Dienstag, 19. Januar 2021

2120 Nackte Wand

 

Ich sitze da und starre auf eine nackte Wand. Eine Gitarre, die ebenfalls auf der kleinen Sitzbank gestanden ist, habe ich hinunter gestellt, nicht, weil für uns zwei nicht genug Platz gewesen wäre, sondern weil mich ihr Körper so nahe nervös gemacht hat (Ja nichts angreifen! Ja nichts umstoßen! Mach das nicht kaputt!).

Nackt heißt unbekleidet, unverstellt, zu sehen gibt es genug: eine Steckdose, ein fester Hacken für eine Hängematte, einige Schrunden und Lebensspuren, einen geronnenen Farbrinner, kleine Sprünge, diverse Schatten und Unebenheiten, sogar leichte flache Wellen macht diese Wand. Es dämmert schon, darum weiß ich es nicht genau, ob ich mir das bloß einbilde.

Es ist ein quadratisches Wandstück, von den Stehern und der Bodenfläche des Hochbettes über mir begrenzt. Under the Bridge sozusagen. Von der offenen Tür rechts kommt eine Lichtbahn herein, verliert sich mitten im Zimmer und macht links an der Innenwand der Außenmauer einen scharfen Schatten fürs Piano.

Meine Blicke bleiben also nicht im Wandquadrat. Ich höre Stimmen durch die Wände, undeutlich, vermutlich Radio.

Der große Raum ist so leer, daß es ein wenig Hall gibt. Die zunehmende Dunkelheit macht das Schreiben blinder, aber ich will kein Licht aufdrehen.

 

(15.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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