1061 Und die Morgenfrühe ...
Jetzt, wo ich keine Verpflichtungen habe – ein Zustand, der
für meine Heilung ganz wichtig ist – merke ich erst, daß es tausend kleine
Nadelstiche von „ich müßte, ich sollte“ gibt. Die Quälgeister stechen jedoch so
schnell zu und gehen dann gleich wieder in Deckung, daß ich sie nicht
identifizieren kann. Nur ein schlechtes Gewissen, weil ich um zehn Uhr fünfzehn
immer noch im Bett liege, obwohl schon längst wach, bleibt. Dabei habe ich „Und
die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit“ schon längst als Nazilied erkannt. Von
einem NSDAP-Mitglied geschrieben.
Dieses Lied habe ich in meiner Kindheit gerne gesungen, denn
die Sehnsucht danach, in der Früh fröhlich, gesund und tatkräftig aufzustehen
und den Tag zu beginnen, war und ist ja da, und wer wünscht sich nicht, daß die
Sonne nicht nur das Tal, sondern auch das Herz weitet. Nur daß die Taten Morde
und Verbrechen waren, die „Fröhlichkeit“ unecht und hysterisch und eine gemeine
„Hetz“ (das Wort sagt schon, daß es ums hetzen geht) und die „Gesundheit“
krank, sehr, sehr krank.
Was habt ihr mir für ein Erbe hinterlassen! Was für ein
Mißtrauen gegen mich selbst vererbt! Selbst meine Zeugung zweifle ich an.
Nein, ich bleibe tatenlos; ich schwebe bloß so durchs Leben
– und das kann ich genießen, wenn mich die Quälgeister nicht allzusehr
stechen.
(14.8.2018)
©Peter
Alois Rumpf August 2018
peteraloisrumpf@gmail.com
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