Freitag, 31. August 2018

1082 Oder große Verwandlung?


Die Katze: das Lebewesen neben mir. Vom Lichtschacht: das reiche, füllige, tiefsinnliche Dröhnen eines Dunstabzugs. Als es aufhört: die Stille danach. Fast ein klein, ganz klein wenig beängstigend. Tiefer Atemzug.

Ich verharre in lauschender Aufmerksamkeit. „Wieviel Kilogramm kostet ein Buch?“ Ahja! Ich gleite ab! Aufscheuchendes Türenkleschen, einfach zu laut. Hinter und zwischen meinen Augen ist ein Punkt, an dem ständig in die Tiefe – will sagen in den Schlaf gezogen wird.

Die liebe kleine Tageskinderbande kommt hereingestürmt und füllt mit ihrer begeisterten Intensität, mit ihrem fröhlichen Geplauder und Jauchzen das untere Stockwerk und strahlt bis zu mir herauf. Ich halte inne und kraule der Katze den felligen Bauch.

War meine Freundin im Traum ein feistes, pralles Mannweib oder jung und schlank? Oder waren es die zwei hintereinander? Oder gleichzeitig? Oder eine große Verwandlung?








(31.8.2018)










©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1081 Nada. Totalmente nada


Ich kann nicht schreiben, während ich kaue. Das Kauen nimmt meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.

Von draußen sickert durch das einen Spalt offene Fenster die Dunkelheit herein und wird hier ein wenig aufgehellt. Aber die Substanz bleibt dunkel.

Ich zermahle schon ein wenig gedankenlos und unaufmerksam die letzten Reste und fahre mit der Zunge im Mund herum, die allerletzten Pflanzenfasern aufzustöbern.

Ich würde gerne etwas Bedeutendes herschreiben, egal was. Das Bedeutende ist auch da. Ich spüre seine Anwesenheit, kann jedoch dafür keine Worte finden. Mehr noch, ich kann es nicht erkennen.

Im Lichtschacht rauscht eine Klospülung. Ich höre das trockene Schlürfen nackter Füße am Boden. Ich höre die Katze schnurren, den Wecker ticken, meine Ohren surren. Ich schließe die Augen und horche intensiv hinaus. Vielleicht kann ich etwas auffangen von der Unendlichkeit da draußen.

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Nada. Totalmente nada.

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Mein Magen knurrt und gurgelt. Mich aber übermannt schon der Schlaf. Ich will jetzt doch lieber schlafen.







(30./31.8.2018)









©Peter Alois Rumpf                          August 2018                            peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 30. August 2018

1080 Adios! Tschüss!


Ich blicke durchs Fenster hinaus auf den Schanigarten und das pompöse, sonnenbeleuchtete Neunzehntes-Jahrhundert-Ungeheuer dahinter auf der anderen Straßenseite. Und auf die Wanderinnen und Wanderer, die am Gehsteig zwischen Lokal und Schanigarten feierlich vorbeiziehen. Einen Baum und eine Reihe von Sträuchern gibt es auch – die ich natürlich wieder zu grüßen vergessen habe (heute steht auf meinem Leiberl: „ich kann nicht grüßen“).

Einkaufszettelbotschaften hin und her via Handy – ich bin heute eindeutig mehr in dieser Welt hier präsent als sonst.

Hinter den Büschen und dem Schilfzaun schleichen auch Autos vorbei, fast ganz verdeckt, was ihren durchblitzenden Bewegungsaspekt stärker betont, in dem es die Flüchtigkeit hervorhebt. Alle Autos auf der Flucht? Wenn man „Autos“ mit „Selbst“ übersetzt, dann könnte es stimmen („wo stehst du?“ „ich steh dort drüben!“). (Fahrende Autos haben einen Dingaspekt und einen Bewegungsaspekt. Eine Kerzenflamme zum Beispiel einen Heiß- und einen Leuchtaspekt; Wasser einen Naß- und einen Fließaspekt. Etcetera. (Hihihi)).

Ein wenig versuche ich mich wieder aus dieser Realität wegzubeamen, indem ich auf das Muster des Terrakottabodens (oder was das ist) starre. Ich fürchte die zu starke Anziehung dieser Realität und daß ich und mein Blick und mein Wunschapparat nicht Distanz halten und ich als Weltfremdling, dem das nicht zusteht, abgestoßen und verjagt werde (DU nicht!).
Da löse ich die Realität durch Starren bis zum Verschwimmen auf.

Leider kann ich es noch immer nicht, mich selbst mit meinem ganzen Körper hinwegzubeamen, was durchaus zu den angeborenen menschlichen Möglichkeiten gehört.

Also muß ich es normal und rationalitätskonform machen: „zahlen“ rufen, zahlen, zusammenpacken, gehen. Adios! Tschüss!








(30.8.2018)










©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1079 Radio Swiss Jazz


Ich blicke durchs Fenster hinaus auf die Hauswand des Fünfzigerjahre-Wohnhauses auf der anderen Seite der Gasse – und schon wölbt sich der Verputz, als schaute ich von hoch oben auf ein Hügelland, wenn es nicht schon ein Mittelgebirge ist. Wie auf eine Landkarte, bloß in Grau. Im kleinen Bad- oder Klofenster mitten drinnen spiegelt sich das neunzehnte Jahrhundert von meiner Gassenseite als Ausschnitt einer Eingangstorrundung. Mit Industrieornamenten aufgemotzt, wie es damals üblich war.

Radio Swiss Jazz (aus den Lautsprechern).

Ein Stockwerk höher bildet die Jalousie des äquivalenten Fensterchens ein eigenartiges, graphisch schönes Muster, indem zwei, drei, vier Jalousielamellen nach oben geknickt sind.

Noch einen Stock höher ist im gekippten Fenster so gut wie nichts, nur eine unidentifizierbare Spiegelung zu sehen; rechts daneben jedoch eine schön verzerrte Spiegelung des gegenüber liegenden Fensterrahmens in dem kleinen Fensterchen.

Darunter ist die Spiegelung ziemlich klar und unverzerrt.

Und noch einmal darunter ist das Fensterchen mit einem Gazevorhang verhängt.









(29.8.2018)











©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 29. August 2018

1078 What shalls!


Ich kaue auf dem Wurzelstück herum. Trauer. Das Herz schwer. What shalls! Ist halt so!

Das Zimmer relativ hell nur von der Leselampe. Mein Blick jedoch verschwommen und verdunkelt; er kommt nicht mehr so ganz durch die schwere Materie innen. Die mantrische Monotonie des Kauens und seiner Geräusche.
Ich höre nicht auf, sondern mache weiter und weiter, obwohl fast kein Material zum Zermahlen mehr im Mund ist. Geschluckt wird natürlich auch.









(28./29.8.2018)











©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1077 Rühre mich fast gar nicht


Unsere Pläne und das Leben selbst! Das kennt jeder, das brauche ich nicht näher erklären. Es gibt Momente, da lösen sich die Vorstellungen auf wie Nebel an einem schönen Sommermorgen und das Leben, das pure Leben zeigt sein eigentliches Gesicht. Das pure Leben mit seinem echten Gewicht, so, daß man es spürt. Und einen vielleicht auch ein wenig erschreckt.

Das bremst jetzt sehr stark meine leichtfertige Schreiberei, weil sich da auch die Assoziationsreiterei aufhört. Aber das ist jetzt gar nicht wichtig. Gar nicht.

Anscheinend muß ich viel Mist machen und schreiben, damit ab und zu etwas fruchtbares dabei herauskommt. Momentan halte ich inne und bewege mich nicht allzu viel. Rühre mich fast gar nicht.









(28./29.8.2018)












©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 27. August 2018

1076 Ich blicke ins Leere


Ich blicke ins Leere, immer wieder für Momente herausgeholt, wenn sich Menschen oder Autobusse vorbeibewegen oder das ganz leicht wackelnde Kaffeetischchen die Lichtspiegelungen des Wassers im Glas auf der roten Resopaloberfläche hin und her zucken läßt. Ich vermeide es, Menschen direkt anzuschauen und blicke in mein Notizbuch, auf das Tischchen oder zu Boden. Das zeigt Schuldgefühle an. Weil ich da im Café bin, wo ich glaube, nicht willkommen, sondern fremd zu sein (sensible Wahrnehmung oder reine Projektion? Das ist hier die Frage). Bis jetzt war mir das wurscht – im Gegenteil, es hat mir Spaß gemacht, trotzdem sitzen zu bleiben – heute ist es mir jedoch nicht egal. Ich bleibe dennoch weiterhin sitzen und will mir noch einen Kapuziner bestellen (Tja, der Cappuccino kommt ursprünglich aus Österreich, ihr Italienfreaks!), aber habe Hemmungen, meinen Bestellwunsch auszurufen. Aha, das heißt, ich bin wieder am Rand des depressiven Abgrunds. Ich werde versuchen, geschickt zu manövrieren um den Absturz zu vermeiden. Wenn er jedoch passiert, werde ich mir trotzdem nichts vorwerfen.

Das Problem ist, daß ich, bevor ich jemanden ansprechen kann, kurzen Augenkontakt brauche, der aber von der anderen Person ausgehen muß (oder die direkte Frage, ob ich noch etwas bestellen will). Ich selber schaue nur verstohlen und lauernd (auf den richtigen Moment für die Bestellung; also auf den Augenkontakt) den Kellnern/Kellnerinnen nach, was – so vermute ich – oft oder schnell einmal als kontrollierend, bei Kellnerinnen möglicherweise auch als anlassig, jedenfalls als belästigend empfunden wird. Dabei kann ich als nicht-initiiertes Nicht-Mitglied der Gesellschaft – also als jemand ohne Bürger- Handels- Vertrags- etc. -Rechte – niemanden von mir aus ansprechen, ohne von der Person zumindest mit Augenkontakt die Erlaubnis zum Grüßen und Ansprechen bekommen zu haben, schon gar nicht darf ich sie einfach so anrufen (He! Herr Ober! Fräulein! (sagt man das noch?) etc.). Ich würde riskieren – so mein inneres Szenario – als Paria erkannt (darf keine Kaffeehäuser, Geschäfte betreten!) und wenn schon nicht gleich getötet, so im besten Fall rausgeworfen zu werden. In echt: ich habe schon tatsächlich damit spekuliert, daß hier ein Kellner auf mich zu kommt und sagt: „Sie sind hier unerwünscht!“ (Wie gesagt: das riecht schon sehr nach Projektion. Aber – Zitat Gurkenkönig: „der Paranoiker hat immer recht; er artikuliert nur falsch.“)

Jetzt bin ich ganz nah am depressiven Abgrund, darum höre ich mit diesen Spekulationen auf, lege Buch, Kugelschreiber und Lesebrille weg und schaue so herum.

Ein Schauder läuft mir über den Rücken. Ich verstehe die Geräusche um mich teilweise nicht, kann sie nicht zuordnen; Tränen steigen mir in die Augen (das kann auch die Überdosis Kaffee sein), werden abgebremst (Selbstmitleid verboten!).

Ein Nichts zu sein ertrag ich länger. Meine Signale sind viel zu schwach. Ein Nichts zu sein ist toll, wenn ich meine Ohrenstöpsel angesteckt, den MP3 aufgedreht, mit San Pedro im Rucksack losmarschiere und voller Lautstärke eingehüllt durch die Stadt gehe. Das Glück des Hans im  ... des Peterles, mein lieeeeebes Peterle, im Glück.

Ja das ist die Lösung: Spätsommerreise („Fremd bin ich eingezohogen, fremd zieh ich wihiedeher aus“).









(27.8.2018)











©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 24. August 2018

1075 Ich kann niemandem in die Augen schauen


Ich kann niemandem in die Augen schauen. Und wenn ich es doch mache, fühlt er oder sie sich überfordert oder angegriffen von meinem Zugehörigkeit erheischenden und um Lebenserlaubnis bettelnden Blick. (Zu Recht!)

Es regnet leicht. Jetzt kommt dann der Wetterumsturz (gefällt mir).
Mein Umsturz (innen) soll eine Revolution zur Befreiung sein. Obwohl noch keine Revolution wirklich gelungen ist (außen). Dennoch: der Mensch kann seinen „Paradieszustand“ wieder herstellen. Aber ganz anders, ganz anders.

Weil ich gleich wieder in so ein schweres Thema geraten bin, verstumme ich jetzt.
Mein heutiges T-Shirt: „da steht nichts drauf“.
Mein heutiger Text: „da steht nichts drin“.

Da oben am Ablagebord: die heilige Dreifaltigkeit der Espressokannen. Und die Rohre tragen hier Geschichten und Wissen. Wirklich. Kommt und überprüft es. (Paim).

Heute sind Karaffe und Wasserglas durchsichtig (gefällt mir).
Tasse und Untertasse: dunkleres Türkis (gefällt mir).

(Heute jammert das Saxophon; aber ich will das Jammern nicht mehr rehabilitieren. (Gefällt mir).)

Tränen treten mir in die Augen. Plötzlich nach einigen Lachanfällen bei der Lektüre eines Torberg-Briefes (liegt im Paim auf) aus dem Jahr 1938, wo es um seine Fluchtmöglichkeiten und die Schicksale vieler Bekannter und Freunde geht – einige sind schon im KZ – diesen Brief, den Torberg mit „Attnag-Puchheim“ unterschreibt.
Es sind jedoch keine Tränen vor Lachen, sondern Tränen der Trauer und des Schmerzes darüber, was und wen meine Altvorderen da alles zerstört, verjagt und ermordet haben. Und ich bin ein Produkt dieser Zerstörung: ohne daß mein Vater ein SS-Mann gewesen wäre, hätte ihn meine Mutter nie geheiratet – nehme ich an.

Auf dem Weg in die Innenstadt, zu schauen, ob das Buch im Handel erhältlich ist, begegnet mir ein schwarzer Mann, der auf seinem T-shirt stehen hat. „how can I pray for you?“ Aber soetwas kann ich nicht annehmen.








(24.8.2018)






©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1074 Das Bad ist frei


Kühlere Luft bringt Solidarität statt He-Hi-tze. Der Wäscheständer steht da und ragt in den Raum wie wie wie … irgendsoein utopisches Gerät. Die Blätter und Äste der Essigbäume im Hof und das schwarze Tuch mit weißem Blütenmuster an der Wäscheleine knapp unter dem Plafond schaukeln leicht im Wind. Der kleine Springbrunnen unten plätschert beruhigend? beunruhigend?  - das hängt von mir ab.

Das Bad ist frei. Ich schreite zum Rasieren.










(24.8.2018)












 ©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


Donnerstag, 23. August 2018

1073 Universum! He!


Jazziges Frühstück auswärts (Oh Luxus! Luxus! - Danke, Universum!). Noch ist es bloß bestellt und noch nicht da (wie der große Lottogewinn! Universum! He!)

Jetzt ist das Frühstück am realen Tisch in der realen Welt angekommen und schmeckt ausgezeichnet. Danke, Unvsm!

Das war Streich eins; jetzt kommt dann Streich zwei (nicht vergessen, heute noch Lottoschein kaufen!)

(Das mit der Realität muß ich so betonen, weil ich hier scheinanwesend bin; so steht es auf meinem T-Shirt.)

Am Nebentisch jammert eine Frau respektive redet mit jammernder Stimme: mein Appell von vorgestern wirkt schon. Nachdem ich jedoch beim Frühstück gegen meine Gewohnheit auch ein Marmeladebrot gegessen habe und jetzt eine kleine Schnitte verdrückt, bin ich schon sehr überzuckert und finde ihre Stimme NICHT, NICHT, NICHT süß! Mir graust vor dieser falschen Süße. Verdammt, ich nehme meinen Appell ZURÜCK. Sie will von ihrem Mann etwas und er kann nur mit großer Selbstbeherrschung darauf antworten; man sieht es seinen angestrengten Augen an und kann es an seinem in die Weite gerichteten Blick – Sehnsucht nach Flucht – erkennen. Sie geht ihm mit ihrem süßlich bettelnden Unterton gehörig auf die Nerven!

Aber ansonsten bin ich beruhigt, denn es gibt jetzt im Espresso hier auch ein paar ältere Herren und Damen.

Deshalb kann ich jetzt satt und beruhigt wieder gehen.








(23.8.2018)










©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1072 Die Hohlform des Kugelschreibers


Ich liege/lehne des Morgens in Schreibhaltung im Bett – das heißt mit drei Pölstern im Rücken einigermaßen aufgerichtet – habe aber keine Brille auf und keinen Kugelschreiber in der Hand und döse mit verschränkten Fingern vor mich hin und sinke immer wieder in leichten Schlaf. Da ist es auf einmal so, als wäre ganz nahe bei meinen Fingern der Leerraum für den Kugelschreiber entstanden. Ich meine das so: wenn ich den Kugelschreiber in der Hand halte, nimmt er Raum ein und wenn ich ihn mir jetzt wegdenke, kann man und frau sich vorstellen, wie der Hohlraum, den der Kugelschreiber eingenommen hat, stehen bleibt, als Negativform, wenn die Luft das „Loch“ nicht ausfüllt.
Und genau so einen Eindruck hatte ich, als ich so dagelegen bin: bei meinen verschränkten Fingern hat sich der Hohlraum des Kugelschreibers gebildet. Ich konnte ihn mit geschlossenen Augen als durchsichtige, nur durch Luftspiegelungen an den Kanten und Oberflächengrenzen erkennbare Form „sehen“ und an den Fingern spüren.
Und weil diese leere Form sozusagen danach schreit, habe ich mich ein wenig aus dem Dösen hoch gehievt, einen meiner Kugelschreiber in die Hand genommen und die Hohlform mit Kugelschreiber aufgefüllt. Und dann – wenn ich den Kugelschreiber schon in der Hand habe – habe ich auch die Brillen aufgesetzt, das Notizbuch genommen und zu schreiben begonnen.









(23.8.2018)










©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1071 Melancholischer Ruin


Dafür bin ich schon zu alt, um in einem Espresso zu sitzen, wo die Leute um die Dreißig sind. Möglicherweise bin ich in diesem Alter in meiner Entwicklung stecken geblieben. Studienabbruch bis Gurkenkönig: sieben, acht Jahre. Gurkenkönig bis jetzt: fast dreißig Jahre; „Wahnsinn!“ (Zitat Gurkenkönig). Und ich kämpfe immer noch um mein Gleichgewicht. Ich kann mich nur retten, wenn ich mich darauf reduziere, ein Lebewesen zu sein, das atmet, frißt, scheißt, und stirbt. Und dem es niemand vorwirft, wenn es es – zum Beispiel als Schmetterling – nicht schafft, von Skandinavien herunter über die Alpen bis nach Italien zu kommen, sondern vorher von Raubtieren gefressen wird, oder auf der Windschutzscheibe eines bayrischen LKW pickt, oder zum Beispiel in Bayern von Bayer-Monsanto-Gift verendet, oder in der St.Eiermark von irgendwelchen Witzbolden, oder einem fränkischen Arschloch und Päderasten am Putterersee, und/oder von einer tief in Schuld verstrickten Affenmenschenhorde oder von unterdückten, gequälten Kindern die Flügel ausgerissen bekommt, oder in den Alpen von rot-weiß-karierten Alpintrotteln niedergetreten wird, oder bei einem frühen Wintereinbruch erfriert. Niemand, der bei Trost ist, sagt zu dem zerquetschten Schmetterling: „so ein Versager!“

Oh! Diese schöne hochsommerhitzeliche Nachmittagselegie! Musikalisch aus den Lautsprechern unterstützt. Ein kleiner Brauner ist hier harmlos. Ein großer auch. Ich bevorzuge trotz Pater Mäderltatsch den Cappuccino. (Wird wohl auch schon gestorben sein. Zuletzt habe ich ihn vor mehr als fünfundzwanzig Jahren nicht bei den Kapuzinern in Irdning, sondern bei den Franziskanern in Wien herumsteigen gesehen – in seinem typischen, leicht breitbeinigen (Eier?), aber mit Seicherlhaftigkeit getarnten Kuttenbrunzergang.)

Jetzt trinke ich den Cappuccino kalt; die Musik ist nun nicht mehr sommerlich leicht wie vorher, aber ich liebe in der Regel sowieso die Bass-schwere melancholischere mehr.

Oh! Diese schöne Melancholie treibt mich noch in den Konsumwahn. Wieder eine neue CD auf meiner Einkaufsliste, nachdem ich nachgefragt habe, war da gespielt wird.

Paßt schon! Edler, melancholischer Ruin.








(22.8.2018)









©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 21. August 2018

1070 Jammern ist so süß!


Eine gewisse Verwirrung. Positiv. Das Wasser in der gelben Karaffe. Das Wasser im dunkeltürkisen Glas. Der schöne Kaffee in der schönen blauen Tasse auf der schönen blauen Untertasse. So einfach ist es nicht immer: Tasse – Untertasse. (Was wäre eine Obertasse?) Nicht alle Tassen im Schrank. Heiß.

Eine Fliege besucht zuerst den Rand der Kaffeetasse, dann meine rechte Hand, dann den Deckel der Glaszuckerdose, dann wieder die Tasse (außen), dann meinen rechten Ellbogen, Tasse, meinen linken Ellbogen, Tasse, meinen rechten Unterarm. Wie wirkt es sich auf die Fliege aus, wenn sie Kaffee trinkt? Spinnen bau(Tasse, rechter Zeigefinger)en dann chaotische Netze, viel ärger als unter LSD.

Mann mit Hut, aber schöner als meine zerdepschten. Gut gelagert. Schlecht gelagert.
I: kein Stress!:I
Ich bewundere Menschen, die ohne ideologische, religiöse, politische Vorbelastungen sind. Die einfach so aufgewachsen sind und sich des Lebens freuen. Ich weiß natürlich nicht, ob es solche Menschen gibt, auch wenn mir manche so vorkommen. Ich bin ja nicht blöd: in irgendeinem Horizont wächst ein jeder auf. (Doch, doch, ich durchschau schon meinen Psychomechanismus.)

Aus den Lautsprechern eine wunder-wunderschön jammernde E-Gitarre. Ich werde das Jammern rehabilitieren! Das ist meine Aufgabe: Jammern ist gut! Jammern tut gut! Jammern macht gut! Jammern ist schön! Liebe Leute: jammert euch glücklich! Jammern steigert die erotische Ausstrahlung! Jammern macht begehrt. Jammern macht Männer potent! Jammern macht Frauen geil! Völker aller Länder: bejammert euch! Jammern kann durch nichts ersetzt werden! Nur dinosauriern ist schöner als jammern. Eindeutig: Jammern macht schön! Jammern hält jung!  Leute! Macht Jam-Sessions! Jammern ist so süß!









(21.8.2018)












©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1069 Die Tür klescht zu


Endlich viele tolle Träume. Endlich lebe ich in einer reichen, bunten Welt. Das Porträt eines Helden (wer, wie was? Und vorallem: warum?)

Die Tür klescht zu. Ich weiß, wer das ist. (Ich glaube, es zu wissen).
Für mich wird es auch Zeit.
Und Schmetterlinge.
Es hilft nichts, ich muß aufstehen.








(21.8.2018)










©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1068 Kühnheit und Format


Kann ich das Ruder noch herumreißen? Gelingt es mir, in meinem Leben noch einmal in ein anderes Fahrwasser zu kommen oder ist die Altersarmut unwiderruflich vorprogrammiert? (Heute, 21.8., hätte ich mir beinahe eine ärmellose Sommerjacke mit vielen Taschen – für Reisepaß, Geld, Diamanten, MP3-Player etc. - in Hand- und Maßarbeit machen lassen. Dann bin ich doch vor meiner Kühnheit zurückgezuckt. Wäre toll gewesen! Das hätte Format! Aus den letzten Resten am Konto sich soetwas leisten.)

Freilich: kein Mensch weiß, was kommen wird. Schon gar nicht in Zeiten wie diesen. In mir regt sich seit langem wieder soetwas wie Wille; zum Beispiel will ich im Herbst zum Tensegrityworkshop in Berlin. Bis jetzt hatte ich das von vornherein abgeschrieben. Mit dem Willen kommt jedoch auch der Schmerz, wenn ich es nicht schaffe, das Geld aufzutreiben.

Ein Seufzer. Noch einmal einen Anlauf zur Veränderung machen? Ich wollte mich nicht mehr anstrengen. Ich wollte in Lebenspension gehen, bis Bruder Hein ein Erbarmen hat.









(20./21.8.2018)











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1067 Für die Kühlung


Diese /////-Schlitze sind nicht für die Halterung, sondern für die Kühlung der Vitrine. Heute habe ich länger hingeschaut. Die Leuchten sind sehr schöne Kugeln aus lauter Glasstücklein.

Innen bin ich gerade in einem Gespräch – leicht aufgeregt und ein wenig defensiv. Der Cappuccino ist ausgezeichnet.

Will ich hier einmal frühstücken? Vielleicht. Jetzt will ich gehen.








(20.8.2018)












©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 20. August 2018

1066 Lieber dösen


Ich bin aus tiefem und traumreichem Schlaf erwacht. Ganz benommen bin ich noch von diesen Reisen; mitgebracht habe ich lediglich ein paar Bruchstücke erinnerter Traumszenen.
Ich fühle mich gut - auf die zufriedene Art. Ich denke nichts, wälze keine Probleme, hinterfrage nichts – ich bin einfach ein gerade erwachtes Lebewesen. Daß die Katze gestreichelt werden will – damit kann ich umgehen – ich streichle ja auch gern. Ich weiß nicht, wer ich bin und brauch es auch nicht wissen. Ich suche nichts, auch nicht mein Auto (Selbst), auch keine Abenteuer. Ich huste ein wenig und bin damit durchaus zufrieden.

Eine helle Stimme hat jetzt im rechten Ohr zu mir gesprochen, zu schnell, zu überraschend; verstanden habe ich nichts.
Die Katze meditiert ihren Schatten an der Zimmerwand; von mir sehe ich keinen.
Der fleischgewordene Katzenschatten hat mich ein wenig gekratzt. Ich fleischgewordener Nicht-Schatten mag noch nicht aufstehen. Lieber dösen.






(20.08.2018)









©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1065 Zeit zum Aufbruch


4:30 Die Sterne leuchten noch so schön am schwarzen Himmel. Die Stille liegt ganz sanft und leicht auf diesem neuen Tag. Nur keine Lyrik! Ich kenne dich! Schon bist du in Kitsch und Lüge abgerutscht. Ich zwinge mich, den Rhythmus zu zerstören und suche postmoderne Wörter. Ich find zwar keins, doch werd ich Gottseidank gleich müde und schlafe wieder ein.


8:50 Extrem verschlafen wanke ich aufs Klo. Und als ich mich hinsetze und auf meine Füße starre, sind meine Füße riesengroß, vor allem der dunklere linke. So als schaute ich durch ein Vergrößerungsglas. Dann kommt mir der rechte größer vor, wie angeschwollen und aufgeblasen wie ein Luftballon. Verwirrt stolpere ich wieder zurück und versuche mir klar zu machen, daß ich wieder in der Realität bin (wo war ich vorher?) und einen schönen Tag vor mir habe. Ich bin noch ganz durcheinander, denn im Traum gerade vorhin hatte ich alle meine Texte verloren und nur lauter Stapel mit Fehldrucken und gelöchertes, zerschnittenes Papier gefunden. Hans P. war auch da – er behauptet, ich hätte geschrieben, er solle sich bei mir entschuldigen wie ein Lehrbub in den Fünfzigerjahren. Ich bin gleich nervös geworden, denn das wäre eine echte Chuzpe von mir gewesen – aber wer weiß, was ich alles geschrieben habe? Und so weiter, mein Gepäck finde ich auch nicht. Irgend so eine kollektive Reise.
Also: von diesem Traum noch ferngesteuert wanke ich ins Bett zurück, aber da fällt mir ein: im Traum vor dem erwähnten Traum hat mich Anthony Kiedis zum Abschied umarmt und lange an sich gedrückt und mit respektvollem, ermutigendem Unterton „Peter!“ gesagt! Ja dann kann ja nichts mehr schief gehen.


14:40 Angenehme, ein wenig hochschraubende (hahaha – ich weiß schon, wenn ich Metaphern überdrehe!) afrikanische Musik strömt aus den Lautsprechern (Rhythmus und in die Höhe ziehende Tonfolgen, die dann aber wieder sicher landen). Ich lasse es mir gut gehen.

Zu gut anscheinend, denn mir fällt nichts ein. Auch mit meinen Lesebrillen vor den Augen entsteht nichts Interessantes aus meinem verschwommen Blick, wenn ich herumschaue (die Gedanken sind schon wieder beim bayrischen Gurkenkönig, aber ich steige nicht darauf ein)(Ich weiß nicht: muß ich noch zurückschlagen oder genügt es, wenn ich ihn ignoriere?).

Ja! Ich glurre über den Brillenrand auf die glitzernden Gläser und Flaschen der Bar und jetzt ist dieser unsichtbare Nebel da! (Der Blick fällt eine wenig in sich zusammen und nimmt ein wenig mehr vom Leuchten und etwas weniger von Gestalt und Form auf.)

Die innere Uhr sagt: Zeit zum Aufbruch.







(17./20.8.2018)











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Donnerstag, 16. August 2018

1064 Hinweis extra für Döbraniten


Mit der Musik in den Ohren durch die Stadt gewandert bin ich der Schwermut ein wenig entkommen. Geholfen hat auch, daß ich einer Frau mit Kind (Hinweis extra für Döbraniten) den Weg zur U4 zeigen konnte – so bin ich mir nicht ganz nutzlos vorgekommen.

Den Hinweis auf die Döbraniten hätte ich mir ersparen können, denn jetzt muß ich wieder an den Gurkenkönig aus Bayern denken. Das war doch die größte Frechheit: ich bezahle ihn für eine Beratung und er verbraucht die Hälfte der Zeit, um herumzujammern, wie arm er ist und wie verfolgt – im Gegensatz zu mir, der ich nicht leide und mich nur wichtig machen will. So ein Arschloch! Und ich unterwürfiger Narr habe mich nicht gewehrt! Nicht wehren können – deshalb bin ich ja in die Beratung gegangen.
Weg mit dem Scheiß! Schluß! Aus! Ich will nicht, daß mein Zorn zum Haß wird. Aus.

Nieder mit dem Gurkenkönig aus Bayern!

So. Also lauert hinter der Schwermut der Zorn. Recht haben sie! Sowohl die Schwermut, als auch der Zorn.

Ich mache einen neuen Ordner auf. Der sagt: der Ordner ist leer. Gut. Ich warte.

Die Vitrine für Wein unten und für Torten oben hat an ihren Seiten lauter //////// - Schlitze in mehreren Reihen, vermutlich um für die Glasplatte für das Zwischenfach die Halterungen, so wie es gebraucht wird, anbringen zu können.

Tiefsinnigeres fällt mir nicht ein.
Ich mache mich auf – hoffentlich – meinen Weg.


Nein, die Schwermut bin ich nicht losgeworden. Den Zorn auch nicht.








(16.8.2018)









©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1063 Ihr lieben Sterne


Es ist fünf Uhr früh. Noch ist es dunkel, aber der Himmel wird schon hell und ich habe gerade noch die Capella, den Aldebaran und die Beteigeuze erkennen können. Ihr lieben Sterne, die ich so gerne betrachte, wann holt ihr mich hier heraus? Ich halte mich hier nicht mehr aus! Hier bin ich zu nichts nütze.

Ich stoppe das jetzt und stelle fest: ich habe wieder einen depressiven Schub. Ich anerkenne, daß ich eine recht lange Phase hinter mir habe, wo ich davon verschont gewesen war.

Gibt es etwas, worauf ich mich heute freuen kann? Ja. Musikhören, auch mit MP3 auf der Straße. Ein Besuch in einer meiner Lieblingsespressobars, dort vielleicht etwas lustiges schreiben. Lesen …

(Meine neueste Entdeckung: M.Blecher:  Aus der unmittelbaren Unwirklichkeit; Rumänien 1936. Eine Empfehlung von Herta Müller, der ich mich mit ganzem Herzen anschließe: ein übersehenes Meisterwerk der Moderne.)








(16.8.2018)










©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1062 Die Große Trauer


Heute Nachmittag hat sich eine Große Trauer auf mich gelegt, die jetzt, wo es schon auf Mitternacht geht, noch immer nicht weggegangen ist. Es ist der Schmerz darüber, daß mein Leben ganz anders verlaufen hätte können, wenn ich in meiner Kindheit echte Hilfe in meiner Not, echte Unterstützung und Ermutigung bekommen hätte. So muß ich nur Niederlagen einstecken, eine nach der anderen. Oft, nein, meistens kann ich darüber lachen; heute jedoch nicht. Ich wäre ja auch gerne einmal souverän aufgetreten, im Wissen, was ich kann und was ich will und wer ich bin. Ich hätte auch gerne einmal einen Raum betreten als souveräner Mann, als Bürger, als vollwertiges, voll initiiertes Mitglied der Gesellschaft. Ohne ständige Angst, aber mit dem Gefühl, daß ich im Grunde in Ordnung bin. Das durfte ich bis heute nicht erleben. Ich schleiche herum und fürchte, als Paria aufgedeckt und weggeräumt zu werden; alle anderen können alles besser; ich bin so unnötig. Wenn es darauf ankommt, werden mir meine Scherze nicht helfen. Ich möchte mich gar nicht beklagen, aber das tut so weh, so weh! Seit Stunden sitze und laufe ich mit Tränen in den Augen herum.

Gut, ich habe einen solchen schweren Anfall von Schwermut schon länger nicht mehr erlebt. Immerhin. Umso unerwarteter jedoch ist sie jetzt über mich hergefallen. Und immerhin ist keine Angst dabei. Immerhin. Nur Trauer, große, große Trauer.

Der einzige Trost ist Musik. Nein, Trost ist das falsche Wort: Musik ist das einzige, das mich wieder ein wenig aufrichten kann und die mich ein wenig atmen läßt.











(14.8.2018)















©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 14. August 2018

1061 Und die Morgenfrühe ...


Jetzt, wo ich keine Verpflichtungen habe – ein Zustand, der für meine Heilung ganz wichtig ist – merke ich erst, daß es tausend kleine Nadelstiche von „ich müßte, ich sollte“ gibt. Die Quälgeister stechen jedoch so schnell zu und gehen dann gleich wieder in Deckung, daß ich sie nicht identifizieren kann. Nur ein schlechtes Gewissen, weil ich um zehn Uhr fünfzehn immer noch im Bett liege, obwohl schon längst wach, bleibt. Dabei habe ich „Und die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit“ schon längst als Nazilied erkannt. Von einem NSDAP-Mitglied geschrieben.

Dieses Lied habe ich in meiner Kindheit gerne gesungen, denn die Sehnsucht danach, in der Früh fröhlich, gesund und tatkräftig aufzustehen und den Tag zu beginnen, war und ist ja da, und wer wünscht sich nicht, daß die Sonne nicht nur das Tal, sondern auch das Herz weitet. Nur daß die Taten Morde und Verbrechen waren, die „Fröhlichkeit“ unecht und hysterisch und eine gemeine „Hetz“ (das Wort sagt schon, daß es ums hetzen geht) und die „Gesundheit“ krank, sehr, sehr krank.

Was habt ihr mir für ein Erbe hinterlassen! Was für ein Mißtrauen gegen mich selbst vererbt! Selbst meine Zeugung zweifle ich an.

Nein, ich bleibe tatenlos; ich schwebe bloß so durchs Leben – und das kann ich genießen, wenn mich die Quälgeister nicht allzusehr stechen.








(14.8.2018)










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1060 Mein 'Heuwagen'


Mein 'Heuwagen', aufs Bücherregal gepinnt, hat sich ruckartig bewegt – vermutlich als er bei der Drehung meines Kopfes aus dem Bereich, den die Lesebrille erfaßt, in den Bereich, den die Lesebrille nicht erfaßt, gerutscht ist.

Mit den Augen suche ich das Zimmer nach Leuchtblasen ab. Als Kind habe ich die gesehen, als mir zwei Burschen, der Sepp und der Wilo, eingeredet haben, daß es da im Raum Geister gibt und ich mich nackt ausziehen muß und auf ihren Schoß setzen, um vor den Geistern geschützt zu sein.

Der Wind rüttelt herum und weht bis zu meinem Bett.

Auch jetzt könnte ich so eine Leuchtblase gesehen haben, in der Ecke rechts oben am Plafond.

„Was heißt 'könnte'! Hast du eine gesehen oder nicht?“, herrschte ihn der Biologieprofessor an, ein ausgewiesener Brutaldarwinist. Auch so ein Gurkenkönig. Weg mit dem Krempel.







(13./14.8.2018)










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1059 Weg mit dem Krempel!


Der CD-Stapel strahlt entlang seiner Kanten, von hinten beleuchtet, ungewöhnlich intensiv. Heiß ist es. Die Kabelschatten bilden ein außer Ordnung geratenes, fast barockes Ornament. Floh singt von Erbse. Das schönste zum Anschauen ist immer noch das Licht. Heller gefällt mir der Laptopbildschirm besser. O Gott! Die vielen Anatemas! Und nocheinmal pfeife ich auf den Gurkenkönig aus Bayern. Jeden Tag werde ich auf den Gurkenkönig aus Bayern pfeifen. Ich kann nicht gut pfeifen, aber das kann ich. Mir ist fast zum Weinen, was mir der Gurkenkönig angetan hat. Der Baß dröhnt ganz satt dahin und tröstet mich.
Wie der Gurkenkönig mit gesengtem Kopf, wie ein wütender Stier auf mich losgerannt ist, nachdem ich am Klo war und wieder in den Seminarraum gekommen bin – auch da lösen sich archaische und archetypische Bilder aus; nicht nur bei der Jagd nach Temposündern mit Hubschrauber.
Töten des lebensuntüchtigen Nachwuchses.
Menschenopfer.
Der Hass des Vaters auf seinen Sohn.

Nieder mit dem Gurkenkönig!

Baby, I'm your special one! (RHCP)


Ach! Weg mit dem Krempel!







(13.8.2018)








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Montag, 13. August 2018

1058 Ich pfeife auf den Gurkenkönig aus Bayern


Angenehme, schöne Musik aus Peru (Chichas). Kalter Kaffee, der mich schön macht. Das habe ich wirklich/ein wenig/überhaupt nicht nötig (Zutreffendes bitte ankreuzen!). Den Kopf ganz verdreht am aufgestützten linken Arm aufgestützt. Manchmal schiele ich durchs Fenster nach draußen – so aus dem schiefen Kopf heraus. Ich pfeife auf den Gurkenkönig aus Bayern. Ich spiele mit dem Kugelschreiber, der eigentlich ein PILOT EL-62-5-B ist, rhythmisch mit der Musik. Ich steh auf, um die Zeitung zurückzulegen und um andere Perspektiven zu haben.

Zarte Wesen mir erschrockenen Augen schweben vorbei. Das Festnetztelefon läutet. Die Heilige Maria schaut mit nicht ganz echt wirkend geneigtem Kopf züchtig zu Boden, daneben – wenn ich mich nicht täusche – der Qualtinger, der in einer Sprechblase „das Iglu brennt“ sagt. Eine gewaltig-gewagte Zusammenstellung.

Bevor ich aufs Klo gehe, platziere ich mein Notizbuch ganz bewußt, das rote Band einmal verdreht und dann in einem nach links verlaufenden Bogen hingelegt, ein kleines Haar auf die linke Seite oben nahe dem Falz getan, zwei Stäubchen verteilt und präge mir alles genau ein, damit ich weiß, ob jemand an meinem Notizbuch war, etwas vom Text gestohlen hat oder Fremdes dazu geschrieben. Beim Zurückkommen ist mir nichts aufgefallen; vielleicht aber auch, weil ich schon wieder alles vergessen hatte. Also, liebe Leserinnen: bei ungewöhnlichen Textstellen: möglicherweise fehlt etwas, oder es hat wer was hinzugeschummelt.

Wenn man sich vor das Marienkippbild stellt, schaut sie in eine andere Richtung, nach rechts, und ihr Blick ist noch trauriger und schmerzhafter und sie ist am Bild noch ganz jung.
Manche Gesichter machen von vorn einen ganz anderen Eindruck als von der Seite, womit ich jetzt nicht die Maria vom Kippbild meine, denn auf beiden Varianten schaut sie ungewöhnlich traurig und bedürftig aus, während ich glaube, daß die echte Maria eine große Zauberin war, sonst hätte sie nicht in den Himmel auffahren können. Mariae Himmelfahrt feiern wir übermorgen (das hier ist Preparacion).

In diesem Gewölbe, eingerichtet im modernen Espresso-Stil der frühen Sechzigerjahre – aber geschmackvoll und mit Intelligenz – es kommt überhaupt kein Retrogefühl auf. Vielleicht erstehen alle meine Kindheits- und Jugend-Erwartungen, Hoffnungen und Illusionen von den Toten, aber ohne den Mief von damals. Und eine junge Platane bewegt ihre Zweige und Äste für den leichten Wind. Mit kommen fast die Tränen vor Glück. (Obwohl ich mir manche Unarten nicht abgewöhnen kann.)

Am Heimweg habe ich einer Bettlerin und einem Bettler (Yin und Yang) je zwei Euro gegeben, um das Universum zu bestechen. Damit es mich nicht bestraft, weil ich glücklich bin. Was? Ich mißbrauche die Bettler für meine Zwecke? Dafür erwarte ich heute auch nicht, daß sie dankbar sind.


P.S.: ich nehme an, alle wissen, daß wir pfeifen auf den gurkenkönig ein Buchtitel von Christine Nöstlinger ist. R.I.P.







(13.8.2018)











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1057 Tausengüldenkrauttee


Mein Magen knurrt. Er hat Bitteres zu verdauen. Tausengüldenkrauttee oder etwas ähnliches.
Tausend Gulden! Wäre das schön! Aber auch die Freundschaft mit einem Kentauren wäre nicht zu verachten. Oder? Hoffe ich. Ich weiß eigentlich nicht mehr, was die alles so anstellen. Bei der Frau Katz weiß ich besser, was sie macht.

(Ich habe nachgeschaut: nur Cheiron ist gütig und weise; alle anderen Kentauren sind unbeherrscht, brutal und lüstern. Aha-Ahm.)


Meine rechte Hand unter dem Bauch der auf dieser Hand liegenden Katze ist mit mir eingeschlafen.







(13.8.2018)








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1056 Wegen Sturm Graz oder: vergleiche Daniil Charms


Meine Ohrensirenen heulen stereo, eine am linken Ohr, eine am rechten. Links tickt außerdem der Wecker, rechts schnurrt die Katz. Wenn mir jetzt zum Beispiel ein rotes oder blaues oder – wegen Sturm Graz – ein schwarz-weißes Band aus der Nase wüchse – das wäre bemerkenswert! Aber so … lassen wir es bleiben.


P.S.: Eine interessante Parallele! Vergleiche Daniil Charms: „Neue Anatomie“: „Einem kleinen Mädchen wuchsen an der Nase zwei blaue Bänder. Ein seltener Fall, denn auf dem einen Band stand 'Mars' geschrieben, und auf dem anderen 'Jupiter'.“  (aus: Daniil Charms „Fallen“;  S.139; Haffmans Verlag, Zürich; 1985)







(12./13.8.2018)








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1055 Das Verlorene darf gehen


Heute wandern schwache Schatten die Wand entlang. Der Abend beginnt. Für die kurze Distanz recht entferntes Kindergeschrei aus dem Hof. Das Radio unten redet auch. Traumaehnliche Wahrnehmung: flimmernd und stumpf. Auch so wird das Universum sich seiner selbst bewußt, vielleicht nicht ganz optimal. Ich gerate ein wenig zwischen die Stimmen.

Links hinter mit finde ich den Tod nicht: ich wollte ihn bloß anschauen. Ich drehe mich nochmals um. Nein. Nichts zu sehen. Das Surren ist ziemlich hochgefahren und jetzt gerade von links auf rechts gewechselt. Ich habe noch nie den Schwerpunkt am rechten Ohr erlebt, nur am linken.

Kirchenglocken – ich staune immer wieder, daß sie immer noch Jubel in mir auslösen und Wehmut nach irgendwas verlorenem. Trotzdem ist es gut so: Das Verlorene darf gehen; die Wehmut darf bleiben. Angeblich kann man nichts verlieren, was einem nicht wirklich gehört.







(12.8.2018)









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Freitag, 10. August 2018

1054 Maria und Josef


In der christlichen Tradition kommt der Heilige Josef als Nährvater eigentlich nicht so gut weg. Seine Frau bekommt ein Kind von „Gott“, er muß sich sozusagen unter diese Übermacht ducken und man kann schon den Eindruck haben – so wie die Geschichte vermittelt und tradiert wird – was ja nicht heißt, daß sie so stattgefunden hat: daß der Josef eine Nebenfigur war und das eigentliche Paar sind Jesus und Maria, also Mutter und Sohn. Die obszöne Mutter-Sohn-Ehe - nicht der Mann, sondern der Sohn ist der Partner und die wichtigste Bezugsperson der Frau – ist eine typische Erscheinung des Patriarchats – ich kann mich noch genau ans Schlafzimmer meiner Großeltern erinnern, wo – wie damals ganz üblich – Bilder von Jesus und Maria – gleichaltrig – hingen und im Gästezimmer dahinter ein Kriegsbild des bevorzugten Sohnes, nämlich meines Vaters als SS-Mann – die Runen wegretouchiert und in aufwändigem Rahmen – diese Mutter-Sohn-Ehe ist ja brandgefährlich, vor allem für die Töchter (Darin folge ich W. Döbereiner, der das Ganze als Matriarchat bezeichnet, worin ich ihm nicht folge), wie sich ja auch in der Kirchengeschichte zeigt: Mutter Kirche hetzt ihre kastrierten Nabelschnursöhne vor allem auf ihre weibliche Konkurrenz (so in etwa Döbereiner): die Hexen und Zauberinnen als weibliche Orientiererinnen, Heilerinnen und Transzendenzvermittlerinnen.

Irgendwann hat mich dieses Josefsbild zu stören begonnen, denn immerhin hat Josef genug Energie gehabt, den Engel, der ihn vor dem Bethlehemitischen Kindermord warnte, wahrzunehmen und zu verstehen. Damit das klar ist: zu allen Betroffenen dort in Bethlehem ist der zuständige Engel gekommen und hat ihnen gesagt: „Steh auf! Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe ...“. Josef war der Einzige, der ihn gehört und ernst genommen hat. „Engel“ sprechen dauernd zu uns und wollen uns leiten, wir sind nur zu sehr mit unserem Ego beschäftigt um ihn zu hören und zu sehen. Wobei ich vermute, daß es sich beim „Engel“ in dieser Geschichte um den „energetischen Zwilling“ (C. Castaneda) handelt, unseren „Doppelgänger“ aus reiner Energie, der sieht und mit uns, aber auch direkt mit der Transzendenz verbunden ist und weiß, was los ist. (In der christlichen Tradition würde dem am ehesten die Vorstellung des Schutzengels entsprechen)

Da also Josef zu dieser Wahrnehmung fähig war, muß er ein guter Seher gewesen sein – und ein solcher ist zwar demütig und nimmt die Vorgaben des Transzendenten (oder wie Sie das Dings nennen wollen) an, aber er ist kein Seicherl, wie er als „Nährvater“ oft rüberkommt.

Mir ist aber ganz wichtig festzuhalten: ich weiß nicht, was alles zwischen Himmel und Erde möglich ist; ich weiß nur, daß es tausendmal mehr ist, als es uns unser Pimperl-Alltagsbewußtsein vorgaukelt (wir nutzen zum Aufrechterhalten dieser unserer Alltagswelt nur Promille unserer angeborenen menschlichen Fähigkeiten). Also halte ich es für möglich, daß im sozusagen transzendenten, energetischen Bereich eine rein energetische Begegnung stattfinden kann, aus der ein Kind entsteht. Wie gesagt, ich halte so etwas für möglich, weiß es aber nicht, ob es wirklich so war oder sein kann, denn ich bin kein Seher. Wie, so vermute ich, auch meine Leserinnen und Leser nicht sind. Anfügen möchte ich noch, daß jede „normale“ irdische Zeugung auch einen energetischen, Diesseits-transzendierenden  Aspekt hat.

Viele, die eine – wie soll ich sagen – rein transzendente Zeugung für unmöglich halten, meinen dann: Josef war halt der wirkliche Vater Jesu und alles andere wurde in Glorifizierungsabsicht dazuerfunden. Das kann natürlich auch sein. Wir wissen es nicht.

Aber wenn nicht durch ein überirdisches Wunder, dann kommt mir eine ganz andere Variante viel plausibler vor. Ich betone an dieser Stelle nochmals, daß ich es nicht weiß und das eine reine Spekulation von mir ist.

Es gab in der Antike Gerüchte, daß Maria mit einem römischen Soldaten namens Panthera herumgemacht habe und der Vater Jesu dieser römischer Soldat sei. Das kann natürlich bloße Gegenpropaganda und Desinformationskampagne in den antiken Auseinandersetzungen gegen das und im Christentum gewesen sein. Für mich ist aber auch denkbar, daß sie von einem römischen Soldaten vergewaltigt wurde – die Unterstellung, ein Soldatenflittchen zu sein, widerspricht dem nicht, denn in patriarchalischen Gesellschaften wird immer der Frau die Schuld gegeben.

Zur damaligen Zeit war es üblich, die Kinder sehr früh zu verheiraten, wie es in Clan-dominierten Gesellschaften häufig ist. Das war nach damaliger Rechtsauffassung ein gültiger Ehevertrag (wie zwischen Josef und Maria). Die beiden Kinder - oder wenn der Mann schon erwachsen war (vermutlich die häufigere Variante): nur das Mädchen - lebten so lange unter elterlicher Aufsicht, bis sie als alt genug für den Vollzug der Ehe, also für den Geschlechtsverkehr, angesehen wurden. Dann zogen sie zusammen, respektive das Mädchen zum Mann („Heimholung“) und üblicherweise begann damit auch das eheliche Geschlechtsleben.

Damals gab es in Israel wegen der römischen Besatzung die Tendenz, auch die Heimholung möglichst früh anzusetzen, denn für die römischen Besatzungssoldaten waren – wie immer und überall – die jungen Mädchen Freiwild, sodaß es zu zahlreichen Vergewaltigungen kam. (Blödsinn: es „kam“ nicht zu Vergewaltigungen: die Soldaten vergewaltigten viele Mädchen.) Bei verheirateten und mit einem Mann zusammenlebenden Frauen scheinen diese Machos zurückhaltender gewesen zu sein, denn dann bekamen sie es mit dem Clan des Mannes zu tun. Die Vergewaltigung eines unbemannten Mädchens schien weniger gefährlich zu sein, denn auch für den Clan des Mädchens war diese damit erledigt und eine Schande für die Familie, wie es in solchen patriarchalischen Gesellschaften oft zu beobachten ist. Sie wurde als Hure angesehen und war nach damaligem Recht wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs zu steinigen. Dieses himmelschreiende Unrecht gibt es ja noch heute in vielen Ländern – in manchen Gesellschaften muß der Vater oder der Bruder das Mädchen töten, auch wenn sie vergewaltigt worden ist und auch bei uns gibt es das, abgeschwächt zwar und in „zivilisatorischer Verkleidung“ (W. Döbereiner), wenn ich an Mütter denke, die ihre Tochter einem Mann überliefern, der ihnen selber gefällt, aber die Tochter ohrfeigen, wenn sie mit einem Kind nach Hause kommt.

Zurück zu Josef und Maria.
Als Josef sieht, daß seine sehr junge Verlobte schwanger ist, müßte er sie als rechtschaffener und gesetzestreuer Mann anzeigen und somit der Hinrichtung ausliefern. Das tut er nicht. Er entläßt sie aus dem Ehevertrag und will seiner Wege gehen. Im Kontext der damaligen Männlichkeitsvorstellungen schon eine äußerst großzügige Tat beziehungsweise Unterlassung, die mir diesen Mann sehr sympathisch macht, denn sie zeugt von Souveränität und Stärke.

Dann – so wird erzählt – erscheint dem Josef ein Engel und sagt ihm, er soll Maria nicht wegschicken, sondern heimholen und als seine Frau annehmen. Dadurch gilt das Kind rechtlich und auch sonst als sein Kind und Maria ist nicht mehr von einer Hinrichtung bedroht. Er hört auf den Engel und macht das!

Zu dieser Version – und ich betone es zum dritten Mal, daß das meine reine Spekulation ist, die mir zwar plausibler als andere Versionen erscheint – was ja nicht allzuviel heißt – zu dieser Version würde gut passen, daß dieses Ereignis dann als Christentum aufs römische Reich sozusagen „zurückgeschlagen“ hat.

Jedenfalls ist in dieser Version der Geschichte Josef ein wahres männliches Vorbild, an dem mann sich orientieren kann und keinesfalls eine schwächliche Nebenrolle.








(9./10.8.2018)












©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


1053 Ende der Durchsage


Die Melone ist einigermaßen ausgekratzt. Sonst gibt es nichts neues. Weiterhin keine Erfolge. Nacht und schon gute Schlafenszeit. Ein Stücklein Brotrinde habe ich gefunden; es hat sich unterm Teewärmer versteckt. Ich habe es aufgegessen, weil ich nicht aufstehen wollte und zum Biomülleimer gehen. Ende der Durchsage.








(8.8.2018)











©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

1052 Mein Experiment zu Ehren des Heiligen Sankt Petrus


Ich bin ja gesellschaftlich gesehen ein Nichts und auch sonst kein allzu großes Licht vor dem Herrn – wie mir ja auch der Herr Döbereiner aus Bayern einmal ausgerichtet hat: er bedaure mich wegen meiner Ungebildetheit – aber ich dachte schon länger: bevor ich sterbe möchte ich wenigstens einmal hinter die Kulissen der gesellschaftlichen Wahrnehmungskonventionen blicken. Auf den besseren integeren Weg der Disziplin habe ich es nicht geschafft, darum will ich – so dachte ich – es mit Kraftpflanzen versuchen. Wie gesagt: einmal bevor ich sterbe. Darum hatte ich mir vor ungefähr einem halben Jahr einen San-Pedro-Kaktus gekauft – schließlich ist der Heilige Petrus mein Namenspatron.

Ich hatte mir das so vorgestellt: wenn ich mit dem Rücken zur Wand stehe – zum Beispiel bei etwas wie einer Krebsdiagnose – dann nehme ich ihn ein. Ich habe durchaus in Rechnung gestellt, dabei auch hinter meine eigene Maske zu schauen – was unangenehm sein kann. Nein: ist.
Vor Jahrzehnten hatte mir ein Freund erzählt, daß er beim ersten Einnehmen von LSD auf einen Horrortrip geraten ist und da erlebt hat, wie auf das, war er für sein Innerstes, für den (gesunden) Kern seiner Persönlichkeit gehalten hat, mit Nazistiefeln eingetreten wurde; und zwar, was die Erbärmlichkeit seiner Person betrifft, unwiderlegbar, weil die Aufdeckung seiner Lebenslügen wahr gewesen ist. Er konnte dann viele Monate lang keine Dunkelheit ertragen und mußte bei Licht schlafen und vor allem am Abend so um sechs Uhr herum (Angelus) haben ihn gewaltige Ängste heimgesucht, die kaum zu ertragen waren. Manche sind bei solchen Trips so weit abgedriftet, daß sie nie mehr in die Alltagswelt zurück fanden und im wahrsten Sinne des Wortes verrückt (Montagepunkt) geblieben sind. Daß ich soetwas erlebe könnte, hatte ich durchaus für möglich gehalten – ich gehe ja doch davon aus, daß ich gerade bezüglich meiner Person ordentliche blinde Flecken und ein illusorisches Selbstbild habe. Darum habe ich vor allen Kraftpflanzen und Drogen großen Respekt und ich habe jahrzehntelang nichts angerührt und seit über zehn Jahren auch kein Nikotin und auch nicht die christliche Droge Alkohol. (Nebenbei bemerkt: Diese vorsichtige bis ablehnende Haltung solchen Drogen-Experimenten gegenüber hatte ich – im Gegensatz zu Millionen – gerade aus der Lektüre von Castaneda bezogen.)

Natürlich kenne ich auch Berichte von Leuten, die bei der Einnahme von Kraftpflanzen und ähnlichem beglückende Reisen erlebten, sich mit allem verbunden und vereint fühlten und unglaubliche Schönheit und ergreifende Begegnungen hatten. Ich rechnete damit, daß bei meinem San-Pedro-Experiment beides und alles dazwischen passieren kann.

In letzter Zeit wurde jedoch der Wunsch, den San Pedro jetzt schon zu nehmen, immer stärker. Ich weiß nicht warum. Vielleicht hat es mit dem Psychopharmakum zu tun, das ich seit meinen Panikattacken gegen meine jahrzehntelange, schwere Depression einnehme: Einerseits, weil jetzt sozusagen das Tor in diese Richtung offen ist und ich merke, wie gut mir das tut; andererseits, weil ich befürchte, daß durch das Medikament möglicherweise doch etwas zugedeckt wird, hinter das ich schauen sollte. Denn man hat eine Depression ja nicht zufällig und sie hat einem sicher etwas wichtiges zu sagen. Ich möchte nicht sterben, ohne wenigstens einen kleinen Zipfel des Vorhangs vor meinen Lebenslügen und denen der Gesellschaft gelüpft zu haben.

Wie auch immer: meine Kinder sind nahezu erwachsen und gehen schon ihre eigenen Wege, so daß ich dachte, ich könne das Risiko eingehen (ich bin ja kein junger Mann mehr und wer weiß, ob das Herz zum Beispiel mitmacht?). Es hatte mich auch so eine Art leiser Zorn gepackt über meine lebenslange Ängstlichkeit (Peter, der Trauminet – als solcher bringe ich meinen Kindern auch nicht viel), weil ich mir in meinem Leben ständig von irgendjemandem habe Angst machen lassen und von jedem Experiment und jeder Aventure abbringen, bis ich das völlig internalisiert hatte. Kurz gesagt: ich war bereit für San Pedro.

Meine Frau und meine Kinder waren auf Reisen – ich wollte dabei unbedingt allein sein – und so habe ich mich vor ein paar Tagen auf meine San-Pedro-Zeremonie vorbereitet.

Zuerst habe ich alle offenen Fenster geschlossen oder auf gekippt gestellt; schließlich gibt es ja auch Berichte von Leuten, die im Drogenrausch aus dem Fenster gesprungen sind, in der Meinung, sie könnten fliegen. Dann habe ich eine Kerze angezündet und mir meine Amulettehalskette, ein typisch eklektizistisches (aber noch lange nicht kirchliches) Sammelsurium mit einem Tau-Kreuz aus Holz von einem Olivenbaum in Bethlehem, einem Stein aus Mexiko, in den ein kleines Relief von Psylocype-Pilzen geritzt ist – es symbolisiert für mich den Schamanismus – und einer blechernen (oder was auch immer), vielleicht geweihten Marienmedaille mit Madonna (extra für Döbraniten: ohne Kind).

Eine Zwischenbemerkung: solche Amulette-Kraftobjekt-Geschichten und Dinge wie Rituale, Zeremonien etcetera nehme halb ernst, halb unernst. Oder besser gesagt: bis zu einem gewissen Grad nehme ich sie ernst und dennoch kann ich über sie lachen und mich lustig machen.

Weiter in meiner Privatzeremonie: dann habe ich den Weihrauchkessel angeworfen – das ist mir noch nie g'scheit gelungen; ich zündel dabei immer ewig und umständlich herum, bis es endlich halbwegs raucht. Diesmal habe ich Weihrauch mit dem Namen Salomon genommen – schließlich wären ja Weisheit und die Königin von Saba nicht zu verachten.
Mit diesem Weihrauch habe ich die gesamte Wohnung geräuchert und vorallem meinen Kaktus mehrmals, bevor ich ihn abgeschitten habe. Dazu habe ich ein gepolstertes Briefkuvert über den Kaktus gestülpt, damit mich die Stacheln nicht stechen. Mit diesem Stück bin ich in die Küche, wo ich vorher alles sauber gemacht, Unnötiges weggeräumt und alles Geschirr und Besteck vorbereitet hatte.
Dann habe ich geduldig Stachel für Stachel herausgeschnitten.
Dann habe ich den Kaktus in Scheiben geschnitten, eine Scheibe roh gegessen und die anderen mit einem Rührstab zu einem Brei zerkleinert. Den Brei habe ich dann mit Wasser aufgekocht und eine zeitlang köcheln lassen.
Dann habe ich das Wasser in eine Tasse gegossen und dem Brei nocheinmal Wasser zugesetzt. Nachdem der Aufguß abgekühlt war, habe ich einen Schluck getrunken. Und dann noch einen.
Und dann noch einen Schluck. Ich warte also auf die ersten Anzeichen des Rausches, irgendeine Stimmungsänderung, eine Verschiebung der Wahrnehmung – sei es im Hören, sei es beim Sehen: nichts. Keine Visionen, keine Halluzinationen, keine Erkenntnisse - weder angenehme noch unangenehme. Das Ganze hat sich ähnlich angefühlt wie meine üblichen, traumverhangenen Zustände direkt nach dem Aufwachen oder bei starker Übermüdung vorm Einschlafen (in meinen Texte hier in der Schublade xmal nachlesbar).
Um irgendetwas zu machen habe ich ein paar Bruchstücke aus zwei ungarischen Volksliedern und einem Aborigines-Song – wo ich natürlich den Text weder kenne und noch verstehe – wo nur ein paar verballhornte Textrestbestände in meinem Gedächtnis haften geblieben sind – gesungen. Diese Bruchstücke habe ich mir immer ein wenig zu meinen „Kraftliedern“ in schweren Zuständen der Depression stilisiert; ich dachte, vielleicht können die meine steckengebliebenen Visionen ankurbeln. Nein, nichts. Nichts, was über meine vertrauten Endorphinzustände hinausgeht.

Ich trinke wieder, gieße auf, koche, trinke wieder, aber an der Situation ändert sich nichts.

Ich bin nicht unglücklich dabei, ein wenig enttäuscht, aber mehr noch muß ich innerlich darüber schmunzeln, daß mir weltfremdem Idioten nicht einmal ein Drogenrausch gelingt – das paßt doch wieder einmal super zu meinem Versagerselbstbild. Aber wie gesagt, ich habe mich nicht geärgert, nur amüsiert über meine unbeholfenen, kindischen Versuche, die Grenzen, in denen ich gefangen bin, zu überschreiten.

Vorm Einschlafen dann habe ich mir gedacht, gut, vielleicht habe ich den Kaktus falsch zubereitet und mich dann für einen zweiten Versuch am nächsten Tag entschieden.

Nach dem Aufwachen aus einem traumreichen Schlaf – es hilft nichts, die Träume hatte ich dennoch alle vergessen – bin ich dann am Vormittag gleich losgezogen und habe mir einen San-Pedro-Kaktus (der Heilige Petrus, der am Eingang zum Himmel steht und wacht) besorgt.

Diesmal habe ich meine Zeremonie gleich viel salopper und profaner durchgeführt: das Polsterkuvert drüber, abschneiden – auf Räuchern und Gebete habe ich verzichtet – beim Entstacheln war ich schon viel geschickter, in Scheiben schneiden, vermanschkern, aufgießen, kochen – aber viel länger als am Vortag. Den Aufguß trinken, neu aufgießen, trinken und zum Schluß habe ich noch den übriggebliebenen, grauslich schmeckenden Sud gegessen. Wieder warte ich auf den Rausch. Nichts. Der gleiche Effekt wie am Vortag.

Tja, anscheinend wollte mich der Heilige Sankt Petrus nicht am Himmelstor durchlassen, aber wegen aus Unwürdigkeit illegalem Versuchs eines Grenzübertritts ins Himmelreich eins über die Rübe gezogen hat er mir auch nicht. Nicht einmal das!

Oder bin ich schon drogenresistent, weil meine Endorphinausschüttung  ein Leben lang hochgefahren ist? Dann wundert mich jedoch, daß ich nicht schon längst Krebs habe.

Aber andererseits: bei der Droge Kaffee bin ich doch schon nach dem zweiten Schluck gleich auf Tatü-Tata. So wie jetzt nach drei Cappuccinos; einer heiß, zwei kalt.








(8./10.8.2018)













©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 8. August 2018

1051 Meine Wenigkeit


Das Loch im Gazevorhängchen. Fenster klacken. Ich erschrecke über die unerwartet schräge Schräge beim Hinuntergehen und klicke den Kugelschreiber aus statt an. Ich schwitze, vorallem im Gesicht. Meine Wenigkeit nimmt vorallem um die Körpermitte verdammt viel Raum ein, wie ich im Spiegel sehe. Ansonsten sehe ich in seinem verschmierten Glas im unbeleuchteten Zimmer gar nicht so schlecht aus!

Ein leichter, kühlender Windhauch schleicht sich unhörbar bei den geöffneten Fenstern herein. Mein hiniges Kreuz sagt mir: gib's auf, du bist ein alter Mann.

Äh!Äh!

Mit gekrümmtem Rücken hänge ich da und will mich beklagen – ich erlaube es mir aber nicht. Nein! Nein! Tu! Tu!

Türen kleschen, Automusikanlagen stampfen und heulen lauter als die Motoren. Angeber.








(7./8.8.2018)










©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com