Sonntag, 2. Dezember 2018

1180 Pensionsantragstellen, die zweite


Zuerst muß ich sagen, daß ich als Mensch - wenn's d'rauf ankommt - nahezu ohne Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl, und ständig an der Grenze oder im Status einer Traumatrance, vorm Ausfüllen von behördlichen Fragebögen fast in Panik geraten kann, mit Zittern, Tunnelblick, reduzierter Aktivität bestimmter Gehirnareale und so weiter, wie ich es zum Beispiel auch vom Autor von „Der Mann ohne Eigenschaften“ gelesen habe - der Name des Autors will mir jetzt nicht und nicht einfallen; mein Gedächtnis muß wirklich schon ziemlich im Eimer sein, denn an mangelnder Bildung liegt es nicht; eher an aufkommender Panik beim Thema Formulareausfüllen – der jedenfalls jedes Formular, das er vor einer Behörde ausfüllen sollte, zunächst nach Hause mitnehmen mußte und dann erst nach ein paar Tagen Kampf ausfüllen konnte.

Also kurz gesagt: ich kann großen Stress beim und Angst vorm Ausfüllen wichtiger Formulare haben.

Nun, heute wollte ich meinen Pensionsantrag abgeben. Weil ich von meinen Schwierigkeiten weiß, hatte ich schon vor einigen Wochen einen Antrag auf Feststellung der Pensionsansprüche gestellt, um zu wissen, wann ich in Pension gehen kann und wie viel ich bekommen werde. Ich war im Vorfeld Monate und Wochen damit beschäftigt, die vielen Jobs meines chaotischen Lebens und ihre Zeiten abzuklären, die Zeiten als freischaffender Künstler und die Zeiten, in denen ich so viel Bilder verkauft hatte, daß ich als Selbständiger Versicherung gezahlt habe, zu rekonstruieren. Das war recht kompliziert, denn in einem Monat ja, im anderen nein, dazu kommen die Ausbildungszeiten, die ich mühsamst recherchiert und dann die Belege dafür bei den verschiedenen Unis angefordert habe (die dann der Beamte bei der Abgabe des Antrags auf Feststellung etc. einfach in den Papierkorb geschmissen hat mit dem Kommentar: „des brauchma net!“).
Ein Arbeitskollege hat mir dann den Tipp gegeben, einfach bei der Krankenkasse einen Versicherungsdatenauszug zu beantragen, der dann auch am nächsten Werktag in meinem Postkasten war, wo alle meine Zeiten aufgelistet sind, sogar die als Selbständiger. Wow! So einfach geht das! Da erhebt sich die schwerwiegende Frage: hätte mir diesen Tipp nicht schon der Beamte der Pensionsversicherungsanstalt geben können, als ich dort war, um mich nach dem Ablauf zu erkundigen? Ich hatte ihm auch erklärt, daß ich vor allem in meinem Künstlerleben viele verschiedene Jobs ausgeübt habe und oft nur für kurze Zeit und abwechselnd mit Selbstversicherung und daß ich das unmöglich rekonstruieren kann. Das hat nur ein Schulterzucken ausgelöst und der Tipp, wie das leicht geht, ist ihm nicht über die Lippen gekommen. Warum? Weil sie sich als Obrigkeit fühlen und uns als Untertanen und Bittsteller sehen? Uns darf auf keinen Fall geholfen werden? Freundlichkeit? In diesem Fall ja, aber zum Schein, denn man kann jemand auch freundlich in die falsche Richtung schicken. (Muß ich das meinen Leserinnen erklären, daß Pensionsversicherung wie Krankenkasse von uns direkt und über Steuergelder bezahlt werden als Dienst an uns? Nein, ich glaube nicht.) Nein, nein, diese Bittsteller müssen schikaniert werden, mit Zettelwirtschaft beschäftigt und ihre Daten zum eintausenddreihundertvierundsiebzigsten Mal angegeben werden, alles Daten, die sie schon längst im System haben.

Gut, letztendlich habe ich es geschafft, den Antrag auf Feststellung der Pensionsansprüche einzureichen und eine Antwort zu bekommen. Meine Pension ab wann und wieviel (netto € 366,52) war ausgerechnet. In meiner Naivität habe ich gedacht, das ist es jetzt: ich brauche beim richtigen Pensionsantrag nur mehr ein paar Basisdaten zur Feststellung meiner Identität abgeben, alles andere ist ja schon ausgerechnet und dort im System. Oh wie einfältig!

Heute also gehe ich zur Pensionsversicherungsanstalt um meinen Pensionsantrag abzugeben. Vorher hatte ich noch einen Termin bei der Krankenkasse wegen der Krankenstandskontrolle. Ich bringe jedesmal einen Befund meiner Psychiaterin mit, um meine regelmäßige Behandlung zu beweisen. Diese Behandlung muß ich zuerst aus eigener Tasche zahlen und bekomme dann – auf Antrag – den Großteil von der Krankenkasse refundiert. Meine Psychiaterin ist so freundlich und gibt mir zur Rechnung jedesmal ein Antragsformular an die Krankenkasse zur Refundierung der Kosten mit, das sie eigenhändig auf ihrem Drucker ausdruckt und das ich zu Hause ausfülle. Bis jetzt hat es damit noch nie ein Problem gegeben. Aber heute wurde dieses ausgefüllte Antragsformular nicht angenommen und ich mußte eines von dort ausfüllen. Also: alles, was auf „meinem“ Formular steht, mußte ich auf ein anderes schreiben: genau die gleichen Angaben, es steht genau das Gleiche drauf. So richtig freundlich war die Beamtin nicht, aber unfreundlich kann man sie an dieser Stelle des Geschehens auch nicht nennen. - und doch: man fühlt sich als der letzte Depp!
Der Ablauf dort ist so: man zieht eine Nummer. Dann wartet man, bis die Nummer am Bildschirm aufscheint und einem auch angezeigt wird, an welchen Schalter man treten darf. Dort legt man sein Anliegen vor – in meinem Fall Krankenstandskontrolle – und geht wieder in den Wartemodus zurück, bis man vom Arzt aufgerufen wird – bis jetzt mündlich, neuestens aber mit der Nummer, die nun wieder am „Display“ aufscheint mit Angabe der Nummer des Ordinationszimmers. Das ist neu! Macht einen aber auch niemand darauf aufmerksam! Denn jetzt muß man nicht auf die Lautsprecher hören, sondern auf die Anzeigetafel gaffen. Aber ich als Traumageschädigter (bei der Staatspsychologie nicht offiziell! Laut offizieller staatspsychologischer Diagnose bin ich das nicht, was ein absoluter Blödsinn ist. Diese Diagnosegeschichte wäre auch eine eigene Story! Meine Psychiaterin hat dazu den Kopf geschüttelt.) bin wachsam und beobachte die Umgebung aufmerksam und habe es so doch mitbekommen, daß ich nicht namentlich wie bisher, sondern automatisiert per Nummer aufgerufen werde.
Wie ich vom Ordinationszimmer des kontrollierenden Arztes herauskomme, weiß ich nicht mehr, wie es weitergeht: muß ich jetzt wieder warten, bis ich aufgerufen werde, um Rechnung und Kostenersatz zu beantragen und den Antrag auf Krankengeld abzugeben? (Am Anfang wußte ich nicht, daß man diesen Antrag nach jeder Kontrolle neu stellen muß – ich dachte, wenn ich ihn beim ersten Mal beantragt habe, läuft das weiter, solange sich am Krankenstand nichts ändert, was ja mit dieser Kontrolle kontrolliert wird. Mir ist dann nur nach drei Monaten aufgefallen, daß ich überhaupt kein Geld mehr bekomme, weder vom Arbeitgeber, noch von der Krankenkasse. Sagt einem auch niemand. Wissen genau, daß ich kein Geld bekomme, wenn ich das nicht beantrage, sehen, daß ich es nicht beantrage und sagen einem nichts. Die Bittsteller ja recht dumm halten und nicht informieren!) Dunkel habe ich in meiner Erinnerung, daß man gleich zur Anmeldungsbarriere geht („Schalter“ wäre zu euphemistisch), aber sicher bin ich mir nicht mehr. (Mein Gedächtnis! Wenn mir schon der Name des Autors vom „Mann ohne Eigenschaften“ nicht einfällt!) Also bleibe ich in gewisser Distanz zur Anmeldungsbarrikade und frage unsicher und schüchtern als der aktuelle Kunde  weggeht: wie geht’s jetzt weiter? Da wird die Dame unfreundlich und schnauzt mich an. Wenn die Untertanen unaufgefordert etwas fragen, ist es halt Majestätsbelästigung. (Meine Phantasien und Tagträume gehen dann in Richtung Sprengstoffattentate, einen Bürokratenstadel nach dem anderen in die Luft zu jagen. Dann wird mir selbst in meinen Größenwahnphantasien klar, daß das einige Nummern zu groß für mich wäre und bescheide mich und gehe runter auf Schußwaffenmassaker, aber selbst im Tagtraum, wo man sich alles ausdenken und sich zuschreiben kann, funktioniert das nicht, weil ich von Waffen keine Ahnung habe. Also ende ich bei der Phantasie, mich dort vor oder auf der Anmeldungsbarrikade mit Benzin zu übergießen und anzuzünden und als Brennender (so hat einmal ein Bild von mir geheißen. Schon zerstört!) hinter die Barriere zu springen. Ein bißerl was sollten diese Bürokratenarschlöcher schon abkriegen; und wenn es nur ist, den Anblick eines verbrennenden Menschen ertragen und sich seine Schmerzensschreie anhören zu müssen. Einen kleinen Kanister mit Benzin zu kaufen werde ich wohl noch zusammenbringen. Ende der ohnmachtspubertären Durchsage.)

Alsdann! Wie ich mit der Krankenkasse fertig bin, wandere ich das Stück zur Pensionsversicherungsanstalt, um meinen Pensionsantrag abzugeben. Wie gesagt: die Feststellung der Pensionsansprüche habe ich schon machen lassen, es ist alles geklärt – denke ich – ich brauche den Antrag nur abgeben, die Daten sind schon alle im System. Nein, bescheidet mich die unfreundliche Beamtin, ich muß alles nocheinmal ausfüllen! „Aber den Versicherungsdatenauszug habe ich eh beigelegt“, entgegne ich. „Nein, das genügt nicht!“ „Aber was muß ich .. Sie wissen doch eh alles!“, rufe ich aus. Zu sagen, daß ich die Feststellung der Pensionsansprüche schon gemacht habe, dazu komme ich gar nicht. Der nächste Bittsteller wird schon aufgerufen. Ich fluche noch halbherzig herum und rufe noch etwas von Schikane, aber dann bremse ich mich schnell ein, denn in psychiatrischer Behandlung zu sein und im Amt, richtiger in der Anstalt herumzubrüllen – das kann ins Auge gehen!

Muß das so sein? Nein, so muß es nicht sein. Sie hätte bei der Durchsicht meines Antrags mich einfach aufklären oder an die richtige Stelle für Beratung verweisen können. Freundlich, ruhig, professionell die nötigen Informationen geben, ohne daß man sich bloßgestellt fühlen muß. Kundenservice halt! „Wo, Herr Rumpf, haben sie mit dem Fragebogen Schwierigkeiten? Was verstehen Sie nicht? Ich (oder der zuständige Mitarbeiter) kann Ihnen alles erklären!“









(29.11.2018; ergänzt 2.12.2018)











©Peter Alois Rumpf     November/Dezember 2018    peteraloisrumpf@gmail.com

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