1170 Ausklopfen
„Trooper … Gary Cooper“ Radio Swiss Jazz. Richtig: Paim.
Nun: Baß und Klavier: langsam und elegisch und sanftes, zurückhaltendes
Schlagzeug. Ausklopfen des gebrauchten Kaffeepulvers aus dem Filter. Ich habe
den Ehrgeiz, das verdrehte rote Bandl meines Notizbuches „auszubügeln“, mit der
Hand, so, daß es unverdreht und unverknittert am Tisch liegt. Gelingt nicht.
Bei zirka fünfundsiebzig Prozent seiner Länge vom Buch weg dreht es sich immer
um. Ich mag nicht mehr nach Hause gehen. Ich mag nicht mehr. Ich mag hier
sitzen bleiben, langsam alles vergessen, einsinken in den leeren Raum unter uns
und dort herumschweben. Was mich jetzt als Realität umgibt, taucht nur mehr ab
und zu als Traumbild auf; als eines von mehreren. Ich weiß dann nicht mehr, wer
oder was ich bin und es interessiert mich auch nicht. Ich mag diese Welt nicht
mehr; nur die Orte, wo man davonrutschen kann. (das kann natürlich zwei
Sekunden später ganz anders sein; ich bin ein windiger Typ.) (In der Szenerie
vorher würde ich sicher den „windigen Typen“ auch vergessen oder nicht mehr
erkennen oder in der Masse von Typen nicht mehr finden, was mir komplett egal
wäre.)
Ich gaffe in die linke Ecke oben am Plafond und merke erst
nach sieben Sekunden, wohin ich schaue und weiß auch nicht warum. Ich vermute,
ich will mich verlieren und auflösen, diese meine Form macht keinen Spaß.
(Könnte ich irgendwo hingehen, wo ich der Erde danken kann, daß sie mir Obdach
gibt?)
Die intensiven Drei, die dort drüben sitzen und so
engagiert, ernsthaft und fröhlich reden, lenken mich von meiner Melancholie ab;
aber überzeugen tun sie mich auch nicht. Die Idee, einfach ziellos
herumzugehen. Sofort jedoch sehe ich vor mir, wohin alle Wege, die mir
einfallen, hinführen und ich habe keine Lust mehr. Von meinen Wegen führt
keiner nach Rom. Oder Los Angeles. Oder Sinabelkirchen. Also kann ich gleich
sitzen bleiben. Das Schweizer Saxophon beklagt sich mit fröhlicher Schwermut.
Ich mag es auch nicht mehr, daß der Weg das Ziel ist: ich will endlich
ankommen. Irgendwohin, wo ich hingehöre, oder mich auflösen. Wenn unterwegs
sein, dann nur mehr leicht und schwebend (schon in der Volksschule im
Religionsunterricht habe ich als einziger die Seele nicht als Herz, sondern als
Feder gezeichnet).
Mir fällt eine Szene bei den Tageskindern ein, die mir auch
als Erinnerung ein Lächeln auf meine Maske zaubert: „Nasenbooooaaaahhhh!“ rufen
sie mehrmals und lachen, denn sie ahmen das Geräusch einer Bohrmaschine nach.
Das Bohrmaschinenspiel mit inbrünstig intonierten Bohrgeräuschen spielen sie
schon lange mit ihren selbstgebastelten Legobohrmaschinen. Aber sich so über
ihr Nasenbohren lustig zu machen, das ist neu.
Es ist so schön zu sehen, wie sich Kinder entfalten können,
wenn man sie läßt.
(15.11.2018)
©Peter Alois Rumpf November
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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