Donnerstag, 15. April 2010

58 Musikantenstadlszene

Manchmal will ich auf tagesaktuelle Themen nicht mehr eingehen, kann es aber doch nicht lassen.
In der Musikantenstadlszene gibt es den steirischen Pfarrer Brei, der viele Platten verkauft und eine Platinauszeichnung bekam. Die sollte ihm beim „Frühlingsfest der Volksmusik“ - Veranstalter ARD – überreicht werden. Laut Kleiner Zeitung vom 13.04. (oneline) wurde die Überreichung im Rahmen dieser Veranstaltung wegen der Mißbrauchsfälle in der katholischen Kirche gestrichen. Aha! ARD wird jetzt nicht nur keine Woody Allen Filme mehr zeigen und auch keine von Polanski, sondern überhaupt keine Hollywoodfilme mehr! Das wäre dann konsequent.

Montag, 12. April 2010

57 Die heilige Bernadette Soubirous

Am 16. April ist der Todestag und damit in der katholischen Kirche der Gedenktag der heiligen Bernadette Soubirous. Zu dieser Frau ist eigentlich alles in dem großartigen und hellsichtigen Roman von Franz Werfel, „Das Lied von Bernadette“, gesagt. Er beschreibt so treffend und genau, wie die verschiedenen Menschen mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Weltanschauungen auf die mystischen Erfahrungen der jungen, naiven Bernadette reagieren. Darum nur kurze Anmerkungen.
An Bernadette Soubirous haben Kirche und Gesellschaft ein Menschenopfer vollzogen. Werfel lässt den zuständigen Bischof, nachdem ihm von den Erscheinungen der Bernadette berichtet wird, sagen, daß Bernadette, wenn sie lügt, in die Erziehungsanstalt gehört, wenn sie verrückt ist, ins Irrenhaus, wenn sie aber die Wahrheit sagt, dann muß sie ins Kloster, „denn eine Heilige lassen wir nicht in der Welt herumlaufen. Eine Heilige, die sich vielleicht mit jungen Burschen abgibt und einen Mann nimmt und Kinder bekommt...“ (Seite 362). Werfel hat sich dort, wo es Quellen gegeben hat, an diese gehalten. Wenn diese Stelle nicht authentisch ist, so ist sie zutreffend und hellsichtig erfunden, denn dieser Satz bringt es auf den Punkt: eine junge, weibliche Seherin ist - ungegängelt von der Kirche - für diese unerträglich, und ebenso ist sie in ihrer Naivität und unaufgeklärten Religiösität für die Gesellschaft eine Provokation. „Sehen“ war immer noch ein Ärgernis. Sobald Bernadette von ihren Erscheinungen erzählte, wurde sie der kirchlichen und der staatlichen Inquisition ausgeliefert. Sie beklagt sich auch über die ständigen Befragungen und Verhöre durch Priester, Ärzte, Polizei, Psychiater, Journalisten, die bis an ihr Lebensende nicht aufhörten. Man hat sie ins Abseits gedrängt und ihr ihr Leben gestohlen. So, daß die durch sie gefundene Heilquelle gerade bei ihr nicht half.
Jetzt, nachdem man sie zuerst verdrängt hat, wird sie als Heilige ausgestellt.
Die Angst vor einer selbständigen Frau mit selbständigen seherischen Erfahrungen ist in Kirche und Gesellschaft immer noch groß. Richard Picker hat im Zuge der Diskussionen über die Mißbrauchsfälle in der Kirche und den Zölibat gemeint, die Angst vor den Frauen in der Kirche sei die Angst vor der weiblichen Sexualität. Auch das obige Zitat zeigt in diese Richtung. Nur glaube ich, daß in Wirklichkeit dahinter die Angst vor den seherischen, wenn man so will magischen Fähigkeiten der Frauen steckt. Denn wie die Seher und Seherinnen bei Castaneda überliefern, haben die Frauen mit der Gebärmutter ein natürliches Organ zum „Sehen“, das Männer nicht haben, wodurch sie den Männer von vornherein nicht nur in der Begabung fürs „Sehen“ weit überlegen sind. Vor allem dann, wenn sie nicht alle ihre Gebärmutterenergien für Sex aufbrauchen. Daran kann man sehen, daß die heutige säkulare Tendenz, den Mädchen von allen Seiten einzureden, daß nur Sex das einzige Interessante und Gute sein kann, eine mindestens ebenso fragwürdige Gängelung wie oben ist, die sie wieder ihre angeborenen Chancen zum „Sehen“ verpassen lässt.
Also die Kirche hat Angst vor der seherischen Begabung der Frauen, weil sie ein Monopol auf Sehen beansprucht und es ungestört bürokratisch verwalten will, die Gesellschaft hat Angst davor, daß es so etwas wie Sehen überhaupt gibt und etwas über die sozialen Übereinkünfte und Spielregeln und Selbstverständlichkeiten hinausgehen kann.
Was wäre aber aus Bernadette Soubirous geworden, wenn jemand da gewesen wäre, der ihr beim Sehen weitergeholfen hätte, sie in ihren Erfahrungen sachkundig begleitet und ihre „Techniken“ verbessert hätte? Der oder die sie angeleitet hätte, ihre Begabung auszubauen und weiterzuentwickeln und richtig einzuordnen?

©Peter Rumpf,2010 peter_rumpf_at@yahoo.de

Dienstag, 6. April 2010

56 Einspruch

Laut kath.net (www.kath.net/detail.php?id=26203) sagt der Schriftsteller Martin Mosebach, daß die nachkonziliare Praxis Schuld an den gehäuften Mißbrauchsfällen in der katholischen Kirche habe, weil durch das zweite Vatikanische Konzil das Priesterbild und alle Institutionen, die einen Priester auf seinem schwierigen und einsamen Weg Hilfe geleistet hätten, in Frage gestellt wurden. Nun habe ich es selber erlebt, wie nach dem zweiten Vaticanum die Stimmung in weiten Teilen der Kirche umgeschlagen hat und auch Priesteramtskanditaten - „endlich frei!“ - „ausgeflippt“ sind und sich auf alle möglichen, auch sexuellen Abenteuer eingelassen haben. Nur kommt mir vor, daß es dabei eher um sexuelle Beziehungen zu Frauen gegangen ist, nicht um Mißbrauch an Kindern und Jugendlichen. Wir haben hier mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen, daher wissen wir nicht, wie viele Mißbrauchsfälle es „vorher“ und wie viele es „nachher“ gegeben hat. Auch die Zahl der angezeigten und bekannt gewordenen Fälle gibt keinen eindeutigen Aufschluß über die Zahl der tatsächlichen Fälle, denn es kann ja in früheren Zeiten die Hemmschwelle, einen Mißbrauch anzuzeigen, höher gewesen sein und die Mauer des Schweigens und Vertuschens unüberwindlicher.
Auch kann – so kommt mir vor – nicht behauptet werden, daß die Mißbrauchsrate bei sogenannten „progressiven“ Priestern höher sei, als bei sogenannten „Konservativen“. Als Österreicher darf ich an den Fall Groer erinnern, und da läßt sich – wie ich finde – etwas Grundsätzliches sagen: es gab und gibt in der Kirche immer wieder eine falsche Einschätzung von dem, was man „fromm“ nennt. Frömmigkeit hat etwas mit Stärke zu tun, und nicht mit frömmelndem, weibischen Geziere und Getue. Tuntenhaftigkeit ist nicht Frömmigkeit. Ich habe schon geschrieben (in Nummer 51, „Geistige, geistliche, akademische und sonstige Väter“): nur wer ein reifer Mann ist mit dem Potenzial, Vater zu sein, kann auch ein geistlicher Vater sein. Wenn einer um seinen Mangel an Reife einen Heiligenschein bastelt, will sagen, seine Unreife als Keuschheit verkauft, betrügt er seine „Kunden“, auch wenn er nicht sexuell, oder gar strafrechtlich oder kirchenrechtlich verfolgungsrelevant tätig wird. Keuschheit hat nur Sinn, wenn eine Kraft da ist, die transformiert wird, (wie übrigens auch Sexualität nur Sinn hat, wenn eine Kraft da ist und nicht erst vom Kopf her, möglicherweise durch Hilfsmittel der Pornoindustrie, irgendetwas zusammengebraut werden muß.)
Und da kommt mir schon vor, daß es in der Kirche eine fatale Tradition der Auswahl falscher Kandidaten für das Priesteramt und andere Ämter gibt, nicht erst seit Vat. II.
Ich habe selber im Ort meines Aufwachsens einen ständig kindertätschelnden Priester mit seicherlhaftem, frömmelnden Getue erlebt, oder einen Ordenspriester – mit eigenartiger Art zu gehen, so zimperlich herumsteigend – der dauernd bei 12 bis 14 jährigen Mädchen gestanden ist, um mit ihnen Händchen zu halten. Die Mädchen haben nach Möglichkeit versucht, ihm ja nicht in die Quere zu kommen. Oder ein Priester, schwerer Alkoholiker, den seine Mutter an ihrem Totenbett erspresst hatte, sie könne nicht ruhig sterben, wenn ihr Sohn nicht Priester werde. Oder eine völlig durchgeknallte Religionslehrerin mit krankhafter Bigotterie, die einem Mädchen, das, nachdem es an eine Kleeblüte genascht hat, begeistert ausgerufen hat: „pah! Da war jetzt ein Batzen Honig drinnen!“ völlig ernst geantwortet hat: „Sabine, du weißt es tut mir sehr, sehr weh, wenn du so lügst!“ Das sind alles nur Beispiele aus einem Markt mit kaum mehr als zweitausend Einwohnern; viele andere Geschichten kenne ich vom Hörensagen. Auch wenn da nichts in einem strafrechtlich relevanten Bereich vorgefallen sein sollte – so ist etwas absolut Abstoßendes und Ekelhaftes von diesen Personen ausgegangen (außer beim Alkoholiker, bei ihm hat man etwas Mitfühlendes gespürt). Mit solchem Personal wird jeder anständige, kraftvolle Mensch vertrieben.
Und diese Leute waren alle „Konservative“ (bis auf den Alkoholiker, von dem weiß ich es nicht). Der Vollständigkeit halber sei noch ein „progressiver“ Kaplan in diesem Ort damals erwähnt, der – so glaubhafte Gerüchte – im örtlichen „Stundenhotel“ - ein Kaffeehaus mit auch stundenweiser Zimmervermietung – der Hauptkunde war – aber mit erwachsenen Frauen.
Nein, daß die angeblich gehäuften Mißbrauchsfälle mit dem zweiten Vatikanum zu tun haben, glaube ich nicht; da sind schon viel früher die Weichen falsch gestellt worden. Mit dem Umschlagen des allgemeinen Zeitgeistes – das ja.
Es gibt ja nicht nur eine „progressive“, sondern auch eine als „konservativ“ getarnte Gottesbeziehungslosigkeit, wo es nur um Rechthaberei und leeren Formelkram oder um verlogene Gefühlsduselei geht, wenn also eine lebendige Beziehung zum Himmel fehlt.
Und mit lebendiger Beziehung zum Himmel ist nicht irgend so ein quasi romantisches Gefühl gemeint, sondern daß jemand zum Beispiel die Stimme des Himmels hört. Wie der heilige Josef, der den Engel sieht und hört, der zu ihm spricht; oder Elias, oder Tobias und die vielen anderen. Ein solcher Weg ist auch nicht einsam.
Hat man das verloren, so braucht man nicht so dick auftragen.

©Peter Rumpf,2010 peter_rumpf_at@yahoo.de