Freitag, 22. April 2016

343 Zuerst hatte ich Besuch, dann war ich am Sprung

Habe gerade Besuch. Von anorganischen Lebewesen. Vermutlich. Und von einer Facebookfreundin; ich frage sie gerade, wo man in Klosterneuburg gut essen kann. Kein Siebensternelokal,  in dem einundzwanzig Kellner um einen herumtanzen und beim Essen zuschauen, sondern ein gutes, aber normales Gasthaus. Oder Restaurant. Wegen meines geplanten Ausflugs mit meiner Tochter zum Esslmuseum. Diese Friend ist meines Wissens nicht anorganisch, aber bloß in meiner Phantasie hier. Was man sich halt alles so ausdenkt.
Wer ist noch da? Moment, ich komme gerade von ihr nicht los … so, jetzt. Geht schon. Ein Engel auf Holz, gehörte eigentlich auch zu den Anorganischen. Der Johannes Tauler als Zeichnung, der Juan de la Cruz drüben bei der Bücherwand. Eine Flasche aus Fiuggi ... Okey! Stop! Das gilt nicht. Nur wirkliche Besucher gelten, nicht ihre Abbilder. Ob aus Fleisch und Blut oder als Geist – wurscht! Aber nicht als Abbildung oder Gedanke. Gut. Eine Motte. Die ist auch kein richtiger Besucher, denn möglicherweise lebt sie hier. Dann halt niemand. Es ist eh schon spät. Nach Mitternacht.



Ich habe meine Augen noch geschlossen und bin erst im Aufwachen, aber mein innerstes Bewußtsein ist schon am Sprung; es will auf und es sagt noch im Finstern: „es ist schon 7:28!“  Und es freut sich schon auf die Wahlen übermorgen. Es kommt mir so zwar frisch und jugendlich vor, aber auch ausgesprochen naiv in seiner Morgeneuphorie und seinem Wahlenoptimismus.

Meine äußeren Teile sind noch nicht so weit, die schlafen noch und wälzen sich im Bett, wehren sich träge gegen das Aufwachen. Aber dieses innerste Bewußtsein gibt nicht auf. Na gut, drehen wir halt das Licht auf. Tatsächlich: Siebenuhrdreißig. Die innere Zeitansage vor zwei Minuten hat exakt gestimmt. Und jetzt?

Draußen herrscht bereits die Ab-in-die-Schule-Hektik (an der ich historisch nicht unschuldig bin), aber eine Tochter bereitet sich vor, indem sie am Klavier langsam, ruhig und konzentriert ein paar schöne, berührende Akkorde spielt. Ja, so läßt sich der Tag beginnen.

Ich stehe auf und stopfe die Wäsche in die Waschmaschine. Das ist mein Part. Ich werfe meinen Kindern noch heimlich einen Segen nach, als sie bei der Tür hinausgehen. Und ich lache mich dabei aus. Von wegen klerikalem Getue; ich kann meinen priesterlichen Kindheitstraum doch nicht lassen. Oder ein Teil von mir. Ich bestehe eindeutig aus mehreren Parteien. Wer der Bundespräsident ist, weiß ich nicht. Möglicherweise abwechselnd. Schweizer Modell. Eine Monarchie wäre mir jedoch lieber. Alles mehr aus einem Guß. Und Kontiniutät. Pluralis Majestatis. Klingt doch schon ganz anders. Und auch der König David hat verrückt getanzt. Das geht also auch. Der König des eigenen Lebens sein. Vielleicht stecke ich auch in der Prinz-Charles-Falle, es regiert immer noch meine Mutter? Oder mein Vater? Oder gar der Döbereiner? Wer weiß! Die französische Revolution war auch sehr grausam. Außerdem kann ich kaum Französisch. Gerade ein paar Brocken, die ich kaum auszusprechen wage; ich käme mir bei meiner schlechten Aussprache ungebildet und plebejerhaft vor. Nicht adelig genug für die französische Revolution. Und der franziskanische Ausweg? Alles dem Vater hinschmeißen und nackt herumlaufen? Alles bebrüdern und beschwistern und mit Tieren und Bäumen reden und den Papst als Vater anerkennen und ihm Gehorsam leisten? (Wer wäre mein innerer Papst?). Zieht mich mehr an als ich zugebe. Aber nein, das Demonstrative mag ich nicht, zumindest nicht, wenn es zu auffällig ist. (Stimmt das wirklich, was du da sagst?). Also doch Demokratie? Wer bringt alle meine inneren Parteien unter einen Hut? Oder unter eine Überschrift? Oder unter eine Fahne? Oder unter ein Wappen? Oder wenigsten unter einen Namen? Ja, ja, ich weiß schon, was die Zauberer sagen, obwohl ich es nicht recht verstanden habe. Na gut. Gehen wir ans Üben.










©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com



0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite