1174 Der falsche Termin
So früh bin ich schon lange nicht mehr unterwegs gewesen: um
halb sieben aufgestanden – ich, der ich in letzter Zeit immer bis Mittag
geschlafen, respektive gedöst habe und mindestens bis zwei Uhr früh wach war – heute
Nacht sogar bis vier Uhr (die Nerven! Die Nerven!). Also: plötzlich Wecker und
aufgestanden und zu einem fragwürdigen Zahnarzttermin gegangen (aus den
Ohrenstöpsel RHCP Freaky Style – sehr empfehlenswert!). Das war nämlich so: am
Montag war ich im Zahnambulatorium, ein neuerlicher Termin wurde für Dienstag
nächste Woche vereinbart, aber vorgestern bekam ich eine E-Mail, daß heute um
halb neun ein Termin sei. Ich war verwirrt, habe meine Terminkarte und meinen
Kalender konsultiert, alle (fast alle – ich übertreib gern) Notizzettel
durchgeklaubt: nirgends finde ich den Termin. Zuerst vermute ich einen
vergessenen Zahnhygienetermin, bis sich herausstellt: nein, die sind erst im
Februar. Gut, ich rufe an. Eine freundliche Dame: zuerst bestätigt sie mir, daß
dieser Termin eingetragen ist. Ich erkläre ihr aber: … Montag … Di nä Wo … etc.
Sie, sehr freundlich: ich rufe DrDr. XY an. Hebt nicht ab. Ruft nochmals an.
Hebt nicht ab. Sie erklärt mir: ich gebe einen Rückruf ein. Das heißt Dr.Dr. XY
wird mich zurückrufen. Bis 21 Uhr trage mein strahlendes Handy in der
Hosentasche (Meine armen Spermien! Ach! Eh schon wurscht!). Geh ich hin oder
geh ich nicht hin? Ich bin mir ziemlich sicher, daß das ein falscher Termin
ist, aber – gutmütig wie ich bin (um kein anderes Eigenschaftswort zu
benützen), beschließe ich, heute trotzdem diesen Termin einzuhalten. (Unter uns
und hinter vorgehaltener Hand gesagt: ich hab mir gedacht, ich nütze den
Termin, um mich zum Aufstehen zu zwingen und wieder einmal vormittags, nach der
Zahngeschichte, einen Kaffeehausbesuch zu genießen.) Also: ich marschiere (wie
gesagt: RHCP Freaky Style) hin, am „Empfang“ beim Glaskastl (ja keinen
übermäßigen Kundenkontakt!) erkläre ich das nochmals, zeige meine papierene
Terminkarte und bitte um Klärung. Sie schaut nach: der Termin ist im Computer
eingetragen (das weiß ich schon): „ich schick Sie einmal rauf!“ (zu Dr.Dr. XY).
Ich frage, ob man (frau! - falsch gesagt!) das nicht von hier aus klären kann,
denn erfahrungsgemäß wartet man auch dort trotz Termin mindestens eine halbe
Stunde. „Na, do miassn scho
söba schaun, wos de do obm draht hom!“ (Ganz so leicht ist hier die
Höflichkeit nicht, wie sie es am Telefon ist.)
Ich gehe hinauf, werfe mein Karterl in den Türschlitz, wie
ich es schon brav gelernt habe, und warte. Zirka eine Stunde. Dann kommt die
letzte Patientin vor mir wieder aus dem Ordi-Zimmer. Dann ist Stille. Ich
amüsiere mich schon ein wenig. Eine weißgemantelte Assistentin stürzt heraus
und stöckelt, eigentlich: ( - wie heißen diese Holzschlapfen mit den dicken
Sohlen? Klocks?) klockselt mit erhobener Nase (sie werden doch vor ihren
Patienten kleine Angst haben?) zum Lift, fährt hinunter – aha! - denke ich mir,
jetzt schauen sie, ob meine Prothese schon fertig und geliefert ist!
Sie kommt herauf, klockselt wieder in die Ordi, die sie mit
elegantem Hüftknick aufsperrt. Stille. Stimmt nicht ganz, man hört leise
diskutierende Stimmen. Endlich geht die Tür wieder auf und ich werde ganz
höflich mit Herr Magister aufgerufen. Und – was stellt sich heraus? Der Termin
war ein Fehler. Keiner weiß, wie das passieren konnte. Ich sage noch, daß ich
mich nicht über den Fehler ärgere - „Fehler habe ich selber schon viele
gemacht“ - jedoch darüber, daß ich das nicht telephonisch klären konnte, denn
das wäre unprofessionell. Aber lange hänge ich den Verärgerten nicht heraus -
den nicht getätigten Rückruf erwähne ich gar nicht - bald schwenke ich auf
verständnisvoll und versöhnlich ein, obwohl mir die Aussage „ich werde Ihre
Beschwerde weiterleiten“ ein inneres Lächeln der milden Ungläubigkeit
hervorruft.
Ich gestehe: ich habe schon im Vorfeld überlegt, ob ich mehr
auf einsichtig, demütig machen soll oder ob ich die Rolle des verärgerten
Kunden (- von mir aus gesehen; von ihnen aus gesehen: den verärgerten
Bittsteller?) genießen soll. Ich hatte mir eine Mischung mit ein wenig Ärger
ausgesucht. So richtig loszulegen – das hätte ich mit diesen Menschen nicht
wirklich zustandegebracht.
(22.11.2018)
Nachtrag 1.12.2018: Was ich noch nicht wußte: beim richtigen
Termin war meine Zahnprothese „aus technischen Gründen“ auch noch nicht fertig,
also war der Termin auch fürn Hugo (ich habe gesagt: „Wenn ich ein Zyniker
wäre, würde ich sagen: „Keine Sorge, ich bin's eh schon gewohnt!“ Aber ich bin
kein Zyniker, drum sage ich es nicht“). Und als ich zum neuerlichen Termin
gestern gekommen bin, war dieses Ding zwar fertig, aber hat aus unerfindlichen
Gründen nicht gepaßt. Mei, is des lustig!
©Peter Alois Rumpf November/Dezember
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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