1840 Wundertäterfragment 27
Zögernd öffnete er
die Wundertüte. Unter erheblicher seelischer Anstrengung zog er das rosa Ding
heraus, betrachtete es zuerst lachend, wie es so schlaff in seiner Hand lag,
aber je länger er hinsah und es so vor sich hinmeditierte, umso trauriger wurde
er. Schließlich wandte er sich weinend ab, ging die Treppe hinunter, zog den
Mantel an, setzte seine Mütze auf und verließ den Palast.
In immer größerer
Angst stürzte er in die stürmische Nacht hinaus, rannte die Allee hinab, bis er
dann endlich in den schmalen Weg zum Wald einbog. Es lief so gut es ging durch
den finsteren Wald, über die Wurzel der Bäume stolpernd versuchte er sein
Gleichgewicht nicht zu verlieren. Und wirklich: er fiel nicht.
Beim Abgrund hinter
dem Wald angekommen nahm er Anlauf und sprang in die Tiefe. Da er jedoch
ein Wundertäter war und obwohl er noch nie ein Wunder vollbracht hatte, gelang
es ihm, seine bislang ungenutzten Flügel aufzufalten und auszubreiten. Und zum
ersten Mal legte er diese seine prächtigen Flügel auf die herrliche Luft und
begann ganz sanft und wunderbar dahinzugleiten. Mit jubelndem Herzen und
jauchzender Seele flog er mit neuer Kraft der aufgehenden Sonne zu.
(Für Daniela, die sich eine Wundertätergeschichte wünschte und mir dafür zehn Wörter zur Verwendung vorgab)
(21./22.5.2020)
©Peter Alois Rumpf,
Mai 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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