Freitag, 29. April 2016

349 Die Jammertour

Heute schreibe ich nichts! Nein, heute schreibe ich nichts! Nein! Nein! Ich muß die Wäsche waschen und ich will heute wieder einmal mindestens eine Stunde lang Tensegrity üben. Die Wäsche wollte ich schon vor zwei Stunden in die Maschine geben; also bin ich schon in Zeitnot. Nein, es geht sich heute einfach nicht aus.

Unten weint ein Kind. Mein Gott, wenn ich da mit dem Wäschekorb durchgehe, bringe ich noch mehr Unruhe und Irritation hinein? Schließlich sind sie ganz neu hier. Verdammt, ich hatte mir doch vorgenommen, vor zwei, zweieinhalb Stunden aufzustehen! Da hätte ich die Wäsche vor der Rushhour ganz problemlos reingeben und mich rechtzeitig wieder herauf in mein Zimmer zurückziehen können. Warum habe ich das vergessen? Vielleicht sollte ich meinen Tagesrhythmus überhaupt umstellen: um fünf oder halbsechs in der Früh mit dem Üben beginnen und wenn ich um viertelnachneun, halbzehn von der Arbeit heimkomme, dann gleich schlafen gehen.

Aber da störe ich womöglich beim Frühstück. Außerdem hat die Nacht, wo die meisten Bewußtseine schlafen und, und weniger Strahlung aussenden, auch etwas für sich. Diese Ruhe.  Und nach der Arbeit bin ich immer so aufgedreht und kann mich nur langsam beruhigen.

Jetzt kann ich nicht runter; es treffen sich gerade euphorisch laute Mütter mit ihren Kleinen zum Spielraum. Die müssen sich erst an alles gewöhnen hier. Da kann ich nicht einfach so durchlatschen.

Himmelherrgottnochmal! Warum bin ich nicht einfach wenigstens um halbsieben aufgestanden? Warum ist dieser Vorsatz nicht in meinem Bewußtsein durchgedrungen? Früher mußte ich beim Einschlafen nur denken „halbsechs“ und ich war um halbsechs wach, egal ob ich am Abend vorher nüchtern oder betrunken war. Das hatte immer super funktioniert.

Mir fehlt es einfach an Durchschlagskraft, auch mir selber gegenüber. Ich schleiche übervorsichtig herum wie ein U-Boot, eine illegale Existenz.

Ach, Böldsinn! Das hat doch nichts mit dem rechtzeitigen Aufstehen zu tun! Du bist wieder auf der Jammertour. Es liegt an dir, dich selbstverständlich durch die Welt zu bewegen.

Jetzt spielen sie unten im Wohnzimmer heraußen, da kann ich wirklich nicht durchgehen. Also der Vormittag heute ist verschissen. Wieder Pläne und Vorsätze begraben. Morgen werde ich auch wenig Zeit haben. Sonntag könnte ich vielleicht meinen Kindheitsträume-Text endlich fertigschreiben. Der wievielte Anlauf wäre das? Ein Wundertäterfragment liegt auch angefangen herum. Montag geht die Arbeit wieder los. Ich wollte auch einige Besorgungen machen. Ich bin mit allem hintennach.










©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 28. April 2016

348 Eine Sensation

Vergeblich suche ich herum nach Sätzen. Ich lasse meine Augen, Ohren, Fühler kreisen, bei offenen und bei geschlossnen Augen. Die Sinne finden viel, jedoch zerbröselt alles wieder, es kristallieren keine Sätze aus. Mein Geist ist noch verschlafen, taumelt noch im letzten Traum, will immer noch die Abwasch reparieren, und weiß nicht, wie das geht. Im Nacken und im Hinterkopf ein leichter Schmerz, nicht weiter schlimm, ich werde darauf achten. Die linke Hand erfaßt ein unbekanntes Wogen, die rechte auch, als würden Wellen durch sie gehn, zum Teil von innen, zum Teil von außen kommend und heben alle Grenzen auf; sehr fremdartig ist diese Sensation.

Mein Geist schweift ab und findet sich im Billa; er will beim letzten Einkauf finden, was er sich merken wollte, aber längst vergessen hat. Er registriert das Ziehn in Hinterkopf und Nacken und fragt sich, was das ist.

Dann springt er plötzlich weit zu einer Szene bei der Post vor zirka dreißig Jahren, da habe ich herumgebrüllt, weswegen kann ich nicht mehr sagen, vermutlich knapp an einer Anzeige vorbei. Das passt so gar nicht in mein von mir von mir gemachtes Bild. Hat es mit meiner Arroganz zu tun? Jetzt bin ich bei der Wahl im Mai. Das Ziehn im Nacken läßt nicht nach, wird stärker und strahlt aus.

Die Strahlung, die von meinen Büchern ausgeht, verdoppelt ihre Größen. Ich kann den Wahrnehmungseffekt dann nicht mehr wiederholen, nur manchmal ist ein Flimmern über einem Buch zu sehn. Ich spüre, ich bin ziemlich hungrig. Das kommt jetzt ungewöhnlich früh. Ich werde gleich auf diese Botschaft hören. Genug für heute. Schluß. Ein Bild von mir, wie ich zusammenstürze, schleicht grad noch unauffällig nach.


















©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 27. April 2016

347 Angst

Der Regen draußen schwemmt mir die weggesperrte Angst heraus, ich wache auf und bin von diesen Angstgewässern eingeschlossen, mein Herz erschrocken und verzagt. Ich möchte schreien, sehe keinen Ausweg mehr, doch bleib ich stumm, wie immer, wenn die Angst mich niederhält. Die Welt ist mir so fremd, ich kenne nichts, mir ist fast schlecht vor Angst, wo bin ich da gelandet!
Das Epizentrum dieses Schreckens ist im Bauch, hier hat die Angst sich festgebissen und frisst mich innen auf.
Die Träume vorher haben mich geschickt getäuscht, wie diese falsche Wirklichkeit, die mich jetzt umgibt und blenden will. In Wahrheit herrscht doch überall Entsetzen pur, nichts kann diesen Horror dauerhaft verbergen.

Ich atme ein und atme aus.         Allmählich verfestigt sich Realität um mich herum und ich kann ihren Lügen wieder besser glauben. Der schale Nachgeschmack von Selbstbetrug, weil ich den Lügenbildern wieder traue und feig dem Schock nicht standgehalten habe.

Im Bauch vibriert die abgedrängte Angst, viel schwächer schon in ihrem Rückzug. Die Katzen liegen rechts und links bei mir, sie haben sich dazugesellt, wie Wächter halten sie das Grauen ab, und lassen keinen neuen Angriff zu.

Und doch, es bleibt der Eindruck eines falschen Arrangements, ich habe mich von falschen Kräften kaufen lassen und mache bei der falschen Propaganda mit.

Vorhin war der Vorhang aufgerissen, und ich hatte einen Blick aufs wirklich echte Wirkliche getan.
Jetzt lasse ich mich wieder von den Bildern täuschen, und lulle mich mit heimeligen Lügen ein, ein unverbesserlicher Alltagsjunkie, der sich und seine Leut' betrügt.

Glaubt mir, liebe Leser, von nun an bitte nicht mehr, was ich schreibe.
















©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 26. April 2016

346 Herumkreisen

Mein Geist kreist herum, zwischen Gedanken und Bildern, die mir Angst einflößen, und solchen, die mich angenehm anziehen (obwohl …, nein, lassen wir das Wortspiel!), während meine Augen im Zimmer an den Wänden entlangwandern, Ausschau halten nach irgendwelchen Licht- oder Flimmerphänomenen, Wahrnehmungsirritationen und Abweichungen, um all das unauffällig versteckte Auffällige im Gewohnten zu entdecken und ins Bewußtsein zu heben: ein kleines, intensives Leuchten über einem Buch, bei der Flasche da ein blauer Hintergrund, Schattenkonglomerate, die im Raum zu schweben scheinen und wie eigene Wesen wirken, und so fort.
Meine Aufmerksamkeit verweilt manchmal mehr bei den phantasierten Geschichten und Bildern, manchmal mehr bei der sinnlichen Wahrnehmung, über verfließende Übergängen mäandernd und von einer passiven, kontemplativen Grundstimmung eingehüllt.
Meinem Herzen wird manchmal bange, dann wärmt es sich wieder an angenehmen Gedankenspielen und Bildern, geht auf und tritt dann wieder zurück in den Hintergrund einer neugierig abwartenden Beobachterhaltung.

Dann beschäftigt sich mein Geist mit potentiellen Lesern und Leserinnen meiner Texte, mit ausgedachten, aber erfolgreichen Lesereisen und mit dem heiligen Virgil von Salzburg, der über die Antipodenlehre die Welt nicht einfach als Scheibe gesehen und infolgedessen einen sozusagen „multikulturellen“ theologischen Ansatz angedacht haben soll (weil durch die als undurchdringbar gedachte Hitzezone am Äquator die Lehre Christi nicht zu den Antipoden gelangen kann). Angeblich soll er dafür von Bonifatius angezeigt worden sein. Das passt mir gut in mein Weltbild, denn diesen Bonifatius mag ich überhaupt nicht. Genau das werde ich mir merken. Ausgelöst hat das ein esoterisch angehauchtes Video auf Youtube, das ich gestern Nacht angeschaut habe, und mein nächster Sprung zu Johannes vom Kreuz geht auf die nächtliche Lektüre eines Textes eines Freundes zurück, in dem es um Galileo Galilei geht. Denn Johannes von Kreuz soll an der Universität von Salamanca das heliozentrische Weltbild kennengelernt haben, wie aus einem seiner Schriften – so heißt es -  hervorgeht. Ich kreise noch um dieses komplexer und umfangreicher werdende Thema, komme auf Giordano Bruno, die Kirchengeschichte und auf quasi wissenssoziologische Überlegungen über das Verhältnis von gesellschaftlichem Konsens und Individuum hinsichtlich der Weiterentwicklung des menschlichen Wissens, damit wieder einmal auf Döbereiner und .. aus! Schluß! Ich will diese Gedankenkette nicht weiter verfolgen!
Draußen ist es kühl bei strahlendem Sonnenschein.

















©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 25. April 2016

345 Odyssee 2016

Die Staubteilchen schweben im Zeitlupentempo durch den Raum. Ich habe gerade das Bett aufgeschlagen, mich reingelegt und dann zugedeckt. Odyssee 2016. Der Fall-Out legt sich auf die Gegenstände und auf mich. Irgendetwas pulsiert oder rotiert von weiter weg. Es hört oder fühlt sich so an, als käme es aus dem Innersten der Welt. Ich will überprüfen, ob es mit meinem Herzschlag übereinstimmt, aber immer wenn ich die Finger auf eine Ader lege, um den Puls zu fühlen, verflacht das Geräusch und klingt mehr wie ein gleichbleibender Ton ohne Hebung und Senkung. Vielleicht kommt der Ton von außen und der Rhythmus aus mir. Auch der Wecker gibt einen Rhythmus ab.

Jetzt spüre ich das dritte Auge. Zweiäuglein schläft schon.


Wie groß die Bäume da draußen geworden sind. Und vor allem die Weide wird vom Wind gewiegt; sie ragt schon über mein Gesichtsfeld hinaus. Die Essigbäume verharren noch etwas abwartend, bevor auch sie wie in stiller Erregung zu vibrieren beginnen.

Hinter mir knarrt und knackst es und ich höre Schritte. Unten die spielenden Kinder. Die kleinere Katze jammert vor der Tür, weil sie ins Zimmer will, die andere beobachtet mich mit strengem, angespannten Blick. Sie merkt, daß ich über sie schreibe, senkt den Kopf und richtet ihren Blick nach unten, entspannt sich und legt sich flacher in ihre Schachtel.

Die Weide greift in ihrem Tanz nach einem der Essigbäume, jetzt tanzen diese – ganz schüchtern – auch ein wenig mit.












©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

344 Wundertäterfragment 18

„Hey, Wundertäter! Du hockst immer recht lange vorm Computer!“

„Ja, ja, Facebook und so.“

„Und warum?“

„Ich hab jetzt keine Zeit für Geplauder. Muß Fußball und Wahlberichterstattung schauen.“











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Freitag, 22. April 2016

343 Zuerst hatte ich Besuch, dann war ich am Sprung

Habe gerade Besuch. Von anorganischen Lebewesen. Vermutlich. Und von einer Facebookfreundin; ich frage sie gerade, wo man in Klosterneuburg gut essen kann. Kein Siebensternelokal,  in dem einundzwanzig Kellner um einen herumtanzen und beim Essen zuschauen, sondern ein gutes, aber normales Gasthaus. Oder Restaurant. Wegen meines geplanten Ausflugs mit meiner Tochter zum Esslmuseum. Diese Friend ist meines Wissens nicht anorganisch, aber bloß in meiner Phantasie hier. Was man sich halt alles so ausdenkt.
Wer ist noch da? Moment, ich komme gerade von ihr nicht los … so, jetzt. Geht schon. Ein Engel auf Holz, gehörte eigentlich auch zu den Anorganischen. Der Johannes Tauler als Zeichnung, der Juan de la Cruz drüben bei der Bücherwand. Eine Flasche aus Fiuggi ... Okey! Stop! Das gilt nicht. Nur wirkliche Besucher gelten, nicht ihre Abbilder. Ob aus Fleisch und Blut oder als Geist – wurscht! Aber nicht als Abbildung oder Gedanke. Gut. Eine Motte. Die ist auch kein richtiger Besucher, denn möglicherweise lebt sie hier. Dann halt niemand. Es ist eh schon spät. Nach Mitternacht.



Ich habe meine Augen noch geschlossen und bin erst im Aufwachen, aber mein innerstes Bewußtsein ist schon am Sprung; es will auf und es sagt noch im Finstern: „es ist schon 7:28!“  Und es freut sich schon auf die Wahlen übermorgen. Es kommt mir so zwar frisch und jugendlich vor, aber auch ausgesprochen naiv in seiner Morgeneuphorie und seinem Wahlenoptimismus.

Meine äußeren Teile sind noch nicht so weit, die schlafen noch und wälzen sich im Bett, wehren sich träge gegen das Aufwachen. Aber dieses innerste Bewußtsein gibt nicht auf. Na gut, drehen wir halt das Licht auf. Tatsächlich: Siebenuhrdreißig. Die innere Zeitansage vor zwei Minuten hat exakt gestimmt. Und jetzt?

Draußen herrscht bereits die Ab-in-die-Schule-Hektik (an der ich historisch nicht unschuldig bin), aber eine Tochter bereitet sich vor, indem sie am Klavier langsam, ruhig und konzentriert ein paar schöne, berührende Akkorde spielt. Ja, so läßt sich der Tag beginnen.

Ich stehe auf und stopfe die Wäsche in die Waschmaschine. Das ist mein Part. Ich werfe meinen Kindern noch heimlich einen Segen nach, als sie bei der Tür hinausgehen. Und ich lache mich dabei aus. Von wegen klerikalem Getue; ich kann meinen priesterlichen Kindheitstraum doch nicht lassen. Oder ein Teil von mir. Ich bestehe eindeutig aus mehreren Parteien. Wer der Bundespräsident ist, weiß ich nicht. Möglicherweise abwechselnd. Schweizer Modell. Eine Monarchie wäre mir jedoch lieber. Alles mehr aus einem Guß. Und Kontiniutät. Pluralis Majestatis. Klingt doch schon ganz anders. Und auch der König David hat verrückt getanzt. Das geht also auch. Der König des eigenen Lebens sein. Vielleicht stecke ich auch in der Prinz-Charles-Falle, es regiert immer noch meine Mutter? Oder mein Vater? Oder gar der Döbereiner? Wer weiß! Die französische Revolution war auch sehr grausam. Außerdem kann ich kaum Französisch. Gerade ein paar Brocken, die ich kaum auszusprechen wage; ich käme mir bei meiner schlechten Aussprache ungebildet und plebejerhaft vor. Nicht adelig genug für die französische Revolution. Und der franziskanische Ausweg? Alles dem Vater hinschmeißen und nackt herumlaufen? Alles bebrüdern und beschwistern und mit Tieren und Bäumen reden und den Papst als Vater anerkennen und ihm Gehorsam leisten? (Wer wäre mein innerer Papst?). Zieht mich mehr an als ich zugebe. Aber nein, das Demonstrative mag ich nicht, zumindest nicht, wenn es zu auffällig ist. (Stimmt das wirklich, was du da sagst?). Also doch Demokratie? Wer bringt alle meine inneren Parteien unter einen Hut? Oder unter eine Überschrift? Oder unter eine Fahne? Oder unter ein Wappen? Oder wenigsten unter einen Namen? Ja, ja, ich weiß schon, was die Zauberer sagen, obwohl ich es nicht recht verstanden habe. Na gut. Gehen wir ans Üben.










©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com



Mittwoch, 20. April 2016

342 Echolotl

Mein inneres Echolot sucht herum nach irgendeiner Resonanz. Es sucht im Innenraum meiner Seele und es sucht draußen und findet nichts. Die einzigen, die Töne abgeben, sind die Katze, der Wecker und der unbekannte Erzeuger meines Surrens, aber darüber habe ich schon genug geschrieben. Jetzt kommt die zweite Katze und macht auch mit. „Aber die sind heute nicht mein Thema“, stellt mein innerer Zensor fest. Ihm geht es um Qualität und abwechslungsreiche Texte, behauptet er. Daß den Leserinnen nicht fad wird. Er nimmt auch Rücksicht auf die weiblichen Leserinnen (sic!) und daß sie nicht ständig unter männliche Plurale subsummiert werden. Vielleicht ist auch der Erzeuger meines Surrens eine Erzeugerin? Das Universum ist schließlich weiblich, sagen die Zauberer. Und Zauberinnen.

Nach dieser Schmähführerei ist wieder Flaute. Meine Stimmung beginnt sich ganz unmerklich zu ändern, es kommt sozusagen ein Ziehen herein. Innen setzt sich langsam etwas in Bewegung. Ganz langsam und schwerfällig. Wie vorm Ausbruch einer Lawine. Und das in Zeitlupe.
Wo wird mich die Lawine hinreißen? Oder bricht sie gar nicht aus? Jetzt lieber nicht schreien! Die Schallwellen könnten sie auslösen.

Komm! Komm von den Übertreibungen runter! Versuche mehr am Kern zu bleiben.

Oh, jetzt knurrt mein Magen. Das ist viel zu früh! Ich frühstücke doch erst gegen Mittag. Jetzt ist es erst gegen neun.















©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 19. April 2016

341 Tun

Ich lehne da wie ein umgekippter Würfelhocker, die Beine angezogen, aber die Fußsohlen fest am weichen Matratzenboden. Gleich fühle ich mich schwebend, und richte einen imaginären Teppich unter mir her, schiebe ihn direkt unter mich. Ich bin mir dieses Perspektivenwechsels bewußt und staune ein wenig darüber, wie schnell und wach er von sich ging.

Eine Kraft jedoch will mich weitertreiben, in Aktivität hinein, vom Träumen und Schreiben weg, will aufspringen, tun, tun, tun. Diese Kraft setzt in meiner Körpermitte an; ich spüre sie gleich unter dem Nabel ziehen. Komm! Auf! Und mein heutiger Text? Ist nicht so wichtig. Hinaus!
Ein Teil von mir pendelt noch etwas hin und her, ist noch nicht ganz da, muß sich erst vom Schweben lösen.
Ich muß die Chance ergreifen, wenn ich nicht zurücksinken will. Ich höre draußen am Gang Leute deutlich reden, laut genug, um mich kurz aufzuscheuchen, aber ich kann trotzdem ihre Worte nicht verstehen. Eigenartige Rufe erreichen mich. Kinder? Tiere? Das ist aus dem Geräuscheuniversum um mich nicht herauszufiltern.



Kleine, weiße Wolken ziehen an den Rauchfängen vorbei, friedlich und ruhig. Nur im Wipfel der Weide spielt ein leichter Wind. Betretene Stille. Betreten? Warum? Ich weiß es nicht. Ein etwas stärkerer Wind erzeugt ein Schattenspiel auf den Stämmen und Ästen der Essigbäume. Auch die Katze schaut zuerst erstaunt zum Fenster hinaus und dann fragend zu mir her. Ja, was ist da draußen? Ich weiß es nicht. Ein neuerlicher Windstoß lockert das ganze etwas auf, aber nur kurz und vorübergehend, dann ist die Spannung wieder da. Ich verstehe sie nicht, ich durchschaue sie nicht. Das Schattenspiel wirkt auf mich etwas verloren, als wäre der Welt da draußen etwas entglitten und sie wäre nun traurig.
Das muß ja wirklich nicht sein, der Himmel strahlt blau und alles ist wieder ruhig.












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340 Wundertäterfragment 17

„Wundertäter! Warum vollbringst du keine Wunder?“

„Das weiß ich selber nicht so genau. Ich glaube, ich bin in wilde Kämpfe im Unsichtbaren verstrickt.“

„Wie?! Was?!“

„Nun, zum Beispiel, ich sage den mir Anvertrauten, daß es nicht gut ist, dort und dort hinzufahren, weil ich eine Bedrohung spüre. Das sage ich dann nicht so deutlich, sondern eher so, als hätte ich einfach keine Lust. Sie hören nicht auf mich und wir fahren trotzdem hin. Jetzt muß ich im Unsichtbaren, also in dem Raum, in dem sich das Geschehen hier auf Erden vorbereitet, dieses drohende Unheil neutralisieren. Und dafür muß ich viel kämpfen und brauche viel Energie. Da bleibt mit keine mehr für konventionelle Wunder und auch kaum noch Energie für den Alltag. Und manchmal fürchte ich, es fehlt mir dafür schon die Kraft. Außerdem muß ich ständig das Unheil, das durch das destruktive Handeln meiner Vorfahren erschaffen wurde, abwehren, damit wir als Erben halbwegs unbeschadet durchkommen.“

„Hähh?!“

„Na, ja, jede Handlung erzeugt eine bestimmte Aura, sozusagen einen energetischen Spin, der in der Welt, auch und gerade beim Handelnden und seiner Umgebung, weiterwirkt. Und wenn die Handlung zerstörerisch ist, im wahrsten Sinn des Wortes destruktiv, von Haß und Empathielosigkeit geprägt, dann erzeugt sie einen ebensolchen Sog, der auf die Täter und seine Energie zurückwirkt. Glaubst du im Ernst, da kann fast eine ganze Generation Millionen Menschen umbringen, und das wirkt auf die Täter nicht zurück? Ihre Energie ist von ihrer Tat verseucht, und diese verseuchte Energie wird an ihre Umgebung, ihre Geschwister und Familien und an die nächsten Generationen weitergegeben. Dann kommen natürlich noch die eigenen destruktiven Handlungen dazu. Das alles kostet viel Energie, wenn man es bereinigen will. Die meiste eigentlich.“

„?!?“



















©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 15. April 2016

339 Die Wangenknochen

Es ist früher als sonst und das Wasser läuft mit einem satten Rauschen in die Badewanne. Nicht für mich. Ich liege im Bett und bleibe noch liegen.

Ich verschreibe mich leicht und oft, und jetzt war es das erste Mal, daß ich irrtümlich statt „ich“ ein anderes Wort geschrieben habe. Sonst ist es umgekehrt, ich will ein Wort schreiben und schreibe irrtümlich „ich“; statt „ist“ zum Beispiel. Aber wen brauchen schon die Spielchen des Ego interessieren, davon geht nichts erhellendes aus.

Die Katze fordert ihr Gestreicheltwerden fast aggressiv ein.

Ist das ein Muskelkater im Gesicht? Das Ziehen und leicht Verkrampfte? Wo war ich in den Träumen? Was mußte ich auskämpfen?
Am Gaumen ist irgendetwas, das bis in die Wangen und Nebenhöhlen ausstrahlt. Ich fahre mit der Zunge dorthin. Ja, ja, ich spüre es deutlich.
Jetzt werde ich müde und die Augen fallen mir zu. Ich wische noch die Katzenhaare vom Papier, dann lege ich das Zeug weg und gehe in die Meditation. Sofort fühle ich mich am Rücken liegend schweben, aber mit einem komischen Schieben von links, ein leichter Drall, als wollten sie mich von meinem Schwebebett abwerfen.

Am stärksten spüre ich die Wangenknochen, als hätte sich das Erröten von den Wangen bis zu den Knochen durchgebrannt; die Konditionierung auf Scham und Wut ist nicht nur Fleisch und Blut übergegangen, blamiert bis auf die Knochen, sondern hat dort ein Brandmal hinterlassen, denn im Augenblick fühle ich weder Wut noch Scham.
Lange bleibe ich in dieser unheiligen Balance - weil Innere Stille ist es nicht. Auch mein Geist läuft nicht allzu weit davon und kommt immer wieder zurück, still jedoch ist er nicht.
Dann reißt mich ein lautes Rufen unten aus diesem Zustand. Es gilt nicht mir und löst einen leichten Schock aus.












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338 Wundertäterfragment 16

Na, Wundertäter, gut ausgeschlafen? Und hast du luzid geträumt? Nein!? Ja, he! Was ist los mit dir? Nicht einmal luzides Träumen kannst du? Bemühst du dich nicht schon Monate, wenn nicht Jahre darum? Ja? Dann wohl nicht ernsthaft genug. Ich kenne sonst keinen, der solange braucht, das bewußte Träumen zu lernen. Hast du nicht erzählt, daß du es als Kind ganz leicht konntest? Dich an die Träume erinnern, im Traum bewußt sein, manchmal - in Not und unbeholfen zwar - aber doch sie zu steuern, von einem Traum in den anderen wechseln, in neuen Träumen aufwachen, bewußt aus einem Traum aussteigen … etcetera. Also, was ist!? Zu wenig Energie? Dann lebst du ein energieverschwenderisches Leben. Du weiß doch, daß dieses Träumen eine wichtige Technik der Zauberer und Schamanen ist, der Schlüssel für solche Aktivitäten. Wenn da nichts wird, schaut's schlecht aus mit Wundern.
Na gut! Ich wünsch dir noch viel Glück dabei.












©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

337 Wundertäterfragment 15

Hey, Wundertäter! Wie schaut's aus? Schon weitergekommen? Nicht? Oh weh! Noch keine anorganischen Wesen kontaktiert? Ich weiß schon, in den Träumen tummeln sie sich geradezu, aber ich meine bewußt, aktiv, mit wachem Bewußtsein? Nein? Vielleicht besser so. Sie sollen ziemlich gefährlich sein, zumindest einige Arten von ihnen. Und die Harmloseren sind schnell lästig, erzählt man. Du willst dich darauf gar nicht einlassen? Angst? Hm, ja, verständlich, du hast auch noch zu viele Enden offen in deinem kleinen Leben. Mehr Disziplin, mein Freund! Na gut, dann bring erst dein Leben in Ordnung. Viel Zeit hast du nicht. Du lebst nicht ewig.
Schön blöd, gell? Die Menschen sind für Wundertäter gefährlich, die anorganischen Lebewesen auch. Hi, hi, hi, du sitzt in der Patsche. Keine Wunder vollbringen wird dir auch nicht helfen.












©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

336 Wundertäterfragment 14

Nun, und jetzt? Wundertäter, wie willst du das angehen?

Wenn du ständig so rücksichtsvoll und zurückhaltend bist, wirst du kein Wunder vollbringen. Du brauchst Rücksichtslosigkeit, um Wunder zustande zu bringen. Wunder stoßen die Menschen immer vor den Kopf. Und auch wenn sie begeistert sind – sie werden jede Gelegenheit ergreifen, es dir heimzuzahlen. Zumindest die Menge. Ungefährlich ist es also nicht. Du kannst ja auch heimlich Wunder vollbringen, ohne daß es das Publikum merkt. Aber leicht ist das nicht. Wie kannst du zum Beispiel jemanden heilen, ohne ihm einen Stoß zu versetzen? Du müßtest dann die Umgebung für dich arbeiten lassen. Auch sehr anstrengend. Und Rücksichtslosigkeit brauchst du dafür auch. Darum kommst du nicht herum.












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335 Die rosa Bevölkerung

Ich höre ein schnelles Pulsieren. Mit meinem Puls hat das nichts zu tun, obwohl der auch schnell ist. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich das Pulsieren höre oder fühle.

„Das ist in der rosa Bevölkerung unverhältnismäßig viel!“, sagt eine innere Stimme. Aha! Ich bin schon am Einschlafen; mein Bewußtsein rutscht schon in Träume. Dann lege ich jetzt das Schreibzeug weg und drehe das Licht ab.









©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 14. April 2016

334 Der schale Geschmack im Mund

Der schöne, fruchtbare Regen in der Nacht.
Der helle, sonnige Morgen.

Ein leichtes, feines, kaum wahrnehmbares Zittern ist in meiner rechten Hand und läuft den Arm hinauf. Die Welt spricht nicht mehr zu mir. Was habe ich getan? Oder ist meine Wahrnehmung überfordert und außer Gefecht gesetzt? Das Licht am Tunneleingang, durch den ich gekommen bin, entfernt sich immer mehr; vom anderen Ende ist noch nichts zu sehen. Das Surren umkreist meinen Kopf laut und intensiv, als wäre ich in einem unsichtbaren Hubschrauber. Aber abheben kann ich nicht, ich falle immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. So oder so geht nichts weiter. Die schnurrende Katze verlagert den Geräuschschwerpunkt nach außen. Bipolare Störung sozusagen. Jetzt etabliert sich das Weckerticken als dritte Geräuschzentrale. In meinem Zentrum kreist das Surren nicht mehr, sondern sitzt mir auf den Schultern und umschließt meinen Kopf, besonders die Ohren.

Die helle Lichtsäule beim Fenster hat zunächst optimistisch gewirkt, jetzt wirkt sie müde. Sie strahlt immer noch, aber hohler, substanzloser, leerer. Was ist da wirklich los!? Alles löst sich auf, aber vergeht trotzdem nicht. Seelenlose Formen bleiben zurück, die sinnlos herumliegen, stehen, hängen. Beziehungslos und stumpf. Und ich mitten drin, dumb, taub, dumm.

Habe gerade mit meiner verschwommenen Wahrnehmung einen „falschen“ Gegenstand zusammengebaut. Ich kann es sogar wiederholen. Ich habe trotzdem nicht den Eindruck, einem Geheimnis auf der Spur zu sein. Ja, das ist es, ich habe die Spur verloren! Ich navigiere nicht mehr. Hänge ich fest? Jetzt bewegt sich wieder etwas da vorne, vermutlich ist es das Rollo im Luftzug, das die Lichtsäule ins Pulsieren bringt. Auch das nur ein leerer Effekt.

Es fühlt sich so an, als würde ich mir auch meinen Puls bloß ausdenken. Dieser schale Geschmack im Mund.
















©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 13. April 2016

333 Die Karte mit der Nummer Dreizehn

Ich blicke erfolglos herum. Ich finde nichts, von dem Inspiration ausgeht. Alles ist verstummt. Oder meine Augen sind stumpf geworden.
Ich fühle nach innen, auch da finde ich nichts. Meine Seele wirkt ausgelaugt und leer. Diese ungute Leere, wo alles vollgeräumt ist mit leeren Hüllen und herumliegenden Resten, Bruchstücken.
Ich schaue wieder herum und führe meinen Blick über die Schrunden, Flecken, Unebenheiten der Wände, aber die Augen erholen sich nicht. Mein Blick bleibt gleichgültig und erfreut sich nicht. Mir fallen immer öfter die Augen zu.


Die Zähne zusammengebissen wache ich auf. Wo habe ich durch müssen? Keine Ahnung. Komm, entspann dich. Ich ziehe die Luft in einem tiefen, langen Atemzug tief ein, und lasse sie erleichtert wieder ausströmen. Der verspannte Brustkorb weitet sich im nächsten Atemzug. Ein kleiner innerer Taumel erfaßt mich, bringt mir meine Gedanken durcheinander. Das Ausatmen geschieht leiser als das Einatmen. Jetzt denke ich an die vielen alleingelassenen Frauen (dem andrängenden Folterbild gebe ich jetzt nicht nach. So sehr darf mein Onkel mein Seelenleben nicht bestimmen), wie sie sich durchschlagen müssen. Jetzt kippen meine Gedanken ganz woanders hin, und ich spekuliere, ob auch ich bald gekündigt werde. Ein ungutes Gefühl beschleicht meine Innereien und versetzt meinen Bauch in leichte Aufregung. Ein tiefer, seufzender Atemzug bringt mich wieder auf andere Gedanken.

Die da, das sind keine ehrlichen Leute, sie betrügen auch sich selbst. Auf die kann man keine Hoffnung setzen.

Eine Klage vor Gericht wäre auch nicht schlecht, aber ich würde mir das nicht antun. Ich bin kein Rebell und auch kein Robin Hood. Steuern! Steuern! Ja, ja, der Ustinov! Endlich wieder lächeln. Gebt Schwermütigen nicht zu viel Macht, aber läßt sie auch nicht verhungern.

Einen schönen Tod muß man sich erst verdienen. Auch ich werde durch einiges Schmerzhaftes hindurch müssen. Ach, was ein gelungenes, ehrliches, rechtschaffenes Leben wert wäre! Ein Leben, das mit dem eigenen freien Gewissen übereinstimmt, nicht verzerrt von Gier und Neid; ohne hämisch grinsenden Berater zur Seite.

Ich lerne schon noch über mich. Es ist noch nicht vorbei.

Mein leerer Schreibtischsessel starrt mich herausfordernd an.

Verstehe ich Sie richtig, Sie wollen mit mir nicht mehr reden? Nicht nur jetzt nicht, sondern überhaupt nicht mehr? Ich wollte Sie nicht belästigen, ich wollte das Ganze nur verstehen. Jetzt werde ich mit dem Wenigen zurechtkommen müssen. Ich werde mich anstrengen.











©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 12. April 2016

332 Der Klotz

Ich komme mir vor wie ein Klotz, starr, unbeweglich, in Extremitätenlosigkeit gefangen. Ein grober Pflog, von Surren eingehüllt, bewegungslos, passiv.

Allmählich lockert sich die Starre zu meiner natürlichen Gestalt; ich habe Arme und Beine, noch ein bißchen steif, noch ein wenig fremd und unbeholfen, immer noch ein Klotz in Hals und Brust; und die Eingeweide so, als hätten sie in meiner Traumabwesenheit zum Beispiel einen Schlag bekommen, an den ich mich nicht erinnere, aber dessen Auswirkungen ich jetzt spüre.

Das grauenhafte Bild vom Samstag ist nun nicht mehr wegzudrängen. Der Kugelschreiber fällt mir aus der Hand. Es fällt mir nichts anderes ein als Verpflichtungen, wenn ich an was zu tun ist denke. Ein ankommendes Kind ruft ein freudiges „Jaaa!“ Wie eigenartig die Welt doch ist! Meine Augen füllen sich mit Tränen, aber ich weine nicht. (Dieser Impuls wird automatisch, ohne mein Zutun abgewürgt.) Einerseits – wie erleichternd, daß das Leben einfach weitergeht, andrerseits – wie befremdlich und unhaltbar. Daß die Nägel sich nicht wehren können und sich gegen die Hämmerer richten! Oder sich zumindest verflüssigen. Ich weiß, daß sie so handeln wollten, aber es ist ihnen das eigenständige Handeln nicht erlaubt. Das Eingeschlagen-Werden macht ihnen nichts aus, aber der Mißbrauch. Für Folterungen gebraucht zu werden, da wehren sie sich innerlich, denn sie haben mehr Mitgefühl als die Folterer, aber das Handeln ist ihnen nicht gegeben, sie können nichts dagegen tun. Things Liberation. Befreit die Dinge aus ihrer Sklaverei bei den Menschen. Die ganze Schöpfung wartet auf ihre Erlösung.

Ich bin als Kind eine Woche lang jeden Tag in der Bäckerei meines Onkels gestanden und habe ihnen bei der Arbeit zugeschaut. Das Handwerk hat mich fasziniert. Jetzt dreht es mir beim Wort „Handwerk“ beinah den Magen um. Wirklich, ich muß zufrieden sein, wenn ich diese Welt aushalte. Mehr ist für mich nicht drinnen. Obwohl das auch niemandem hilft, am wenigsten den Opfern, den Frauen.

(Auch die Erzählungen müssen befreit werden, das Gesprochene und Geschriebene, daß sie niemand für irgendetwas mißbrauchen kann, zum Beispiel um sich wichtig zu machen oder sich in ein gutes Licht zu stellen. Daß sie nur erzählen und nur für das Erzählte da sind und Platz haben.)












©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 10. April 2016

331 Ohne Worte

Ich werde das Bild von den an ihren Zungen an den Tisch genagelten Frauen nicht los. Mein Onkel hat das getan, der große Bruder meiner Mutter, von ihr bewundert, zu ihm hat sie aufgeschaut. Jetzt finde ich keine Ruhe. Ich versuche das Entsetzen wegzuschieben, aber es gelingt nicht wirklich. Ich ahnte schon, daß er als SS-Mann an Verbrechen beteiligt war, aber das war abstrakt. Gestern habe ich erfahren, daß dieser Onkel im Rausch öfters von seinen Untaten geredet hatte. Lange hat es gebraucht, bis diese Geschichte zu mir durchgekommen ist. Gestern Abend hat sie mich erreicht. Mir war schon ein paar Stunden vorher schlecht. Und jetzt ist es so, daß ich mich an keinen Tisch setzen kann, ohne daran zu denken.

Ich wollte mir heute ein Fußballspiel anschauen, aber es ging nicht; auch mein Onkel war fußballbegeistert.

Er ist schon lange tot.

Manchmal denke ich mir, der Sinn meines Lebens ist nur, es irgendwie auszuhalten; an Entfaltung, Aufblühen, Gelingen brauche ich gleich gar nicht denken.

Hier, an dieser Stelle im Text,  fehlt ein Satz, so etwas wie: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich unser!













©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 8. April 2016

330 Fast wie ohne Worte

Mein erschrockenes und trauriges Herz, so jung noch und verletzlich, und doch so müde und alt!








©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 6. April 2016

329 Leerlauf

Endlich höre ich wieder die Amseln in der Morgendämmerung, und – diesmal deutlich – den Autoverkehr. Der Wind bewegt einen der vier offenen Fensterflügel, nur den linken äußeren, zuerst macht er ihn sanft zu, dann wieder auf; und zwar lautlos, kein Tuschen und kein Kleschen. Dann rührt er ihn nicht mehr an und er bleibt bewegungslos wie die anderen drei. Ich nehme an, es war der Wind, aber es heißt ja auch, der Geist wehe wo er wolle. Welcher auch immer.

Ich denke an den Wundertäter, aber es fällt mir dazu nichts ein. Das stimmt nicht ganz; eingefallen ist mir schon etwas, aber beim Schreiben hat es sich als nicht recht praktikabel herausgestellt; ich wußte mit der Idee nicht weiter.

Jetzt höre ich aus dem Verkehrslärm einen kleinen LKW heraus. Die kalte Morgenluft läßt mich nun husten.

Das Fenster ist wieder geschlossen und es ist still; bloß eine fernes, kaum hörbares Pochen ist zu spüren. Ich spüre manchmal dieses Pochen auch als einen leichten Druck im Ohr. Für den Herzschlag ist es mir zu schnell. Außen oder innen, wo kommt es her? Jetzt klingt das Pochen mehr wie ein Rotationsgeräusch einer fernen Maschine, aber eine Waschmaschine ist es dennoch nicht; so lange und ausdauernd schleudert keine Waschmaschine. Das Haustor fällt ins Schloß. Jetzt verflacht das Pochen etwas und klingt mehr wie ein Motor im Leerlauf. Aber auch das ist es nicht, denn wer läßt schon den Motor seines Autos mehr als eine halbe Stunde laufen? Leerlauf ist gut; mit dem Wort kann ich mich anfreunden.

Also das Surren kommt aus mir, aber das Pochen? Jetzt höre ich es nur noch und spüre es kaum, mehr eine Schwingung als ein Pochen. Es ist eindeutig da. Ich versuche es mit einem unbekannten inneren Organ abzutasten, vielleicht ein bisher übersehenes Echolot. Das Phänomen verändert sich unter meiner Beobachtung. Zeitweise übertönen die schrillen Frequenzen des Surrens das Pochen und ich muß es wieder suchen, wenn ich es hören will. Jetzt finde ich es nicht mehr. Doch, da ist es wieder als ein unbestimmtes, weit entfernt Geahntes, ganz weit weg, das aber langsam näher kommt, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf halte, und wieder deutlicher wird.
Ich bin müde, ich werde schauen, ob ich nochmals schlafen kann. Nun sinke ich vornübergebeugt und gekrümmt hockend wie in einen Teich hinab.












©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

328 Wundertäterfragment 13

„Hey Wundertäter!, ich werde dich ab jetzt Spiderman nennen!“
„Hm, ja …“ Der Wundertäter wußte darauf nicht recht zu antworten.


„Hast du schon eins?“
„Nein.“
„Und du? Du hast sicher schon eins!“
„Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute!“
„Oh, pardon! Gerade hatte ich eine am Telefon, die in der Sauna abgehoben hat. Das hat …

Aber wer hat dann so viele? Wir haben schon fast zehn?“
Die xy.“










©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 5. April 2016

327 Hervortreten

Ahh!, jetzt ist sie wieder da, die Angst beim Aufwachen. Die Lebensangst am Morgen und die Angst davor, wie es weitergehen kann mit der Existenz. Die Angst, ins Leben hinauszutreten.
Ich habe das Fenster geöffnet und mit dem Hinterhofgeruch aus dem Lichtschacht dringt und dröhnt auch Hubschrauberlärm herein und verstärkt das Gefühl der Bedrohung. Das Tuckern, das immer näher kommt – bei mir löst es Kriegsangst aus; eine Amsel schreit schnell und – wie mir scheint – verzweifelt dazwischen - das schaut nach einer handfesten Projektion aus. Oh!, jetzt wird es wieder laut, der Hubschrauber muß über dem Haus sein. Was fliegen die die ganze Zeit über unserem Haus? Wie Angriffswellen, jetzt kommt der nächste. Ich bekomme heftige Gefühle der Abwehr und unterstelle denen Wichtigtuerei mittels Lärmerzeugung. Ein Kind weint kurz. Jetzt wird es still. Die Hubschrauber sind fort, nur manchmal höre ich sie noch ganz leise von der Ferne. Eine aufgeregte Ruhe ist eingetreten, eine unechte Ruhe, die noch vom Schrecken vibriert, der jederzeit wieder ausbrechen kann. Wie mächtig die alle sind mit ihrer legalen Lärmproduktion. In meinen Ohren wieder das Surren. Es wirkt wie der Nachhall von diesem Kriegslärm. Es ist mir unangenehm, das so zu sehen, denn bisher habe ich mich vom Surren weder erschrecken noch irritieren lassen.

Das ferne Dröhnen eines Flugzeugs erhöht kurz den Bedrohungspegel, dann wird mir klar, daß es im Landeanflug auf Schwechat ist. Und jetzt wieder der Hubschrauber. Noch ganz weit weg. Und wieder ein Flugzeug. Der Hubschrauber kommt nicht näher. Das Brausen einer Klospülung bleibt beinahe unter der Schwelle meiner Aufmerksamkeit. Eine Tür wird zugeschlagen. Die Spülung zischt noch in hohen Tönen, bevor sich ihr Ventil schließt; der Wasserkasten ist voll.

Gläser klirren. Ich komme in der Stille nicht wirklich zur Ruhe, mein Geist flackert noch aufgeregt hin und her und hängt sich ans nächste Flugzeug. Die Fensterflügel stehen so starr so offen, daß es auf mich wie eine Botschaft wirkt, wie eine Warnung, die ich jedoch nicht wirklich verstehe. Jemand hustet. Und wieder heult ein Flugzeug. Wir sind tatsächlich von Unmengen an explosivem Material umgeben; jedes Auto eine potentielle Bombe. Da kann sich der Verkehrslärm noch so zurückhalten, ich spüre es. Und wieder ein Flugzeug. Die „normaleren“ Geräusche wirken vor diesem Hintergrund nicht echt, sondern wie Aktivismus zum Vertreiben der Angst. So tun, als ob alles harmlos wäre. Sein Getrieben-Sein verrät es. Wieder ein Flugzeug. Ganz ferne ein Hubschrauber. Und jetzt ein ganz kurzer, schüchtern wirkender Ruf einer Amsel. Damit will ich nun aufhören.
Wieder ein Flugzeug. Eine Krähe ruft lange und ausdauernd. Es ist nur eine Pause zwischen den Kriegen. Jederzeit kann die Hölle wieder ausbrechen.













©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 4. April 2016

326 Staubtuch

Heute eine zickige Annäherung ans Schreiben. Ich dachte schon, der Faden wäre endgültig gerissen. Weil ich alles geputzt habe, sehe ich überall Staub.
Das indifferenteste Gefühl, das ich jemals hatte. Nichts. Kein existentialistisches, bedeutungsschweres Nichts. Einfach ein Nichts, bedeutungslos, ein nichtiges Nichts.
Irgendwer im Haus stapft schnell und laut umher und tuscht und klescht mit den Türen. Ich bin es nicht und mein Geist ist es auch nicht. Ohne Büchertürme und ohne Türme aus CDs schaut mein Zimmer ganz anders aus. Wo hab ich das Staubtuch hingegeben?












©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

325 Nachtrag 25.3.

Jetzt warte es einmal ab, bis deine geträumten Texte durchkommen. Seit Tagen schreibst du in den Träumen Texte und wunderst dich beim Aufwachen, daß sie nicht im Notizbuch stehen. Sicher, die Blätter leuchten gelblich und die Schrift grünlich, das fällt mir erst im Wachzustand als ungewöhnlich auf. Aber es ist nur noch eine kleine Hürde, bis du zu den Texten durchkommst. Das müssen dann inspirierte Texte sein und – ich erinnere mich – sehr sorgfältig und konzentriert geschrieben und zusammengestellt. Wahre Meisterwerke. Sonette womöglich. (Frag mich jetzt nicht, was genau Sonette sind.)
Ich habe etwas verpasst und ich werde gleich etwas finden, das schon fertig da ist, in mir oder sonst wo. Sofort bin ich etwas aufgeregter, das Surren begleitet heute eine heimchenartige Singstimme, aber sehr leise, sehr zart, sehr dünn. Seit Tagen in einem fieberlosen Fieber, die Barrieren niedriger als sonst, aber zu den geträumten Texten komme ich gerade noch nicht hin.









©Peter Alois Rumpf    März 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

324 Nachtrag 24.3.

In der Mitte der Stirn ein Bulk aus ziehender Masse, darunter, an der Nasenwurzel, wird’s rinnend. Und kitzelt im Niesreiz. In der Brust ein gerade schlafender Hustendrache, jederzeit bereit aufzuwachen und loszubellen.
In den Augen Tränen; im Ohr findet man, wenn man ein wenig bohrt, auch einen versteckten, unangenehmen Schmerz, ein wenig ungewöhnlich.

Jetzt explodiert's in der Nase, ein Kribbelschauer geht von da aus durch den ganzen Körper und seine nähere Umgebung, selbst an den Knöcheln flirrt und flimmert der Nachhall.

Jetzt ist der Husten wach und stößt seine Stöße nach außen, relativ zivilisiert im Moment, in der Nacht war er stärker und schmerzhafter. Nervöses Zehenbewegen, und Fingergeklopfe am Fensterbrett. Draußen schneit es in großen Flocken, die pointillierte Landschaft ganz still, der mächtige Berg ist in den Wolken verschwunden. Das Schneien wird immer schneller, als hätte es doch Versäumnisangst, oder Angst zu spät zu kommen. Das Weib lackiert sich die Fingernägel vor Hunger. Langsam und unaufhaltsam bereitet sich das Niesen vor, schwebt vor meinem Gesicht herum, tränt meine Augen, kitzelt und reizt, bis es endlich explodiert, von einem Ahhh!-Schrei begleitet, die Nase rinnt, das 367igste Taschentuch zum Wegwerfen, die Nase rinnt immer noch, um das Schreiben nicht zu unterbrechen ziehe ich den Rotz auf, aber diesen Wettkampf verliere ich; als ein Tropfen ins Notizbuch zu stürzen droht, lege ich den Schreibstift schnell weg und greife schnell nach dem Taschentuch, schon feucht, gleich wieder zum Wegwerfen, 368, versuche zu schreiben, während ich mit der linken Hand ein Taschentuch an die Nase halte. Geht so lala.
Mir fällt auf, wenn ich die niederfallenden Schneeflocken vorm dunklen Hausdach draußen durch das drei Meter entfernte Fenster betrachte, wirken sie hektisch und schnell. Wenn ich ans Fenster trete und das Gesamtbild betrachte, mit der Landschaft, die im Wolkenschleier noch zu sehen ist, wirkt alles ruhiger und friedlicher. 369. 370.

Manche Schneeflocken scheinen nicht landen zu wollen, verständlich, noch besteht die Gefahr, am Boden zu schmelzen. Ein Hustenanfall shattert meine Handschrift, während meine Nase abgewischt werden will. Schon wieder bildet sich ein Tropfen, Kugelschreiber weg, Taschentuch, wisch, tupf, die Haut ist an den Nasenlöchern schon etwas wundgerieben. Manche Schneeflocken streben kurz vorm Landen in der Wiese wieder in die Höhe. Rotz, schneuz, 371.

Diese Gefühl einer Sperre im Kopf oder knapp vorm Gesicht, eine bamstige Sperre aus der es ständig rinnt. 372 und 373, ich komme mit dem Wegwerfen nicht nach.

Und jetzt, unten in der Gaststube, kommt wieder eine Explosion, die bläst es mir bei der Nase, dem Mund, den Ohren und hinten hinaus, wie der steirische Panther auf alten Darstellungen sein Feuer, letzteres völlig unerwartet, in aller Öffentlichkeit. Boden tu' dich auf, damit ich versinken kann. Er tut es nicht, dafür schmerzt wieder das Kreuz, das war schon vorbei.







©Peter Alois Rumpf    März 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com


323 Nachtrag 20.3.

Denn so, wie das Alltagsbewußtsein trainiert ist, ist es für dieses eine Schuld, sich außerhalb desselben zu bewegen.

Ein kleines Katzenhaar fliegt durch die Luft. Heute würde ich zu meiner Assistentenrolle stehen. Leichte Beklemmung ums Herz herum.

Dreiuhrfünfzehn morgen. Kann nicht schlafen. Ärgere mich. Kreuzschmerzen.











©Peter Alois Rumpf    März 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

322 Nachtrag 19.3.

Jenseits von Gut und Böse. Friedlich aufgewacht. Verschlafen. Alles ist gut.

„Wen hast du lieber, den Vati oder die Mutti?“
„ ... “
„Na, Peter, sag, wen hast du lieber?“
Panik, Verlegenheit, Erstarrung.
„Hast du den Vati lieber oder die Mutti?“
Achselzucken.
„Na sag schon! Wen hast du lieber?“
„Weiß nicht ...“
„Irgendwen wirst du lieber haben!“ „Geh lass ihn, du machst ihn ganz verlegen, er wird beide gleich lieb haben. Gell, Peter, du hast beide gleich lieb!“
Verlegenes, aber erleichtertes Nicken. Erleichtert, weil gerade noch durch die Inquisition gekommen. Große Verlegenheit, das Gefühl gelogen, mich blamiert, versagt zu haben.

Jetzt bin ich schon so alt und kämpfe immer noch wie einer, der gerade in die Welt gekommen ist. Wie macht das ein wildes Tier?











©Peter Alois Rumpf    März 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com