Montag, 31. Dezember 2018

1209 Sonnig, real und schön


Der Tag ist so sonnig, real und schön, daß mir ein „Parallel Universe“ fast absurd vorkommt. Auch kann ich meine Seiten nicht trennen (rechter – linker Körper).

Die Wolken rücken stärker in meine Aufmerksamkeit. Einige Krähen – vrana! – queren mein Fensterfrontblickfeld. Die Altersflecken an meinen Händen sind nicht schön (mein Blick ist von den Fenstern runtergerutscht), als wäre meine Haut von fetten Rostflecken überzogen. Pigmente, was macht ihr da? Der vorbeiratternde Wäschewagen lenkt mich ab (geschwindelt! Er wird ja geschoben).
Ich blicke wieder zum Fenster hinaus (einfach, indem ich den Kopf hebe) und die Wolkenlandschaft hat sich komplett verändert. Die dürren Zweige der Bäume und Sträucher zucken im Wind. Eine schöne Krähe (vrana). Selbst in die Fensterfront in meinem Rücken, die sich in der vor mir nur spiegelt, kommen viele Krähen. Velvet Glove.
Jetzt kommt ein kleiner Schwarm Stare (glaub ich). Die Fichte da hinten rüttelt und schüttelt sich. Ich „rest in peace“.
Ein Flugzeug glitzert die dunkle Wolkenfront entlang, während es sich vor den weißen Wolken sofort verdunkelt. Das nächste Flugzeug weicht den Wolken fast zur Gänze aus und zeigt sich glitzernd und dunkel. Der kleine Starenschwarm fliegt aufgeregt, aber dennoch anmutig hin und her.

Zwei Stockwerke tiefer sehe ich im Fensterglas Gestalten gehen, die ich nicht sehe – keine Sorge! Ganz profan! Irgendwelche Spiegelungen.
Zwei braune, ein roter Apfel hängen vor meinem Zimmerfenster noch im Baum, der fast ganz still steht, hier an seinem windgeschützten Platz tief im U, nur manchmal winkt er leicht und leise her.
Was ich immer behaupte: der Paradieszustand wäre der Normalzustand, wenn wir im Paradieszustand wären. Deshalb denke ich auch: der Baum winkt mir. Zur Bestätigung wackelt er jetzt viel kräftiger. Ich grüße und winke zurück. Weil ich verstanden habe, hört er jetzt auf. „Er sammelt  seine Kraft“ denke ich – und schon bestätigt er es winkend. Oh, jetzt schüttelt er sich regelrecht vor Freude! Endlich jemand, der mit ihm spricht!
Ich wünsche ihm ein gutes Neues Jahr, wenn es auch eigentlich das falsche Datum ist. Es ist dunkel  geworden.










(31.12.2018)













©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1208 Ganz schwach zwar


Morgens kommen nun manchmal Angst und Übelkeit zurück, ganz schwach zwar, aber dennoch unangenehm. Ich träume viel, aber schaffe es nicht, die Träume aufzuschreiben (um damit zu „arbeiten“ respektive spielen). Ich bin früh am Abend recht müde und deute das so, daß hier viel in Bewegung gerät, um ausheilen zu können. Ich atme erleichtert auf, nachdem ich in einen trotzigen Tag-  besser: Nachttagtraum abgerutscht war und ihn siegreich beendet habe.

Ich liege schon und werde mich gleich zum Schlafen betten und sorge mich ein wenig, ob morgen früh die Angst da sein wird.









(29./31.12.2018)









©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1207 Zu viel gegessen


Pepi Prohaska schlägt Hüttenegger. Ja, jetzt ist es passiert.
Natürlich heißt das nichts Allgemeingültiges, denn ich ziehe jetzt die eine Lektüre der anderen vor. Daraus läßt sich noch kein Gesetz ableiten.


Aber jetzan habe ich eindeutig zu viel gegessen.








(29.12.2018)









©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1206 Kudern, Turnen und Lachen


Hinter mir, hinter der Tür: Kudern, Turnen und Lachen, vor mir die Bilder und eine Stock tiefer der  Haupteingang. Und das Keramikkreuz. Als ich es registriere, öffnen sich unten die automatischen Schiebetüren. In den Ohren: I saw your face – RHCP. Ich blicke nach oben unter das Glasdach und lasse meine Augen auf der weißen Wand mit den schönen Lüftungsschlitzen – die gefallen mir wirklich! Aus welch eigenartigen Gründen auch immer rühren sie mich zu Tränen – also: ich lasse meine Augen auf der weißen Wand mit den schönen Lüftungsschlitzen weiden. Dem Gerumpel hinter der Tür eignet ein gewisser (oder ungewisser) antiromantischer Spin an, während die beiden Eingangstürspiralen mich zu einer leichten Rührung verführen: sie sind nicht perfekt, aber vollkommen.
Jetzt bin ich am Place, where all the junkies go. Die Leute im Eingangsbereich bemerken nicht, daß ich sie beobachte (dem Leben von außen und oben zuschauen), aber wenn es jemand ist, den ich kenne, ist mir mein Voyeurismus peinlich und ich drehe mich ein bißchen weg und vertiefe mich schreibend in mein Notizbuch.
Jetzt drehe ich mich im Drehsessel ganz um, der Gymnastikraum ist wieder leer, das Christbäumchen davor leuchtet in Rot, Gold und vor allem Gelb. Die Liftanzeige zeigt 1.
Das grüne Fluchtmännchen tanzt und das Wandbild heißt „tanzende Landschaft“, wie ich von einem Schild auf der gegenüberliegenden Wand auf der anderen Seite des überdachten Lichthofes ablese.
Mein Blick bleibt nun schon immer an den vorbeieilenden Personen hängen und versucht, sich festzuhalten: gibt es einen Orpheus oder besser eine Orphea, die mich aus der Schattenwelt der schattenlosen Schatten (Peter Schlemihl) hinausführen, hinausziehen kann? Es gibt keine Garantie, daß ich mich nicht doch umdrehe. Die RedHotChiliPeppers (Can’t  Stop) heizen der Schattenwelt ordentlich auf („music is the great communicator“).
Langsam beruhige ich mich, was nicht ohne neuerliche fragile bis fragwürdige Rührung und Schauder vom Hinterkopf den Rücken runter abgeht.

In der Realität angekommen: ich will jetzt wissen, wer das Wandbild gemalt hat.










(28.12.2018)












©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 28. Dezember 2018

1205 Der Hüttenegger


Der Hüttenegger liegt neben mir am Nachttisch, Nachttischchen (zuerst habe ich irrtümlich „Nachtisch“ geschrieben) und rühre ihn nicht an. Nicht, weil er unverdaulich wäre – mir gefällt seine (selbst)ironische Art zu schreiben – wiewohl ich weiß, daß „Ironie ein Idealismus ist, der sich nicht traut“ (Romano  Guardini) – sondern weil ich so aufgewühlt bin, weil ich so viel geredet habe: privat, nicht therapeutisch – obwohl’s auf‘s Gleiche hinauszulaufen scheint – mein Rede- und Erzähldrang läßt sich nicht mehr ganz unterdrücken. Und dann fühle ich mich wie aufgeplatzt und ausgeronnen, obwohl ich mit dem Ausrinnen noch lange nicht fertig  bin. Und ich fühle mich schuldig. Weil ich  mich zu wichtig nehme, wenn ich von mir rede UND ein Theater vorspiele und dahinter das Wichtigste verstecke und verheimliche. Ohne zu wissen, was das Wichtigste ist.










(28.12.2018)












©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1204 Häßlicher Neid


Stille. Stille Nacht. Das Fenster ist offen. Kein Flugzeug, kein Auto, kaum hörbare Stimmen. Ich meine, daß sich irgendetwas abspielt, kann es jedoch nicht deutlich genug mitbekommen. Obwohl jetzt doch ein Flugzeug dahinheult – es bleibt geheimnisvoll.

Ich denke, es ist das Leben. Das Leben der sichtbaren und der unsichtbaren Welt. Die Stimmen werden deutlicher, aber noch weit vom Verstehen entfernt. Im  Zimmer beginnt es wegen der kalten Luft, die alles zusammenzieht, zu knacksen.

Häßlicher Neid geht durch mich. Auf das Leben oder was sich der kleine Maxi darunter vorstellt. Ich unterstelle, daß alle anderen mehr Anteil am Leben  haben.

Das ist mir jetzt zu blöd. Ausgerechnet die Stimmen aus der Raucherecke lösen das aus: Rauchen: die Sehnsucht tief zu atmen bei gleichzeitiger Verhinderung dessen Folgen – aus Angst.

Ich gehe liegen.










(28.12.2018)











©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1203 Meine Ohrenzikaden


Nun, wo meine Ohrenzikaden aufgehört haben, ist mir erst aufgefallen, daß sie gerade noch volle Lautstärke gezirpt haben. Das Geräusch hat sich zum üblichen Surren reduziert, das dann auch noch schwächer wird.

Und wieder stärker.

Das Werken setzt mir  erstaunlich zu. Mir war schlecht und meine Magenmuskel sind immer noch angespannt. Und doch mache ich es gern: Holz: sehr langsam; Kreide: immer lieber.

Und müde bin ich, müde.









(27.12.2018)











©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1202 Treffpunkt Lieblingsplatz


Treffpunkt: mein Lieblingsplatz, der bei den Bildern. Erleichtert atme ich auf. Ich nehm das und den Schauder als kosmische Zustimmung: die da oben (und rechts und links und unten: allgegenwärtig) sind einverstanden. Vielleicht war das voreilig. Es ist sehr still; „verdächtig still“ fällt mir ein. Die Erleichterung, daß nun eine alte Frau durch die Gänge geht – ich bin nicht allein und möglicherweise durchs Kafkafilter gefallen und abgerutscht. Aber trotzdem: sicherheitshalber schaue ich nocheinmal auf den Therapieplan – so verunsichert bin ich, weil ich hier alleine warte. Alles stimmt.

Ich höre Stimmen. Das macht mich so keck  - ich überprüfe, wie der Karabiner an meinem Identifizierungshalsband, der die  Identitätskarte hält, funktioniert. Beim zweiten Versuch habe ich es kapiert. Jetzt sind wir schon zu siebend.











(27.12.2018)












©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com

1201 Ein Trick


Freiwillig von selbst aufgewacht habe ich die Weckerfunktion an meinem Handy deaktiviert und trotz aller Herrgottsfrüh geduscht. Jetzt hocke ich da mit gewaschenem Hals und schreibe um die gewonnene Zeit – nicht tot zu schlagen, sondern mit „Bedeutung“, mit „Bedeutsamkeit“, mit „literarischem Sinn“ aufzuladen (ich warte nicht nur, ich schreeeeiiibö!). (Literalisieren wäre der Fachbegriff.) Ein Trick, um der eigenen Bedeutungslosigkeit eine undichte Pseudobedeutung, einen Pseudosinn anzudichten. Natürlich in der heimlichen Hoffnung, daß es gar kein Trick ist, sondern mein Leben wirklich Bedeutung hat; wenn auch - wahrscheinlich – eine andere, als ich es ihm zuschreibe.

Aber das glaube ich wirklich: an der bayrisch-döbranitischen Kritik („wer nicht lebt, der redet dauernd darüber“) ist etwas Grundlegendes falsch! Auch wenn ich es nicht exakt auf den Punkt bringen kann. Und sei es nur, daß es bei denen nicht bloß eine Feststellung ist, sondern eine Verurteilung. Das steht ihnen nicht zu! Amen.












(27.12.2018)













©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1200 So schließt sich der Kreis


Die Rückkehr ist verwirrender als gedacht. Bin ich verunsichert? Sind es die anderen? Flugzeuge brausen die kalte Luft durch offene Fenster herein. Tun sie natürlich nicht, aber ich schreibe es so (das kann ich!). Sie röhren auch wie tonhöhenstabilere  Hirsche, die Flugzeuge. Ich schreibe mit einem Pilotpen. So schließt sich der Kreis.








(26.12.2018)










©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com

1199 Manchmal beim Vogelparadies


Ich sitze in der Nähe des Seeufers und schaue auf das Uferwasser und den Schilfgürtel dahinter. Ich sehe Schafe, Störche, ich glaube Graugänse, ich glaube Reiher und weitere Vögel, die ich nicht richtig benennen kann. Gleichzeitig erzählt mir Antony, daß das der Platz ist, „where all the devils bleed“ (ja, ja, ich weiß schon: er singt nicht „place“ sondern „face“ – ich verstehe es halt immer falsch!) (Oh! Er singt doch „place“; vielleicht singt er beides.) (Ja! Aber „this is the place, where all the junkies go“.)

Die Schafe ziehen von rechts nach links, von der Sonne weg, die mir einen Kugelschreiber- und Handschatten auf die Notizbuchseite macht, die mich beim Schreiben  irritieren. Das ist jedoch wichtig: es ist die Sonne, die die Schatten macht!

Ein leichter Wind bewegt die Gräser und manchmal auch eines der braunen, baumabgefallenen Blätter, die hier massenhaft herumliegen: ganz verkrümmt noch von ihrem Todeskampf (Antony singt: „all I ever  wanted was your lie“). Daß die Blätter gestorben sind – dahinter kann ich nicht mehr zurück.

Ein Flugzeug nach dem andern dröhnt sich durch die Musik und so mancher Vogelschrei kommt auch manchmal deutlich, manchmal geradenoch durch.

Ein Sonntag mit Sonnenschein. Jetzt erst merke ich es: ich sitze zwischen zwei Platanen, die Bäume mit für unsere Breiten recht bunter Rinde, die sie Stück für Stück abwerfen.

In etwa zehn bis zwanzig Meter Entfernung bewegt ein hier noch unbemerkbarer Wind die braunen Blätter am Boden;  zuerst kreiselt er dort, dann kommt er mit seinen mitgenommenen Blättern auf mich zu und jetzt, jetzt ist er da! Ein Schauder überrieselt mich, der Wind wird stärker und dreht einige Blätter vor mir – ich schaue mich um – und hinter mir und links, rechts gilt’s! um.

Ich bin am Kongress der leichten und stärkeren Verschiebungen und trage auch so ein Bandl mit Identifizierungsmarke um den Hals, weswegen ich mir wichtig vorkomme (wenn ich nur wüßte, welche Identität zu mir gehört – auf der Karte oder Marke steht nur eine dreistellige Zahl).

Der  Wind bläst mir auf den Hinterkopf und das Blätterballett geht weiter. Majestätisch und in Würde (die mir fehlt) schreitende Störche breiten manchmal ihre beeindruckenden Flügel aus (wie ich manchmal in ganz anderer Stimmung meine unwürdige Lebensgeschichte) und fliegen manchmal sogar ein paar Meter (was ich mit meiner krampfhaft festgehaltenen Biographie nicht kann).

Sind das jetzt Stare, die da angekommen sind? Eine Krähe ist auch da und fliegt näher, um mich zu begutachten. Und?! Gibst du mir einen Tipp, verehrter Krähenvogel? Kannst du mir etwas sagen, was mir auf meinem Weg weiterhilft? Ich bin auf meiner Reise schon etwas müde geworden und möchte gern das letzte Wegstück genießen und glücklich sein. Ja gut, so weit bin ich, der ich da in der Sonne sitze und ins Vogelparadies gaffe, im Moment gar nicht davon entfernt. War das deine Botschaft, lieber Krähenvogel? Na denn, dann danke!









(23.12.2018)











©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com

1198 Am Platz meiner Wahl


Am Platz meiner Wahl. Ein Spion, ein Voyeur im Auftrag von Nichts schaue ich zum glasigen Eingang hinunter. Eine Frau hält einen Apfel in der Hand. Den Arm abgewinkelt und die Handfläche nach oben wirft sie den Apfel mehrmals in die Höhe und fängt ihn wieder auf, während sie mit einem Mann spricht. (Mich würde interessieren, ob sie Eva heißt.)

Die aufgeklebten Spiralen an den zwei Eingangstürflügeln – paßt das zusammen? – fliegen und in der Labyrinthgasse versacken? Kraft meines Amtes im Auftrag von Nichts sage ich: ja! In Zeiten automatischer Türen darf auch gepickt werden.

Heute sind viele Paare unterwegs. Die unechten Einzelgänger fallen auf, wie sie vor der Eingangstür hin und her gehen und jedesmal die Türöffnerautomatik auslösen. Bis dann die erwartete Besucherin eingetroffen ist. Trotz einhaken und aneinander drücken bleibt Fremdheit und Luft nach innen (ich spiele Lieber Gott wie dieser verdammte Lichtträger: ich habe nichts zu beurteilen!).

Meine müde Trauer läßt mich auf allen Gesichtern müde und traurige Ratlosigkeit sehen. Es ist hart, aber wir sind nicht erlöst. Wir haben es nicht geschafft. Ich kann mich mit dieser Normalität nicht und nicht abfinden. In einem kurzen Moment, wo die frisch herausgekommene Sonne den Bereich vor der Tür sanft und zurückhaltend bescheint, bevor sie gleich wieder verschwindet, entscheide ich, es nicht allzu schwer zu nehmen. In meinen Ohren bearbeitet John Frusciante genau diesen Schmerz und macht ihn schön, als wieder die Sonne herauskommt und in meinen Ohren lacht.

Mir gefallen die Lüftungsblenden, wo sechzehn Lüftungsschlitze so in einem linksdrehenden Kreis angeordnet sind, daß sich innen ein optisches Kreissägeblatt bildet.

Ich bin froh, unter dem Glasdach Spinnweben zu finden.

Wieder Sonne! Halt! Ich will hinunterlaufen und sie anschauen („Oh gute Sonn, du schöner Stern, wir wollen dich anschauen gern“). Zu spät.

Es regnet in Strömen und ich bin froh, daß ich in diesem Palast wohne.










(22.12.2018)












©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com

1197 In dreißig Minuten ist Frühstück


Ich kann nicht schlafen. Ich konnte gestern Abend nicht einschlafen und bin seit Vieruhrirgendwas wieder wach. Ich bin müde, traurig, mir ist zum Heulen ohne daß ich heule. Jetzt fielen mir die Augen zu, aber in dreißig Minuten ist Frühstück.

„Versager gehören erschossen!“ Meine Adresse ist nicht schwer rauszufinden (Das ist kein Mordauftrag! Ich zahle nichts!).

Die Augen sind mir zugefallen, aber ich darf nicht einschlafen.

„Mehrere Stünde!“

„Mehrere Viertelstünde!“

„ … kann nicht ausgeschlossen werden.“

Keine Ahnung, wer hier dauernd spricht.

Jetzt kämpfe ich ums Wachbleiben, wie ich vorher vergeblich versucht habe einschlafen zu können.
Unidentifizierbare massige menschliche Körperteile liegen vor meinem inneren Auge und behindern die Aussicht.

Eine gute Stunde flott gewalkt und gerade geduscht. Glühe und fühle mich gut. Bin gerade aus der Misere heraus. Atme tief und erleichtert durch. Habe alle Vorhänge weggezogen und blicke auf den halberten Baum.

Warum in Amtssprache? Warum keine Ich-Sätze? Habe ich Angst, der Egozentrik und des Narzissmus bezichtigt zu werden und versuche so, diese Geschichte zu verbergen? Oder war es nicht ich, der walken war? Wer war dann eine gute Stunde unterwegs? Oder bin nicht ich es, der schreibt, sondern ein Zwang? Oder ein Dämon? Oder ein übermütiger Narr? Oder ein Ausweicher und Versteckspieler?



(22.12.2018)




©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com

1196 Mindestens sieben Tage


Trauer und Unsicherheit ziehen bei mir ein. Mir kommt vor, ein wenig Angst schleicht mit. Ich fühle mich wie ein angestochener und ausgeronnener Wasserschlauch (von Wein will ich nicht reden) und alles ist versickert. Ich bin leer und schlaff und habe mich sinnlos verausgabt; unvorsichtig aufgeplatzt, den ganzen Schwall auf einmal vergeudet. (So fühle ich mich, mein Verstand meint zu erkennen, daß das nicht sinnlos war. Vielleicht wurde ich gehört, wirklich gehört.)

Ein elendes Gefühl, als hätte ich mich völlig preisgegeben und hingeschmissen. Es ekelt mich vor mir. Ich fühle mich auch schuldig, mein Gegenüber mit diesem Schwall überschüttet zu haben und schäme mich. Und innerlich rede ich immer noch weiter, innerlich erzähle und erzähle ich und kann nicht aufhören. Ich bin noch lange nicht fertig. Ich will mich ja öffnen, aber bitte geht dann nicht weg. Ich glaube, ich muß noch sieben  Tage hindurch erzählen und gehört werden. Mindestens sieben Tage.











(21.12.2018)










©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1195 Noch sechs Minuten Zeit


Die RedHotChiliPeppers hämmern aufmunternd drauflos, mir jedoch kommen unsichtbare Tränen in die Augen, weil mir von der anderen Seite des überdachten Innenhofes eine junge Frau im Rollstuhl durch die zwei Fensterscheiben hindurch verständnisvoll zugelächelt hat, als ich mich in den Sessel an diesen sich zu meinem Lieblingsplatz entwickelnden Ort in diesem Haus (der mit den Bildern) hingesetzt und mein Notizbuch gezückt habe, die Ohrenstöpsel meines Musiklieferanten eingehängt und aufgeschnallt. Dieses Lächeln hat für mich Verständnis und Solidarität, ja Einverständnis für mein Sitzen, Hören und Schreiben ausgedrückt und mich sehr berührt. Ich bin wie ich bin nicht allein auf der Welt. (Ich fürchte mich, hier als arrogant angesehen zu werden, was ja auch stimmt – das Arrogantsein: eine meiner effektiveren Schutzmasken – wie die meisten hat gerade sie einen hohen Preis.)
Jetzt, kurz vor dem nächsten Termin wird es hier unruhig; viele Leute gehen vorbei, auch ich werde nervöser, die Uhr zeigt noch sechs Minuten Zeit.





(21.12.2018)







©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1194 Der kürzeste Tag beginnt


Der kürzeste Tag hat mit einem Albtraum begonnen, über den ich mich nicht beschwere. Aber ich habe gut gefrühstückt und eine bessere Lese- Schreibeposition im Bett gefunden. Meine Nase rinnt ein wenig, seit dem Aufstehen; eine Luftfeuchtigkeitsumstellung meines Körpers scheint im Gange zu sein (hi hi hi, reine Phantasie!)

Durch Nebel und Gazevorhang schimmert der nur halb vom Fensterausschnitt erfaßte Apfelbaum herein. Der Einfachheit halber werde ich ihn ab jetzt kurz den „halben Baum“ nennen, ohne ihn als Ganzen kränken oder auch nur zu nahe treten zu wollen. Lieber Baum! Ich beziehe das auf meine halberte Wahrnehmung!

Die schöne, schlanke, übermannshohe, im unteren Drittel leicht eingedepschte Stehlampe, die ich gerade abgedreht habe, tuckert im Auskühlen (?) fünf, sechs Mal, vorausgesetzt, ich ordne Geräusch und Ursache richtig zu. Könnte es auch die unsichtbare Heizung sein? Ich glaube nicht. Klingen tut es wie eine dickere, straff gespannte Saite, die hart, aber zu schwach angezupft wird, sodaß der Ton in seiner Entfaltung, in seinem Ausschwingen steckengeblieben wirkt.





(21.12.2018)






©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1193 Ich hoffe und glaube es in Echt


Ich blicke über einen kleinen, überdachten „Innenhof“ hinweg durch die großen Glasfenster auf das große Wandbild links und die zehn gerahmten Bilder an der Wand gegenüber. Ein Stock tiefer ist  der Haupteingang, auf den ich runterschauen kann, und durch den vereinzelt Einzelne hereinkommen und zwei hinausgehen. „I Could Have Lied“ (RHCP) auf 22 (7 Punkte über der ungefährlichen Lautstärke). Die Gänge sind heller als der Innenhof zu dieser Abendzeit.

Ich gebe mich Melodie und Rhythmus hin und lasse mich von Frusciantes schmerzlich schönem Gitarrensolo richtig aufwühlen, nachdem ich vorher Fleas genialen Bass und Chads hier harte, präzise Schläge auf meinen Körper losgelassen habe, von Anthonys Gesang verführt.

Heute lob ich mir die modernen Bauten; trotz so mancher unangenehmen Ausdünstung der vielen Kunststoffmaterialien. Über der Uhr beim Aus- und Eingang befindet sich ein blankes, farbiges Keramikkreuz (die ich normalerweise nicht so mag). Blank, weil ohne Corpus (er ist schon auferstanden und –gefahren) - Anthony sagt gerade leise „fuck up!“ in den Songausklang hinein – bunt, weil in angenehmen, warmen, lebensbejahenden roten, rötlichen und gelblichen Farben gehalten, denn das Leben hat über den Tod gesiegt. Ich hoffe und glaube es in Echt, daß das hier in der alltagsweltlichen Variante oft  passiert.








(20.12.2018)









©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com


1192 Vier kleine, zehn große


Die kalte, feuchte Nachtluft diffundiert ins Zimmer herein (Ja, ja, ich weiß schon – aber immer nur strömen, strömen?!). Einigermaßen still ist es. Ab und zu hört man – wie immer in ländlicheren Gegenden – ein Auto nah oder fern dahinrauschen. In der Stadt im Hinterhof ist es ruhiger. Aber es paßt schon! Paßt schon.

Ein Flugzeug, das sich entfernt. Eine Trauer, die hochkommt: vertraut, verstehen kann ich sie jedoch nicht. Will ich jetzt auch gar nicht. Ich lege es im Moment nicht darauf an. Glockenschläge vom Kirchturm, vier kleine, zehn große – ich höre sie richtig durch die schwarze Luft schweben. Wie immer: Glockenschläge und Glockenläuten erheben mein Herz.

Raussehen kann ich nicht; Töne und Luft kommen von der Seite rechts. Übrigens ein schönes Zimmer; intelligent  aufgeteilt und eingerichtet. Obwohl klein, läßt es genug Platz. Klare Wände.  Klare Formen. Kein Geschnösel.

Ich werde versuchen zu schlafen. Ein bißchen zu lang war das Fenster offen; ich beginne schon zu husten.




(19.12.2018)




©Peter Alois Rumpf  Dezember 2018  peteraloisrumpf@gmail.com

1191 Die Rezeptionsdamen


Jetzt bin ich hier und schaue vom Bett aus in einen Innenhof und auf Mauern. An der Rezeption hatte sich eine Dame beschwert, daß ihr Mann ein schlechtes Zimmer ohne Sonne und mit Blick nur in den Innenhof hat, er jedoch ein besseres brauche. Könnt schon sein, daß ich jetzt dieses abgelehnte Zimmer habe. Vielleicht hatten die Rezeptionsdamen schon bemerkt, daß man – hier richtiger: frau das mit mir machen kann, denn obwohl ich als erster hier angekommen bin, bin ich nicht als erster beim Einchecken drangekommen und habe mich nicht beschwert. Unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit und Selbstverständlichkeit sich manche vordrängen und dabei mit Unschuldsmine so tun, als hätten sich es nicht gemerkt. Ich halte den Ärger zurück (hauptsächlich darüber, nicht wahrgenommen und respektiert worden zu sein), versuche aber, darauf zu vertrauen, daß mir die Götter schon einen guten Platz zukommen lassen; einen guten Platz nicht unbedingt für mein Ego, aber für mein wahres Selbst.

Jetzt bin ich also hier und schaue in den Innenhof auf die Hausmauern und auf einen halben Apfelbaum, wie es sich eben mit dem Fensterausschnitt ergibt. Seine kahlen Äste zittern im Wind, die letzten braunen Blätter vibrieren und es schaut so aus, als blieben sie am Baum.

Kein schlechter Anblick: die schützenden Mauern sind U-förmig (die Seite zum See hin ist offen, und wenn ich ans andere Fenster trete, kann ich einen kleinen Ausschnitt sehen) und tief im windgeschützten U der einsame, nicht allzu große Apfelbaum mit seinen graphischen Ästen. Ich glaube, die Götter meinen es gut, denn sein sanfter Windtanz hat etwas …  hat etwas …  - hat etwas.










(19.12.2018)









©Peter Alois Rumpf Dezember 2018    peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 16. Dezember 2018

1190 Beim ersten, beim zweiten, und beim dritten Bild


Jetzt ist es Abend. Eigentlich Nacht (21h). Und jetzt ist es 23 Uhr. Ich entdecke in meinen Bildern neue Strukturen: in der Hafenstraße versteckt sich ein Zugang zur Unterwelt. Bis jetzt ist er mir nicht aufgefallen. In der Kurve geht der Mittelteil der Straße - im Gegensatz zum linken und rechten Teil - nicht mit der Kurve mit, sondern bleibt wie eine innere Tangente ziemlich gerade, nur ganz leicht nach links gekrümmt, aber schon zu Beginn in einem ungefähr fünfundvierzig grädigen Winkel zum Hafenkai, der hier seinen rechten Winkel macht, während die Straße diesen umkurvt. Und da senkt sich der Mittelteil der Straße recht unauffällig in die Tiefe, so ein wenig getarnt durch dem Straßenbelag ähnliche Strukturen; nur an den Lücken zwischen diesen kann man die dritte Dimension in die Tiefe erkennen.

Und am anderen Bild der Berg im Hintergrund: er leuchtet von innen, als würde er gleich ganz transparent werden und in den Himmel auffahren. Er löst sich schon aus dem Erdzusammenhang. Der dunkle, blaue Berg davor hat seinen Gipfel regelrecht zu ihm gedreht, um erstaunt zuzuschauen. Und der Berg ganz recht ist in großer Aufregung. Ich glaube aber nicht, daß er die Energie hat, auch aufzufahren, obwohl auch er transparent wird, jedoch sich aufzulösen scheint, also seine Gestalt verliert. Vielleicht stirbt er, vielleicht ist er nur gefährlich aufgewühlt, weil er das Wunder vom ersten Berg sieht.

Und im dritten Bild beginnt die Himmelsmasse – sie schaut aus wie ein gleichmäßig undramatisch bedeckter Himmel – die irdischen Gestalten aufzulösen. Als ströme eine weißliche Lavamasse vom Himmel herab – und zwar nicht in einzelnen Strömen, sondern als Ganzes, als Totalität überall und zugleich auf der ganzen Erde, wo von oben und vom Hintergrund her alles zu dieser Lavamasse verschmilzt. Ein paar Dinge stehen noch und haben noch ihre Gestalt, aber die Straße, die ist schon ein Lavastrom und die Mauern des einen Hauses sind schon ganz weich und beginnen berstend weiß zu glühen. Obwohl die Masse überall auf die Erde auftrifft, schmilzt hier herunten nicht alles gleich schnell. Manche Dinge bleiben länger fest als andere. Der linke Baum schaut noch recht stabil aus, während der rechte schon blasser und durchsichtiger wird.

Beim Photo ist diese Masse noch ganz im Hintergrund, als Licht der Sonnenkugel getarnt.






(12.12.2018)








©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1189 Sechs Koffer


Heute bin ich bis 13:30 nicht aus dem Bett gekommen, obwohl ich eine Erledigung versprochen hatte. Das ist neu: wenn ich einen Pflichttermin hatte oder jemandem etwas versprochen habe zu besorgen, habe ich es immer geschafft; nur wenn es um mich ging, wenn ich mir etwas vorgenommen habe, bin ich oft nicht aufgestanden. (Das war noch früher auch anders: vor Jahrzehnten mußte ich mir nur vorm Einschlafen vorsagen: zum Beispiel: um sechs Uhr aufwachen! dann bin ich um sechs Uhr aufgewacht, egal, wie betrunken ich war. Das Trinken hatte mich schon entspannter, lockerer und selbstsicherer gemacht. Ich hatte dabei – so schaut es aus – einiges an Stress abgebaut.)
Heute gehe ich am Zahnfleisch daher. Ich halte mich selber und wie ich tu kaum noch aus. Dann ist es mir egal, weil es mir egal sein muß. (Ich würde das Resignation nennen.)

Ich steig jetzt einfach aus diesem Kreislauf aus, indem ich nicht weiterschreibe. Ich greife zu einem Buch (Maxim Biller, sechs Koffer) und beginne zu lesen.

So geht es mir: Wie ich es aufschlage, kommt mir vor, ich hätte es schon gelesen. Ich bin mir nicht sicher. Als ich es heute in einem der vier Stapel der zu lesenden Bücher neben meinem Bett gefunden habe, war es mir ganz fremd; ich wußte gar nicht, daß es dieses Buch und diesen Schriftsteller gibt, und schon gar nicht, daß ich es hier liegen habe. Das kommt nämlich schon vor, daß ich ein gelesenes Buch am Stapel der zu lesenden Bücher liegen lasse, wenn ich nicht weiß, wohin mit ihm in meinen übervollen Bücherregalen. Ja, ja, langsam bin ich mir sicher: ich habe es schon gelesen. Das kann nur ein paar Wochen her sein. Trotzdem ist alles weg. Ich kann mich nichteinmal erinnern, es gekauft oder ausgeborgt zu haben. Das wäre noch die plausibelste Erklärung: jemand hat es mir von sich aus geborgt, so in dem Sinn: das könnte dich interessieren. Oft geht bei mir nichts mehr rein. Speicher voll.

Gottseidank bleibt bei Alzheimer und Demenz die Erinnerung an die Musik erhalten, wie ich vor kurzem gelesen habe. Wenn ich vorher nur nicht taub werde! Wofür es auch Anzeichen gibt.










(12.12.2018)







©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1188 Sei gesund!


Die Trauer in mir überlagert alle anderen Gefühle und Einsichten. Die Trauer ist sehr groß. Gottseidank habe ich die Musik. Sie macht mir Trauer und Schmerz erträglich und versöhnt mich ein wenig mit meinem verpfuschten Leben. Ich bin müde, aber mag mich nicht schlafen legen. Ich bin mit dem Tag nicht fertig. Ich möchte noch aus dem depressiven Anfall herausfinden. Früher konnte ich das, aber allmählich geht mir die Luft aus.

Ich habe so lange am Computer herumgetan, um nicht schlafen zu müssen – dabei liebe ich es zu schlafen – bis ich nicht mehr konnte. Die Verzweiflung erlaubt mir nicht zu schlafen.
Ja, ja, es ist schon so wie es sein muß. Nichts antwortet mir. Warum sollte es auch? Aja! Atmen nicht vergessen!

Peter, ich befehle dir, sei gesund!









(10./11.12.2018)








©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1187 Morbus Rumpf


Von Kreuzschmerzen niedergebeugt und verkrampft, nur mühsam kann ich mich fortbewegen, ein Wrack, ein Geschlagener, das heißt, ich habe den Kampf ums Aufrechtsein verloren, weiß nicht mehr, was tun. Die wenigsten Schmerzen habe ich in meinem Schreibtischsessel, aber wehe, ich stehe auf! Vornübergebeugt wie ein Greis bin ich mit meinem Latein (und Griechisch) am Ende. Ob sie mit spinalen Stenosen, Osteochondrose, Morbus Scheuermann, Morbus Bechterew (was machen die zwei Trottel eigentlich – eventuell! - in meinem Körper? Bescheuert!), Pleuritis, Aortendissektion, Psychosomatik (sicher!) - mit was auch immer die zu tun haben: ich scheiß auf alles! Ich scheiß auch auf die baldige Psychokur; ich will nichts mehr, ich will mich verkriechen. Ich kann kaum noch normal reden; die Schmerzen machen mich aggressiv und grantig. Vornübergebeugt wie ein verprügelter … was weiß ich! Sind verprügelte Hunde vornübergebeugt? Metaphernchaos ist mir wurscht; ich kann nicht mehr denken und mir nichts vorstellen. Text ist mir wurscht. Und trotzdem versuche ich mich zusammen zu reißen. Genau die falsche Antwort seit Jahrhunderten. Jetzt geht mir die Luft aus. Auch gut! So bleibt mein verzweifelter Text (der Text ist verzweifelt!) kürzer.

Am leeren, runden Tisch vor mir steht ein Zuckerstreuer ganz am Rand. Mein ver-rücktes Hirn (oder Herz?) hat mit ihm Mitleid und sorgt sich, daß er abstürzen könnte. Gerade hirscht der Kellner ganz knapp vorbei (und der Hirscher ist schnell!). Hiersc heißt der Mann. Oh, mein versulztes Gehirn, oder mein kindisches Herz pubertieren in die falsche Richtung. Gottseidank geht bei Demenz und Alzheimer (Was macht dieser Trottel in meinem Gehirn?) das Musikgedächtnis nicht verloren! Ich werde also auch dann noch glücklich sein können, wenn mir wer RHCP, Frusciante, Chicha, Ochestre de la Paillote und Co vorspielen wird. Oder Dylans Blind Willie McTell oder oder oder … Es gibt soviel, daß genug Material bis zum Lebensende bleibt. Gestern habe ich mir wieder einmal die Winterreise angehört und ein Schauder nach dem anderen hat mich überrieselt. Mögen ruhig meine Vernunft und mein Gedächtnis den b-a-c-h runtergehen.

Ach! Ich schreibe mich frei. Die Schmerzen lassen nach. Mir ist es völlig wurscht (coñio! Hin oder her; conchita!), was meine Texte sind: ob gut, schlecht, mittelmäßig, lustig, fad oder pseudo, ob Literatur oder narzistische Psychoscheiße, ob beachtet oder unbeachtet, ob sie verloren gehen oder irgendwo hängen bleiben werden, ob neoliberal, marxistisch, christlich, konservativ oder atheistisch, ob rationalistisch oder irre, ob über oder unterbewertet (von mir oder jemand anderem) …

„Wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“ – die Kellnerin trägt soeben eine schöne, große, weinrote Kerze in einem großen Glasgefäß zur Vase mit den geschmückten Nadelbaumzweigen und stellt sie dort ab, praktisch neben mir.

Ich gestehe: ich habe Angst vor der Kur in neun Tagen, was da auf mich zukommt, in was ich da hineingeraten kann, ich, der ich so schwer nein sagen kann.

Gerade habe ich einer jungen Frau einen meiner Superkulis, die billig sind, geschenkt. Der Kellner hüpft optimistisch die Stufe hinunter und mein arbeitslos umherschweifender Geist ordnet das kleine Tablett mit zweimal Salz- und zweimal Pfefferstreuer, die sich im Metall der Kaffeemaschine spiegeln, zu der Krippenszene. Irgendwie könnt es sich wegen der doppelten Spiegelung mit der Anzahl der Figuren ausgehen.

Gut, das Ganze … aber, es senkt meine Kreuzschmerzen. Sehr interessant!







(10./16.12.2018)









©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1186 Liebe und Geilheit


Meine Traumantwort auf die Traumfrage „Warum?“, nämlich „Liebe und Geilheit“ hängt mir noch nach und denken muß ich auch an den Stier, der bei der Geburt seiner Zwillinge zugeschaut und den Tierarzt tun hat lassen, und als es vorbei war zur Mutterkuh getrabt ist und sie liebkost hat – so mit den Schnauze bei ihrem Kopf und Hals. Und denken muß ich auch an jene Kuh, die ebenfalls zwei Kälber geboren hat und eines dem Bauern gebracht – damit ihm nichts auffällt – und das zweite vor dem Bauern im Wald versteckt und heimlich ernährt hat. Lange haben sich der Bauer und die Tierärztin gewundert, wieso die Kuh keine Milch hat, bis ihr der Bauer dahintergekommen ist. Die Tierärztin wollte den Bauern überreden, ihr ausnahmsweise das Kalb zu lassen, aber keine Chance.

Was das hier soll? Keine Ahnung. Die Rindergeschichten gehen mir seit Tagen im Kopf herum. Worauf immer das hinausläuft.

Ich verschreibe mich immer öfters auch handschriftlich, lasse Silben aus, nehme falsche Buchstaben, schreibe statt „ist“ „ich“ (was verräterisch ist bezüglich Narzissmus, aber noch nachvollziehbar). Mit meinem Hirn stimmt etwas nicht. Meine Versprecher werden häufiger, ich verwende falsche Wörter, ähnlich klingende statt der richtigen, vergesse unglaublich viele Namen und Begriffe. Ich will aber diese Front nicht auch noch aufmachen: habe mit Kreuz, Zähnen und Psyche schon drei offen und absolut genug vom Wartezimmersitzen und Ärzten. Außerdem gäbe es neben Hirn und Gedächtnis noch Prostata und … (das schreibe ich jetzt nicht her! Es gibt auch für mich noch Grenzen!) noch andere Themen.








(8.12.2018)














 ©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Donnerstag, 6. Dezember 2018

1185 Er heißt Peter


„Er heißt Peter und er geht so gern spaziehieren!“ Momentan sitze ich lieber hinter dem gelben, aber eigentlich roten Stern im Warmen bei Kaffee und Zeitung. Das war nicht immer so und wird auch nicht so bleiben.

Unglaublich, wie zwei Wichtigtuer die Atmosphäre eines kleinen, stillen Kaffeehauses stören können. Erstens brunzen sie – da kein extra Pissoir – stehend und klappen nicht einmal die Klobrille rauf und wischen ihre Tröpfchen nicht weg. Zweitens schreien sie laut, sodaß alle ihre wichtige, aufgedrehte Unterhaltung mithören müssen. Und drittens … das spar ich mir noch auf … (Männer halt).

Der Jazz versucht, das Raumklima zu halten, so halbwegs gelingt's ihm, aber nicht ganz. Die Männer – jetzt zahlenmäßig verstärkt – sind lauter und dominanter. Die E-Gitarre probiert tapfer, hindurch zu „nerveln“: hier ist gemeint: im nervösen Spiel denen das schwere Wasser abzugraben und ihre Dominanz anzustechen.

Draußen der elegische nasse Asphalt, durch die Glastür zu sehen. Die Männer gehen. Es wird wieder ruhig werden, aber jetzt sind sie noch aufgeregt.

Ja, drittens hat sich der eine immer an die Wand gelehnt und dabei den Klolichtschalter auf aus gestellt. Die Gipsygeige wird von Baß, Gitarre und sanftem Schlagwerk begleitet.

Es wird auch für mich Zeit.








(6.12.2018)








©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1184 Ni-ko-laus!


Wiesenähnlich bleiben sie, diese unerklärlichen Figuren. Das „Bumm!“ eines Schlages auf Holz holt mein abgesunkenes Bewußtsein wieder herauf. Die fröhlichen Rufe der Tageskinder im Stiegenhaus: „Ni-ko-laus! Ni-ko-laus! Ni-ko-laus!“ Fast wie bei einer Demo.

Die Katze kommt und will gestreichelt werden, ich aber sinke wieder so tief, daß mir die Bewegung der Hand erlahmt und die Wachheit entgleitet. Der Blick der Katze scheint voller Entsetzen zu sein; ich glaube jedoch, ich lese das falsch. Wieder und wieder fallen mir die Augen zu. Auch mein Bett knackst plötzlich, ob wohl sich niemand bewegt. (Ich bin des wegen wieder heroben und kann den Satz niederschreiben.)

Vorm inneren Auge sehe ich jetzt den Bahnhof von Rijeka zu einer ereignislosen Tageszeit. Wieder aufgetaucht drehe ich mich nach meinem Tod um, aber ich sehe und spüre ihn nicht.

Ich sinke nicht mehr ab, meine Gedanken jedoch sausen an der Oberfläche noch chaotisch hin und her und haben eine sehr kurze Halbwertszeit von maximal einer Sekunde. Ein Telefonanruf, den ich wegdrücke. Die Nummer ist mir unbekannt. Mein Blick bleibt an den Bildern hängen, die mir ungewöhnlich nahe vorkommen.









(6.12.2018)









©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Dienstag, 4. Dezember 2018

1183 Der terminlose Vormittag


Das Nichts in meinen Nasennebenhöhlen genieße ich den terminlosen Vormittag. Es kribbelt leicht am Gaumen, aber das ist es schon. Die Musik, die ich gestern gehört habe, belegt noch ein wenig meine Gehörgänge. Die Gedanken stürzen und schweben chaotisch in meinen löchrigen Bewußtseinskübel. Vor meinen geschlossenen Augen fliegt in kosmischer Langsamkeit leuchtender Sternenstaub, oder was immer das ist. Oh, meine rosa Verlogenheit, auch sie hat sich hinter meinen Augenlidern kurz sichtbar gemacht. Ich werde noch ein wenig schlafen, meine Seele wirkt noch erschöpft. Ein bereits vergessener Miniaturalbtraum fällt über mich her.











(4.12.2018)













©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 3. Dezember 2018

1182 Pensionsantragstellen, die dritte


Halleluja! Ich nehme alles zurück! Alle meine imaginären Anschlagspläne, Massakerphantasien und taggeträumte, pubertäre Suizidaldrohungen widerrufe ich! Ich widerrufe! Denn heute habe ich meinen Pensionsantrag abgegeben. Ein Wunder ist geschehen! Heute bin ich an eine ganz, ganz freundliche, hilfsbereite und humorvolle Beamtin geraten. Sie hat mich tatsächlich – bildlich gesprochen – an der Hand genommen und mich durch den Antrag geführt. Zeile für Zeile hat sie mit mir durchgemacht. „Nur mit der Ruhe!“, hat sie gesagt, „Sie haben Zeit.“ Frage für Frage hat sie mit mir ausgefüllt. Sie war überhaupt nicht zermürbt, hat mich nach meinem Studium gefragt und von ihrem erzählt, hat mir alles, was ich noch nachreichen, muß ausgedruckt, Auskunft über die bald „anbrechende“ Kur gegeben und, als ich mich getraut habe zu fragen, von wem das Fries da hinten an der Wand gemalt ist, sind wir zusammen schauen gegangen, ob wir einen Hinweis finden (das hat sie selbst interessiert).

Ich habe ihr dann nach vielen Dankesbekundungen noch einen schönen Tag, schöne Weihnachten und überhaupt von Herzen alles Gute gewünscht. Ein Stein ist mir vom Herzen (Wiederholung! ... Wurscht!) gefallen, eine Last wurde mir abgenommen. Mir wurde wirklich geholfen. Danke! Danke den Kräften, die mein Schicksal regieren, daß ich heute an diese edle Dame, aber ganz normale Frau (Zwei-Naturenlehre: wahre Göttin und wahre Menschin) geraten bin! (Krafttag!) Wie viele Zufälle! Eigentlich wollte ich früher dort sein, habe aber – vom einem Albtraum zurückgeworfen – länger geschlafen als geplant. Die eine U-Bahn verpaßt, die andere gerade noch erwischt. Ohne die unfreundliche Dame beim ersten Versuch wäre ich dieser netten und kompetenten Frau nicht begegnet. Und und und.

Wie heißt es in der Heiligen Schrift? Wenn nur ein Gerechter in der Stadt ist, zerstört Gott diese Stadt nicht. Also nehme auch ich wegen dieser einen Gerechten unter den Bürokraten alle Beschimpfungen, Aggressionen und Gewaltphantasien zurück, in Gedanken, Worten und Werken und bereue sie. (Nebenbei: bemerke den heimlichen Größenwahn von Losern!)

Jetzt sitze ich im Espresso und feiere den Tag. Eine gewisse Leere und seelische Erschöpfung breitet sich nach dem ersten Jubel aus.

Da fällt mir eine Geschichte mit den Tageskindern ein: Meine Frau schiebt jeden Tag ihre fünf Tageskinder in einem Sechs-Sitzer-Wagerl in den Park und einmal, vor Jahren, als sie das Gefährt nach Hause schiebt, beginnen alle Kinder – angeregt durch einen der Buben – laut und ununterbrochen „Halleluja!“ zu rufen. Sie sitzen stolz im Wagerl und rufen begeistert „Halleluja!“. „Halleluja“ schallt es durch die Gassen von Wien – für die Passanten muß das etwas schräg gewirkt haben.








(3.12.2018)











©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 2. Dezember 2018

1181 Die Fenster sind beschlagen


Ich will schreiben, die Musik in ihren sanften Gitarrenmeditationen sinkt vom Rand her in mein Bewußtsein ein und kräuselt die mir liebste melancholische Lebenstrauer auf. Das nötige freundliche Fremdheitsgefühl ist da und verändert den inneren akustischen Schwerpunkt und läßt mir den Schauder den Rücken runter rieseln. Das ist ganz nahe am Glück des gottlosen Pilgers. Des rastenden und eingekehrten Pilgers wohlgemerkt, wenn nicht des müden, der dem einen Einkehrtag noch weitere folgen läßt.

Draußen ist es kalt und sonnig. Die Fenster sind beschlagen. Jetzt sind die musikalischen Bläser dran (blöd, daß man „Bläser“ nicht mehr ohne Umdeutungsassoziation denken kann.)

Mir kommt vor, alle meine Leidenschaften sind in Wirklichkeit Süchte. Angefangen bei der Musik, bis hin zur gegenwärtigen Breaking-Bad-Sucht, wo ich, wenn ich zu Hause bin – zu Beginn noch durch einen Virenbefall, der mich zu Hause – um nicht zu schreiben: am Häusl – festgehalten hat, verstärkt, eine Folge nach der anderen eingesaugt habe, so, daß ich schon mehr im Film als in der bei mir sowieso recht schwach verankerten, ständig sich aufzulösen drohenden Realität gelebt habe. Wenn ich zum Beispiel spät in der Nacht nach dem Zähneputzen bei der Zahnpastatube den Verschluß draufschraube und egal, ob ich die Tube versonnen, lässig, gleichgültig, cool oder wie auch immer hinlege, schmeiße, deponiere – ich habe dabei das Gefühl, gerade ein Ding gedreht zu haben. Und überhaupt: ein Loser, der zum Spitzenkriminellen mutiert – das gibt für mich breite Identifizierungsmöglichkeiten. Wobei ein Job als Mittelschullehrer aus meiner Sicht hier und jetzt schon eine Spitzenposition wäre.

Bin ich unbestechlich? Nein, für einen Platz an dem ich wie hier unbehelligt sitzen kann und nicht hinausgeworfen werde, bin ich bereit, alles zu geben inklusive ewige Treue und Anhänglichkeit bis zum nächsten Verrat.

Ich werde schon unruhig. Ich weiß nicht, wird es mir zu eng und dicht hier? Habe ich Schuldgefühle, weil ich allein an einem der schönsten drei-Plätze-Tischchen sitze, während das Lokal immer voller wird? Will ich mich dann langsam im nicht allzu weit entfernt gelegenen Shop um meine Musiksucht kümmern? Oder will ich nach Hause zu Walter White?

Die vielen disziplinierten jungen Leute rundherum sind erfrischend. Schauder über den Rücken.

Nach zehn Minuten: Schauder über den Rücken.

Nach fünfzehn Minuten: Schauder über den Rücken.

Jetzt geh ich.

Nach ein paar Worte mit den Chef beim Bezahlen gehe ich frisch hinaus. Auf der Straße treffe ich zufällig die erste Schwiegermutter meiner Frau und winke ihr. Nachdem ich RHCP-beschleunigt bin, realisiere ich erst nach ein paar Schritten, wie mühsam sie ihre Einkäufe schleppt, drehe um, laufe ihr nach – was bei einem stark frequentierten Gehsteig gar nicht so einfach ist – und frage sie, ob ich ihr tragen helfen soll. Sie verneint (hoffentlich hat sie mich erkannt) und so wünsche ich ihr einen schönen Tag und freue mich über die Begegnung und werde fast fromm.

Im Musikshop plaudere ich mit dem CD-Besteller, weil ich immer so spezielle Bestellungen beziehungsweise oft erst Recherchen, ob es dies oder das gibt, habe. Fast fühle ich mich als gleichwertiges Gegenüber und ich bestelle und gehe fröhlich weiter zur U-Bahn.

Die Waggons sind gerammelt voll und weil ich gleich an der nächsten Station wieder aussteigen werde, dränge ich mich als Letzter hinein und bleibe gleich bei der Tür stehen, wo ich mich wie ein Türsteher hinstelle, sodaß ein alter Mann, der einsteigen wollte, wieder abbiegt, ich jedoch drehe mich zur Seite und mache eine einladende Geste zu ihm. Er nimmt mein Angebot an und ich bin glücklich. Glücklich! So glücklich! (Und mir ist scheißegal, wenn mein Glücksgefühl etwas mit der Erfahrung von Macht zu tun haben sollte! Ich habe etwas Gutes (?) gemacht.)

Jubelnden Herzens steige ich an der nächsten Station um. Ich bin glücklich!









(30.11.2018)











©Peter Alois Rumpf     November 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1180 Pensionsantragstellen, die zweite


Zuerst muß ich sagen, daß ich als Mensch - wenn's d'rauf ankommt - nahezu ohne Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl, und ständig an der Grenze oder im Status einer Traumatrance, vorm Ausfüllen von behördlichen Fragebögen fast in Panik geraten kann, mit Zittern, Tunnelblick, reduzierter Aktivität bestimmter Gehirnareale und so weiter, wie ich es zum Beispiel auch vom Autor von „Der Mann ohne Eigenschaften“ gelesen habe - der Name des Autors will mir jetzt nicht und nicht einfallen; mein Gedächtnis muß wirklich schon ziemlich im Eimer sein, denn an mangelnder Bildung liegt es nicht; eher an aufkommender Panik beim Thema Formulareausfüllen – der jedenfalls jedes Formular, das er vor einer Behörde ausfüllen sollte, zunächst nach Hause mitnehmen mußte und dann erst nach ein paar Tagen Kampf ausfüllen konnte.

Also kurz gesagt: ich kann großen Stress beim und Angst vorm Ausfüllen wichtiger Formulare haben.

Nun, heute wollte ich meinen Pensionsantrag abgeben. Weil ich von meinen Schwierigkeiten weiß, hatte ich schon vor einigen Wochen einen Antrag auf Feststellung der Pensionsansprüche gestellt, um zu wissen, wann ich in Pension gehen kann und wie viel ich bekommen werde. Ich war im Vorfeld Monate und Wochen damit beschäftigt, die vielen Jobs meines chaotischen Lebens und ihre Zeiten abzuklären, die Zeiten als freischaffender Künstler und die Zeiten, in denen ich so viel Bilder verkauft hatte, daß ich als Selbständiger Versicherung gezahlt habe, zu rekonstruieren. Das war recht kompliziert, denn in einem Monat ja, im anderen nein, dazu kommen die Ausbildungszeiten, die ich mühsamst recherchiert und dann die Belege dafür bei den verschiedenen Unis angefordert habe (die dann der Beamte bei der Abgabe des Antrags auf Feststellung etc. einfach in den Papierkorb geschmissen hat mit dem Kommentar: „des brauchma net!“).
Ein Arbeitskollege hat mir dann den Tipp gegeben, einfach bei der Krankenkasse einen Versicherungsdatenauszug zu beantragen, der dann auch am nächsten Werktag in meinem Postkasten war, wo alle meine Zeiten aufgelistet sind, sogar die als Selbständiger. Wow! So einfach geht das! Da erhebt sich die schwerwiegende Frage: hätte mir diesen Tipp nicht schon der Beamte der Pensionsversicherungsanstalt geben können, als ich dort war, um mich nach dem Ablauf zu erkundigen? Ich hatte ihm auch erklärt, daß ich vor allem in meinem Künstlerleben viele verschiedene Jobs ausgeübt habe und oft nur für kurze Zeit und abwechselnd mit Selbstversicherung und daß ich das unmöglich rekonstruieren kann. Das hat nur ein Schulterzucken ausgelöst und der Tipp, wie das leicht geht, ist ihm nicht über die Lippen gekommen. Warum? Weil sie sich als Obrigkeit fühlen und uns als Untertanen und Bittsteller sehen? Uns darf auf keinen Fall geholfen werden? Freundlichkeit? In diesem Fall ja, aber zum Schein, denn man kann jemand auch freundlich in die falsche Richtung schicken. (Muß ich das meinen Leserinnen erklären, daß Pensionsversicherung wie Krankenkasse von uns direkt und über Steuergelder bezahlt werden als Dienst an uns? Nein, ich glaube nicht.) Nein, nein, diese Bittsteller müssen schikaniert werden, mit Zettelwirtschaft beschäftigt und ihre Daten zum eintausenddreihundertvierundsiebzigsten Mal angegeben werden, alles Daten, die sie schon längst im System haben.

Gut, letztendlich habe ich es geschafft, den Antrag auf Feststellung der Pensionsansprüche einzureichen und eine Antwort zu bekommen. Meine Pension ab wann und wieviel (netto € 366,52) war ausgerechnet. In meiner Naivität habe ich gedacht, das ist es jetzt: ich brauche beim richtigen Pensionsantrag nur mehr ein paar Basisdaten zur Feststellung meiner Identität abgeben, alles andere ist ja schon ausgerechnet und dort im System. Oh wie einfältig!

Heute also gehe ich zur Pensionsversicherungsanstalt um meinen Pensionsantrag abzugeben. Vorher hatte ich noch einen Termin bei der Krankenkasse wegen der Krankenstandskontrolle. Ich bringe jedesmal einen Befund meiner Psychiaterin mit, um meine regelmäßige Behandlung zu beweisen. Diese Behandlung muß ich zuerst aus eigener Tasche zahlen und bekomme dann – auf Antrag – den Großteil von der Krankenkasse refundiert. Meine Psychiaterin ist so freundlich und gibt mir zur Rechnung jedesmal ein Antragsformular an die Krankenkasse zur Refundierung der Kosten mit, das sie eigenhändig auf ihrem Drucker ausdruckt und das ich zu Hause ausfülle. Bis jetzt hat es damit noch nie ein Problem gegeben. Aber heute wurde dieses ausgefüllte Antragsformular nicht angenommen und ich mußte eines von dort ausfüllen. Also: alles, was auf „meinem“ Formular steht, mußte ich auf ein anderes schreiben: genau die gleichen Angaben, es steht genau das Gleiche drauf. So richtig freundlich war die Beamtin nicht, aber unfreundlich kann man sie an dieser Stelle des Geschehens auch nicht nennen. - und doch: man fühlt sich als der letzte Depp!
Der Ablauf dort ist so: man zieht eine Nummer. Dann wartet man, bis die Nummer am Bildschirm aufscheint und einem auch angezeigt wird, an welchen Schalter man treten darf. Dort legt man sein Anliegen vor – in meinem Fall Krankenstandskontrolle – und geht wieder in den Wartemodus zurück, bis man vom Arzt aufgerufen wird – bis jetzt mündlich, neuestens aber mit der Nummer, die nun wieder am „Display“ aufscheint mit Angabe der Nummer des Ordinationszimmers. Das ist neu! Macht einen aber auch niemand darauf aufmerksam! Denn jetzt muß man nicht auf die Lautsprecher hören, sondern auf die Anzeigetafel gaffen. Aber ich als Traumageschädigter (bei der Staatspsychologie nicht offiziell! Laut offizieller staatspsychologischer Diagnose bin ich das nicht, was ein absoluter Blödsinn ist. Diese Diagnosegeschichte wäre auch eine eigene Story! Meine Psychiaterin hat dazu den Kopf geschüttelt.) bin wachsam und beobachte die Umgebung aufmerksam und habe es so doch mitbekommen, daß ich nicht namentlich wie bisher, sondern automatisiert per Nummer aufgerufen werde.
Wie ich vom Ordinationszimmer des kontrollierenden Arztes herauskomme, weiß ich nicht mehr, wie es weitergeht: muß ich jetzt wieder warten, bis ich aufgerufen werde, um Rechnung und Kostenersatz zu beantragen und den Antrag auf Krankengeld abzugeben? (Am Anfang wußte ich nicht, daß man diesen Antrag nach jeder Kontrolle neu stellen muß – ich dachte, wenn ich ihn beim ersten Mal beantragt habe, läuft das weiter, solange sich am Krankenstand nichts ändert, was ja mit dieser Kontrolle kontrolliert wird. Mir ist dann nur nach drei Monaten aufgefallen, daß ich überhaupt kein Geld mehr bekomme, weder vom Arbeitgeber, noch von der Krankenkasse. Sagt einem auch niemand. Wissen genau, daß ich kein Geld bekomme, wenn ich das nicht beantrage, sehen, daß ich es nicht beantrage und sagen einem nichts. Die Bittsteller ja recht dumm halten und nicht informieren!) Dunkel habe ich in meiner Erinnerung, daß man gleich zur Anmeldungsbarriere geht („Schalter“ wäre zu euphemistisch), aber sicher bin ich mir nicht mehr. (Mein Gedächtnis! Wenn mir schon der Name des Autors vom „Mann ohne Eigenschaften“ nicht einfällt!) Also bleibe ich in gewisser Distanz zur Anmeldungsbarrikade und frage unsicher und schüchtern als der aktuelle Kunde  weggeht: wie geht’s jetzt weiter? Da wird die Dame unfreundlich und schnauzt mich an. Wenn die Untertanen unaufgefordert etwas fragen, ist es halt Majestätsbelästigung. (Meine Phantasien und Tagträume gehen dann in Richtung Sprengstoffattentate, einen Bürokratenstadel nach dem anderen in die Luft zu jagen. Dann wird mir selbst in meinen Größenwahnphantasien klar, daß das einige Nummern zu groß für mich wäre und bescheide mich und gehe runter auf Schußwaffenmassaker, aber selbst im Tagtraum, wo man sich alles ausdenken und sich zuschreiben kann, funktioniert das nicht, weil ich von Waffen keine Ahnung habe. Also ende ich bei der Phantasie, mich dort vor oder auf der Anmeldungsbarrikade mit Benzin zu übergießen und anzuzünden und als Brennender (so hat einmal ein Bild von mir geheißen. Schon zerstört!) hinter die Barriere zu springen. Ein bißerl was sollten diese Bürokratenarschlöcher schon abkriegen; und wenn es nur ist, den Anblick eines verbrennenden Menschen ertragen und sich seine Schmerzensschreie anhören zu müssen. Einen kleinen Kanister mit Benzin zu kaufen werde ich wohl noch zusammenbringen. Ende der ohnmachtspubertären Durchsage.)

Alsdann! Wie ich mit der Krankenkasse fertig bin, wandere ich das Stück zur Pensionsversicherungsanstalt, um meinen Pensionsantrag abzugeben. Wie gesagt: die Feststellung der Pensionsansprüche habe ich schon machen lassen, es ist alles geklärt – denke ich – ich brauche den Antrag nur abgeben, die Daten sind schon alle im System. Nein, bescheidet mich die unfreundliche Beamtin, ich muß alles nocheinmal ausfüllen! „Aber den Versicherungsdatenauszug habe ich eh beigelegt“, entgegne ich. „Nein, das genügt nicht!“ „Aber was muß ich .. Sie wissen doch eh alles!“, rufe ich aus. Zu sagen, daß ich die Feststellung der Pensionsansprüche schon gemacht habe, dazu komme ich gar nicht. Der nächste Bittsteller wird schon aufgerufen. Ich fluche noch halbherzig herum und rufe noch etwas von Schikane, aber dann bremse ich mich schnell ein, denn in psychiatrischer Behandlung zu sein und im Amt, richtiger in der Anstalt herumzubrüllen – das kann ins Auge gehen!

Muß das so sein? Nein, so muß es nicht sein. Sie hätte bei der Durchsicht meines Antrags mich einfach aufklären oder an die richtige Stelle für Beratung verweisen können. Freundlich, ruhig, professionell die nötigen Informationen geben, ohne daß man sich bloßgestellt fühlen muß. Kundenservice halt! „Wo, Herr Rumpf, haben sie mit dem Fragebogen Schwierigkeiten? Was verstehen Sie nicht? Ich (oder der zuständige Mitarbeiter) kann Ihnen alles erklären!“









(29.11.2018; ergänzt 2.12.2018)











©Peter Alois Rumpf     November/Dezember 2018    peteraloisrumpf@gmail.com

1179 Die Eingeweihten


Das rote Bandl dreht sich schon wieder – die Eingeweihten – das sind die regelmäßigen Leserinnen meiner Schublade – kennen sich aus.

Ein schöner Tag. Morgen ist der Tag des Pensionsantragstellens. Ein neuer Lebensabschnitt wird eingeleitet. Ich trink nur mehr einen (bestimmte Zahl) Cappuccino.

Die junge Mutter steht vor der blauen Wand, wiegt ihr umgeschnalltes, schlafendes Baby im Hüft-Hin-und-Her und redet viel, gescheit (aus ihrer Sicht) und selbstbewußt (wie mir scheint), was heißt: ich kenne mich aus und weiß das. Ob es wirklich so ist, ist natürlich eine andere Frage.

Ich sollte als braver ehemännlicher Assistent nach Hause gehen und schauen, wo ich meiner lieben Frau helfen kann.









(28.11.2018)













©Peter Alois Rumpf     November 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1178 Im übermüdeten Zustand


Im übermüdeten Zustand schaue ich mir meine Bilder besonders gern an: weil sich die Linien und Flächen von selbst zu bewegen beginnen, wie auch gerade vorhin im Bad, als ich den Fußboden angestarrt habe. Ich finde in den Bilder dann immer Neues und durch die Bewegungen entstehen  geheimnisvolle Gestalten und Dinge.










(27./28.11.2018)









©Peter Alois Rumpf     November 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1177 Pensionsantragstellen


Ich habe Stress mit dem Pensionsantragstellen. Ich habe Angst vor Formularen und wenn ich mich im bürokratischen Ablauf und mit bürokratischen Spielchen und unterschwelligen Möglichkeiten, die nicht im Text stehen, und mit der Amtssprache nicht auskenne. Und ich kenne mich nicht aus.
Außerdem habe ich in meinen Dokumenten und auf meinem Schreibtisch, wo alle möglichen Schreiben lagern, eine große Unordnung, mit der ich mich normalerweise exzellent zurechtfinde, aber nur, wenn ich keine Angst habe. Die Unordnung in den Dokumenten war nicht immer so kraß.

Ich merke: was ich bei mir Leidenschaft nenne, ist Sucht.

Vor Wut habe ich das rote Notizbuchbandl, das sich immer umgedreht hat, wenn ich es flach hingelegt habe, so lange geglättet, bis es diese Position hält. Ich habe ihm meinen zornigen Willen aufgezwungen. Aber eine halbe Minute später spielt es nicht mehr mit und verdreht sich wieder. Ich werde dem blöden Band Mores lehren! Mit meinem schon etwas zu langen Fingernägel meines rechten Daumens und Mittelfingers (als Linkshänder! Aber mein linker Daumen hat keinen Nagel mehr) fahre ich mehrmals mit starkem Druck an diesem widerspenstigen Band entlang. Ich gebe meine schwarze Erziehungsmaßnahme auf, als wir auf dem halben Weg zum Ziel sind. Es ist besser als vorher, aber noch nicht okay. Mir wird das zu blöd! Meine Wut ist vor den aufkommenden Trauer- und Versagensgefühlen verraucht. Jetzt hat das Band wieder einen Totalrückfall.











(25./26.11.2018; überarbeitet und ergänzt 2.12.2018)














©Peter Alois Rumpf     November/Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com