Freitag, 29. Mai 2020

1851 Botschaft 005


„Ich bin einundzwanzig, und einundzwanzig bist auch du!“


Anmerkungen des Aufschreibers:
Endlich weiß ich mein psychologisch-energetisch-seelisch-entwicklungsstadielles Alter! Gerade an der Schwelle zum Erwachsenwerden und gar nicht sicher, ob ich wirklich schon so reif bin.
Wer spricht? Keine Ahnung. Mein Doppelgänger? Mein Schutzengel? Meine ältere Tochter, die mir gestern black bird vorgesungen hat? Die Stimme hat aber jugendlich-männlich geklungen: die üblichen Verdächtigen? Scouts? Aliens? Irgendwelche internalisierten Heinis? Irgendwelche Ahnen oder sonstwie verwandten Toten? Einer der toten Freunde aus der Jugendzeit? Ein Wichtigtuer aus einer der sieben Welten? Ein Totemtier? Puma? Säbelzahntiger? Ein Trickster? Doch der liebe Gott? Auch er erst am Erwachsen-Werden? (Ein Ewigkeitsjahr ist natürlich viel länger als ein irdisches Jahr.)
Adressat: eindeutig ich. Da gibt es keine Zweifel: das war zu mir gesprochen.
Persönliche Anmerkung des Aufschreibers:
Mit einundwanzig 1975 war ich an meinem Geburtstag in London, kaum Geld, konnte mir kaum Essen und Sehenswürdigkeiten leisten (dieses Lied ist schon so alt!), gerade einen ordentlichen Rausch in einem Pub, in dem ich den ersten transigen Mann (Kellner; a la David Bowie) gesehen habe, auch damals kaum des Englischen mächtig, Gottseikrank habe ich es dann zum Kotzen (das warme Bier!) vors Lokal geschafft, einem Touristenphotographen in die Falle getappt und von ihm ordentlich über den Tisch gezogen (fast mein ganzes letztes Geld) – das geborene Opfer.
Wie fühlt sie das heute an: einundzwanzig? Weiß nicht. Einerseits freut mich meine Jugendlichkeit – Musikbegeisterung (Kennst du die neue Platte von …? Tolle Musik, nicht? Das mußt du dir anhören!) - Unsicherheit (wie ist das wirklich? Ich weiß es noch nicht). Und die einundzwanzigjährigen Mädchen! (Oje! Wenn ich auch so schüchtern bin wie damals!) Andrerseits: ein alter Depp, der sich jung glaubt: kann das gut gehen? Zieht sich komisch an. Überschätzt seine Anziehungskraft und seine Potenz. Wer weiß, auf welche Gedanken er noch kommt! (Und hält dann sein psychophysischer Apparat mit?) (Gut, hat er schon mit einundzwanzig nicht.)
Übermittlungskanal: innerer Traumchannel.
Tonart: unauffällig, aber bestimmt. Keine Zweifel an Botschaft und ihrem Wahrheitsgehalt.
Sprachform: kunstvoll auf schlichte Weise; schöne Satzstellung.
Erinnert an: kein Einfall dazu!
Resumee: schon positiv, muß lachen, freut mich schon, gebe es nur nicht so gern zu. Lieber ein alter Narr, als kein alter Narr. Womit soll ich sonst glänzen? Mit meiner Stellung in der Gesellschaft und meinem pekuniären Vermögen kann ich's nicht!












(29.5.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Donnerstag, 28. Mai 2020

1850 Die albertinische Eröffnung


Vormittag. Die Tageskinder spielen „Mama-Weinen“, ein herrliches Konzert von vergnügten Heultönen auf m a m a oder i.
Oh! Jetzt gibt es ein richtiges Aua! Der Chor verstummt betroffen. Und das betroffene Kind weint in echt.

Ich habe gedacht, ich werde aufjubeln und losstarten, wenn die Albertinas (wieder) öffnen. Aufgejubelt habe ich, aber nun zögere ich mit meinem lange ersehnten Besuch. Warum? Ich frage mich das, horche in mich hinein und stelle fest: Angst! Ich kann nicht mehr bei meiner alten Gewohnheit, ein oder zweimal die Woche in die Räume mit den tollen Bildern einzutauchen, mich hinzusetzen, die Bilder anschauen (auch den Frauen auf den Arsch), schreiben, vor meinen Lieblingsbildern (Kokoschkas Städtebilder) zu verweilen, anknüpfen. Wie gibt es das! Anscheinend wurde meine energetisch-psychischen „Nerven“verbindungen zur Albertina durch den Lockdown gekappt, oder sind mangels Erneuerung abgestorben. Diese verdorrten „Nerven“verbindungen betreffen nicht nur die Albertina als Haus der Kunst, also die Kunstwerke, sondern auch das herrschaftliche Gebäude, ihren Ruf und ihre Stellung in Stadt und Gesellschaft, als öffentlicher Raum, auch ihre Organisation, ihren Schwellen- und Eingangsbereich, ihre Garderobe und deren Personal, ihre Kartenkontrolleurinnen und AufseherInnen, die Sphinxen, die Besucher und Innen.
Ich werde fast neu beginnen müssen: den Stress, ein fremdes, ehrwürdiges Haus zu betreten neu überwinden; bei der Garderobe, die ich als Jahreskartenbesitzer gratis benutzen darf, den Stress, dass ich hier bedient werde, obwohl ich mich dessen nicht würdig fühle, aushalten, ohne allzusehr in Verlegenheitsgeblödel zu kommen, um meine Unwürdigkeit ja gleich aufzudecken, den Stress, weil ich so lange mit dem Umräumen meiner Sachen – die, die ich mithinein nehme, in mein Albertinatäschchen stecken, Brille, Schreibzeug, Handy, Jahreskarte und Personalausweis nicht vergessen! - brauch und dabei alle wichtigen Leute hinter mir aufhalte. Das Gefühl, ich müßte dem Garderobenpersonal ein saftiges Trinkgeld geben, aber zögere doch, weil ich es noch bei keinem Jahreskartler gesehen habe und mich auch nicht so herum peinlich machen will. Die innere Aufregung bei der Kartenkontrolle – überall wo kontrolliert wird, habe ich Schuldgefühle – vermutlich, weil ich im tiefsten Inneren überzeugt bin, dass ich nicht leben dürfte. Dasselbe mit den Aufsehern und Aufseherinnen: vielleicht merken sie, dass ich Unwürdiger kein wirkliches Anwesenheitsrecht habe, sondern bloß ein erschwindeltes, denn ich habe die Jahreskarte nicht selbst bezahlt – ich  könnte sie mir nicht leisten – sondern meine Frau hat sie mir geschenkt und bei meinen allerersten Schritten in die Albertina geholfen – einfach dadurch, dass wir zusammen hingegangen sind - außerdem mach ich mich sicher mit meiner Schreiberei und den Stiften in der Hand verdächtig (warum glaube ich, dass jemand denken könnte, ich würde ein Kunstwerk zerstören wollen? Warum befürchte ich das? Das ist so absurd! Ich, der ich Bilder so liebe! Das kann nicht aus mir als Individuum kommen! Die Schuld muß mir von den Nazivorfahren als Kuckucksei ins Nest gelegt worden sein! Die haben alles zerstört und gemordet! Nicht ich! Ich trage deren Schuld herum! Zum Teufel mit euch Gesindel! Geht weg!). Ich hatte mich dann auch einmal einer Aufseherin gegenüber wegen meiner Schreiberei dort erklärt und es sogar geschafft, mich dabei als Schriftsteller auszugeben! Auch nicht ganz frei von Peinlichkeit.

Ich muß wieder fast ganz von vorne beginnen. Gut. Jetzt weiß ich es und stelle mich darauf ein.

Nur eines ist mir noch wichtig festzuhalten und der Welt klar zumachen und heute deutlich aufgefallen: Depression ist nicht einfach nur – wie man sich das landläufig so vorstellt – daß da jemand heulend herumsitzt – was ja auch sein kann – aber es gibt noch andere Konstellationen: denn mein Geist war ja voll Freude auf die Albertina, ich wollte losstarten, voller Tatendrang und Optimismus, aber mein – wie kann ich das nennen? - psychophysischer Apparat hat nicht mitgemacht. Denn ich habe die lähmende Angst ganz deutlich und körperlich in meiner Leibesmitte gespürt. Wie einen schweren Klotz, der mich nicht auftauchen läßt. Ein Verzweifelter kann euch ins Gesicht lachen und Witze über sich machen, besonders, wenn es sich auch schuldig fühlt, die anderen mit seinem Leiden zu belästigen, und ihr denkt euch: dem geht’s eh gut. Er schämt sich  seiner Krankheit, weil sie euch irritiert, er will euch vor seiner Verzweiflung schützen. Wobei es schon sein kann, dass mit dem Lachen über sich selbst sich ein Verzweifelter herausreißt! Bedenkt jedoch, was der die ganze Zeit für eine anstrengende Arbeit hat, nur halbwegs oder zu fünf Prozent mit dem Leben und der Wirklichkeit zu Rande zukommen!

Heute bin ich nicht in die Albertina gegangen. Heute verlasse ich die Wohnung nicht, sammle meine Kräfte für einen neuen Versuch, einen neuen Anlauf.

Aber dieses elende, scheißverfluchte Gefühl der eigenen Unwürdigkeit!










(28.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1849 Botschaft 004


„Geh weg!“

Anmerkungen des Aufschreibers
Wer spricht? Meine Tochter. Oder ihr Schutzengel. Oder ein Scout eines anorganischen Wesens, der sich ihre Gestalt geliehen hat, um mich zu täuschen, reinzulegen, oder zu schützen. Oder mein in den Traum hineingeglittenes, ängstliches und feiges Alltagsbewußtsein oder dessen Rest hat den Scout mit der Tochter Gestalt bekleidet, um an seinem Anblick nicht irre zu werden. Oder ganz einfach: es ist mein Bild von meiner Tochter, dem ich das in den Mund lege. Oder ein Erinnerungsfragment aus der Alltagswelt. Oder weiß der Teufel was!
Übermittlung: innerer Traumchannel
Adressat: ich. Ja, davon gehe ich aus. Sehe nichts, dass dagegen spricht.
Persönliche Anmerkung des Aufschreibers: Botschaft kam in Kurztraum.
Tonart: aggressiv
Persönliche Anmerkung des Aufschreibers: ich habe bei Marshall Rosenberg gelesen, dass die Angst des einen in den Augen des andern fast immer, immer als Aggression gedeutet wird. Kann das hier sein? Glaube nicht.
Erinnert: mich sehr an reale Szenen.
Resumee: Hm!











(28.5.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1848 Zeit für meine zweite Pause


Ich schaue mich um und sehe nichts. Mein Geist nimmt das Gesehene kaum auf und speichert und stützt es nicht ab. Ohne mein Zutun gibt es keine ordentliche Reality. Schon gar nicht nachts im Bett.










(27./28.5.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 27. Mai 2020

1847 Frage an das All

Seit langem wieder habe ich über einem Buch im Bücherregal (Knausgård, Kämpfen) eine deutliche, blassgraue weißliche Flamme gesehen. Nur ganz kurz.
Und jetzt, wo ich es wieder und wieder probiere, tönt verhalten und doch aufdringlich ein dumpfes Radiogespräch vom Lichtschacht herauf, begleitet von Türenkleschen.
Ich liebe halt optische und akustische Randerscheinungen, die suggerieren – ob zu recht oder unrecht – dass die Grenzen der Wahrnehmung schon ausfransen.

Ich war beim Aufwachen ausgeschlafen und recht munter, optimistisch und für meine Verhältnisse voller Tatendrang. Aber das Warten darauf, daß die Küche frei wird und ich mir mein Frühstück bereiten kann, läßt mir die Augen wieder zufallen.

Ich denke an das Haček, das ich mir für unseren Schreibgebrauch so sehr wünsche! Nicht nur Šule – was für eine Buchstabenersparnis! - und Čick, sondern auch gsch! Gsch! - um jemanden zu vertreiben – könnte man ĝ! ĝ! Schreiben (umdrehen! umdrehen!), oder gar xˆ! ˆx! - ihr wißt schon, wie ich's meine! Šeiße sowieso. „Schön“ würde ich trotzdem schön schreiben.

Im Entfernungszoom bin ich plötzlich im Ministerium für Kunst. Eine Tür öffnet sich, die zur Tarnung und Täuschung die Türschnalle an der Scharnierseite montiert hat, und es wird mir ein kleiner, warmer, gelb beleuchteter quadratischer Raum gezeigt - soweit ich sehen kann ohne Fenster – mit Teppichen und Pölstern ausgelegt, mit Couchen möbliert, einladend, gemütlich, geheim, ein wenig lustversprechend.

Die Küche könnte nun frei sein, aber ich bin schon zu müde fürs Aufstehen.


Frage an das All: was mach ich, wenn ich Kinder nicht ver-, sondern nur wöhne?










(27.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1846 Botschaft 003


„Die Rüstungskontrolle ist überall gültig, nur in Österreich nicht.“

Anmerkungen des Aufschreibers:
Wer spricht? Keine Ahnung. Universum? Kann ich mir schwer vorstellen. Ein Trickster? Schon eher. Irgend so ein Scherzbold da drüben, der mich und die göttliche Ordnung durcheinander bringen will. Oder aufwirbeln, auf dass etwas neues entstehe. Oder mein innerer Clown? Clowns mag ich nicht. Oder ein innerer Augustin? Nicht der vom Pferd, äh Hippo, sondern der von Wien. Vielleicht soll ich wieder saufen! Ja, das könnt die Botschaft sein! Nur so komme ich durch die coronale und nichtcoronale Existenzkrise. Hmmmm!
Sprecher: unklar
Übermittler: möglicherweise vom Auctor selbst gesprochen
Übermittlungskanal: vermutlich innerer Traumkanal
Adressat: ich? Die Welt? Das Allweltbewußtsein (also nicht das kollektive Un-, sondern das kollektive Be-wußtsein)?
Persönliche Anmerkungen des Aufschreibers: Botschaft kam im Stadium zwischen Wachen und Schlafen; ich war sofort aufgeregt, aber dann gleich wieder müde.
Tonart: nüchtern, feststellend, ohne Bewertung, neutral
Erinnert an: im Moment keine Erinnerung greifbar; am ehesten an Nachrichtensprecher (also Tonfall und Sprecher wirken nicht clownesk! Will seriös klingen!)
Resumee: schon wieder unklar!
Persönliche Anmerkung des Aufschreibers: große Sehnsucht nach Rauschzustand; bisher hätte ich nichtalkoholischen Rausch bevorzugt. Paradigmenwechsel?











(26./27.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1845 Überleben müssen


Die Wut köchelt auf Sparflamme. Auf Sparflamme, aber sie köchelt. Immer öfter will sie auf meine rechten Armbewegungen übergreifen, immer öfter will ich Geschirr zerschlagen, brüllen, schreien. Irgendetwas ist in mir eingesperrt. Nicht die Wut, die ist nur das Symptom. Noch habe ich nichts zerschlagen. Ich werde auch nichts zerschlagen. Das hilft mir nicht. Ich halte nichts von solchem Aggressionsabbau. Wie sollte man denn ohne Aggression den Lebenskampf bestehen? Sie gehörte nur in ihre ursprüngliche Form und an ihren richtigen Platz. Sinnlos, sie in einem Wutanfall abzulassen, sodaß eine traurige, leere Hülle zurückbleibt. Damit gewinnt man kein Terrain.

Aber so wie jetzt kann es auch nicht bleiben, dass meine Lebenskraft eingesperrt erstickt und ich mich zu  einem unlebendigen, im Lebenskampf wehrlosen Menschen herunterdiszipliniere oder herunterdefiniere. Sonst springt mich im Sterben dann das ganze zurückgestaute Leben wütend an. Gut, wär auch schon wurscht – ich würde diese Attacke dann ja auch nicht mehr überleben müssen, hahaha.












(26./27.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 26. Mai 2020

1844 Botschaft 002


„Einen Riesenabstand halten!“

Anmerkungen des Aufschreibers:
Wer spricht?  Gott? Das kollektive Unbewußte? Das individuelle Unbewußte? Ein Dämon? Gut? Böse? Engel = Skout = Verbündeter? Ein Volador? Ein Alien? Der gesunde oder der ungesunde Menschenverstand? Die Gesellschaft? Die Gesellschaft Jesu? Die Gesellschaft der gescheiterten Existenzen und Hosenscheißer? Sprecher: unklar, unbekannt.
Übermittler der Botschaft: unbekannt; möglicherweise direkt vom Urheber gesprochen.
Übermittlungskanal: vermutlich innerer Traumkanal
Adressat: ich? Wir? Alle? Österreich? Europa? Männer? Altersgruppe über 65? Deutschsprachige? Nur Muttersprachler? Coronabetroffene? Menschheit? Unklar.
Persönliche Anmerkungen des Aufschreibers: keine
Tonart: moderat
Frage: Abstand wovon? Von Infizierten? Allen? Nachbarn? Familie? Landbewohnern? Stadtbewohnern? Frauen? Unklar.
Erinnert an: im Moment keine Erinnerung greifbar.
Resümee: unklar.
Persönliche Anmerkung des Aufschreibers: Ich muß als Botschafter noch viel lernen!










(26.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1843 Z


Mein Kopf wird bald zerplatzen. Was will denn heraus? Die Athene wird’s nicht sein und eine Oile auch nicht. Dennoch: ich bin so gut ein Gott wie Zeus. Herumdreschen, herumblitzen, herumvögeln könnte ich zu Not auch noch zusammenbringen, die Familiy nicht g'scheit zusammenhalten können und meine Frau nicht im Zaum halten (hahahaha!) auch. Und vorwitzig unsterblich bin ich auch.

Im Ernst: ich bin ja nur verzweifelt; von Lebensfülle und Lebenskraft keine Spur. Ich halte mich nicht mehr aus. Nur noch im Schlaf kann ich mit mir versöhnt sein. Ich kann mir mein Scheitern nicht und nicht verzeihen! Und vom Leben bin ich so weit entfernt wie nur was! Also nix mit Zeus. Zoon idioton (keine Ahnung, ob das korrekt ist. Ist mir auch scheißegal – aber solche Fehler werden mich auch nicht mehr retten!). Ich schäme mich so.










(25./26.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Montag, 25. Mai 2020

1842 Botschaft 001


„Hey! Wir haben eure Konzerne schon aufgekauft!“

Anmerkungen des Aufschreibers:
Wer spricht? Wir hier.
Übermittler der Botschaft: unbekannt. Kein Engel zum Beispiel oder sonst wer ist identifiziert.
Übermittlungskanal: vermutlich innerer Kanal; unsicher
Adressat: die Reichen weltweit?
Persönliche Anmerkung des Aufschreibers: Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf? Unangebracht?
Tonart: salopp
Erinnert an: „mene mene tekel upharsin“?
Resumee: unklar










(25.5.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1841 Tatort


Dass es hier stinkt, nehme ich schon nicht mehr wahr und mit diesem Einstiegsgedanken hellt sich sogleich die kleine, finstere Kammer für einen kurzen Moment auf – die Wolken am großen, weiten Himmel haben also mitgespielt.
Ich bin noch zu müde für irgendein Urteil; immerhin ist es gestern bis über drei Uhr morgens gegangen. So döse ich ich vor mich hin und im Grunde warte ich auf den Tatort.










(24.5.2020)









  ©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 22. Mai 2020

1840 Wundertäterfragment 27


  Zögernd öffnete er die Wundertüte. Unter erheblicher seelischer Anstrengung zog er das rosa Ding heraus, betrachtete es zuerst lachend, wie es so schlaff in seiner Hand lag, aber je länger er hinsah und es so vor sich hinmeditierte, umso trauriger wurde er. Schließlich wandte er sich weinend ab, ging die Treppe hinunter, zog den Mantel an, setzte seine Mütze auf und verließ den Palast.

  In immer größerer Angst stürzte er in die stürmische Nacht hinaus, rannte die Allee hinab, bis er dann endlich in den schmalen Weg zum Wald einbog. Es lief so gut es ging durch den finsteren Wald, über die Wurzel der Bäume stolpernd versuchte er sein Gleichgewicht nicht zu verlieren. Und wirklich: er fiel nicht.

  Beim Abgrund hinter dem Wald angekommen nahm er Anlauf und sprang in die Tiefe. Da er jedoch ein Wundertäter war und obwohl er noch nie ein Wunder vollbracht hatte, gelang es ihm, seine bislang ungenutzten Flügel aufzufalten und auszubreiten. Und zum ersten Mal legte er diese seine prächtigen Flügel auf die herrliche Luft und begann ganz sanft und wunderbar dahinzugleiten. Mit jubelndem Herzen und jauchzender Seele flog er mit neuer Kraft der aufgehenden Sonne zu.





(Für Daniela, die sich eine Wundertätergeschichte wünschte und mir dafür zehn Wörter zur Verwendung vorgab)








(21./22.5.2020)















©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 20. Mai 2020

1839 Beichtzettel


Aaaaah! Ich sehe auf Facebook: jetzt werden alle geheimen hygienischen Schandtaten gebeichtet! Sehr gut! Ich mach gleich mit:

Ich habe nicht nur Messer abgeschleckt!
Ich habe vom Boden aufgeklaubt und gegessen!
Ich habe Nasenramm... na, des los i liaba!
Ich habe einmal in voller Absicht einen Holzwurm aus meinen Bodendielen geholt und bei lebendigem Leib geröstet und gegessen! (Und weil ich nicht daran gedacht hatte, ihm seinen Kopf samt Gedärm vorher abzuziehen, hat er ein wenig nach Sägemehl geschmeckt. Aber ansonsten recht gut, wie Kokos.)
Ich habe einmal ein paar lebendige Käfer hinuntergeschluckt, weil ich gelesen hatte, dass Indianer – den Stamm habe ich längst vergessen – behaupteten, damit könne man Regen herzaubern und ich zu faul war, den Dachgarten zu gießen! (Und? Hat's geregnet? Ja!)
Ich habe mehrmals – ich gebe zu, in krankenversicherungslosen Zeiten – meinen Urin getrunken, weil ich gehört hatte, es gäbe vorallem in Indien Leute, die sich so gesund halten!
Ich dusche in Coronazeiten nicht immer täglich!
Ich habe mich vor langer Zeit mehrmals nach himmlischen Liebesnächten von acht Uhr abends bis zwei Uhr früh absichtlich und tagelang dort unten nicht gewaschen, um mir den Duft der Lust und der Geliebten zu bewahren! (Die Welt drumherum war mir scheißegal!)
Ich habe schon vor Corona mich nicht nachhaltig genug gewehrt, wenn mir die Katze die Glatze ableckt und die Restbestände an Haaren putzt.
Ich habe … ich denke, das genügt!

Danke für die Gelegenheit zur öffentlichen Generalbeichte; ich fühle mich regelrecht befreit. Ego me absolvo!








(19./20.5.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1838 Noch ein bißchen schlafen


In der Morgendämmerung, die in meiner geliebten, aber abseitigen Kammer besonders grau ist, versuche ich möglichst unauffällig meine Lebenstrümmer zusammenzusuchen, damit sich nicht gleich der vertraute Morgenblues heranschleichen und festhaken kann.

Noch ein bißchen Abstand vom traurigen Ich. Noch ein bißchen die Augen schließen, bevor ich meine elende Gestalt wahrnehmen muß, noch ein bißchen träumen, bevor ich diesen Holzbalken meines gescheiterten Lebensschiffes durch diese fragwürdige Wirklichkeit schleppen muß, und dabei so tun, als wäre alles in der richtigen Ordnung. Einfach noch ein bißchen schlafen.









(18.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1837 Den Tag biege ich hin


Den Tag biege ich so halbwegs fröhlich hin, indem ich mich stundenlang auf Facebook wichtig mache, Krimis schaue, Musik höre und dabei am Computer Mahjonng-Festung und Solitaire spiele (heute habe ich sogar bei den Smiths aus meiner Bluebox-Zeit – das war mein dritter Anlauf, eine glückliche Jugend zu haben – mitgesummt und mitgesungen: „and if a double-decker bus/ crashes into us/ to die by your side/ is such a heavenly way to die ...“), meinen geringfügigen Anteil an Hausarbeit  mache, aber nicht aus der Wohnung gehe. Oft tagelang nicht.

Wenn ich dann so gegen zwei Uhr nachts, oder gegen drei Uhr bildlich gesprochen zusammenpacke, den Pyjama anziehe und so weiter, spätestens dann komme ich dem Blues nicht mehr aus. Dann freut mich mein waches Leben nicht mehr. Höchstens noch der Schalf. Auf den kann ich mich noch freuen.

Ich könnte jetzt noch lange dahinlamentieren, bin aber – Gottlob/g – zu faul, das alles aufzuschreiben. Wozu auch? Mein Leben ist nicht aufgegangen und ich muß jetzt damit fertig werden. Ja. Gut! Sei brav! Reiß dich zusammen! Werde fertig!













(17./18.5.2020)













©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1836 Das Seiringer Kriegsvolk


Wieder kaue ich die bittere, erdig schmeckende afrikanische Traumwurzel. Gerade zerfasere ich sie und versuche, die einzelnen Fasern mit meinem löchrigen Gebiss zu zerkleinern. Geduldig schiebe ich meine Zähne zermalmend hin und her.
Soweit das äußere Geschehen.

Ich werfe meinen Blick auf einen Buchtitel am Stapel neben meinem Bett und lese ihn. Ganz normal. „Die Donau“. Keine Buchstaben sind verzerrt, komisch, fremdartig oder sinnlos angeordnet. Realitycheck. Ich träume nicht. Ich bin in unserer realen Wirklichkeit.

Die „Seiringer-Bande“ aus meiner Kindheit fällt mir ein. Wir wurden die „Buwog-Bande“ genannt, weil wir in der zweidrittelakademischen Buwog-Siedlung wohnten. Und „Bande“ ist – je nachdem die andern oder wir selbst uns so nannten – eine geradezu rührende Fremd- oder Selbstüberschätzung.
Eines Tages jedenfalls schickte die Seiringer Bande – benannt nach ihrem Anführer – einen Gesandten zu uns, der die Mitteilung überbrachte, dass sie, die Seiringer-Bande, ab jetzt als „Seiringer Kriegsvolk“ angesprochen werden will und dass sie erwarten, das wir uns dran halten, auch in ihrer Abwesenheit – nicht ohne mit Sanktionen zu drohen, falls wir den Namenswechsel ignorieren. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie wir, oder richtiger: ich als der direkt Angesprochene auf diesen martialischen Auftritt des Gesandten reagiert habe, vermutlich entgegenkommend bis unterwürfig. Dann ging der Gesandte (griechisch: Angelos) den sanften Wiesenhang zum Bacherl und zur Straße nach Trautenfels hinunter, wo damals auf den billigen Grundstücken des Ennsbodens sie alle ihre Heimstätten hatten.











(14./15./20.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 14. Mai 2020

1835 Nullkommaein Prozent


Vor ein paar Tagen oder Wochen fand ich in meinem Bücherregal das Buch „Der gedehnte Blick“ von Wilhelm Genazino. Autor und Buch waren mir völlig unbekannt und ich kann mich auch nicht erinnern, jemals irgendwo etwas vom Autor oder diesem Buch gehört oder gelesen zu haben. Darum vermute ich auch, dass ich es nicht selbst gekauft habe. Bliebe theoretisch die Möglichkeit, dass ich es einmal in einem antiquarischen Bücherstapel gekauft habe. Dagegen spricht, dass der Preis bereits in Euro ausgewiesen ist und das Erscheinungsjahr 2004. Auch steht kein mit Bleistift geschriebener Preis innen hinten oder auf den ersten Seiten, wie es bei meinem bevorzugten Antiquariat in der Wollzeile üblich ist. Das oben Gesagte spricht auch dagegen, dass ich es bei meiner bevorzugten Büchertauschstelle in der Kleinen Pfarrgasse mitgenommen habe. Bleibt noch, dass es mir jemand geborgt hat und ich es dann vergessen habe. Kann mich aber überhaupt nichts in diese Richtung erinnern, und wenn soetwas stattgefunden hätte, würde es mir bei all meiner chronischen Vergesslichkeit doch allmählich dämmern. Aber das geschieht nicht, mir dämmert nichts. Dass es aus der Bibliothek meiner verstorbenen Eltern stammt, schließe ich mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Bleibt als wahrscheinlichste Möglichkeit, dass mir jemand dieses Buch vor Jahren - sei es zu Weihnachten, sei es zu einem Geburtstag - geschenkt hat und ich es ignoriert habe. Das kommt oft vor: ich bin ein schlechter, unaufmerksamer Schenker und ein noch schlechterer,  unaufmerksamerer, gedankenloser, ignoranter, hochmütiger und undankbarer, aber immer auch ein wenig ein irritierter, überforderter, gestresster und beschämter Beschenkter, denn im tiefsten meine Seele bin ich davon überzeugt, dass mir kein Beschenktwerden zusteht, wofür auch, ich bin es nicht wert.

Als mir also dieses Buch vor Wochen zufällig (fällt einem etwas bloß zufällig zu, oder fällt einem das genau resonantisch Richtige zu?) vor meine Augen erschienen ist, hat es mich sofort interessiert, erstens weil völlig unbekannt – so einem Rätsel will ich unbedingt nachgehen, zweitens weil mich der Titel angesprochen hat; besonders auf meine Schreiberei bezogen, denn ich habe ja meinen Anblick vom Bett aus auf Bücherregal, Bilder und überhaupt mein Zimmer sowohl am Morgen als auch am Abend mindestens tausendmal beschrieben, woran mich „der gedehnte Blick“ - ich glaube, nicht zu Unrecht – erinnert hat. So habe ich das Buch aus der Bücherreihe herausgezupft und auf meinem fünfsäuligen, mindestens aus fünfzig Bücher bestehenden Stapel der zu lesenden Bücher neben meinem Bett abgelegt.

Und habe es dann tatsächlich zu lesen begonnen (die Bücher ganz oben am Stapel haben die besseren Chancen, gelesen zu werden, die unteren kann ich auch jahrelang vergessen haben). Das Buch beinhaltet – wenn ich schlecht Gebildeter das sagen darf -  gescheite, fundierte Essays und Abhandlungen eines gebildeten, belesenen Autors, dem ich – falls ich jemals anspruchsvoll denken konnte, was ich bezweifle – aber wenn doch, dem anspruchsvollem Denken längs entwöhnt und darin ungeübt - kaum folgen konnte und das bei meiner anscheinend angeborenen Tendenz, zu schnell, zu gierig, zu ungenau zu lesen, die durch meine Internetsucht noch verstärkt wurde und meine Ausdauer und Geduld noch weiter herabgeschraubt hat. Nur punktuell, eigentlich richtiger an manchen Textstellen oder Texturflecken glaubte ich etwas richtig zu verstehen, und da blitzten mir sogleich Erkenntnis, Zustimmung, Freude und Euphorie auf (ich schreib jetzt nichts über die Zweifelhaftigkeit solcher emotionaler Ausbrüche bei angeblichen Erkenntnissen. Nur das, was Don Juan Matus zu Carlos Castaneda sagt: „Hüte dich vor denen, die bei ihren Einsichten weinen, denn die haben nichts begriffen. Mach deine Erfahrungen und lass deinen Montagepunkt sich bewegen und erlaube deinen Erkenntnissen, Jahre später zu kommen“ - aus dem Gedächtnis und ungenau zitiert. Ich ignoriere das Zitat jetzt aber!).

Heute Vormittag lese ich noch im Bett einen Abschnitt, den ich als Bestätigung der „Erlaubtheit“ meiner Schreibversuche verstanden habe. Und sofort springe ich aus dem Bett, mache mich glücklich ans Werk, sitze jetzt also im Atelier und blicke durch das große Atelierfenster auf die großen, im Wind schwingenden Baumkronen.

Wohlgemerkt! Ich habe diesen Essay bestenfalls nur halb verstanden, viele Verweise und Zitate von Schriftstellern und Philosophen bleiben für mich aus Unkenntnis nicht nachvollziehbar. Und der gute Herr Genazino hat keine einzige Zeile von mir gelesen. Ich weiß also, daß die Wahrscheinlichkeit, daß ich das Gelesene falsch verstanden habe, sehr hoch ist. (Jetzt fährt der Wind „so richtig“ wild durch die Bäume.)
Und wenn ich den Essay richtig verstanden haben sollte, bleibt offen, ob die Begründung des Autors für Literatur und deren Absteckung auch für meine Schreiberei gilt. Auch das weiß ich.
Es könnte sein, dass diese Texte von Genazino mein Schreiben möglich machen, ihm ein Fundament verschaffen. Vielleicht.

Und das reicht, dass ich glücklich aufspringe: dass meine Schreiberei einen Sinn haben könnte. Sogar trotz anhaltender Scheiterei. Die Ungewissheit bleibt sowieso, aber es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, daß es nicht bloß Unsinn ist; mag die Wahrscheinlichkeit dafür auch 0,1 Prozent betragen.











(14.5.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1834 Liegengehen


Ich kaue vorm Liegengehen eine afrikanische Traumwurzel und hoffe auf interessante Träume, auf schöne Träume, beglückende Träume, auf Träume, die mir etwas offenbaren. Da nehme ich sogar - wenn es unvermeidbar ist – Albträume auf mich. Wenn sie nur etwas offenbaren. Über mich, über Gott, über die Welt. Bei aller Frechheit: so abwegig ist das nicht! Romano Guardini schreibt irgendwo, dass der wirkliche Gegensatz nicht oben und unten, sondern oben und innen ist; und daß in beiden Bereichen Gott zu finden ist. Ober wie ich lieber sage: das Abstrakte.











(13./14.5.2020)














©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 13. Mai 2020

1833 Aufgeweckt


Aufgeweckt bei fadem Charakter. Wie bestellt und nicht abgeholt. Was mache ich jetzt? Ihr faulen Götter, sagt an, was habt ihr heute mit mir vor? Wofür könnt ihr mich brauchen? Dafür, daß ich dem klopfenden Rauchfangkehrer den Narren mache? Damit er sich besser fühlen kann? Braucht er das wirklich so dringend?

Die Glocke läutet zur katholischen Frühmesse; lang, lang ist's her. Unglaublich, wie sehr mich das noch zieht! - ich fühle den Schmerz ganz deutlich.
Ja, das war ein Lebenssinn: bei der Verwandlung der Welt mitmachen; und das gleich zu Tagesbeginn.
„Erhebet die Herzen!“
„... aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Gesund!

Es ist sinnlos, wenn ich dem nachflenne! Daß ich nichts loswerden kann! Umgekehrt war's genauso.

Und wenn ich so tapfer bin, sinnlos aufzustehen? Wenn ich so tue als ob?











(13.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1832 Meine Frage


Warum geht am Gang meinem Zimmerfenster gegenüber immer um Mitternacht das Licht an, das den ganzen Tag auf Bewegungsmelder gestellt ist, und bleibt bis zum Morgen aufgedreht? Und scheint mir ins Zimmer herein, genau dann, wenn ich schlafen will? Welcher menschliche, unmenschliche, außerirdische, weltgeistliche, mehr- oder eingöttliche Geist steckt dahinter?

Das ist jede Nacht meine Frage und heute schreibe ich sie auf.











(12./13.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1831 Ich schwör's!


Der traumhafte Soziologieprofessor will mir helfen, weil ich ihn anwinsle, daß ich nichts verstehe, aber ich verstehe immer noch nichts. Ich bin zu dumm.

Die Bilder an der Bücherwand sind so ungewöhnlich klar. Als wäre die Luft gereinigt worden.
In absoluter äußerer Stille schreit nur mein inneres Surren. Unruhe und Nervosität, weil ich heute Therapie habe. Wann hört diese depperte Angst auf!
Ach ja: es ist Morgen.

Was ist mit Polen, Preußen und uns?

Ein unbegründeter Hustenanfall, als hätte ich Wasser in der Lunge. Dabei habe ich kein Wasser in der Lunge, ich schwör's! (Es soll sich niemand Sorgen machen und ich will niemanden belästigen.)

Eine junge Frau geht einen Rand entlang.

Plötzlich war mein Zimmer kahl und völlig leer! Aber dann ist mir eingefallen: ich brauche bloß die Augen wieder öffnen.










(12.5.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1830 Immer elendig


Abend. Zeit zum Resümieren. Den heutigen Tag. Was habe ich weitergebracht? Was habe ich dazu gelernt? Was hat mich erfreut?
Für mich ein heikles Unternehmen: ich muß oft lange suchen. Ich bin ja froh, wenn ich den Tag bis zu den abendlichen Krimis, deren ersten ich in letzter Zeit schon am Nachmittag starte, hinbekomme. Und wenn ich dann nachts den Laptop zuklappe, stelle ich bald seelische Übelkeit fest. Kein Wunder. Wirklich kein Wunder. Die Nahrung ist möglicherweise junkig und ich werfe es mir vor, meine Zeit totgeschlagen zu haben (als hätt ich noch ewig).

Wenn ich auch mein Leben resümieren anfange, dann wird’s sehr ungut. Ich rechne rauf, ich rechne runter, Ich zähle das zusammen und jenes und eins und eins – das Ergebnis ist immer elendig. Einfach elendig.










(11./12.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1829 Das war's schon


Was holen wir heute Nacht aus der Müllhalde des Menschengeschlechts? Nichts? Keine Schreibstartidee? Ich gehe im Geist die Facebookfriends durch um etwas zu finden – in dieser Arena leiste ich ja meine meiste Arebeit – und zwar mit Vergnügen – will mich immer zurückhalten und asketischer vorgehen beziehungsweise zurück – gelingt mir nur nicht – ich bin ein echter Spammer, ein Verteilungswichtigtuer.

Das war's schon? Das war's schon!










(10./11.5.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Samstag, 9. Mai 2020

1828 Morgenvision


In Erwartung einer morgendlichen Vision schließe ich die Augen. Und das Gesicht von Didi Hallervorden erscheint. Wollt ihr mich verarschen? Heh! Ihr Witzbolde da oben oder drüben, das müßt ihr mir nicht unter die Nase reiben, daß ich eine komische Existenz bin. Das weiß ich so auch. Und daß er im Gegensatz zu mir damit Geld verdient? Das weiß ich auch, ihr Affen! Bitte mehr Ernst und Ernsthaftigkeit!










(9.5.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1827 Der Ausflug


Ich lagere an einem sanften, langen Hang, der sich noch dazu einsenkt und mir den Blick auf ein liebliches, weites Tal freigibt, auf Wiesen und Felder, Äcker und Wälder. Die Straße ist so weit entfernt, daß ich sie nicht hören muß. Ich höre nur den Wind, der ständig mein Notizbuch nach vor blättern will, die Rotoren der Windräder dreht, die Gräser zuckeln und die dürren Halme ruckeln läßt, der die Kronen der Büsche und Bäume wiegt und Wellen durch die Getreidefelder treibt. Ab und zu ein Vogelruf, das Gebrumm und Surren einzelner Insekten.

Der Wind läßt wieder nach. Die Sonne brennt mir in den Nacken, Nord-Ost dürfte meine Blickrichtung sein. Ein rotbrauner Falke rüttelt und der Bibabutzemann schüttelt sich.

Der Himmel ist wolkenlos, nur ganz dünne Schleier ziehen so unauffällig, daß ich mich manchmal frage, ob sie nicht eine optische Täuschung sind. Macht nichts! Die sind mir genauso recht wie optimistische Täuschungen.

Links von mir auf dem Hügel schaut es nach einem verlassenen und verwilderten Obstgarten von eindrucksvoller Schönheit aus, ein Hase hoppelt die Böschung hinauf.
Der Wind, der wieder stärker wird, mischt die Gesellschaft da munter auf, fast alle tanzen, nur ein toter Baum steht still und starr.

Die Häuser der Dörfer und verstreuten Siedlungen – Gottlob weit genug weg, sodaß sie nicht bedrohlich sind, nur Flecken in einem Gemälde, nicht häßlich, sogar beruhigen, die mit den Wiesen und Äckern das Tal kultiviert und lieblich erscheinen lassen. Weit genug weg, daß ich die verstörten Kinder und geschlagenen Frauen, die verdrängten Männer, die Generationenkonflikte und Erbstreitigkeiten, die Korruption und Bandenkriege, die Firmen- und Familientragödien, die Verlogen- und Blindheiten, den unterschwelligen Hass und das alles nicht wahrnehmen muß.

Der Wind fährt mir fast zornig ins Gesicht. Bin ich ihm zu überheblich? Zu frech? Zu unbescheiden? Steht es mir nicht zu, vor den Menschen und den Dörfern Angst zu haben? Lüge ich mit diesen Behauptungen? Habe ich hier in der Einsamkeit meinen Kopf nicht tief genug eingezogen? Egal! Ich weide meine Augen.

Der Wind legt sich, ich höre nun eine Straße, aber die muß hinter dem linken Hügel sein.
Der Falke stürzt sich auf die Beute, der Wind, wieder erstarkt, reißt mir die Kappe vom Kopf.
Flatterndes Rauschen, die Böe kommt auf mich zugerast, ich sehe sie im Gras heranjagen.

Windräder gibt es hier so viele, daß sie nicht mehr stören. Sie haben sich das Recht ihrer Anwesenheit erobert und bilden bereits eine eigene Szenerie. Das Drehen und Verharren ihrer Rotoren wurde schon ein stilles, poetisches, elegisches und eindrucksvolles Schauspiel.

Der Kuckuck ruft und ich schüttle meine Geldbörse und lasse die wenigen Münzen scheppern. Grüß dich, Sonne! Grüß dich, Uranus!

Mir kommt vor, der Wind fordert mich auf, weiterzugehen.

Nun hocke ich mitten in einer flachen Wiese, mitten unter einer Hochspannungsleitung und ganz leise höre ich ihr Dröhnen. Grillen und Vögel höre ich, ein Auto von der näheren Straße. Ich denke, der Wind wird mich gleich forttreiben.

Obwohl mir so mitten in der offenen Wiese ohne Schutz im Rücken unwohl ist, lege ich mich hin und strecke mich aus. Anfangs unsicher bleibe ich so – den möglichen Winden und Wettern, Blicken und Angriffen ausgesetzt - dennoch am Rücken liegen, schau zu den verhalten und beherrscht schwankenden Kabeln der Hochspannungsleitung hinauf und lausche auf ihr abwechselnd ab- und anschwellendes Dröhnen. Wenn es mit dem Wind ganz stark wird, ist es zwar sehr laut, aber das Erschreckendere sind seine vibrierende Tiefe und Fülle. Ein Dröhnen, das mir durch Mark und Bein geht, mit dem Wind herumfährt und ein Luftbeben erzeugt.

Jetzt gehe ich weiter.











(7./9.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1826 Ein verquälter Taubenruf


Aus den Albträumen in die Ratlosigkeit aufgewacht. Ein irritierter Wind bläst durch die Kammer und scheppert mit den Fensterflügeln. Das Getrampel der ruhelosen Katze auf der Holzstiege, ein verquälter oder bloß mißlungener Taubenruf - so gut hör ich auch nicht mehr – zur gleichen Zeit.

Vermutlich kommt das noch aus den Albträumen, aber mit kommt vor, es lauert etwas auf mich. Dabei habe ich mir heute einen kleinen Ausflug vorgenommen. Hat mich das schon in der Nacht bis zu einem Albtraum gestresst?

Ich stelle mir vor, ich werde mich nach – sagen wir - ein, zwei Stunden Wanderung in die Wiese legen und einschlafen, da werde ich von irgendwelchen Rowdies bestohlen und, als ich aufwache, nieder geschlagen. Ich rufe die Polizei, es kommen dann jedoch Polizeirowdies, mit den Burschen verbandelt, und wollen sich mit mir eine Hetz machen a la Omofuma, die eskaliert ich werde von einem Polizisten angeschossen – ich soll tanzen, und deswegen schießt er vor meine Füße, ich tanze aber nicht und springe nicht, wie er es erwartet zur Seite und trifft mich so. Mir wird ein Prozeß  mit irgendwelchen konstruierten Anklagen gemacht und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, es wird behauptet, ich hätte die Polizisten wild attackiert. Keiner will mich verteidigen, der zugewiesene Verteidiger glaubt mir nicht und geht die Sache lustlos und gleichgültig, eigentlich kontraproduktiv an. Als man mir im Prozeß nachweisen will, daß ich mit einem gestohlenen Auto Richtung Hainburg gefahren bin, glaubt man mir nicht, daß ich gar nicht autofahren kann. Und als die Anklage ein Photo vorlegt, daß mich mit Maske und gezückter Pistole bei einem Überfall zeigen soll, und ich darauf hinweise, daß die Person am Photo eine linke Hand mit unversehrtem Daumen hat und ich meinen versehrten Daumen zeige, glaubt man mir nicht und unterstellt mir einen Trick, den zu beweisen oder auch nur zu erklären man nicht für nötig hält. Ich bitte, diesen Photoausschnitt mit der linken Hand vergrößert zu zeigen, damit es klar sichtbar ist, aber man weigert sich.

Ich überlebe die Schußwunde im Bauch und befinde mich im Gefängnis, in der Krankenstation noch einigermaßen geschont, aber bald allen Schikanen der Justizwache und der Kriminellen ausgeliefert. Selbst in meinem Alter muß ich fürchten, als Rang- und Wehrloser von einem Gewalttäter vergewaltigt zu werden – es geht ja um Macht, nicht um Schönheit – und vom Boß der Häfengang zur Fellatio genötigt zu werden. Die anderen Zellengenossen halten mich fest – keiner traut sich gegen den Boß aufzubegehren – und ich nehme mir fest vor, dem Schwein den Schwanz abzubeißen – und wenn sie mich umbringen! Aber als es so weit ist, bekomme ich keine Luft und kann nicht mehr …


Oh Gottseidank! Ich höre die Tageskinder die Stiegen heraufsingen! Der Albtraum hat ein Ende!












(7.5.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 6. Mai 2020

1825 Lustlos


Ich lasse meinen an den Polsterstapel gelehnten Kopf nach links fallen und blicke lustlos auf meinen Haus- und Votivaltar. Ich lasse meinen Kopf nach rechts rollen und schaue schief auf – ach was! … Also auf die Rückwand des Kastls am Bettende mit ihrem diversen Pinzeugs, die Beschwörung in griechischen Buchstaben, das Körperfeelingbild meines Körpers zum Zeitpunkt XY, die liebesgegebene Platanenzeichnung, mein Votivbild für erfolgreiche Vorträge, die Karteikarte mit den Wörtern, die man besser streicht (GfK), das Bild eines Kornkreises, Päivi Vähäläs Bü. Dann nehme ich mein als Schreibbeginn hingeschriebenes Datum am ansonsten noch leeren Blatt ins Visier, betrachte meine Schriftzüge, ob mir irgendetwas auffällt, eine Erkenntnis hochkommt … . Nichts fällt mir auf. Ich könnte sie nichteinmal als meine Schrift identifizieren, so fremd ist mir das. Dann schaue ich die mit romantischen Motiven  - graphisch gar nicht unsympathisch – bedruckte Bettdecke, aber heute ist sie mir schal und fade. Ein Hauch eklig.

Die Bücherwand, die vielen Bilder und Objekte, Steine, Laubblätter … nichts.

Meine rechte Hand ist für die Katze.

Meine Schreiberei macht mich nicht froh. Das Nicht-Schreiben vorm leeren Blatt war leichter.

Durch irgendeine träge Masse bin ich nun durch: mein Kopfweh ist fast weg und mein Geist klarer. Jetzt ist meine Müdigkeit rechtschaffen.











(5./6.5.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1824 Keine Literatur!


Ich sitze in einem Riesenhof vor einem wasserlosen Springbrunnen, blicke auf ein Dachreitertürmchen mit Uhr, die eine falsche Zeit anzeigt, weil sie steht. Inspiration kommt nicht. Über die falsche Zeit zu plaudern kommt mir zu blöd vor, alles viel zu kompliziert und viel zu mühsam zu beschreiben. Ich lauere, suche, warte zu sehr. Ach, Schluß!

„Es ist nicht notwendig, dass du aus dem Haus gehst. Bleib bei deinem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still und allein. Anbieten wird sich dir die Welt zur Entlarvung, sie kann nicht anders, verzückt wird sie sich vor dir winden.“ (Franz Kafka, Zürauer Aphorisemen (109))

Das ist Literatur!

Zwei slawische Frauen, die sich gerade dort drüben hinsetzen, ziehen ihre Militärjeansjacken ab und ich kann ihre schönen runden Bäuche, ihre schönen runden Schenkel, ihre schönen, runden, kräftigen Brüste durch ihr eng anliegendes Gewand und ihre schönen runden Gesichter sehen.

Seht ihr?! Ich will viel zu viel! Nicht wollen, nur warten, nicht warten, nur sehen. Vom Warten kann ich nicht weiter herunterschalten. Die Welt öffnet sich nicht, nur mein inneres Gedankenchaos und verheimlichte gewöhnliche Wünsche.

Also: keine Literatur!











(5.5.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1823 Ein Scheiß Text


Die Gegenstände hängen wie komplizierte Einstülpungen von außen eben an der Außenhaut meines kleinen Raumes herein. Ich schließe meine Augen und bin erstaunt, daß ich sie zum Schreiben wieder öffnen muß. Enttäuscht. Ich bin im grauen Land. Aber nachdem meine Mission schon aufgegeben wurde, ist das völlig egal. Keine Bodenstation nimmt noch meine Funksprüche auf.

Warum immer gleich diese Stimmung, sobald ich zum Kuli greife? Als zöge sie der arme Kuli hervor, oder meine Schreibstartrituale. Woher? Aus der Luft? Aus meiner Seele? Aus meinem Repertoire? Von den Misthaufen der Menschheitsgeschichte?

Die Katze weiß es besser. Ich verordne mir wenn schon nicht Fröhlichkeit so doch Neutralität. Nach Schweizer Vorbild. Raushalten und ordentlich Geld verdienen. Mir fehlen bloß Fleiß und Disziplin – mischt sich mein innerer Kritiker ein.

Zurück zu den gegenständlichen Einstülpungen.

Ein Hauch des Windes und schon …

Der … Versuch, tiefsinnig zu sein. Oder zu scheinen.

Zurück zu den Ein-Ausstülpungen, die sich mir entgegenstrecken, wenn sie fest sind und hängen, wenn sie noch schlaff sind, von einer äußeren Kraft hereingepresst. Alles steht an der Wand. Nur keine französischen Schmähs!

In Viruszeiten wie diesen darf ich beim Schreiben einschlafen.









(5.5.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Samstag, 2. Mai 2020

1822 Im Grünen


Gestern waren wir im Grünen. So wie es viele Lieder, aufmunternde Kommentare und der Optimismus anpreisen. Meiner Frau ist es nämlich gelungen, mich aus meiner depressions-resignierten Selbstquarantäne hinaus zu locken. Es war wunderschön! So wunderschön! Das Grün so intensiv, meine inputreduzierten Sinne waren vor Staunen ganz, ganz offen und haben alles aufgesaugt. Die leichte Brise, die von Zeit zu Zeit Bäume und Büsche wiegt, dieser schöne, sanfte Osthang des Bisamberges mit seinen vielen Wiesen und Weingärten, mit den unglaublichen weiten Blick über die Stadt rechts von der kleinen Baumgruppe und links hinüber bis zu den Bergen der Tatra, und man ahnt die ungarische Tiefebene hinter den Hügeln rechts von Hainburg. Was für ein Ausblick! Die schimmernde Weite wie ein Versprechen. Selbst die vielen Windräder wirken von hier aus poetisch, wie sie gedankenverloren und innerlich abwesend beim Heranschleichen einer Brise ihre Rotoren drehen. Und die Dörfer, die man da und dort vermuten oder deren man eines Kirchturms wegen mancherorts sicher sein kann, von denen ich genau weiß, daß ich in meiner inneren und äußeren Verfassung dort nicht leben könnte, strahlen etwas anziehendes aus und eine große Sehnsucht nach etwas, das ich zu kennen glaube, aber nie erreicht habe, das mir bekannt und unbekannt ist, nimmt von mir Besitz. Ich war glücklich!

Am Weg zurück, schon unten im flachen Teil, den fast ebenen Feldweg entlang, werfe ich einen Blick auf einen kleinen Riedel, einen langgezogenen Hügel, mit Weingärten, aber die Stelle, die mich einnimmt, ist eine Wiese, locker von Bäumen bestanden, von der ich den Blick nicht abwenden kann und will, die mich voll erwischt, sie ruft eine solche schmerzhafte, dennoch schöne Sehnsucht hervor, jetzt im betörenden, abendlichen Sonnenlicht und noch dazu, wo eine Kirchenglocke läutet. Meine Sehnsucht wird ungeheuerlich, als wäre dort in diesem Hain, auf der schönen Leite meine Erfüllung, oder dort oben an der Kuppe des Riedels, oder dort, wo ich von der Kuppe hinsehen könnte, gleich dahinter … . Ich gerate in eine Art Trance, komme in ein Dejavu, als kennte ich das schon, als hätte sich hier vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden mein Leben erfüllt, oder hätte sich ausgerechnet da entschieden, oder weiter hinten, oder noch weiter, jedoch ganz nahe, in den Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, aber immer glaube ich, den entscheidenden Kern, den entscheidenden Punkt, die entscheidende Erkenntnis habe ich gleich, gleich erreicht.

Ganz erfüllt von dieser Schönheit und Intensität und von der Sonne, aber auch müde komme ich nach Hause.

Und in der Nacht dann gerate ich in eine unglaublich schwere Trauer. Es tut so weh! Mein Leben kann ich nur mehr als vertan und verpfuscht ansehen, nichts zustande gebracht, nichts hat Bestand, höchstens ein wenig Überleben; keine Fülle, kein Geschenk an die Welt, keiner Verausgabung, keine Hingabe, alles, was ich hergeben wollte, ins Leere gefallen. Mir kommt alles zu spät vor. Mir kommt vor, ich könne nur noch warten, bis Bruder Hain Erbarmen hat und dem Desaster ein Ende bereitet. So kommt es mir vor. Und das Schlimmste: dass ich trotz dieser Schönheit, trotz dieser Intensität so verzweifelt bin – das kann ich mir kaum verzeihen und ich fühle mich in dieser Welt noch unwürdiger und noch mehr als Versager. Trotzdem werde ich diesem Bruder Hain nicht entgegengehen; das verbietet mir mein letzter Rest an Stolz. Ich werde mein Warten so gut es geht genießen: im Abseits ein bißchen schreiben, essen, Kaffee trinken, viel Schlafen, Musik hören, Krimis schauen, meine Kommentare und Scherze und Wortspiele auf Facebook posten – ob unnötig oder nicht: egal.









(2.5.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Mai 2020  peteraloisrumpf@gmail.com