Freitag, 29. Januar 2021

2132 Schlangenkaki

 

Halt die Klappe, mein Herz! Du bist ganz gesund und tüchtig. Unten bei den Tagis geht es gerade um Schlangenkaki.

Ein glücklicher Regentag. Die ärztliche Untersuchung war lustig – ich war schmähmäßig fast auf Hochtouren – und ist gut gelaufen – und hat mein verdächtigtes Herzgeklapper rehabilitiert.

Oh! Jetzt kommt eine unglaubliche Sehnsucht nach Tensegrity auf, aber ich bleibe in bettlägriger Ruheposition. Auch gut. Ich will mir keine Vorwürfe mehr machen.

Wie schön und angenehm der Regen gegen das Fenster prasselt, wie angenehm und schön das dustere Grau im Zimmer ist, wie anheimelnd und beschützend.

 

(29.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2131 Gütig

 

Die frisch gelüftete Luft ist klar und rein. Ich bin gut aufgelegt. Es ist knapp nach eins a.m. und morgen (heute) muß ich früh raus. Aber das macht mir keine Panik. Obwohl es ein Arzttermin ist und ich die nicht mag.

Ich atme tief und meine Lunge weitet und mein Herz öffnet sich. Friede. Gütig schaue ich auf mein Bücherregal, die Bilder und Zeichnungen, den Hausaltar mit seiner Pseudikonostase. Gütig wie ein alter weiser Großbauer auf seinen Besitz, den er schon bald übergeben wird. Oder gerade übergeben hat. Wäre mein Besitz ein Getreidefeld, würde ich sanft über die Halme streichen. So liege ich jedoch im Bett und streichle die Katze. Die Heinrich-der-Wagen-bricht-Eisenringe um mein Herz leisten nur mehr geringen Widerstand. Und endlich atme ich ganz tief und frei.

 

(28./29.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 28. Januar 2021

2130 Mosaik

 

Statt eines Bücherregales mit Büchern, Photos und Nippes habe ich ein buntes Mosaik vor meinen Augen, das leicht verschwimmt und hin und her zuckt. Die schmale Lichtsäule, die rechts neben dem Rollo hereinquillt, ist lebendig und von bläulichem Wesen.

Die Bilder und Gegenstände, die sich rechts vorne am Fußende des Bettes befinden, sind nah und schärfer, aber auch verlorener; sie wissen längst nicht mehr, wofür sie da sind. Bei manchen weiß ich es noch.

Zu meinen Bildern ganz oben kann ich den Blick nicht mehr heben; sie verlieren sich fast im existentiellen Abseits und in schmutziger Dunkelheit.

Am vertrautesten wirkt doch der mir befremdlich gewordene Hausaltar mit seiner ernsthaft witzigen Pseudikonostase, hinter der nichts als die nackte Wand ist.

Ah! Jetzt gelingt mir der Blick ganz nach oben zu den Bildern, die nun in einer klaren, bläulichen Region hängen.

Der einsame Jesus mit seinem Haberer links oben direkt unter dem Plafond: bescheiden und stark und rücksichtslos und in angenehmen Farben.

Allmählich werden die Gegenstände klarer, stabiler, individueller, aber mit dem Realismus kommt wieder die Müdigkeit. Hinter ihr schleicht seit Neuestem leichte Übelkeit heran, und bald darauf ein ungewöhnlicher überraschender Ekel vor imaginiertem Kaffeegeruch.

 

(28.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2129 Biedermeier

 

Endgültig in meine kleinbürgerliche, biedermeierliche Idylle meiner Routinen und meines Zimmers zurückgekehrt, die laut schnurrende Katze neben mir, die mein Ohrensurren übertönt und den Schmerz abfiltert. Der kommt unweigerlich, wenn ich das Laptop abdrehe und ich verstehe ihn auch: er gehört zu mir und meinem Leben; er ist dessen Ergebnis. Nichts kann mich vor diesem Schmerz bewahren. Freilich kann ich mich ablenken, aber was ich jetzt vermeide, wird mir spätestens bei meinem Absterben serviert werden.

Zu Recht, denn ich gehöre zu denen, die hinausgeschmissen werden, dorthin wo Heulen und Zähneknirschen herrscht.

 

(27./28.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2128 Jupiter

 

Dem nächtlichen Schrecken in die morgendliche Kälte entronnen, mein Kopf noch so groß und gasförmig wie der Jupiter, und wieder zurück ins warme Bett, als Begleitung die allmählich alt werdende Göttin Bastet und den Schmerz, der langsam und von unten ins Bild kommt. Und als ich ihn bemerke sich verzehnfacht und mich würgt.

Die Augen, hinter denen sich das Wasser staut, fallen mir zu und mein trauriges Bewußtsein will in den Schlaf flüchten, zu den schrecklichen Träumen und ihrer Verwirrung.

 

(27.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2127 Blockiert

 

6h. Ganz munter bin ich, als meine innere Seelenlangspielplatte hängen bleibt und die Katze mir vor die Zimmertür scheißt, aber blockiert. Was würde ich ohne Katze machen? Ich hätte in der Früh nichts zu tun und würde einfach durchschlafen.

 

(22.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 20. Januar 2021

2126 Anstrengung

 

6:30 a.m. Ich hatte schon ganz vergessen, wie schön alte Musik sein kann. Soeben habe ich im Vorbeigehen im Radio ein wunderschönes italienisches Flötenkonzert gehört. Nun bin ich wieder zurück im warmen Bett und werde bald weiterschlafen. Ich streichle noch die Katze, aber die Lider fallen mir immer wieder zu. Der Morgen ist noch dunkel, vorm Fenster macht sich jedoch ein leichter blauer Schimmer bemerkbar. Mit zugefallenen Augen schaue ich angestrengt ins Zimmer.

 

(20.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2125 Wetterbericht

 

3:48 a.m. Von außen wälzt sich die Dunkelheit ans Fenster, von innen bleibt es heute Nacht ruhig. Keine Trauer, keine Verzweiflung, keine Selbstbeschimpfung tauchen herauf, nicht einmal die Wut auf den Döbereiner.

 

(19./20.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 19. Januar 2021

2124 Abfall

 

Von der Katze viel zu früh aus dem Schlaf gekratzt tapse ich in fragilen Rollen und Charakteren herum. Keine Ahnung, welche Rolle, welches Stück, welcher Film, welche Serie, welcher Krimi – möglicherweise wechselt der Film bei laufendem Projektor – für das „woher komme ich?“, „wer bin ich?“, „wohin gehe ich?“ bin ich viel zu verschlafen. Und wer wirft die Projektionen an die Leinwand? Ich kann es nicht sein. M“ich“ gibt es nicht. „Ich“ bin nur eine leere Hülle, vollgefüllt mit Abfall aus den Müllhalden des Menschengeschlechts.

 

(19.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2123 Dolor Vacui

 

4:17 a.m. Eine fünfteilige Krimiserie und drei Einzelkrimis hintereinander. Und zwischen durch x Mal auf Facebook. Und ein paar Mal auf der ORF-Seite. Und Solitaire und Majongg-Festung gespielt – die RHCP im Kopfhörer. Anscheinend will ich den horror vacui vermeiden. Wobei es weniger der Horror ist, sondern die Trauer, die mich sofort überkommt, wenn ich alle Ablenkungen ausschalte. Auch jetzt wieder. Sie wird immer stärker und intensiver. Ich halte sie schon aus – das ist nicht die Frage. Aber sie kommt nicht herauf, bricht nicht nach außen und löst sich nicht auf. Sie ist absolut und nicht relativierbar.

 

(18./19.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2122 Schon heller

 

Der Morgen ist schon heller, ich huste, decke mich wieder zu. Voll lächerlichem Besitzerstolz schaue ich auf meine Bücherwand gegenüber. In deren Anblick bin ich regelrecht verliebt. Ich habe es mir den Umständen entsprechend ganz toll eingerichtet, mein Leben! Hier bin ich mir jetzt freundlich gesonnen und lächle über mein Lebenswerk. Das helle Grau bis Beige, das beim Fenster hereinleuchtet, scheint etwas mitteilen zu wollen, das ich nicht recht verstehe, aber das macht nichts! Spätestens beim Sterben werde ich es erfahren.

 

(18.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2121 Braver Junge

 

Kalt ist es nach dem Lüften. Obwohl schon unter der Decke schlottern mir noch die Beine. Es geht auf zwei ante meridiem und mir fällt ein, dass ich ein Medikament vergessen habe. Als braver Junge auf! - mein Wasserglas ist noch nicht ganz leer und runter mit der Tablette.

Zurück im Bett lauere ich wieder auf irgend etwas. Irgendwas, das ich nicht kenne, irgendeine Entdeckung, irgendeine Erkenntnis, irgendein Wunder. Ich blicke herum, ich lausche meinem Surren, ich horche in mein Innen. Ich bin gar nicht müde, möchte heute etwas früher schlafen, damit es morgen nicht so spät wird. Nun hock ich aber unten in meinem Raum-Zeit-Kubus, meinem versammelten Reichtum um mich und komme mir ganz klein vor.

 

(17./18.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2120 Nackte Wand

 

Ich sitze da und starre auf eine nackte Wand. Eine Gitarre, die ebenfalls auf der kleinen Sitzbank gestanden ist, habe ich hinunter gestellt, nicht, weil für uns zwei nicht genug Platz gewesen wäre, sondern weil mich ihr Körper so nahe nervös gemacht hat (Ja nichts angreifen! Ja nichts umstoßen! Mach das nicht kaputt!).

Nackt heißt unbekleidet, unverstellt, zu sehen gibt es genug: eine Steckdose, ein fester Hacken für eine Hängematte, einige Schrunden und Lebensspuren, einen geronnenen Farbrinner, kleine Sprünge, diverse Schatten und Unebenheiten, sogar leichte flache Wellen macht diese Wand. Es dämmert schon, darum weiß ich es nicht genau, ob ich mir das bloß einbilde.

Es ist ein quadratisches Wandstück, von den Stehern und der Bodenfläche des Hochbettes über mir begrenzt. Under the Bridge sozusagen. Von der offenen Tür rechts kommt eine Lichtbahn herein, verliert sich mitten im Zimmer und macht links an der Innenwand der Außenmauer einen scharfen Schatten fürs Piano.

Meine Blicke bleiben also nicht im Wandquadrat. Ich höre Stimmen durch die Wände, undeutlich, vermutlich Radio.

Der große Raum ist so leer, daß es ein wenig Hall gibt. Die zunehmende Dunkelheit macht das Schreiben blinder, aber ich will kein Licht aufdrehen.

 

(15.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 15. Januar 2021

2119 Es ist 13 Uhr

 

Dem Surren in meinen Ohren eignet eine gewisse Schärfe an, ebenso den Konturen und Kanten der Bücher und der Regalbretter. Ich höre ein Rascheln im Zimmer, das ich nicht zuordnen kann, denn die Katze sitzt ruhig neben mir. Dem Licht, das aus dem Lichtschacht hereinkommt, eignet nicht nur Schärfe, sondern auch große Traurigkeit. Die Traurigkeit ist nicht nur in mir, die ist auch in der Welt. Ungern gebe ich es zu, aber da hat der äußerst unsympathische Apostel Paulus schon recht, daß die gesamte Schöpfung der Erlösung harret.

Das Surren ist milder geworden; es war mir noch nicht ganz bewußt, daß mein Formulieren und Beschreiben es verändern kann. Ein Cluster aus Ober- Unter- und Zwischentönen.

Ganz weit hinter dem Surren meinte ich kurz ein Kinderweinen vernommen zu haben. Von den schlafenden Tageskindern ist es nicht gekommen; es war ganz, ganz weit entfernt, ganz, ganz weit weg, ganz, ganz weit im Hintergrund . Hätte ich nicht ganz bewußt und konzentriert gelauscht, wäre es mir entgangen.

Es ist 13 Uhr und ich raste mich von einem Arztbesuch aus. Arztbesuche sind für mich ungeheuer anstrengend und ich fühle mich nachher oft – egal bei welchem Arzt – wie gearschpudert, unrein, beschmutzt, entfremdet – auch wenn das Gespräch völlig normal, freundlich und sachlich abgelaufen ist.

 

(15.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Mittwoch, 13. Januar 2021

2118 Stecknadelkopf

 

Regen tropft auf … worauf eigentlich? Auf die Fensterscheiben? Die Fensterbank? Den Lichtschachtboden? Anderes? Was erzeugt in Zusammenarbeit mit den Regentropfen das wohlbekannte, wohlvertraute Geräusch?

Meine Augen jucken. Ich höre Windböen. Es ist 13 Uhr und ich bin gerade erst vom Schlaf erwacht. Erwacht von der eingetretenen Stille, da die Tageskinder nun ihren Mittagsschlaf halten. Wenn die Kinder wüßten, dass ich ihre Gespräche, Rufe, Streits, ihr Weinen, Lachen und Singen als Hintergrundrauschen für mein Schlafen und Träumen nutze!

Aber jetzt auf einmal fühle ich mich mit der Tatsache unwohl, dass es schon so spät ist. Dabei bin ich niemandem Rechenschaft schuldig. Soeben hat jedoch das grausame Schuldgefühl eingesetzt. Ich habe keine Termine, beziehe eine Pension und kein Arbeitslosengeld, aber in meinem Inneren ist die Hölle los. Und weil ich morgen um 14 Uhr einen Termin habe, bin ich jetzt plötzlich hochgradig nervös. Mein Duloxetin habe ich um halb neun schon eingenommen.

Die Katze gesellt sich zu mir und beginnt nach ein paar halbherzigen Streichlern meinerseits leise quitschend zu schnurren. Was war da jetzt los? Der Panikknoten in mir ist nicht explodiert und scheint sich gerade wieder langsam zu entschärfen. Ich nehme es in Kauf, dass die Seiten meines sorgsam gehüteten Notizbuches voller Katzenhaare werden. Hilft vielleicht das Schnurren meiner Katze, aufkommende Paniken aufzulösen?

Der Knoten in der innersten Körpermitte ist nur mehr so groß wie ein Stecknadelkopf. So kann sich der Hunger bemerkbar machen und ich werde aufstehen und hinunter zum Frühstücken gehen.

 

(13.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2117 Stirnlampe

 

Die Dunkelheit um mich ist nur direkt vor mir mit kleinem blauen Licht ein wenig aufgehellt. Mein bläuliches Bewußtsein reicht nicht weit. Das bernsteinfarbene ist bis auf die Zehen abgenagt. Erst als ich die Stirnlampe abgedreht habe, wird die Dunkelheit um mich sanft und mild beschützend.

Die Stirnlampe drückt auf mein drittes Auge. Ich nehme sie herunter und drehe meine Nachttischlampe auf. Das gelbere Licht ist freundlicher und stößt die schöne Dunkelheit nicht so vom Kopf.

 

 

(13.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 12. Januar 2021

2116 Konkursmasse

 

Es schneit. Die feuchten asphaltwarmen Straßen lassen den Schnee noch zerrinnen, aber einige Flächen werden schon weiß und machen den Anblick einem alten Schwarz-weiß-Photo ähnlich, mit den angelehnten Fahrrädern dort unten wie eine Replik an die Zeit von WWII. Die angeschneiten Äste und Zweige der drei kleinen Bäume kratzen in die flache, graue Monotonie des Asphalts, von Zeit zu Zeit bringt eine Windböe das ein wenig zu feuchte, aber dennoch sanfte Schneien in zornige Rage.

Die Bänke dort unten stehen trotzig und starr und lassen sich in stolzer Gleichgültigkeit anschneien. Mit den beleuchteten Fenstern wirken die Häuser wie verspätete Adventkalender, unpassend für Mitte Jänner.

Ein Mann geht langsam, meditierend, bleibt stehen und schaut, schaut, und zündet sich dann in einer Zeitlupenzeremonie – das Zigarettenpackerl holt er umständlich aus seiner Hosentasche, nesselt umständlich und minutenlang eine Zigarette aus der Packung, steckt die Packung wieder ein, sucht langsam und wie nebenbei Feuerzeug oder Zünder – von hier aus kann ich das nicht erkennen – hält inne, steht und schaut, die Zigarette in der Hand, in das Schneetreiben, und steckt endlich die Zigarette in seinen Mund, wartet, schaut und zündet sie in einer bedeutungsschweren Geste an.

Manche Bilder und Metaphern sind ganz falsch – was scheiß ich mich! - ich werfe alles raus, egal ob es untergeht, ankommt, landet, zerfällt. Alles Konkursmasse, alles gratis!

 

(12.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2115 Die Leere

 

Die Klettergeräte für die Tageskinder reihen sich hintereinander, als würden sie in Formation auf die Küche zumarschieren um sie zu erobern. Der Hubschrauber, der draußen herumfliegt, wühlt mit seinen Rotoren und deren Geräusch die unsäglich Stille noch auf. Diese Leere ist schmerzhaft und erhaben. Sie gehört mehr zum Sein, als zu meiner Psyche. Sie hat etwas mir den unglaublichen Abständen zwischen den Elementarteilchen zu tun. Es gibt noch so viel Raum im Universum, der mit Bewußtsein erfüllt werden kannsollmuß. Hier, auf der Wohnzimmercouch sitzend, den Blick zur Stiege und zu Küche, ist diese Leere wunderschön. Der Geschirrspüler plätschert und rotiert elegisch und sanft, sein Quitschen ganz dezent und verhalten. Mein Bewußtsein ist zu klein und unerfahren, um das alles aufzufüllen, es verrinnt in diesen leeren Kavernen.

Draußen hat es zu schneien begonnen, wie ein himmlisches Einverständnis mit dieser Stille und Leere. Aber irgendwann wird alles lebendig und bewußt sein.

 

(12.01.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Freitag, 8. Januar 2021

2114 Letz

 

Ich liege als ein altes, letzes Tier in meiner Höhle und verlasse sie nicht. Es ist heller, sonniger Tag, aber ich liebe die Nacht. Jetzt döse ich nur so, umschlossen von einer zähen Substanz, Traumfetzen von versäumten Liebesszenen und fehlenden Prüfungen, Phantasien über die Rettung der Welt, der Wiederbewaldung der Sahara und wie ich mit dem Bayern endgültig abrechne, Gedanken über die menschliche Natur oder die Bedeutung und optimalen Definition von Begriffen (zB Mitleid: tut sich selbst im andern leid; daraus folgt Unfähigkeit, dem andern zu helfen; Und Mitgefühl: fühlt mit dem andern mit, ohne ihn mit sich selbst zu vermischen; echte Empathie), die politische Lage oder was weiß ich was, Empfindungen an den unterschiedlichsten Körperstellen (so bewege ich meine Finger der linken Hand gegen erheblichen Widerstand und empfinde die Bewegung als außerhalb meiner selbst, als würde ich aus verschiedenen Bezirken bestehen und mich im Moment nur im Innersten aufhalten) treiben heran und driften wieder weiter. Ich streiche mit dem Ringfinger meiner rechten Hand ohne diese zu bewegen über das Holz des Bettgestells, und das Geräusch und was mein Finger spürt füllen meinen Kokon und sind ein unglaublich intensives und lautes Erlebnis, wie unter einem sensorischen Vergrößerungsglas.

Langsam meldet sich der Hunger und will mich aus der Höhle treiben. Darauf reagiere ich nicht sofort; noch ist das Bedürfnis, in diesem reichen, heilsamen Schwebezustand zu verharren, größer.

 

(8.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2113 Ohne sie berührt zu haben

 

Mir fällt auf, dass ich meistens mit gesenktem Blick umhergehe. Bewußt hebe ich jetzt meine Augen und staune darüber, wie bei meiner Wanderung durch die Wohnung das Fenster auf mich zu kommt, Türen und Mauern an mir vorbeigleiten, die auf Leinen unter dem Plafond hängende Wäsche über meine Kopfhaut zieht und dort ein Kitzeln auslöst, ohne sie berührt zu haben. Ganz anders! Alles ganz anders!

 

(5./6.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 5. Januar 2021

2112 Cut

 

Das vertraute Steh-ich-auf? - Bleib-ich-liegen? - Spiel. Stundenlang im Halbdunkel.

Jetzt habe ich mich aufgesetzt und die Bleib-liegen-Sauce fließt zäh von mir ab. Aber innen steigt wieder der Schlafimpuls hinter meine Augen. Nur ein beherzter Cut kann das beenden. Aber mein Herz, was ist mit ihm? Es trauert.

 

(5.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2111 Die Mücke

 

Ich blicke auf mein helleres Schattenreich, von träger Dunkelheit durchzogen. Um meine Brust liegt ein Gürtel aus Schwermut und drückt meine ungeweinten Tränen hinter die Augen. Wo sie stehen bleiben und dann wieder nach unten versickern. Im Lichtkegel meiner Leselampe fliegt eine winzige Mücke. Die habe ich schon öfters gesehen. Anscheinend lebt sie ganz in meiner Nähe. Ich werde mich mit ihr anfreunden.

Ich darf nicht vergessen, das Vitamin-D-Präparat einzunehmen.

 

(4./5.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2110 Restleben

 

Blaugraues, Optimismus verheißendes Tageslicht drängt am Rande des gelben Rollo herein, schafft es nur ein paar Zentimeter in das Kemenatenhalbdunkel, aber dennoch, meine vorsichtig aufregende Idee, gleich aufzustehen, nicht gleich absterben zu lassen. Wenig habe ich gegen die Sinnlosigkeit meines gescheiterten Lebens in die Waagschale zu werfen, wenn ich ehrlich bin, fast nichts. Und um mein Restleben einfach genießen zu können, fehlen mir die Mittel. Ohne mein Scheitern wenigstens mit ein wenig Konsum zu kompensieren, ist die nackte Wahrheit nicht aus dem Zentrum meiner Aufmerksamkeit zu derschieben.. Dabei kann ich mich wirklich kindlich über den Erwerb eines Buches oder einer CD freuen, oder bei einer Bestellung - zum Beispiel eines Zarenhoodies – tage und wochenlang die Vorfreude aufrecht halten. Warum sollte ich also heute aufstehen und in die Welt hinausgehen? Um mir an Auslagen die Nase platt zu drücken? Um Wünsche aufkommen zu lassen, die ich mir nicht erfüllen kann? Und als armer Pilger oder Winterreisender .. nein, zu alt, zu hiniges Kreuz.

Da bleibe ich lieber im Bett und streichle die Katze, hänge meinen Träumen nach und grüble herum, was ich dem bajuwarischen Affenarsch überhaupt noch und rücksichtsloser und deutlicher und aggressiver sagen hätte sollen.

 

(4.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2109 Zarenhoodie

 

Nur Geld kann mich noch retten. Ich will mir ein g'scheites Laptop kaufen und im ehemaligen Atelier oder im oberen Kinderzimmer eine ordentliche Musikanlage aufstellen. Bücher, CDs, DVDs (zb Jean Eustache „la maman es la putain“) im Lockdown via Internet kaufen. Und einen Hoodie mit aufgedruckter Uniform aus der Zeit des Wiener Kongresses, so richtig mit aufgedruckter Schärpe, Oden, Medaillen & Co; und zwar mit eigener Karte bezahlend!

Das ist eine eigene Geschichte: Die Internet-Feizbuck-Werbung hat mich schon ein wenig durchschaut und bietet mir immer öfter Waren an, auf die ich wirklich anspringen könnte. Da waren letztens auch Hoodies mit aufgedruckten historischen Uniformen dabei. Besonders eine hat mir gut gefallen und ich stellte es mir toll vor, als Karikatur meiner selbst herumzulaufen. Diese eine aufgedruckte Uniform habe ich der Zeit des Wiener Kongresses zugeordnet und von den Farben und Orden her gedacht, das könnte eine Zarenuniform sein! Aber das Photo ist viel zu klein, dass ich das überprüfen könnte. Und bei meinen geringen Militär- Adels- Mode- und Geschichtskenntnissen sowieso fragwürdig. Aber Zar tät mir gefallen! Bei meiner Slawophilie (aus der Ferne). Da ich mit meiner Karte keine internationalen Überweisungen tätigen kann, muß ich immer meine liebe Frau bitten, den Betrag von ihrem Konto zu überweisen und ich überweise ihn auf ihr Konto. Verläßlich. Aber sie hatte sich geweigert, sei es, dass sie sich für meine kindischen Wünsche geniert, sei es, weil ich mein spärliches Geld nicht für so einen Scheiß ausgeben soll – schließlich kommt sie ja fast zur Gänze für meine Kost und Logis auf. Und sofort bin ich – tatsächlich – in schwerere Depression gestürzt. Ich versteh jetzt die über Katalog und Internet bestellenden frustrierten Hausfrauen, die über Konsum ihre schief gewordene Seelenbalance ausgleichen wollen. Konsum hilft. Und deshalb hilft Geld. Meine Depression läßt sich mit Geld aufwiegen: je mehr Geld in der einen Waagschale ist, desto weiter geht die depressive nach oben ins Hellere.

Es ist ja kaum zu ertragen, für jede Auslandsüberweisung meine Frau bitten zu müssen, und auch meinen persönlichen, vor allem finanziellen Lockdown halte ich kaum noch aus. Ich würde ja auch gerne Konzerte besuchen, Ausstellungen, Museen, Theater, Kabarett uns so weiter, jedoch auch zum Essen einladen, Feste ausrichten und finanzieren (ab und zu), meine Töchter finanziell unterstützen etc.

Mit dem Zarenhoodie ist es so weiter gegangen: therapieunterstützt habe ich einen neuen Anlauf genommen und meiner Frau einfach und erfolgreich angeschafft, die Überweisung für mich zu tätigen – in höchst angespannter Atmosphäre – und gleich darauf meine so entstandenen Schulden bei ihr bezahlt. Der Gedanke, als Zar und Herrscher aufzutreten, amüsierte mich sehr. Aber meine Angetraute sagt dann: „die Uniform erinnert mich an Napoleon.“ Au weh! Nichts von Gottes Gnaden! Um Gottes Willen! Ein Emporkömmling und Usurpator! Ich bin aufgeflogen!

Moment! Halt! „Zar“ geht ja wie „Kaiser“ auf den Namen Caesar zurück! Das ist auch ein Usurpator! König ist eine archetypische Gestalt, Kaiser und Zar nicht! Darum sind die auch nicht von „Gottes Gnaden“! Anders gesagt: sie sind nicht in den tiefen Schichten des kollektiven Unterbewußten verankert. Also wurscht ob Zar oder Napoleon. Und mit meiner Sonne-Neptun bin ich astrologisch gesehen sowieso ein König, wenn auch einer ohne Land.

 

 

(3./4./5.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 3. Januar 2021

2108 Verbannung

 

Wie immer. Meine Existenz in der Verbannung. Ich weiß gar nicht mehr, woher ich komme und weswegen ich verbannt wurde. Selbst wenn die Verbannung aufgehoben würde – ich fände nicht zurück. Das macht nichts, dass ich bis zum Ende hier bleiben muß, das macht nichts.

Mein Herz verkrampft sich ein wenig; vielleicht sind dort noch ein paar Moleküle der alten Heimat eingelagert.

Das Licht hier ist so still. Und die Stille in den Ohren so laut. Ich höre ganz tief unten leise, aber deutlich das Geräusch einer Pumpe.

Und das Meer auf dem Bild ist wieder anders; eine Böe drückt die Wasserfläche flach und fast glatt. Nur feines Gesäusel wellt sie auf. Geheimnisvolle, wunderbare Welt.

Lange schaue ich in die Dunkelheit. Als ich die Augen zum Schlafen schließe, nehme ich im linken Augenwinkel einen schwachen, trüben weißen Lichtfleck wahr, der lange anhält; erst nachdem im rechten Augenwinkel ein kleiner, kurzer Blitz aufgezuckt ist, wird alles dunkel.

 

 

(2.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com