Montag, 12. April 2010

57 Die heilige Bernadette Soubirous

Am 16. April ist der Todestag und damit in der katholischen Kirche der Gedenktag der heiligen Bernadette Soubirous. Zu dieser Frau ist eigentlich alles in dem großartigen und hellsichtigen Roman von Franz Werfel, „Das Lied von Bernadette“, gesagt. Er beschreibt so treffend und genau, wie die verschiedenen Menschen mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Weltanschauungen auf die mystischen Erfahrungen der jungen, naiven Bernadette reagieren. Darum nur kurze Anmerkungen.
An Bernadette Soubirous haben Kirche und Gesellschaft ein Menschenopfer vollzogen. Werfel lässt den zuständigen Bischof, nachdem ihm von den Erscheinungen der Bernadette berichtet wird, sagen, daß Bernadette, wenn sie lügt, in die Erziehungsanstalt gehört, wenn sie verrückt ist, ins Irrenhaus, wenn sie aber die Wahrheit sagt, dann muß sie ins Kloster, „denn eine Heilige lassen wir nicht in der Welt herumlaufen. Eine Heilige, die sich vielleicht mit jungen Burschen abgibt und einen Mann nimmt und Kinder bekommt...“ (Seite 362). Werfel hat sich dort, wo es Quellen gegeben hat, an diese gehalten. Wenn diese Stelle nicht authentisch ist, so ist sie zutreffend und hellsichtig erfunden, denn dieser Satz bringt es auf den Punkt: eine junge, weibliche Seherin ist - ungegängelt von der Kirche - für diese unerträglich, und ebenso ist sie in ihrer Naivität und unaufgeklärten Religiösität für die Gesellschaft eine Provokation. „Sehen“ war immer noch ein Ärgernis. Sobald Bernadette von ihren Erscheinungen erzählte, wurde sie der kirchlichen und der staatlichen Inquisition ausgeliefert. Sie beklagt sich auch über die ständigen Befragungen und Verhöre durch Priester, Ärzte, Polizei, Psychiater, Journalisten, die bis an ihr Lebensende nicht aufhörten. Man hat sie ins Abseits gedrängt und ihr ihr Leben gestohlen. So, daß die durch sie gefundene Heilquelle gerade bei ihr nicht half.
Jetzt, nachdem man sie zuerst verdrängt hat, wird sie als Heilige ausgestellt.
Die Angst vor einer selbständigen Frau mit selbständigen seherischen Erfahrungen ist in Kirche und Gesellschaft immer noch groß. Richard Picker hat im Zuge der Diskussionen über die Mißbrauchsfälle in der Kirche und den Zölibat gemeint, die Angst vor den Frauen in der Kirche sei die Angst vor der weiblichen Sexualität. Auch das obige Zitat zeigt in diese Richtung. Nur glaube ich, daß in Wirklichkeit dahinter die Angst vor den seherischen, wenn man so will magischen Fähigkeiten der Frauen steckt. Denn wie die Seher und Seherinnen bei Castaneda überliefern, haben die Frauen mit der Gebärmutter ein natürliches Organ zum „Sehen“, das Männer nicht haben, wodurch sie den Männer von vornherein nicht nur in der Begabung fürs „Sehen“ weit überlegen sind. Vor allem dann, wenn sie nicht alle ihre Gebärmutterenergien für Sex aufbrauchen. Daran kann man sehen, daß die heutige säkulare Tendenz, den Mädchen von allen Seiten einzureden, daß nur Sex das einzige Interessante und Gute sein kann, eine mindestens ebenso fragwürdige Gängelung wie oben ist, die sie wieder ihre angeborenen Chancen zum „Sehen“ verpassen lässt.
Also die Kirche hat Angst vor der seherischen Begabung der Frauen, weil sie ein Monopol auf Sehen beansprucht und es ungestört bürokratisch verwalten will, die Gesellschaft hat Angst davor, daß es so etwas wie Sehen überhaupt gibt und etwas über die sozialen Übereinkünfte und Spielregeln und Selbstverständlichkeiten hinausgehen kann.
Was wäre aber aus Bernadette Soubirous geworden, wenn jemand da gewesen wäre, der ihr beim Sehen weitergeholfen hätte, sie in ihren Erfahrungen sachkundig begleitet und ihre „Techniken“ verbessert hätte? Der oder die sie angeleitet hätte, ihre Begabung auszubauen und weiterzuentwickeln und richtig einzuordnen?

©Peter Rumpf,2010 peter_rumpf_at@yahoo.de

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