Sonntag, 10. April 2016

331 Ohne Worte

Ich werde das Bild von den an ihren Zungen an den Tisch genagelten Frauen nicht los. Mein Onkel hat das getan, der große Bruder meiner Mutter, von ihr bewundert, zu ihm hat sie aufgeschaut. Jetzt finde ich keine Ruhe. Ich versuche das Entsetzen wegzuschieben, aber es gelingt nicht wirklich. Ich ahnte schon, daß er als SS-Mann an Verbrechen beteiligt war, aber das war abstrakt. Gestern habe ich erfahren, daß dieser Onkel im Rausch öfters von seinen Untaten geredet hatte. Lange hat es gebraucht, bis diese Geschichte zu mir durchgekommen ist. Gestern Abend hat sie mich erreicht. Mir war schon ein paar Stunden vorher schlecht. Und jetzt ist es so, daß ich mich an keinen Tisch setzen kann, ohne daran zu denken.

Ich wollte mir heute ein Fußballspiel anschauen, aber es ging nicht; auch mein Onkel war fußballbegeistert.

Er ist schon lange tot.

Manchmal denke ich mir, der Sinn meines Lebens ist nur, es irgendwie auszuhalten; an Entfaltung, Aufblühen, Gelingen brauche ich gleich gar nicht denken.

Hier, an dieser Stelle im Text,  fehlt ein Satz, so etwas wie: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich unser!













©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com


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