2120 Nackte Wand
Ich sitze da und starre auf eine nackte Wand. Eine Gitarre,
die ebenfalls auf der kleinen Sitzbank gestanden ist, habe ich hinunter
gestellt, nicht, weil für uns zwei nicht genug Platz gewesen wäre, sondern weil
mich ihr Körper so nahe nervös gemacht hat (Ja nichts angreifen! Ja nichts
umstoßen! Mach das nicht kaputt!).
Nackt heißt unbekleidet, unverstellt, zu sehen gibt es
genug: eine Steckdose, ein fester Hacken für eine Hängematte, einige Schrunden
und Lebensspuren, einen geronnenen Farbrinner, kleine Sprünge, diverse Schatten
und Unebenheiten, sogar leichte flache Wellen macht diese Wand. Es dämmert
schon, darum weiß ich es nicht genau, ob ich mir das bloß einbilde.
Es ist ein quadratisches Wandstück, von den Stehern und der
Bodenfläche des Hochbettes über mir begrenzt. Under the Bridge sozusagen. Von
der offenen Tür rechts kommt eine Lichtbahn herein, verliert sich mitten im
Zimmer und macht links an der Innenwand der Außenmauer einen scharfen Schatten fürs Piano.
Meine Blicke bleiben also nicht im Wandquadrat. Ich höre
Stimmen durch die Wände, undeutlich, vermutlich Radio.
Der große Raum ist so leer, daß es ein wenig Hall gibt. Die
zunehmende Dunkelheit macht das Schreiben blinder, aber ich will kein Licht
aufdrehen.
(15.1.2021)
©Peter Alois Rumpf
Januar 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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