Freitag, 15. Januar 2010

50 Im Schatten

Die Anthropologin und Zauberin Florinda Donner-Grau, eine Mitkämpferin Castanedas, lebte und arbeitete eine zeitlang mit einer venezolanischen Heilerin (Florinda Donner-Grau, Die Lehren der Hexe; Hans-Nietsch-Verlag). Ihr Übereinkommen sah vor, daß die Klienten der Heilerin Frau Donner ihre Lebensgeschichten erzählen. Es ging dabei immer wieder darum, wie Menschen an entscheidenden Stellen ihres Lebens in den Schatten anderer gerieten und dadurch – wie sich die Heilerin ausdrückte - „ihr Rad des Schicksals sich drehte“ und deren Leben so auf eine andere Bahn geriet. Fast immer auf eine schlechtere, weil ihnen diejenigen, in deren Schatten sie gerieten, meistens irgendetwas Ungelöstes ihres Lebens aufgeladen haben, und um sich davon zu befreien kamen die Klienten auch zur Heilerin.
In kleinerem Rahmen habe ich auch einmal so etwas erlebt. Ich war damals sechzehn Jahre alt und bin mit einer katholischen Jugendgruppe meiner Schule nach Seggauberg (bei Leibnitz/Libnica, Steiermark) zu einem Wochenendseminar zum Thema Sexualität gefahren. ( So um 1970 das Zeitgeistthema!) Referent war ein gerade vom geweihten Priesteramt zu Psychologie und Psychotherapie umgesprungener „Theopsychologe“. Also soeben laiisiert. Viel Wichtigtuerei bei Referent und Seminarbesuchern! Für mich als schüchternen Menschen alles sehr unangenehm – sowohl Thema als auch Ablauf! (Ich hatte mich auch irgendwie zu dieser Veranstaltung überreden lassen). (Nebenbei gesagt: auf den Weg zum Seminar, bei einem Zwischenaufenthalt in unserer Landeshauptstadt Graz besuchten wir Landbewohner einen von den Franziskanern betriebenen Jugendtreff – auf katholische Empfehlung – wo ich dann den ersten eingerauchten Menschen meines Lebens sehen durfte).
Irgendwann kam der Referent und Seminarleiter auf einen Bekannten von ihm zu sprechen, den er als einen klugen und geistig wachen Menschen beschrieb, der aber bei seinen eigenen Angelegenheiten immer versagte und scheiterte und so mit seinem Leben nicht zurecht kam. Und da einfach nicht rauskommt. Mir wurde bei dem Thema schon mulmig und dachte, „hoffentlich ist er jetzt nicht durch mich auf dieses Thema gekommen, hoffentlich schaut er jetzt nicht mich an!“ Aber tatsächlich, er schaute mich lange an und ich wußte oder ahnte, wenn ich jetzt nicht sofort rausgehe, kriege ich diese Definition nicht mehr los und das, was sich in meinem Leben schon abzuzeichnen begann, wird endgültig und unausweichlich. Ich war aber wie gelähmt; mein Atem stockte und ich erstarrte. Zu spät! Schließlich schämte ich mich ja auch.
Nun kann ich nicht sagen, daß diese Begegnung meinem Leben eine andere Richtung gegeben hat, sondern eher, daß eine schon eingeschlagene schädliche Richtung festzementiert wurde; dennoch – ich glaube, daß ich mir die Definition dieses Referenten in ihrer Ausweglosigkeit aufladen habe lassen, daß ich also zu lange im Schatten dieses Menschen gestanden bin. Ich habe zu lange gezögert zu fliehen.
Dieser Referent ist übrigens in unserem Land durchaus bekannt; man kann ihn manchmal im Fernsehen bewundern oder im Radio hören; ich möchte auch gar nicht sagen, daß seine Statements für mich immer so schrecklich wären – aber ich bleibe immer mißtrauisch, ich bleibe auf der Hut, wenn ich ihn höre; ich denke immer: er legt mich rein, wenn ich nicht gleich dahinterkomme, was da faul ist. Denn ich betrachte ihn doch als einen meiner Verderber.
Eine andere Frage ist, für wen aller ich zum Verderber geworden bin.

©Peter Rumpf, Jänner 2010 peter_rumpf_at@yahoo.de

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite