343 Zuerst hatte ich Besuch, dann war ich am Sprung
Habe gerade Besuch. Von anorganischen Lebewesen. Vermutlich.
Und von einer Facebookfreundin; ich frage sie gerade, wo man in Klosterneuburg
gut essen kann. Kein Siebensternelokal,
in dem einundzwanzig Kellner um einen herumtanzen und beim Essen
zuschauen, sondern ein gutes, aber normales Gasthaus. Oder Restaurant. Wegen
meines geplanten Ausflugs mit meiner Tochter zum Esslmuseum. Diese Friend ist
meines Wissens nicht anorganisch, aber bloß in meiner Phantasie hier. Was man
sich halt alles so ausdenkt.
Wer ist noch da? Moment, ich komme gerade von ihr nicht los
… so, jetzt. Geht schon. Ein Engel auf Holz, gehörte eigentlich auch zu den
Anorganischen. Der Johannes Tauler als Zeichnung, der Juan de la Cruz drüben
bei der Bücherwand. Eine Flasche aus Fiuggi ... Okey! Stop! Das gilt nicht. Nur
wirkliche Besucher gelten, nicht ihre Abbilder. Ob aus Fleisch und Blut oder
als Geist – wurscht! Aber nicht als Abbildung oder Gedanke. Gut. Eine Motte.
Die ist auch kein richtiger Besucher, denn möglicherweise lebt sie hier. Dann
halt niemand. Es ist eh schon spät. Nach Mitternacht.
Ich habe meine Augen noch geschlossen und bin erst im Aufwachen,
aber mein innerstes Bewußtsein ist schon am Sprung; es will auf und es sagt
noch im Finstern: „es ist schon 7:28!“
Und es freut sich schon auf die Wahlen übermorgen. Es kommt mir so zwar
frisch und jugendlich vor, aber auch ausgesprochen naiv in seiner
Morgeneuphorie und seinem Wahlenoptimismus.
Meine äußeren Teile sind noch nicht so weit, die schlafen
noch und wälzen sich im Bett, wehren sich träge gegen das Aufwachen. Aber
dieses innerste Bewußtsein gibt nicht auf. Na gut, drehen wir halt das Licht
auf. Tatsächlich: Siebenuhrdreißig. Die innere Zeitansage vor zwei Minuten hat
exakt gestimmt. Und jetzt?
Draußen herrscht bereits die Ab-in-die-Schule-Hektik (an der
ich historisch nicht unschuldig bin), aber eine Tochter bereitet sich vor,
indem sie am Klavier langsam, ruhig und konzentriert ein paar schöne,
berührende Akkorde spielt. Ja, so läßt sich der Tag beginnen.
Ich stehe auf und stopfe die Wäsche in die Waschmaschine.
Das ist mein Part. Ich werfe meinen Kindern noch heimlich einen Segen nach, als
sie bei der Tür hinausgehen. Und ich lache mich dabei aus. Von wegen klerikalem
Getue; ich kann meinen priesterlichen Kindheitstraum doch nicht lassen. Oder
ein Teil von mir. Ich bestehe eindeutig aus mehreren Parteien. Wer der
Bundespräsident ist, weiß ich nicht. Möglicherweise abwechselnd. Schweizer
Modell. Eine Monarchie wäre mir jedoch lieber. Alles mehr aus einem Guß. Und
Kontiniutät. Pluralis Majestatis. Klingt doch schon ganz anders. Und auch der
König David hat verrückt getanzt. Das geht also auch. Der König des eigenen
Lebens sein. Vielleicht stecke ich auch in der Prinz-Charles-Falle, es regiert
immer noch meine Mutter? Oder mein Vater? Oder gar der Döbereiner? Wer weiß!
Die französische Revolution war auch sehr grausam. Außerdem kann ich kaum Französisch.
Gerade ein paar Brocken, die ich kaum auszusprechen wage; ich käme mir bei
meiner schlechten Aussprache ungebildet und plebejerhaft vor. Nicht adelig
genug für die französische Revolution. Und der franziskanische Ausweg? Alles
dem Vater hinschmeißen und nackt herumlaufen? Alles bebrüdern und beschwistern
und mit Tieren und Bäumen reden und den Papst als Vater anerkennen und ihm
Gehorsam leisten? (Wer wäre mein innerer Papst?). Zieht mich mehr an als ich
zugebe. Aber nein, das Demonstrative mag ich nicht, zumindest nicht, wenn es zu
auffällig ist. (Stimmt das wirklich, was du da sagst?). Also doch Demokratie?
Wer bringt alle meine inneren Parteien unter einen Hut? Oder unter eine
Überschrift? Oder unter eine Fahne? Oder unter ein Wappen? Oder wenigsten unter
einen Namen? Ja, ja, ich weiß schon, was die Zauberer sagen, obwohl ich es
nicht recht verstanden habe. Na gut. Gehen wir ans Üben.
©Peter
Alois Rumpf April
2016
peteraloisrumpf@gmail.com
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