Das Bild hinter der Kamera ist nicht das Ziel“ - aber es hat auch die genau umgekehrte Perspektive gegeben. Und bei den Zeichnungen spielten – ein allgemein sehr stark verankertes Muster – Gläser – Weingläser mit Stiel – soweit ich mich erinnern kann: leere - eine große Rolle.

Und wie gesagt auch: „Das Bild vor der Kamera ist nicht der Zweck des Photographierens, sondern das Bild hinter der Kamera!“










(7.6.2019)












©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1376 „In Suhle Baden“


Schnell habe ich den Boden unter den Füßen verloren und mein Kartenhaus fällt zusammen. Das Kartenhaus, das meine Person darstellen sollte. Zusammengefallen mit allem Pi Pa Po inklusive Selbstmordphantasien - die mich noch nie erschreckt haben und deren erpresserischer Charakter – recht geschieht dir, daß mir kalt ist in den Fingern: warum strickst du mir keine Handschuh! - mir schon lange bewußt ist, wie auch der Zusammenhang mit im wahrsten Sinnes des Wortes infantiler, selbstmitleidiger Suhlerei („In Suhle Baden“ - Hit von den „Robbes“) – also mit allem Pi Pa Po, aber frei von der Maske bin ich auch nicht – also, was ist da los? Meine Maske ist das einstürzende Kartenhaus? „Einstürzende Altbauten“ sozusagen? (Weiter, als mir vor Jahrzehnten im „Ring“, schräg gegenüber der Angewandten, am Unterarm eine Zigarette langsam und genüsslich auszudämpfen, habe ich es nie gebracht.)











(6./7.6.2019)











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Donnerstag, 6. Juni 2019

1375 Im Ausgedinge


Plötzlich die elegische Stunde (die Musik war es!). Eingefallen ist mir eine Überschrift für meine Schreiberei: Ausgedingeliteratur. Sperrig, ja, viel zu sperrig dieser Titel um sich durchzusetzen, aber meinen Leserinnen kann ich das zumuten.

Mit der Ironie, daß ich erst in meinem Ausgedinge, da ich alle Hoffnung, fast alle Hoffnung fahren ließ wie äh … nein. Also: daß ich da erst über mein Leben im lebenslangen Ausgedinge schreibe. Jetzt, wo es zu spät ist, jetzt, wo ich nichts mehr erreichen, nur mehr zuschauen und beschreiben will.









(6.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1374 Ordination 2


Vor der Ordination 2 – so steht es an der Tür. Es geht um nichts wirklich wichtiges. Die Musik aus den Lautsprechern ist nicht ungut. Unruhig ist es hier trotzdem. Gottseidank ist der „Fernseher“ aus. Ich meine damit die Bildschirme in den Wartezimmern, wo meistens die depperten, verhassten Gesundheitseuphorie- und Krankheitswarnungstipps plus infantiler Kinderbelästigungscomics laufen.

Damit verraten sie, was sie von uns Patienten halten: wir sind inkompetente, autoritätsgläubige Trottel, die erzogen werden müssen. Bei mir stimmt's: ich lasse mir alles gefallen und alles einreden, mache alle Maßnahmen ohne aufzubegehren mit und schlucke brav die Tabletten und alles andere.  … (Acht Zeilen zensuriert: nur soviel: als ich um meine Low-Budget-Existenz ein wenig mittels Plasmaspenden auffetten wollte, ging das deswegen nicht mehr.)

Ich mache Schluß, weil ich bald drankommen sollte und deswegen schon aufgeregt bin und mich nicht mehr konzentrieren kann, geschweige denn irgendetwas anderes empfinden als unterschwellige Angst (und um die in mir zu finden, oder besser aufzustöbern muß ich mich schon mit großer Anstrengung gegen die innere Flucht konzentrieren).

(Sowohl die Dame an der Anmeldung, als auch der Arzt sind immer sehr nett. Es geht um das System.)










(6.6.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1373 Das Wetter ändert sich


Das Wetter ändert sich. Das kann ich sogar hier in meiner Kemenate mit dem Lichtschachtfenster spüren. Windstöße kommen von was-weiß-ich-wo bis zu meinem Bett her und das durch und durch indirekte Licht – da meinen wir zu wissen, daß es von der Sonne kommt – wechselt von grau nach gelblich und wieder zurück. Es ist halb sieben Uhr in der Früh und meine Seele weiß noch nicht, wie sie es heute anlegen will; aber da fällt mir mein letzter Gedanke von gestern ein und auch die Seele verdüstert sich wieder: mein alter, in Fleisch geschnittener und so Fleisch gewordener Gedanke, überflüssig, dumm, falsch, destruktiv, unverschämt, eine fremde Installation und in einer guten Welt unmöglich, sinnlos, gemein und schmerzlich und auf seine Art auch äußerst größenwahnsinnig, aber anscheinend unausrottbar: ich habe kein Existenzrecht.

Ich versuche mit diesem anhänglichen Glaubenssatz Frieden zu schließen, weil ich ihn nicht und nicht besiegen konnte, und es gibt einen Pfad dorthin: wenn es tatsächlich so ist, dann ist doch jede Sekunde deines Lebens ein unverdientes Geschenk, das du nur dankbar annehmen brauchst. Außerdem ist es nicht deine Aufgabe, dich selber wegzuräumen.











(6.6.2019)











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Mittwoch, 5. Juni 2019

1372 Das Kinn der Katze


In der rechten Hand den Griffel, die linke unter das Kinn der Katze gelegt fallen mir die Augen wieder zu. Ich denke – an vieles, aber jetzt denke ich an „unser“ Feld früher in Höbersdorf. Und wieder fallen mir die Augen zu und mein Geist driftet weit weg und ich vergesse es mir zu merken, wohin. Die Katze gibt meine Hand frei, legt aber liebevoll ihre rechte Hinterpfote auf meinen linken Zeigefinger und Mittelfinger daneben.
Wieder kreisen meine Gedanken und Bilder und Szenenfragmente herum und kurz schwebt so eine gedankliche Bildmischung aus Sex vorbei, verliert sich jedoch gleich wieder zwischen verschwommenen Bildern und Gedanken.

Die Katze geht, weiß aber noch nicht wohin. Erst nach langer – was weiß ich – Prüfung oder Überlegung (oder Umgebungsbefühlung?) verläßt sie das Zimmer.

Ich stelle fest: der Griffel ist mir aus der Hand gefallen; nichtsdestotrotz notiere ich: "den Augùst nötigen“. Ich möchte, daß es so bleibt, daß ich in Pension gegangen bin.

Die Geräusche erschrecken mich kurz und scheuchen an mir herum. Ich gehe eine schlecht beleuchtete Stiege hinauf, auf der auf einer ihrer Stufen ein Zettel mit Worten geklebt ist. Ich weiß nicht mehr, ob ich die Worte nicht lesen konnte oder schon vergessen habe.

Irgendwo klopft es im Haus und die Schallwellen kommen durch den Lichtschacht zu mir herauf und holen mich aus dem Schlaf.

Eine sommerliche Fliege (Fliegende Fliegen im Zimmer – ein untrügliches Zeichen für Sommer).

Das lose Bein einer Stoffpuppe wird herumgetragen.

So … ich wollte wieder ein aufgetauchtes Bild beschreiben, als ich merke: das Papier ist dunkelbraun, glatt als wäre es beschichtet und bedruckt … meine Frau fragt mich, ob ich keine Zärtlichkeiten in der Kirche annehme …

Ein ältere, gut angespeckte Frau, braun gebrannt und nur im Slip richtet sich in einem Schwung blitzschnell aus der Rückenlage auf ihrer Liege auf.

Mein Kugelschreiber zerfällt von sich aus in mehrere, überdimensionierte Teile.

Allmählich werde ich der Notiererei überdrüssig und möchte richtig weiterschlafen.









(5.6.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Dienstag, 4. Juni 2019

1371 Meine Legitimation


Musik ist meine Legitimation, daß ich leben darf – denn was wäre sie ohne Hörer? Schwingungen in bloßer Luft. Ohne mich wäre alle Musik umsonst und vergeblich.

Ob das fürs Schauen auch gilt? Ich meine: was ist ein schönes Bild, ein interessanter Sprung im Beton ohne jemanden, der es anschaut? Soll ich mich so richtig ins Fettnäpfchen setzen und in die Brennesseln stolpern?: was ist eine schöne Frau ohne … gut, das alles ist kruder Anthropozentrismus (gell, jetzt wollt ihr wissen, ob anthropos für alle Fälle hier „Mensch“ oder „Mann“ meint), der ist ganz pfui kaka und den hat das Universum nicht verdient!

Zurück zur Musik, die hier im Espresso so schön ist. (Übrigens: „Auch 25 Tassen Kaffee am Tag sind noch gesund, sagen Forscher“ habe ich heute gelesen. Ich mein, ich hab weder die Forscher, noch deren Studie überprüft – mir genügt die Schlagzeile!)

Jetzt bin ich einmal schnell und ergreife die Chance, mir die gesuchte Zeitung zu schnappen. Und nachher werde ich gehen.

Nocheinmal zurück zur Musik: Bei den Chassidim oder einer ihrer Richtungen – glaube ich – soll es die Vorstellung geben oder gegeben haben, daß manche Menschen erkennen können, ob ein Musikstück sozusagen vom Himmel kommt oder von oben bestätigt ist oder so ähnlich (ich habe nicht nachrecherchiert), ob das jetzt besondere Rabbis sind oder prophetenartige Auserwählte – das weiß ich nicht mehr – ich kann mich nur erinnern, daß da auch irgendwelche Märsche bei diesen auserwählten Musikstücken sein sollen – was mich skeptisch macht, ob das immer richtig funktioniert hat; aber die Idee gefällt mir. Noch dazu, wo ich mir manchmal einbilde, ein solch „Musikauserwählter“ zu sein, denn manchmal glaube ich, manche Musikstücke als „inspiriert“ und tief religiös (oder besser spirituell?) zu erkennen, auch wenn ihre „Macher“ unter Umständen gar nicht an so etwas denken. Das nur zum Schluß. Adios! Tschüss!













(4.6.2019)













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1370 Ich bin traurig


Ich bin traurig. Die Schwermut hat mich wieder. Wenn es die Musik nicht gäbe, ich glaube, ich wäre verloren.










(3./4.6.2019)











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Montag, 3. Juni 2019

1369 Stopp!



Ein bißerl rutsch ich jetzt den Abhang hinunter, knapp an den „Büschen der Schwermut“ (Zitat nach ?) vorbei. Ich werde mir einfach sagen: das ist nur Selbstmitleid!

Das wird mir dann der Große Zensor verbieten. So kann ich vielleicht die Rutschpartie stoppen. Stopp!










(3.6.2019)











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1368 Die Flüche der Toten


Nur kurz war ich unterwegs zum Paim (dreißig Minuten ist kurz, oder?). Beim Antiquariat, wo ich an den heraußen stehenden Büchertischen mit geschlossenen Augen vorbeigehen wollte - mir jedoch dann gedacht habe: kann mir eh keine Bücher mehr leisten, also kann ich ja mit offenen Augen vorbeigehen – bin ich erst recht hängen geblieben und habe mir von den fünfzig Euro, die ich von meinem für den Zahnersatz reservierten – momentan trage ich provisorisch - und somit zum zweitenmal geplünderten Sparguthaben, mit dem ich mein überzogenes Konto ausgeglichen und mir eben diese fünfzig auf die Hand auszahlen habe lassen, mit dem ich aber bis Monatsende auskommen wollte und sollte, zwei tolle Bücher gekauft. Meine diesmonatige Pension hat nämlich nicht ausgereicht, mein Konto ins Plus zu manövrieren, weil in den Mai fünf Therapiestunden a siebzig Euro gefallen sind (bei einer Pension von nicht ganz vierhundert Euro) und ich die Teilrefundierung durch die Krankenkasse noch nicht erhalten habe. Ich habe also die Zukunft der Gegenwart geopfert – lieber Zahnlücken als ohne Bücher (na und?! An irgendwas klammere ich mich halt auch und auf der ganzen Welt gibt es Menschen mit sichtbaren Zahnlücken!)
Auch auf meine Kräutertees für Nieren, Leber, Herz, Prostata möchte ich nicht verzichten – ich führe mein gesundes Blutbild trotz markanter Medikamente auf diese Tees zurück – und ebenso will ich nicht auf die Kaffeehausbesuche verzichten, solange es nur irgendwie geht. Wenn ich den Vertrag zur Zahnprothese schon unterschrieben haben sollte, wie es in meinem Hinterkopf herumgeistert, ja dann …
Nur: mit Geld für den Blumenschmuck am Grab meiner Eltern ist es jetzt aus. Was gehen mich Gräber an! Ich will leben. Ich habe keine Angst vor den Flüchen der Toten. (Warum auch? Die der Lebenden waren viel wirksamer und schlimmer.)











(3.6.2019)












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1367 Heiß ist es


Ich bin in der Kaffeeoper. Der Kaffee ist bei weitem nicht so köstlich wie im Paim (kosten- und gewinnlose Produktplatzierung), sonst gibt es nichts zu sagen. (Ich werde kein Kaffeehaustester. Ich bin, bleibe und werde in Pension gewesen sein.) Ich gehe.

(Was ich mich nicht herschreiben traue: es sind schon prächtige Weiber, die da vorbeigehen! Sommer ist. Heiß ist es. Aber keine Sorge: ich sitze im Ausgedinge, im Abseits. Der Große Schiedsrichter pfeift schon und zeigt mir die Große Rote Karte. Nicht nur … auch weil ich noch immer nicht losgegangen bin.)








(3.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1366 Obszön


Lang braucht es, bis ich die Augen wirklich aufschlage, so, daß der Schleier weg ist und die Bilder an der Wand jungfräulich und ganz neu wirken, als kämen sie frisch aus der Werkstatt.

Das Licht, das hinter dem Rouleau hervorquillt, ist so stark, daß es mir obszön vorkommt, daß ich mein Leselicht aufdrehe.

Unten rennt mindestens ein Radio und ich wette, niemand hört zu (Wette verloren).
Ungeschickt und motorisch unbeholfen stopfe ich mir die Pölster in den Rücken um schreiben zu können. Ich warte auf In-tuition und -spiration und dabei fallen mir die weiterhin offenen Augen zu, so, daß wieder ein müder Schleier meinen Blick trübt.

Wenn ich jetzt nicht sofort aufstehe, schlafe ich wieder ein.

Jetzt sind die Augen auch real zugefallen.

Als Verstärkung kommt die Katze zu Besuch.

Und der sehnsuchtsvolle Blick zu Beginn – war da ein sehnsuchtsvoller Blick zu Beginn? Und von wem? Was hat es damit auf sich?

Oh! der alte Boy George!

Jetzt wird es aber wirklich höchste Zeit aufzustehen!

Die Katze steht auf, streckt sich und wird riesig. Oh nein, immer riesiger! Ich taste nach ihr und sie ist wie immer.

Ich geh's an, ich habe viel zu erledigen.










(3.6.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juni 2019  peteraloisrumpf@gmail.com