Sonntag, 16. Dezember 2018

1187 Morbus Rumpf


Von Kreuzschmerzen niedergebeugt und verkrampft, nur mühsam kann ich mich fortbewegen, ein Wrack, ein Geschlagener, das heißt, ich habe den Kampf ums Aufrechtsein verloren, weiß nicht mehr, was tun. Die wenigsten Schmerzen habe ich in meinem Schreibtischsessel, aber wehe, ich stehe auf! Vornübergebeugt wie ein Greis bin ich mit meinem Latein (und Griechisch) am Ende. Ob sie mit spinalen Stenosen, Osteochondrose, Morbus Scheuermann, Morbus Bechterew (was machen die zwei Trottel eigentlich – eventuell! - in meinem Körper? Bescheuert!), Pleuritis, Aortendissektion, Psychosomatik (sicher!) - mit was auch immer die zu tun haben: ich scheiß auf alles! Ich scheiß auch auf die baldige Psychokur; ich will nichts mehr, ich will mich verkriechen. Ich kann kaum noch normal reden; die Schmerzen machen mich aggressiv und grantig. Vornübergebeugt wie ein verprügelter … was weiß ich! Sind verprügelte Hunde vornübergebeugt? Metaphernchaos ist mir wurscht; ich kann nicht mehr denken und mir nichts vorstellen. Text ist mir wurscht. Und trotzdem versuche ich mich zusammen zu reißen. Genau die falsche Antwort seit Jahrhunderten. Jetzt geht mir die Luft aus. Auch gut! So bleibt mein verzweifelter Text (der Text ist verzweifelt!) kürzer.

Am leeren, runden Tisch vor mir steht ein Zuckerstreuer ganz am Rand. Mein ver-rücktes Hirn (oder Herz?) hat mit ihm Mitleid und sorgt sich, daß er abstürzen könnte. Gerade hirscht der Kellner ganz knapp vorbei (und der Hirscher ist schnell!). Hiersc heißt der Mann. Oh, mein versulztes Gehirn, oder mein kindisches Herz pubertieren in die falsche Richtung. Gottseidank geht bei Demenz und Alzheimer (Was macht dieser Trottel in meinem Gehirn?) das Musikgedächtnis nicht verloren! Ich werde also auch dann noch glücklich sein können, wenn mir wer RHCP, Frusciante, Chicha, Ochestre de la Paillote und Co vorspielen wird. Oder Dylans Blind Willie McTell oder oder oder … Es gibt soviel, daß genug Material bis zum Lebensende bleibt. Gestern habe ich mir wieder einmal die Winterreise angehört und ein Schauder nach dem anderen hat mich überrieselt. Mögen ruhig meine Vernunft und mein Gedächtnis den b-a-c-h runtergehen.

Ach! Ich schreibe mich frei. Die Schmerzen lassen nach. Mir ist es völlig wurscht (coñio! Hin oder her; conchita!), was meine Texte sind: ob gut, schlecht, mittelmäßig, lustig, fad oder pseudo, ob Literatur oder narzistische Psychoscheiße, ob beachtet oder unbeachtet, ob sie verloren gehen oder irgendwo hängen bleiben werden, ob neoliberal, marxistisch, christlich, konservativ oder atheistisch, ob rationalistisch oder irre, ob über oder unterbewertet (von mir oder jemand anderem) …

„Wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“ – die Kellnerin trägt soeben eine schöne, große, weinrote Kerze in einem großen Glasgefäß zur Vase mit den geschmückten Nadelbaumzweigen und stellt sie dort ab, praktisch neben mir.

Ich gestehe: ich habe Angst vor der Kur in neun Tagen, was da auf mich zukommt, in was ich da hineingeraten kann, ich, der ich so schwer nein sagen kann.

Gerade habe ich einer jungen Frau einen meiner Superkulis, die billig sind, geschenkt. Der Kellner hüpft optimistisch die Stufe hinunter und mein arbeitslos umherschweifender Geist ordnet das kleine Tablett mit zweimal Salz- und zweimal Pfefferstreuer, die sich im Metall der Kaffeemaschine spiegeln, zu der Krippenszene. Irgendwie könnt es sich wegen der doppelten Spiegelung mit der Anzahl der Figuren ausgehen.

Gut, das Ganze … aber, es senkt meine Kreuzschmerzen. Sehr interessant!







(10./16.12.2018)









©Peter Alois Rumpf     Dezember 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

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