Freitag, 8. Januar 2021

2114 Letz

 

Ich liege als ein altes, letzes Tier in meiner Höhle und verlasse sie nicht. Es ist heller, sonniger Tag, aber ich liebe die Nacht. Jetzt döse ich nur so, umschlossen von einer zähen Substanz, Traumfetzen von versäumten Liebesszenen und fehlenden Prüfungen, Phantasien über die Rettung der Welt, der Wiederbewaldung der Sahara und wie ich mit dem Bayern endgültig abrechne, Gedanken über die menschliche Natur oder die Bedeutung und optimalen Definition von Begriffen (zB Mitleid: tut sich selbst im andern leid; daraus folgt Unfähigkeit, dem andern zu helfen; Und Mitgefühl: fühlt mit dem andern mit, ohne ihn mit sich selbst zu vermischen; echte Empathie), die politische Lage oder was weiß ich was, Empfindungen an den unterschiedlichsten Körperstellen (so bewege ich meine Finger der linken Hand gegen erheblichen Widerstand und empfinde die Bewegung als außerhalb meiner selbst, als würde ich aus verschiedenen Bezirken bestehen und mich im Moment nur im Innersten aufhalten) treiben heran und driften wieder weiter. Ich streiche mit dem Ringfinger meiner rechten Hand ohne diese zu bewegen über das Holz des Bettgestells, und das Geräusch und was mein Finger spürt füllen meinen Kokon und sind ein unglaublich intensives und lautes Erlebnis, wie unter einem sensorischen Vergrößerungsglas.

Langsam meldet sich der Hunger und will mich aus der Höhle treiben. Darauf reagiere ich nicht sofort; noch ist das Bedürfnis, in diesem reichen, heilsamen Schwebezustand zu verharren, größer.

 

(8.1.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Januar 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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