1187 Morbus Rumpf
Von Kreuzschmerzen niedergebeugt und verkrampft, nur mühsam
kann ich mich fortbewegen, ein Wrack, ein Geschlagener, das heißt, ich habe den
Kampf ums Aufrechtsein verloren, weiß nicht mehr, was tun. Die wenigsten
Schmerzen habe ich in meinem Schreibtischsessel, aber wehe, ich stehe auf!
Vornübergebeugt wie ein Greis bin ich mit meinem Latein (und Griechisch) am
Ende. Ob sie mit spinalen Stenosen, Osteochondrose, Morbus Scheuermann, Morbus
Bechterew (was machen die zwei Trottel eigentlich – eventuell! - in meinem
Körper? Bescheuert!), Pleuritis, Aortendissektion, Psychosomatik (sicher!) -
mit was auch immer die zu tun haben: ich scheiß auf alles! Ich scheiß auch auf
die baldige Psychokur; ich will nichts mehr, ich will mich verkriechen. Ich
kann kaum noch normal reden; die Schmerzen machen mich aggressiv und grantig.
Vornübergebeugt wie ein verprügelter … was weiß ich! Sind verprügelte Hunde
vornübergebeugt? Metaphernchaos ist mir wurscht; ich kann nicht mehr denken und
mir nichts vorstellen. Text ist mir wurscht. Und trotzdem versuche ich mich
zusammen zu reißen. Genau die falsche Antwort seit Jahrhunderten. Jetzt geht
mir die Luft aus. Auch gut! So bleibt mein verzweifelter Text (der Text ist
verzweifelt!) kürzer.
Am leeren, runden Tisch vor mir steht ein Zuckerstreuer ganz
am Rand. Mein ver-rücktes Hirn (oder Herz?) hat mit ihm Mitleid und sorgt sich,
daß er abstürzen könnte. Gerade hirscht der Kellner ganz knapp vorbei (und der
Hirscher ist schnell!). Hiersc heißt der Mann. Oh, mein versulztes Gehirn, oder
mein kindisches Herz pubertieren in die falsche Richtung. Gottseidank geht bei
Demenz und Alzheimer (Was macht dieser Trottel in meinem Gehirn?) das
Musikgedächtnis nicht verloren! Ich werde also auch dann noch glücklich sein
können, wenn mir wer RHCP, Frusciante, Chicha, Ochestre de la Paillote und Co
vorspielen wird. Oder Dylans Blind Willie McTell oder oder oder … Es gibt
soviel, daß genug Material bis zum Lebensende bleibt. Gestern habe ich mir
wieder einmal die Winterreise angehört und ein Schauder nach dem anderen hat
mich überrieselt. Mögen ruhig meine Vernunft und mein Gedächtnis den b-a-c-h
runtergehen.
Ach! Ich schreibe mich frei. Die Schmerzen lassen nach. Mir
ist es völlig wurscht (coñio!
Hin oder her; conchita!), was meine Texte sind: ob gut, schlecht, mittelmäßig,
lustig, fad oder pseudo, ob Literatur oder narzistische Psychoscheiße, ob
beachtet oder unbeachtet, ob sie verloren gehen oder irgendwo hängen bleiben
werden, ob neoliberal, marxistisch, christlich, konservativ oder atheistisch,
ob rationalistisch oder irre, ob über oder unterbewertet (von mir oder jemand
anderem) …
„Wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein
Lichtlein her“ – die Kellnerin trägt soeben eine schöne, große, weinrote Kerze
in einem großen Glasgefäß zur Vase mit den geschmückten Nadelbaumzweigen und
stellt sie dort ab, praktisch neben mir.
Ich gestehe: ich habe Angst vor der Kur in neun Tagen, was
da auf mich zukommt, in was ich da hineingeraten kann, ich, der ich so schwer
nein sagen kann.
Gerade habe ich einer jungen Frau einen meiner Superkulis,
die billig sind, geschenkt. Der Kellner hüpft optimistisch die Stufe hinunter
und mein arbeitslos umherschweifender Geist ordnet das kleine Tablett mit
zweimal Salz- und zweimal Pfefferstreuer, die sich im Metall der Kaffeemaschine
spiegeln, zu der Krippenszene. Irgendwie könnt es sich wegen der
doppelten Spiegelung mit der Anzahl der Figuren ausgehen.
Gut, das Ganze … aber, es senkt meine Kreuzschmerzen. Sehr
interessant!
(10./16.12.2018)
©Peter Alois Rumpf Dezember
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite