Dienstag, 5. Januar 2021

2109 Zarenhoodie

 

Nur Geld kann mich noch retten. Ich will mir ein g'scheites Laptop kaufen und im ehemaligen Atelier oder im oberen Kinderzimmer eine ordentliche Musikanlage aufstellen. Bücher, CDs, DVDs (zb Jean Eustache „la maman es la putain“) im Lockdown via Internet kaufen. Und einen Hoodie mit aufgedruckter Uniform aus der Zeit des Wiener Kongresses, so richtig mit aufgedruckter Schärpe, Oden, Medaillen & Co; und zwar mit eigener Karte bezahlend!

Das ist eine eigene Geschichte: Die Internet-Feizbuck-Werbung hat mich schon ein wenig durchschaut und bietet mir immer öfter Waren an, auf die ich wirklich anspringen könnte. Da waren letztens auch Hoodies mit aufgedruckten historischen Uniformen dabei. Besonders eine hat mir gut gefallen und ich stellte es mir toll vor, als Karikatur meiner selbst herumzulaufen. Diese eine aufgedruckte Uniform habe ich der Zeit des Wiener Kongresses zugeordnet und von den Farben und Orden her gedacht, das könnte eine Zarenuniform sein! Aber das Photo ist viel zu klein, dass ich das überprüfen könnte. Und bei meinen geringen Militär- Adels- Mode- und Geschichtskenntnissen sowieso fragwürdig. Aber Zar tät mir gefallen! Bei meiner Slawophilie (aus der Ferne). Da ich mit meiner Karte keine internationalen Überweisungen tätigen kann, muß ich immer meine liebe Frau bitten, den Betrag von ihrem Konto zu überweisen und ich überweise ihn auf ihr Konto. Verläßlich. Aber sie hatte sich geweigert, sei es, dass sie sich für meine kindischen Wünsche geniert, sei es, weil ich mein spärliches Geld nicht für so einen Scheiß ausgeben soll – schließlich kommt sie ja fast zur Gänze für meine Kost und Logis auf. Und sofort bin ich – tatsächlich – in schwerere Depression gestürzt. Ich versteh jetzt die über Katalog und Internet bestellenden frustrierten Hausfrauen, die über Konsum ihre schief gewordene Seelenbalance ausgleichen wollen. Konsum hilft. Und deshalb hilft Geld. Meine Depression läßt sich mit Geld aufwiegen: je mehr Geld in der einen Waagschale ist, desto weiter geht die depressive nach oben ins Hellere.

Es ist ja kaum zu ertragen, für jede Auslandsüberweisung meine Frau bitten zu müssen, und auch meinen persönlichen, vor allem finanziellen Lockdown halte ich kaum noch aus. Ich würde ja auch gerne Konzerte besuchen, Ausstellungen, Museen, Theater, Kabarett uns so weiter, jedoch auch zum Essen einladen, Feste ausrichten und finanzieren (ab und zu), meine Töchter finanziell unterstützen etc.

Mit dem Zarenhoodie ist es so weiter gegangen: therapieunterstützt habe ich einen neuen Anlauf genommen und meiner Frau einfach und erfolgreich angeschafft, die Überweisung für mich zu tätigen – in höchst angespannter Atmosphäre – und gleich darauf meine so entstandenen Schulden bei ihr bezahlt. Der Gedanke, als Zar und Herrscher aufzutreten, amüsierte mich sehr. Aber meine Angetraute sagt dann: „die Uniform erinnert mich an Napoleon.“ Au weh! Nichts von Gottes Gnaden! Um Gottes Willen! Ein Emporkömmling und Usurpator! Ich bin aufgeflogen!

Moment! Halt! „Zar“ geht ja wie „Kaiser“ auf den Namen Caesar zurück! Das ist auch ein Usurpator! König ist eine archetypische Gestalt, Kaiser und Zar nicht! Darum sind die auch nicht von „Gottes Gnaden“! Anders gesagt: sie sind nicht in den tiefen Schichten des kollektiven Unterbewußten verankert. Also wurscht ob Zar oder Napoleon. Und mit meiner Sonne-Neptun bin ich astrologisch gesehen sowieso ein König, wenn auch einer ohne Land.

 

 

(3./4./5.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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