327 Hervortreten
Ahh!, jetzt ist sie wieder da, die Angst beim Aufwachen. Die
Lebensangst am Morgen und die Angst davor, wie es weitergehen kann mit der
Existenz. Die Angst, ins Leben hinauszutreten.
Ich habe das Fenster geöffnet und mit dem Hinterhofgeruch
aus dem Lichtschacht dringt und dröhnt auch Hubschrauberlärm herein und
verstärkt das Gefühl der Bedrohung. Das Tuckern, das immer näher kommt – bei
mir löst es Kriegsangst aus; eine Amsel schreit schnell und – wie mir scheint –
verzweifelt dazwischen - das schaut nach einer handfesten Projektion aus. Oh!,
jetzt wird es wieder laut, der Hubschrauber muß über dem Haus sein. Was fliegen
die die ganze Zeit über unserem Haus? Wie Angriffswellen, jetzt kommt der
nächste. Ich bekomme heftige Gefühle der Abwehr und unterstelle denen
Wichtigtuerei mittels Lärmerzeugung. Ein Kind weint kurz. Jetzt wird es still.
Die Hubschrauber sind fort, nur manchmal höre ich sie noch ganz leise von der
Ferne. Eine aufgeregte Ruhe ist eingetreten, eine unechte Ruhe, die noch vom
Schrecken vibriert, der jederzeit wieder ausbrechen kann. Wie mächtig die alle
sind mit ihrer legalen Lärmproduktion. In meinen Ohren wieder das Surren. Es
wirkt wie der Nachhall von diesem Kriegslärm. Es ist mir unangenehm, das so zu
sehen, denn bisher habe ich mich vom Surren weder erschrecken noch irritieren
lassen.
Das ferne Dröhnen eines Flugzeugs erhöht kurz den
Bedrohungspegel, dann wird mir klar, daß es im Landeanflug auf Schwechat ist.
Und jetzt wieder der Hubschrauber. Noch ganz weit weg. Und wieder ein Flugzeug.
Der Hubschrauber kommt nicht näher. Das Brausen einer Klospülung bleibt beinahe
unter der Schwelle meiner Aufmerksamkeit. Eine Tür wird zugeschlagen. Die Spülung
zischt noch in hohen Tönen, bevor sich ihr Ventil schließt; der Wasserkasten
ist voll.
Gläser klirren. Ich komme in der Stille nicht wirklich zur
Ruhe, mein Geist flackert noch aufgeregt hin und her und hängt sich ans nächste
Flugzeug. Die Fensterflügel stehen so starr so offen, daß es auf mich wie eine
Botschaft wirkt, wie eine Warnung, die ich jedoch nicht wirklich verstehe.
Jemand hustet. Und wieder heult ein Flugzeug. Wir sind tatsächlich von Unmengen
an explosivem Material umgeben; jedes Auto eine potentielle Bombe. Da kann sich
der Verkehrslärm noch so zurückhalten, ich spüre es. Und wieder ein Flugzeug.
Die „normaleren“ Geräusche wirken vor diesem Hintergrund nicht echt, sondern
wie Aktivismus zum Vertreiben der Angst. So tun, als ob alles harmlos wäre.
Sein Getrieben-Sein verrät es. Wieder ein Flugzeug. Ganz ferne ein
Hubschrauber. Und jetzt ein ganz kurzer, schüchtern wirkender Ruf einer Amsel.
Damit will ich nun aufhören.
Wieder ein Flugzeug. Eine Krähe ruft lange und ausdauernd.
Es ist nur eine Pause zwischen den Kriegen. Jederzeit kann die Hölle wieder
ausbrechen.
©Peter
Alois Rumpf April
2016
peteraloisrumpf@gmail.com
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